1 Vorbemerkungen
Aus Sicht der Fächer "Ethik", "Normen und Werte" und "Religionskunde" gilt die Religionswissenschaft als "Basisdisziplin"1. Umgekehrt ist unter Religionswissenschaftlern längst Konsens, daß die ursprünglich nur auf die Ausbildung des eigenen akademischen Nachwuchses zugeschnittene Fachdidaktik auch in anderen Bildungsbereichen Geltung beanspruchen kann. So fragt heute niemand mehr ernsthaft danach, "ob und inwiefern die religionswissenschaftliche Fachdidaktik für die aus allgemein didaktisch-pädagogischer Sicht eher wichtigeren Ebene des vorschulischen, schulischen und nachschulischnichtakademischen Lernens relevant geworden ist bzw. werden könnte"2.
Mit einer bloßen "Grundsatzentscheidung" über die außer-universitäre Funktion des Faches ist es selbstverständlich nicht getan, es sei denn man begnügt sich mit der Rolle einer Materiallieferantin und übt sich im blinden Vertrauen auf die Kompetenz und das Verantwortungsbewußtsein der Unterrichtspraktiker. Ihrem Ruf als didaktische "Bezugswissenschaft" wird die Religionswissenschaft nur in dem Maße ernsthaft gerecht, wie sie sich unter ihrem spezifischen Blickwinkel in die Diskussion über die konkrete Vermittlung des bereitgestellten Wissenskontingentes auch außerhalb der Universitäten einzubringen vermag.
Der vorliegende Beitrag schaltet sich in diese Debatte ein. Ausgangspunkt ist die didaktisch relevante Hypothese, daß in bestimmten Fällen ein visueller Zugang dem Verständnis religiöser Sachverhalte zuträglicher ist als ein Studium "heiliger" Schriften. Erinnert sei hier nur an den hohen Stellenwert der Ikonen innerhalb des orthodoxen Christentums3 oder an die Tatsache, daß japanische "Kulturtechniken" wie das Ikebana, die Teezeremonie und diverse Kampfsportarten zenbuddhistische Prinzipien reflektieren4. Im vergleichbaren Sinne ist in den nachfolgenden Abschnitten vom Hinduismus die Rede. Seine visuelle Dimension und die daraus erwachsenden didaktischen Möglichkeiten werden exemplarisch an Ganesha, der bekannten elefantenköpfigen Gottheit mit dem Beinamen "der Herr der Hindernisse" veranschaulicht.
Inhaltsverzeichnis
- Vorbermerkungen
- Argumente für einen ikonographischen Zugang zum Hinduismus im Rückgriff auf Ganesha
- Zum religionswissenschaftlichen Stellenwert nicht-sprachlicher Quellen
- Der Hinduismus als "Orthopraxie" und Religion des "Sehens"
- Ganesha als sachgemäßer und lerngerechter Unterrichtsinhalt
- Ganeshas im sachanalytischen Aufriß
- Didaktische Auswertung
- Emotionale Widerstände gegenüber der "Skurillität" der Ganesha-Ikonographie als didaktische Chance
- Zum symbolischen Gehalt hinduistisch interpretierter Ganesha-Ikonographie
- Didaktische Anschlußmöglichkeiten
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der vorliegende Beitrag plädiert für einen ikonographischen Zugang zum Hinduismus, um didaktische Hindernisse zu überwinden. Er argumentiert, dass visuelle Quellen für das Verständnis religiöser Sachverhalte von großer Bedeutung sind, insbesondere im Hinduismus, der als "Orthopraxie" und Religion des "Sehens" gilt.
- Der Stellenwert nicht-sprachlicher Quellen in der Religionswissenschaft
- Der Hinduismus als Praxisreligion mit visuellem Fokus
- Die Relevanz von Ganesha als ikonographisches Lehrbeispiel
- Didaktische Möglichkeiten und Herausforderungen im Umgang mit der Ganesha-Ikonographie
- Das Potenzial der Religionswissenschaft für den religionskundlichen Unterricht
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Abschnitt des Textes erläutert die Relevanz der Religionswissenschaft als Basisdisziplin für Fächer wie Ethik, Normen und Werte und Religionskunde. Es wird betont, dass die Fachdidaktik nicht nur für die akademische Ausbildung relevant ist, sondern auch für andere Bildungsbereiche.
Im zweiten Kapitel werden Argumente für einen ikonographischen Zugang zum Hinduismus im Rückgriff auf Ganesha vorgestellt. Es wird dargelegt, dass die Berücksichtigung nicht-sprachlicher Quellen in der Religionswissenschaft von großer Bedeutung ist, da schriftliche Quellen nur einen begrenzten Einblick in die religiöse Lebenswelt bieten. Der Hinduismus wird als "Orthopraxie" und Religion des "Sehens" beschrieben, die durch ihre visuelle Dimension und die alltägliche Praxis geprägt ist.
Der dritte Abschnitt bietet eine sachanalytische Beschreibung der Ganesha-Ikonographie. Im vierten Kapitel werden didaktische Überlegungen zum Umgang mit der skizzierten Thematik im Unterricht angestellt. Es werden die emotionalen Widerstände gegenüber der Ganesha-Ikonographie als didaktische Chance betrachtet und der symbolische Gehalt der Ikonographie analysiert.
Schlüsselwörter
Hinduismus, Ikonographie, Ganesha, visuelle Quellen, nicht-sprachliche Quellen, Religionswissenschaft, Fachdidaktik, Orthopraxie, Didaktik, Unterricht, Symbol, Religionsgeschichte, visuelle Kultur
- Quote paper
- Prof. Dr Frank Usarski (Author), 2007, Ganesha als Überwinder didaktischer Hindernisse - Plädoyer für einen ikonographischen Zugang zum Hinduismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87753