Aggressives Verhalten als externalisierende Problemverarbeitung männlicher Jugendlicher


Trabajo de Seminario, 2006

42 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definitionen und Begriffseingrenzungen
2.1 Aggression
2.2 Aggressives Verhalten
2.3 Gewalt
2.4 Zusammenfassung und Weiterführung

3. Diskussion theoretischer Ansätze
3.1 Das triebtheoretische Modell
3.2 Die Frustrations-Aggressions-Theorie
3.3 Lerntheoretische Ansätze
3.4 Zusammenfassung und Weiterführung

4. Empirische Befunde
4.1 Genetische, hormonelle und biologische Erkenntnisse
4.2 Die Gleichaltrigengruppe und spezifisches Rollenverhalten
4.3 Die temporäre Verschiebung gewalttätigen Verhaltens
4.4 Einfluss und Auswirkungen medialer Gewaltdarstellungen
4.5 Zusammenfassung und Weiterführung

5 Prävention und Intervention
5.1 Prävention auf verschiedenen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens
5.1.1 Die intrinsische Einstellung der erziehenden Person
5.1.2 Prävention durch projektbezogene Jugendarbeit
5.1.3 Prävention auf politischer Ebene
5.2 Intervention mittels Anti-Aggressivitäts-Trainings (AAT)

6. Zusammenfassung und abschließendes Fazit

7. Literaturverzeichnis

1.Einleitung

Das Jugendalter gilt als eine der schwierigsten Entwicklungsstufen. Zum einen muss ein Kind innerhalb weniger Jahre starke körperliche Veränderungen durchmachen, die aus ihm schließlich einen Erwachsenen machen sollen, und zum anderen macht es natürlich auch innere Entwicklungen durch. Jugendliche in der Pubertät wirken oft sehr eigenwillig, verhalten sich scheinbar seltsam und durchleben extreme Gefühlsschwankungen. Als Rebell erlebt der Jugendliche in seiner Pubertät die so genannte "Sturm und Drang" Zeit. Auch aus diesem Grund sind, nicht nur an den Schulen, zunehmend aggressive Verhaltensweisen zu beobachten.

In Zeiten erhöhter Jugendkriminalität, gestiegener Zahlen gemeldeter Gewalttaten an Schulen, wachsendem Auftreten von organisierten Jugendbanden, hohem Level an gezeigter Gewalt in den Medien und der im Alltag zu spürenden gestiegenen Zahl von gewalttätigen Übergriffen unter Gleichaltrigen im allgemeinen, ergibt sich die Frage nach dem „Warum?“ und damit die Relevanz, sich mit dem Thema Gewalt unter Jugendlichen auseinander zusetzen. Den Hauptanteil gewalttätiger Übergriffe verbuchen dort die männlichen Jugendlichen für sich, wobei die Entwicklung gestiegener Mädchengewalt, auch organisiert an Schulen, auffällt. In dieser Arbeit soll demnach aufgrund der höheren Auftretungsdichte das Hauptaugenmerk auf die Gruppe der männlichen Jugendlichen gelegt werden.

Es ergeben sich also, speziell nach Vorkommnissen wie sie unlängst an der Rütli-Schule in Berlin passierten, folgende Fragen: Wie können wir aggressives Verhalten generell versuchen zu erklären? Welche psychologischen Theorien gibt es, die aggressives Verhalten zu erklären versuchen? Wie äußert sich Jugendgewalt im Alltag? Wie kann man der Ausübung von Gewalt entgegenwirken, bzw. vorbeugen oder wenn der Punkt des „Vorher“ bereits überschritten ist, wie kann man möglichst erfolgreich intervenieren?

In der vorliegenden Arbeit soll sich zusammengefasst mit dem aggressiven Verhalten männlicher Jugendlicher befasst werden, wobei die gewalttätigen Handlungen unter dem Aspekt der externalisierenden Problemverarbeitung betrachtet werden. Unter Heranziehung der verschiedenen Aggressionstheorien soll erörtert werden, in welchem

Maße aggressives Verhalten angeboren, erlernt oder als Verarbeitungsmittel von Frustration benutzt wird.

Zunächst werden die Begrifflichkeiten, mit denen wir uns in dieser Arbeit auseinandersetzen, abgegrenzt definiert und erklärt. Dabei gilt es auch zu klären, inwieweit die sich häufig synonym verwendeten Begriffe Gewalt, Aggression und aggressives Verhalten gleichsetzten lassen.

