Gesellschaftliche Differenzierung in der Wissensgesellschaft

Eine komparatistische Analyse aktueller Ansätze


Dossier / Travail, 2004

19 Pages, Note: "-"


Extrait


Inhaltsverzeichnis:

0 Einleitung

1 Begriffsdefinitionen
1.1 Gesellschaftliche Differenzierung
1.1.1 Segmentäre Differenzierung
1.1.2 Stratifikatorische Differenzierung
1.1.3 Funktionale Differenzierung
1.2 Wissensgesellschaft

2 Analyse gegenwärtiger Konzepte zur Wissensgesellschaft auf Erörterung der gesellschaftlichen Differenzierung
2.1 Ausweitung von Handlungsmöglichkeiten bei Nico Stehr
2.2 Wissensbasierung der Funktionssysteme bei Helmut Willke
2.3 Strukturelle Kopplung bei Martin Heidenreich
2.4 Rudolf Stichwehs Wissenssysteme ohne Wissenschaftssystem
2.5 Ressourcenträger bei Nicolai Egloff
2.6 Balance von Anwesenheit und Abwesenheit bei Peter A. Berger
2.7 Stratifikatorische Differenzierung bei Uwe H. Bittlingmayer

3 Vergleich der Ansätze unter dem Blickwinkel der gesellschaftlichen Differenzierung
3.1 Gemeinsamkeiten
3.2 Unterschiede

4 Zusammenfassung

0 Einleitung

In der folgenden Arbeit soll untersucht werden, wie in der gegenwärtigen Diskussion um die Wissensgesellschaft gesellschaftliche Differenzierung eine Rolle spielt. Dafür sollen die Sichtweisen einiger ausgewählter Vertreter dargestellt werden und im Anschluss miteinander verglichen werden, indem Gemeinsamkeiten und Unterschiede des jeweiligen Standpunkts zur Bedeutung gesellschaftliche Differenzierung in der Wissensgesellschaft herausgearbeitet werden.

1 Begriffsdefinitionen

Zunächst soll der Versuch einer Definition der hier zentralen Begriffe „gesellschaftliche Differenzierung“ und „Wissensgesellschaft“ unternommen werden.

An dieser Stelle ist nur ein zusammenfassender Überblick über die jeweils charakteristischen Merkmale möglich. Damit soll der Bezugsrahmen für die weitere Auswertung aktueller Konzepte zur Wissensgesellschaft gesteckt werden.

1.1 Gesellschaftliche Differenzierung

Unter Differenzierung versteht man allgemein die Aufgliederung eines Ganzen in Einzelelemente bzw. die Betrachtung dieses Ganzen unter dem Blickwinkel mehrerer verschiedener Dimensionen.

Die soziologische Ausarbeitung von Konzepten zur Untersuchung von gesellschaftlicher Differenzierung ist relativ uneinheitlich und offensichtlich längst nicht abgeschlossen.

Es wird eine zunehmende Differenzierung der Gesellschaft im Laufe der Entwicklung festgestellt. Diese verläuft stufenweise von segmentärer über stratifikatorische bis zu funktionaler Differenzierung (Kneer und Nassehi 1993, S. 122 - 140). Dabei sind die einzelnen Stufen aber nicht durch eine vollständige Ablösung der jeweiligen gesellschaftlichen Strukturen gekennzeichnet, sondern eher durch ein Hinzukommen der weiteren Stufen im Laufe der fortschreitenden Entwicklung.

1.1.1 Segmentäre Differenzierung

Unter segmentärer Differenzierung wird als unterste Differenzierungsstufe die Teilung der Gesellschaft in gleichartige Teile verstanden, was besonders für archaische Gesellschaften als charakteristisch angesehen wird. Der Komplexitätsgrad ist gering, da die gleichen Deutungsmuster und Wahrnehmungsschemata (z. B. Religion) angewandt werden. Dies beinhaltet geringe Variations- bzw. Kontrollmöglichkeiten und -erfordernisse des Verhaltens.

