„Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ antwortete Jesus auf die Frage des Pilatus, ob er der König der Juden sei und deutete damit die Trennung seines Herrschaftsbereiches von dem der weltlichen Herrschaft an. Dem Christentum ist quasi seit seiner Geburtsstunde das Gegensatzpaar weltlich und geistlich eingeschrieben. Martin Luther und vor ihm Aurelius Augustinus haben diese Zwei-Reiche-Lehre theologisch ausgearbeitet und gaben der politischen Macht damit das frame vor, innerhalb dessen diese sich zum autonomen Staat entwickeln konnte.
Im Folgenden soll dargelegt werden, welche Rolle die Religion im Prozess der frühneuzeitlichen Staatsbildung in Europa eingenommen hat. Kann hierbei den Paradigmen der Konfessionalisierung und der Säkularisierung die von diesen beanspruchte Erklärungshoheit für die frühneuzeitliche Staatsbildung zugesprochen werden? Was verbirgt sich hinter dem Paradigma der Konfessionalisierung sowie dem Paradigma und dem Begriff der Säkularisierung? Dies sind innerhalb dieser Untersuchung zu klärende Fragen. Dafür notwendig ist eine Annäherung an die problematischen Begriffe von Religion und Säkularisierung, um deren Bedeutungsgehalt für diese Arbeit zu bestimmen. Zugleich werden die Probleme der historischen Forschung mit diesen Begriffen aufgezeigt. Im Anschluss daran sollen die zwei in der historischen Forschung kontrovers debattierten Paradigmen (H. R. Schmidt, Anton Schindling, W. Schulze, Michael Stolleis, L. Schorn-Schütte und Rudolf Schlögl) zur frühneuzeitlichen Staatsbildung, das der Konfessionalisierung und das der Säkularisierung, kurz vorgestellt werden. Anhand der system- und evolutionstheoretischen Überlegungen Niklas Luhmanns zur Religion der Gesellschaft – speziell der funktionalen Auffassung von Religion und Säkularisierung – soll versucht werden, eben diese Bedeutung der Religion für die in der Frühen Neuzeit stattfindenden Prozesse der politischen, sozialen und kulturellen „Modernisierung“ zu verdeutlichen. Dazu wird den theoretischen Abstraktionen Luhmanns zur Religion und Säkularisierung nachgegangen, um diese nachfolgend an einer empirischen Fallstudie, dem „frühneuzeitlichen Gesellschaftssystem“ der habsburgischen Vorlande exemplifizieren zu können. In den Augen des Verfassers bieten die Überlegungen Luhmanns eine ausgesprochen hohe Erklärungskraft nicht nur für die oben angesprochenen Fragestellungen, sondern auch für die Entwicklung der Religion in unserer heutigen Zeit, die unausweichlich gestreift werden muss.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Religion, Säkularisation und Säkularisierung – Annäherung an die Begriffe
- Religion - Begriff und Funktion(en)
- Säkularisation und Säkularisierung – konkurrierende Deutungskategorien?
- Die Forschungskontroverse um das Konfessionalisierungs- und Säkularisierungs-paradigma
- Das Konfessionalisierungsparadigma
- Das Säkularisierungsparadigma
- Die Debatte der historischen Forschung
- Luhmanns Begriffe der Religion und Säkularisierung – theoretische Ausführungen
- Politische Macht und Religion im Prozess der frühneuzeitlichen Staatsbildung – die habsburgischen Vorlande
- Die Ausdifferenzierung der politischen Macht
- Institutionelle Ausformung der katholischen Konfessionskirche
- Säkularisierung heute?
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit untersucht die Rolle der Religion im Prozess der frühneuzeitlichen Staatsbildung in Europa. Sie stellt die Frage, ob die Paradigmen der Konfessionalisierung und der Säkularisierung die von diesen beanspruchte Erklärungshoheit für die frühneuzeitliche Staatsbildung beanspruchen können. Dabei wird die Bedeutung der Begriffe Religion und Säkularisierung sowie die kontroversen Debatten der historischen Forschung zu diesen Themen beleuchtet. Im weiteren Verlauf werden die system- und evolutionstheoretischen Überlegungen Niklas Luhmanns zur Religion der Gesellschaft, insbesondere seine funktionale Auffassung von Religion und Säkularisierung, zur Erklärung der Bedeutung der Religion für die in der Frühen Neuzeit stattfindenden Prozesse der politischen, sozialen und kulturellen Modernisierung herangezogen. Die theoretischen Ausführungen Luhmanns werden anschließend anhand des empirischen Fallbeispiels der „frühneuzeitlichen Gesellschaftssysteme“ der habsburgischen Vorlande illustriert.
- Die Rolle der Religion im Prozess der frühneuzeitlichen Staatsbildung
- Die Konfessionalisierung und Säkularisierung als Paradigmen für die Staatsbildung
- Die Begriffsdefinition und Funktion von Religion und Säkularisierung
- Die kontroversen Debatten der historischen Forschung zu den Konzepten der Konfessionalisierung und Säkularisierung
- Die Anwendung der system- und evolutionstheoretischen Überlegungen von Niklas Luhmann zur Religion und Säkularisierung auf die frühneuzeitliche Staatsbildung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel der Seminararbeit führt in die Thematik ein und stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Rolle der Religion im Prozess der frühneuzeitlichen Staatsbildung. Es werden die zentralen Begriffe der Untersuchung – Religion, Säkularisation und Säkularisierung – definiert und ihre Bedeutung für die Fragestellung erläutert.
Kapitel zwei beschäftigt sich mit der Forschungskontroverse um das Konfessionalisierungs- und das Säkularisierungsparadigma. Es werden die zentralen Argumente und die Debatten der historischen Forschung zu diesen beiden Paradigmen vorgestellt.
Kapitel drei greift die system- und evolutionstheoretischen Überlegungen von Niklas Luhmann zur Religion und Säkularisierung auf. Es werden Luhmanns theoretische Ausführungen zu Religion und Säkularisierung vorgestellt und ihre Relevanz für die Untersuchung der frühneuzeitlichen Staatsbildung erläutert.
Kapitel vier analysiert die Rolle der Religion im Prozess der frühneuzeitlichen Staatsbildung anhand des empirischen Fallbeispiels der habsburgischen Vorlande. Es wird untersucht, wie sich die politische Macht und die Institution der katholischen Konfessionskirche im Laufe der frühneuzeitlichen Staatsbildung entwickelten.
Das sechste Kapitel widmet sich der Frage der Säkularisierung in der heutigen Zeit.
Schlüsselwörter
Die Seminararbeit befasst sich mit der Rolle der Religion im Prozess der frühneuzeitlichen Staatsbildung, insbesondere mit den Paradigmen der Konfessionalisierung und der Säkularisierung. Im Fokus der Untersuchung stehen die Begriffsdefinitionen und Funktionen von Religion und Säkularisierung, die kontroversen Debatten der historischen Forschung zu diesen Themen sowie die system- und evolutionstheoretischen Überlegungen von Niklas Luhmann zur Religion der Gesellschaft. Die Arbeit wird anhand des empirischen Fallbeispiels der habsburgischen Vorlande illustriert und betrachtet auch die Bedeutung der Säkularisierung in der heutigen Zeit.
- Quote paper
- Matthias Rekow (Author), 2007, Konfessionalisierung vs. Säkularisierung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87881