Empirische Befunde zum Thema der Gewalt bei Jugendlichen werden gegenüber gestellt und kritisch diskutiert.

In der Folge werden Ansätze zur Intervention und Prävention dargestellt und beleuchtet. Abschließend erbringen wir eine Zusammenfassung mit Fazit.

Wie bereits oben erwähnt ist durch die ständige Aktualität von Gewalttaten die Relevanz für dieses Thema gegeben. Darüber hinaus haben wir uns für dieses Thema entschieden, da wir später in dem Bereich zur Förderung der emotionalen und sozialen Entwicklung arbeiten wollen und hier unsere Schwerpunkte bereits während des Studiums setzen möchten.

Es stellt sich uns die Frage, wie sich die Entstehung der Gewalt, speziell bei Jungen, erklären lässt und warum es zu diesen Äußerungen kommt.

Gerade im Hinblick auf das spätere Arbeitsfeld ist diese Frage für uns von einiger Bedeutung.

2. Definitionen und Begriffseingrenzungen

Aufgrund der oft synonym verwendeten Begriffe Gewalt und aggressives Verhalten, sehen wir an dieser Stelle die Notwendigkeit eben diese Begriffe zu definieren und gegeneinander abzugrenzen. Um dies zu gewährleisten, wird eine Definition des Begriffs Aggression vorangestellt.

2.1 Aggression

Das Substantiv Aggression meint wortgeschichtlich etwa Angriffslust, Kriegsbereitschaf t oder bewaffneter Raubüberfall. Die ursprüngliche Bedeutung des lateinischen Verbs ad-gredi kann mit Herangehen, Annähern und Antriebskraft, also zielgerichteten Handlungsweisen übersetzt werden (vgl. SCHULTZ-HENKE 1969, S. 23). Der Aggressionsbegriff darf jedoch nicht gleichgesetzt werden mit jeglicher Form von Aktivität, vielmehr verbirgt sich dahinter ein schädigendes, negatives Verhalten, das eindeutig von nicht aggressivem Verhalten abgegrenzt werden muss. Als Aggression werden alle Verhaltensweisen bezeichnet, bei der ein Lebewesen ein anderes bedroht oder angreift. Beim Menschen kann Aggression entweder gegen andere Menschen, gegen sich selbst oder gegen Dinge gerichtet sein. Die menschliche Aggression äußert sich verbal, in Gestik und Mimik oder als körperliche Gewalt. Aggression ist kein exakter wissenschaftlicher Begriff. Der Begriff beschreibt eine Gruppe von Verhaltensweisen, die darauf ausgerichtet sind, anderen Personen Schaden zu zufügen (vgl. MERKENS, 1989, S. 17).

Zur Täterbezeichnung wird häufig die Benennung Aggressor verwendet, wobei das Adjektiv aggressiv ein streitsüchtiges, herausforderndes Verhalten, bis hin zum bewaffneten Angriff beschreibt (vgl. PFEIFER, 1993, nach BIEDERMANN, PLAUM, 1999, S. 13).

2.2 Aggressives Verhalten

Es gibt verschiedene Definitionen von aggressivem Verhalten. Allen gemeinsam ist, dass es sich um ein Verhalten mit Schädigungsabsicht handelt und dass das Verhalten vom möglichen Opfer als verletzend empfunden wird. Des Weiteren umfasst Aggression Einstellungen oder Absichten (Motivation), Ärger (Emotion) und ein daraus resultierendes Verhalten (z.B. schlagen). Im Alltagsdenken wird der Begriff Aggression mit bestimmten Verhaltensweisen assoziiert. Zu diesen prototypischen Vorstellungen von Aggression zählen Verhaltensweisen, wie Schlagen, Treten, Kneifen, Beißen. Diese sind begleitet von Emotionen wie Wut oder Verärgerung. Darüber hinaus gibt es die indirekte, soziale und relationale Aggression, die in der Literatur als unprototypisch bezeichnet wird (vgl. SCHEITHAUER, 2003, S. 119). Mit relationaler Aggression werden Verhaltensweisen innerhalb der Gleichaltrigengruppe, die sich auf Aspekte wie Zugehörigkeit und Akzeptanz beziehen, bezeichnet. Dieses Verhalten ist zielgerichtet, wie beispielsweise absichtliches Ausschließen aus der Gruppe.

Aufgrund der unterschiedlichen Hypothesen zur Entstehung von Aggression, lassen sich verschiedene Ausdrucksformen von aggressivem Verhalten ableiten.