1.1.2 Stratifikatorische Differenzierung

Danach ist die Gesellschaft in ungleiche Schichten, das heißt verschiedene Teilsysteme mit hierarchischer Beziehung zueinander, unterteilt. Charakteristisch ist diese Form der Differenzierung besonders für die höfische Gesellschaft des Mittelalters. Allerdings wird hier noch keine signifikante Komplexitätssteigerung festgestellt.

1.1.3 Funktionale Differenzierung

Funktionale Differenzierung bewirkt die Aufteilung des Gesamtsystems Gesellschaft in verschiedenartige im Austausch befindliche Systeme mit jeweils spezifischen Aufgaben, die funktionalen Sphären. Diese funktionalen Sphären folgen jeweils typischen funktionalen Imperativen als Codes der normativen Orientierung.

Diese zunehmende Herausbildung von funktionaler Differenzierung ist charakteristisch für die moderne Gesellschaft, wie von mehreren Autoren festgestellt und ausgeführt wurde. Damit verbunden ist auch eine deutliche Steigerung von Komplexität.

Am Beginn der Debatte standen analytische Konzepte auf der Ebene der Rollendifferenzierung[1]. Vertreter sind Emile Durkheim und Georg Simmel. Durkheim begreift anknüpfend an Vorgänger gesellschaftliche Differenzierung als Arbeitsteilung, ausgelöst durch eine Zunahme von sozialer Dichte. In der modernen Gesellschaft ist die Arbeitsteilung sehr hoch und damit ist die Gesellschaft sehr heterogen differenziert. Die gesellschaftliche Integration bleibt dennoch wegen der dauerhaften Leistungsabhängigkeiten der spezialisierten Akteure erhalten, was Durkheim als organische Solidarität bezeichnet. Simmel erkennt in zunehmender Rollendifferenzierung und -spezialisierung und damit zunehmender Wahlmöglichkeiten der Individuen die Notwendigkeit der Ausbildung von Individualität als Integrationsmechanismus der modernen differenzierten Gesellschaft. Individualität kommt in Einzigartigkeit und Selbstbestimmtheit der Akteure zum Ausdruck, welche damit die unterschiedlichen Rollenanforderungen handhaben können.

Die Analysen wurden dann unter dem Blickwinkel der Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Teilsysteme fortgesetzt. Max Weber stellt an den Beginn sozialer Differenzierung die Zunahme von Zweckrationalität durch Herauslösung des Handelns aus religiös bestimmter Eindimensionalität, was eine begrenzte Pluralität von Wertmaßstäben eröffnete. Zum Beispiel ist die zentrale Wertsphäre für die Politik die Macht oder für die Wirtschaft das Gewinnstreben. Die einzelnen nebeneinander bestehenden Wertshären mit jeweils besonderer Eigengesetzlichkeit werden heute als Teilsysteme bezeichnet. Eng damit verbunden entstand theoretische und formale Rationalität als Grundlage für verallgemeinerbare Erkenntnis und universal anwendbare Regeln. Gesellschaftlich integrativ wirkt damit die bürokratische Herrschaft, die in intraorganisatorischen und rechtsstaatlichen Regelungen ihren Ausdruck findet und so Erwartungssicherheit bei den Akteuren trotz differenzierter Wertorientierungen gewährleistet.