1. Impulsive (reaktive) Aggressivität entsteht als Reaktion auf eine wahrgenommene Bedrohung oder Provokation. Sie ist emotionsgeleitet.
2 . Instrumentelle Aggressivität hat das Ziel, indirekt etwas Bestimmtes zu erreichen, wobei sie als feindselig bezeichnet wird, wenn einem Individuum direkter Schaden zugefügt wird.
3. Bei der Imitativen Aggressivität verbündet sich die Person mit einem aggressiven Modell, zur Unterstützung und Verstärkung seiner eigenen aggressiven Antriebsdynamik.
4. Die Identifikative Aggressivität bezieht sich auf gruppenverstärkte Aggressionsformen, in denen das Individuum neue Verhaltensweisen und Aggressionsvarianten erprobt und verinnerlicht (vgl. MERKENS, 1989, S. 21ff).

Darüber hinaus werden Ausdrucksformen von Aggressivität als offen bezeichnet, wenn sie feindselig, trotzig, impulsiv und unkontrolliert sind. Verdeckt sind sie dann, wenn instrumentell und eher kontrolliert gehandelt wird. Als aktiv werden sie bezeichnet, wenn sie zielgerichtet sind, um etwas Bestimmtes zu erreichen. Räuberisch sind sie dann, wenn sie kontrolliert, zielorientiert, geplant und versteckt ablaufen. Affektiv ist die Ausdrucksform von Aggressivität dann, wenn sie unkontrolliert, ungeplant und impulsiv geschieht (vgl. SCHEITHAUER, 2003, S. 19).

Forschungsarbeiten haben bestätigt, dass Menschen mit einer Tendenz zu der ein oder anderen Art von Aggression unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale besitzen. Beispielsweise waren Menschen, die eine Neigung zu impulsiver Aggression angaben, häufig mit hohen Werten auf dem Faktor emotionale Eigenschaften ausgestattet. Das heißt, dass sie im Allgemeinen starke emotionale Reaktionen auf eine Bandbreite von Situationen zeigten. Demgegenüber zeigten Menschen, die eine Neigung zu instrumenteller Aggression angaben, hohe Werte auf dem Faktor der positiven Bewertung von Gewalt. Diese Menschen waren der Ansicht, dass viele Formen der Gewalt gerechtfertigt sind und akzeptierten auch keine moralische Verantwortung für aggressives Verhalten. Diese Befunde zeigen, dass nicht alle Arten der Aggression aus denselben zugrunde liegenden Persönlichkeitsfaktoren hervorgehen.

Die meisten Menschen zeigen weder extrem impulsive noch extrem instrumentelle Aggression. Menschen geraten nicht beim kleinsten Ärgernis in einen Wutanfall oder begehen vorsätzlich Gewalttaten. Dennoch verhalten sich sogar die sanftmütigsten Menschen in manchen Situationen aggressiv (vgl. GERRIG, ZIMBARDO, 2004, S. 807f).

2.3 Gewalt

Eine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs Gewalt gibt es nicht, da seine Verwendung in Abhängigkeit von dem jeweiligen Erkenntnisinteresse stark variiert. Dieses Fehlen einer klaren Definition verursacht insbesondere Probleme bei der statistischen Erfassung von Gewalt. Gewalt im negativen Sinne wird häufig als schädigende Einwirkung auf Andere verstanden. Als Gewaltformen werden psychische oder physische, personale oder strukturelle (oder auch kulturelle), statische oder dynamische sowie direkte oder indirekte unterschieden. Ein engerer Gewaltbegriff, auch als „materialistische Gewalt“ bezeichnet, beschränkt sich auf die zielgerichtete, direkte physische Schädigung einer Person. Der weiter gefasste Gewaltbegriff bezeichnet zusätzlich die psychische Gewalt, etwa in Form von emotionaler Vernachlässigung oder Deprivation, und in seinem weitesten Sinn die „strukturelle Gewalt“. Zudem fällt Vandalismus unter diesen Gewaltbegriff, wenngleich sich die Einwirkung nicht direkt gegen Personen richtet (vgl. HANKE, 1998).

Weniger eindeutig als im Falle von Aggression gestaltet sich eine worthistorische Erschließung des Gewaltbegriffs. Ursprünglich geht das Wort Gewal t auf das hochdeutsche Verb „waltan“ zurück. Dieses bedeutet „stark sein“, “beherrschen“. Der Herkunft nach kann das Wort Gewalt im Sinne der gestaltenden Machtausübung verwendet werden, in Anlehnung an Schlüsselgewalt oder Staatsgewalt, wie sie schon im Grundgesetz als öffentliche bzw. rechtssprechende Gewalt benannt ist

(vgl. NEIDHARDT 1986, nach BIEDERMANN, PLAUM, 1999, S. 10).

Neuerliche Bedeutungszuschreibungen sondern einen Aktionsbegriff von diesen Vorstellungen ab, da Gewalt als Gewalttätigkeit verstanden wird. In Anlehnung an die lateinischen Worte vis bzw. violentia steht somit der besondere Zwang im Vordergrund, mit dem ein Widerstand gebrochen werden soll.

Es ist das Bedeutungsfeld der sozialen Konfliktaustragung, welches zu den unterschiedlichsten Anwendungen bezüglich des Gewaltbegriffs, in unserem Sprachgebrauch führt. Denn innerhalb des Kontextes sozialer Konfliktaustragung ist der Begriff Gewalt mehrdeutig. Menschen meinen Unterschiedliches, wenn sie einander oder übereinander sagen, dass sie Gewalt ausgeübt oder erlebt haben (vgl. HANKE, 1998).

Der Begriff Gewalt steht immer im historischen und sozialen Kontext. So kann heute eine gewaltfreie Sitzblockade juristisch als Anwendung von psychischer Gewalt interpretiert werden. Ebenso werden heute Maßnahmen, die bei ihrer Einführung als „humane Errungenschaft“ bezeichnet wurden, als gewalttätige Maßnahme definiert, wie beispielsweise die Guillotine oder der elektrische Stuhl. Auch werden - kulturell unterschiedlich - gewalttätige Aktivitäten gesellschaftlich toleriert. Hierzu gehören Sportarten wie das Boxen aber auch individuelle Neigungen, wie der Sadomasochismus. Die Veränderung der gesellschaftlichen Sicht führt auch zur Inakzeptanz teilweise Jahrhunderte alter, blutiger Traditionen wie der Beschneidung, auf Grund der weit reichenden Folgen besonders bei der weiblichen Form.

Im heutigen Umgangssprachgebrauch wird unter Gewalt überwiegend eine gewalttätige Vorgehensweise verstanden (vgl. ESSER und DOMINIKOWSKI, 1993, nach BIEDERMANN, PLAUM, 1999).

2.4 Zusammenfassung und Weiterführung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Gewalt als eine Teilmenge von Aggression zu sehen ist. Sowohl umgangssprachlich wie auch fachintern werden diese Begriffe auch parallel benutzt. In dieser Ausarbeitung werden wir aus den oben angeführten Gründen folgende terminologische Eingrenzung als Verständigungsbasis nutzen: Aggressives Verhalten und Gewalt, sei sie physisch oder psychisch, sind Verhaltensweisen, die mit der Absicht ausgeführt werden, jemandem zu schaden.

3. Diskussion theoretischer Ansätze

Im Folgenden sollen unter diesem Punkt drei der am häufigsten in der wissenschaftlichen Literatur behandelten psychologischen Aggressionstheorien, der triebtheoretische Ansatz, die Frustrations-Aggressions-Theorie und die Lerntheorie, zur Entstehung, bzw. Klärung der Ursachen von aggressivem Verhalten vorgestellt und diskutiert werden.

3.1 Das triebtheoretische Modell

An dieser Stelle sollen zwei wesentliche „triebtheoretische Ansätze zur Erklärung sozial-schädlicher Reaktionsbereitschaften“ (BIEDERMANN/PLAUM, 1999, S. 16) vorgestellt werden: der psychoanalytische Ansatz nach SIGMUND FREUD und der ethologische Ansatz nach KONRAD LORENZ.

Triebtheoretische Sichtweisen haben die Annahme gemein, dass dem Menschen aus biologischen Gegebenheiten und genetischen Ursachen die Vorraussetzung für aggressives Verhalten grundlegend innewohnt, bedeutet, dass der Hang zur ausgelebten Aggression angeboren ist. (vgl. BARON, 1994 et al., nach BIEDERMANN/PLAUM, 1999, S. 16) Anders ausgedrückt gehen triebtheoretische Erklärungsansätze von der Vermutung aus, dass der Mensch gesteuert von Trieben und Instinkten, in bestimmten Schlüsselsituationen dem Drang ausgesetzt ist, sich zielgerichtet aggressiv zu verhalten, um diesem Drang gerecht und somit von ihm befreit zu werden; dies geschehe auch unter Einfluss eines erbgenetischen Anteils. (vgl. BIEDERMANN/PLAUM, 1999, S. 17)