Talcott Parsons formulierte ausgehend von seiner Feststellung, dass die Ziele des Handelns durch übergreifende normative Orientierungen geprägt ist, eine struktur-funktionalistische Perspektive gesellschaftlicher Differenzierung. Handeln wird dabei als systemhafter Zusammenhang angesehen, wobei soziale Systeme Konstellationen von miteinander interagierenden Handelnden darstellen. Soziale Differenzierung kommt dabei in Art und Unterschiedlichkeiten der sozialen Systeme nach Art und Organisation der Nutzenproduktion zum Ausdruck. Nach Parsons können soziale Systeme nur dauernd existieren, wenn genau vier funktionale Erfordernisse in Bezug auf die Systemumwelt und auf sich selbst (AGIL-Schema) beständig und gleichgewichtig erfüllt werden: Adaption (Anpassung an die Umwelt), Goal Attainment (Zielverwirklichung des Systems), Latent Pattern Maintenance (Mustererhaltung der inneren Ordnung des Systems) und Integration der Strukturen und Prozesse des Systems. Jedes Handlungssystem besteht dabei aus Subsystemen, die sich jeweils auf eines dieser Funktionserfordernisse spezialisiert haben aber gleichzeitig wieder auf die Funktionserfordernisse spezialisierte Subsysteme ausbilden. Dies sind hier entsprechend Verhaltensorganismus, Persönlichkeit, soziales und kulturelles System. Das soziale System ist demnach wieder in Wirtschaftssystem, politisches System, Treuhandsystem und gesellschaftliche Gemeinschaft als gesellschaftliche Subsysteme untergliedert. Die jeweiligen Differenzierungsebenen sind horizontal durch Double Interchanges (gegenseitige Austauschbeziehungen) zwischen den Subsystemen mit jeweils gleichen Funktionen verbunden, was der Integration des Gesamtsystems dient. Vertikal wirkt die Kontrollhierarchie der Funktionserfordernisse der Subsysteme integrierend. Gesellschaftlicher Wandel tritt insbesondere durch evolutionäre Leistungssteigerungen bei der Erfüllung der vier Funktionserfordernisse und damit durch immer weitere Annäherung der Systeme an das AGIL-Schema ein.

In Weiterentwicklung und Reformulierung von Parsons Systemtheorie schloss Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme an, welche die Theorie gesellschaftlicher Differenzierung bedeutend in ihrer Richtung veränderte. Luhmann ging von einer funktional-strukturell geprägten Sicht aus und sah den Sinn von Strukturbildung in der Komplexitätsreduktion als Notwendigkeit für Handlung. Er unterscheidet dabei drei Ebenen der Systembildung. Grundlegend wirken hierbei die beiden Ebenen Gesellschaft und Interaktion zusammen, wobei die Gesellschaft funktional in Teilsysteme differenziert ist, welche Leitorientierungen zur Verfügung stellen. Als dritte Ebene bilden sich dabei Organisationen als formale Handlungserwartungen heraus, welche teilsystemische Leitorientierungen bieten. Durch themenspezifische Interaktion werden in diesem Rahmen spezifizierte Handlungen möglich.

In einem weiteren Schritt wurde anstelle Handlung Kommunikation und an Stelle Komplexitätsreduktion Anschlussfähigkeit gesetzt und von autopoietischen Systemen ausgegangen. Diese zeichnen sich durch selbstreferentielle Geschlossenheit, also nicht-triviale Strukturmuster, und Transitorität, also kontinuierliche Selbsterneuerung, aus. Diese Systeme bleiben dieselben, indem die Systemzustände durch Kommunikation aneinander anschließen und sich aufeinander beziehen.

[...]


[1] Die folgenden Ausführungen zur Behandlung des Differenzierungsthemas wurden dem Fernuniversitäts-Kurs 3749 „Theorien der gesellschaftlicher Differenzierung“ von Uwe Schimank entnommen.

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Résumé des informations

Titre
Gesellschaftliche Differenzierung in der Wissensgesellschaft
Sous-titre
Eine komparatistische Analyse aktueller Ansätze
Université
University of Hagen
Note
"-"
Auteur
Année
2004
Pages
19
N° de catalogue
V87752
ISBN (ebook)
9783638029940
Taille d'un fichier
397 KB
Langue
allemand
Annotations
"Ausgehend von den zentralen Begriffen "Wissen" und "Differenzierung" wurden neuere Ansätze referiert. Das geschieht in einer außerordentlich übersichtlich gegliederten Art und Weise. Die Kernpunkte der einzelnen Theoreme werden - sofern das in der Kürze möglich ist - sachkundig herausgearbeitet. - Eine kenntnisreiche und gut geschriebene Arbeit." Kommentar des Dozenten Dr. Udo H. Schwarz 06.06.2004
Mots clés
Gesellschaftliche, Differenzierung, Wissensgesellschaft
Citation du texte
Beate Nobis (Auteur), 2004, Gesellschaftliche Differenzierung in der Wissensgesellschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87752

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