Zunächst zur psychoanalytischen Triebtheorie nach FREUD, in der er zwischen zwei angeborenen Grundtrieben, dem Eros (Sexualtrieb) und dem Thanatos (Todestrieb, Aggressionstrieb), unterscheidet, wobei diese im ständigen antagonistischen Kampf zueinander stehen. (vgl. FREUD, 1942, nach HANKE, 1998, S. 68) Nach FREUD werden sämtliche Verhaltensweisen sowohl von Eros, als auch von Thanatos bestimmt, dies soll heißen, dass jede Handlung immer auch Komponenten beider Grundtriebe ineinander vereint. (vgl. FREUD 1942, nach HANKE, 1998, S. 69)

Ein weiterer maßgeblicher Punkt der Theorie FREUDs besteht in der Annahme, dass im menschlichen Organismus kontinuierlich, unabhängig von äußeren Faktoren, aggressive Energien erzeugt werden, die sich summiert zu einem Triebdrang verstärken, bis es zu einer Entladung kommt. (vgl. HANKE, 1998, S. 69) Diese Entladung durch den Todestrieb hat immer die Aufhebung des durch die summierten aggressiven Energien entstandenen Spannungsverhältnisses zum Ziel. (ebd.) Diese Entladung muss zur Vermeidung von Selbstvernichtung stattfinden, was durch Abwehrmechanismen (z.B. Verschiebung nach Außen) geschehen kann, was demnach eine Grundlage bietet für Aggression gegen andere. (vgl. BARON, 1994, nach BIEDERMANN/PLAUM, 1999, S. 17) Es können aber auch neben Handlungen gegen Personen, die zum Ziel haben diese zu verletzen, zu zerstören oder zu beherrschen, andere Objekte mit aggressiver Energie besetzt werden, selbiges soll heißen, dass nicht definiert ist, welches Mittel zur Reduktion aggressiver Triebenergie geeignet ist. (vgl. HANKE, 1998, S. 69) „Das Triebobjekt ist das Variabelste am Trieb, nicht ursprünglich mit ihm verknüpft, sondern ihm nur infolge seiner Eignung zur Ermöglichung der Befriedigung zugeordnet.“ (HANKE, 1998, S. 69) Dies führt zu der Annahme, dass der kontinuierliche und unaufhaltsame Aufbau von Triebenergie dazu führe, dass aggressive Reaktionen unvermeidbar sind und zu spontanen Aggressionshandlungen führen können, deren Gründe nicht in der unmittelbaren Umgebung zu lokalisieren sind. (vgl. MUMMENDEY, 1983, nach BIEDERMANN/PLAUM, 1999, S. 18)

„Zusammengefasst sagt die Trieblehre FREUDs, daß der Vollzug einer aggressiven Handlung die aggressive Triebenergie verringert und damit den Anreiz zu weiterer Aggression momentan reduziert; zudem vermindert jede Handlung, infolge des gleichzeitigen Auftretens von libidinöser und aggressiver Energien, sowohl die libidinösen wie die destruktiven Energien.“ (HANKE, 1998, S. 70)

Nach FREUD treten aggressive Verhaltensweisen bereits in den frühsten Phasen der Persönlichkeitsentwicklung auf; so lassen sich in FREUDs Verständnis von Aggression drei markante Phasen, in Anlehnung an die triebtheoretischen Entwicklungsphasen des Kindes, unterscheiden: In der oralen Phase beinhaltet laut FREUD, neben den üblich bekannten aggressiven Äußerungen wie Schreien und Strampeln, das Trinken an der Mutterbrust aggressive Komponenten (Beißen und Kauen). (vgl. MYSCHKER, 2005, S. 385) In der analen Phase erreicht die Aggressionsentwicklung bereits einen ersten Höhepunkt, da in der Reinlichkeitserziehung, der Wille des Kindes und der der Eltern das erste Mal in widerstrebenden Tendenzen aufeinanderprallen. (vgl. MYSCHKER, 2005, S. 385) In der ödipal-phallische Phase treten bereits komplexere aggressive Tendenzen auf, die einerseits auf eine ungestört libidinöse Beziehung zu beiden Elternteilen, andererseits aber auch auf die Beseitigung des gleichgeschlechtlichen Elternteils (Ödipusproblematik) abzielen. (ebd.)

Im Vergleich zu FREUDs psychoanalytischer Trieblehre stellen Aggression laut der ethologischen Auffassung Konrad LORENZs Instinkthandlungen dar (vgl. HANKE, 1998, S. 70), welche als angeboren und demnach erfahrungsunabhängige Verhaltensdispositionen zur Erhaltung der eigenen Art dienen und durch äußere Schlüsselreize ausgelöst werden. (vgl. MUMMENDEY, 1983, nach BIEDERMANN/PLAUM, 1999, S. 18) Die Gemeinsamkeit der beiden Modelle liegt darin begründet, dass sie ein „einfaches Energiemodell zur analogen Beschreibung“ (MUMMENDEY, 1983, nach BIEDERMANN/PLAUM, 1999, S. 19) aggressiver Handlungen gebrauchen, d.h. dass auch Konrad LORENZ davon ausgeht, es würden kontinuierlich aggressive Triebenergien erzeugt, die sich bis zur Entladung über einen bestimmten Zeitraum aufstauen. (HECKHAUSEN, 1989, nach BIEDERMANN/PLAUM, 1999, S. 19) Also geht auch LORENZ davon aus, dass Aggression aufgrund ihrer Herkunft, die auf angeborenen Kräften beruht, unvermeidbar sei (BARON, 1994, nach BIEDERMANN/PLAUM, 1999, S. 19) und dementsprechend diese Triebenergie sich „nur in einem aggressionsspezifischen Verhalten abbauen lasse.“ (BIEDERMANN/PLAUM, 1999, S. 19)

Der Theorie Konrad LORENZs liegen folgende, auf der Basis seiner Tierforschungen empirisch beobachteten, vier Annahmen zugrunde:

1. Instinkthandlungen sind in Klassen eingeteilt, denen jeweils ein Auslösemechanismus zugrunde liegt; die Auslösung einer Instinkthandlung bedarf der Überwindung einer Hemmung in Form eines Widerstandes.
2. Einer jeden Instinkthandlung einer bestimmten Klasse ist eine Klassifikation eines Umweltereignisses zugeordnet, deren Auftreten Vorraussetzung zur Erscheinung dieser Instinkthandlung ist. Unweltereignisse, auf die diese bestimmten Klassifikationen zutreffen, werden als Schlüsselreize bezeichnet.
3. Für jede Klasse von Instinkthandlungen gilt, dass der Organismus pro Zeiteinheit ein konstantes Maß an aktionsspezifischer Energie produziert, die wiederum durch jede Instinkthandlung reduziert wird. Werden diese energiereduzierenden Instinkthandlungen nun nicht ausgelöst, so bewirkt der stetig ansteigende Pegel aktionsspezifischer Energie ein Aufstauen dieser und somit einen wachsenden Druck auf den Auslösemechanismus. Das notwendige Mindestmaß an aufgestauter aktionsspezifischer Energie, das für die Auslösung einer Instinkthandlung nötig ist, variiert bei verschiedenen Schlüsselreizen. Je geringer das für die Auslösung der Instinkthandlung notwendige Ausmaß an aktionsspezifischer Energie ist, umso größer ist die Wirksamkeit eines Schlüsselreizes.
4. Da sich die Wirkungen von Schlüsselreiz und aufgestauter aktionsspezifischer Energie summiert, ergibt sich folgender Zusammenhang: Ist die Summer aus beiden kleiner als der Widerstand des angeborenen Auslösemechanismus, tritt die Instinkthandlung nicht auf. Ist die Summe aus Wirksamkeit des Schlüsselreizes und Ausmaß der aufgestauten aktionsspezifischen Energie größer als der Widerstand des Auslösemechanismus, dann hängt die Intensität der ausgelösten Instinkthandlung von der Summe aus Wirksamkeit des Schlüsselreizes und Ausmaß der aufgestauten aktionsspezifischer Energie ab.

[...]

Final del extracto de 42 páginas

Detalles

Título
Aggressives Verhalten als externalisierende Problemverarbeitung männlicher Jugendlicher
Universidad
University of Hannover  (Institut für pädagogische Psychologie)
Curso
Probleme des Jugendalters
Calificación
1,0
Autores
Año
2006
Páginas
42
No. de catálogo
V87804
ISBN (Ebook)
9783638035880
ISBN (Libro)
9783638932875
Tamaño de fichero
1565 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Aggressives, Verhalten, Problemverarbeitung, Jugendlicher, Probleme, Jugendalters
Citar trabajo
Sophia Stefanidou (Autor)Matthias Büren (Autor), 2006, Aggressives Verhalten als externalisierende Problemverarbeitung männlicher Jugendlicher, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87804

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