Zwei Wege - ein Ziel: Die Demokratisierung von Japan und Deutschland im Vergleich


Trabajo de Seminario, 2005

24 Páginas, Calificación: 1,8


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Demokratisierungsmaßnahmen und Verfassungsgebung in Japan

3. Demokratisierungsmaßnahmen der Alliierten in Deutschland

4. Der Weg zum Grundgesetz

5. Organisation und Wiederaufbau der japanischen Wirtschaft nach 1946

6. Die Zerschlagung der Zaibatsu

7. Der Dodge Plan und die Wende in der amerikanischen Besatzungspolitik

8. Der Koreakrieg und der wirtschaftliche Aufschwung Japans

9. Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft und das ERP

10. Fazit

11. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Japan und Deutschland gingen aus dem zweiten Weltkrieg als die großen Verlierer hervor. Die bedingungslose Kapitulation beider Länder stellte zugleich einen Offenbarungseid ihrer antidemokratischen Systeme dar. Da diese Länder zwei gute Bespiele für die gelungene Demokratisierung von Diktaturen darstellen, soll in dieser Arbeit die Transformation vom Nationalsozialismus in Deutschland, so wie des totalitären Tennō-Systems in Japan in Demokratien dargestellt, und gleichzeitig die strukturellen Unterschiede aufgezeigt werden. Beide Länder erlebten nach dem zweiten Weltkrieg einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung, und schafften früh den Sprung in die Weltspitze der Industrienationen. Die Organisation Freedom House bezeichnet heute beide Länder als „ free “ und wertet sie in den Einzelwertungen in den höchsten Kategorien

(http://freedomhouse.org/template.cfm?page=22&year=2005&country=6762, http://freedomhouse.org/template.cfm?page=22&year=2005&country=6742, letzter Abruf: 09.03.2006).

Das bedeutet, dass beide Länder als stabile Demokratien anzusehen sind und die Demokratisierung letztendlich funktioniert hat. Ich möchte mit dieser Arbeit aufzeigen, wie unterschiedlich die Demokratisierung der beiden Länder letztendlich aber abgelaufen ist, und die Hypothese aufstellen, dass die Form und Durchsetzung der Demokratisierungsmaßnahmen für die erfolgreiche Etablierung einer Demokratie weniger wichtig ist, als ein starker wirtschaftlicher Aufschwung wie er in beiden der untersuchten Ländern stattfand. Zunächst erscheint die von Lipset (1959) entwickelte, und von Merkel und Puhle (1999: 21 ff) beschriebene Modernisierungstheorie auf den ersten Blick als idealer Rahmen die oben genannte These zu überprüfen. Die Kernthese dieser Theorie ist, dass je wohlhabender eine Gesellschaft, gemessen am BIP pro Kopf ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie in einer Demokratie lebt. Im Hinblick auf diese Theorie würde eigentlich nahe liegen die ganz unterschiedlich Verläufe der Demokratisierungsprozesse in beiden Länder zu analysieren und anhand des BIP pro Kopf zu überprüfen, ob es tatsächlich vor allem auf diesen Indikator ankommt. Leider erweist sich dieser Indikator für die Überprüfung meiner Hypothese als ungeeignet, da die der Modernisierungstheorie zu Grunde gelegte „kritische“ Grenze von eines BIP von 3000$ pro Kopf in Deutschland und Japan in den frühen 50er Jahren bereits erreicht war und sich in den folgenden Jahrzehnten sogar vervielfacht hat. Darüber hinaus ist dieser Wert für diese Zeit nicht valide und müsste deshalb umgerechnet werden. Ein Gebrauch der Modernisierungstheorie in den ersten Jahren der Demokratisierung, Ende der 40er Jahre würde sich ebenfalls anbieten, ist aber aus dem einfachen Grund nicht durchzuführen weil für Japan in dieser Zeit einfach keine relevanten Daten verfügbar sind. Dies wäre aber ohnehin wenig sinnvoll, da sich beide Länder zu dieser Zeit noch unter alliierter Besatzung befanden was den Aussagegehalt dieser Theorie unterlaufen würde. Der Fokus meiner Analyse des wirtschaftlichen Wiederaufbaus liegt deshalb nicht auf dem Indikator BIP pro Kopf, sondern soll sich breiter gefächert mit dem gesamten Aufbau und Entwicklung der Wirtschaft in beiden Ländern befassen. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Rolle der USA die in Japan alleine agierten und in Deutschland in den Westzonen auf eine Kooperation mit Großbritannien und Frankreich angewiesen waren, sich letztendlich aber auch hier durchsetzten.

2. Demokratisierungsmaßnahmen und Verfassungsgebung in Japan

Am 6. März 1946 gab General MacArthur bekannt, dass der Japanische Kaiser und die Regierung dem japanischen Volk eine neue Verfassung präsentieren werden. Die japanische Verfassung von 1946 enthält neben einem Katalog von Grundrechten, Wie Rede-, Presse-, Religions-, und Organisationsfreiheit, dem Gleichberechtigungsgrundsatz, und dem Frauenwahlrecht vor allem die Garantie von Volkssouveränität (Ishida, 1989: 9 f). Die Verfassung sollte ein liberaldemokratisches und parlamentarisches Regierungssystem schaffen. Dobbins (2003: 44) spricht in diesem Zusammenhang von aber einem hastig gefassten und schlecht übersetzten Dokument. Und dies nicht ohne Grund. Vom Auftrag eine Verfassung auszuarbeiten, den MacArthur den Regierungsbeauftragten des SCAP am 3. Februar, unter der Leitung von General Whitney erteilte, vergingen bis zu ihrer Verkündigung gerade einmal 32 Tage. Im Vergleich zu dem Entstehungsprozess des Grundgesetzes, der mehrere Jahre in Anspruch nahm (Nicklauß, 1998) kann man sagen, dass die Prozesse der Verfassungsgebung in beiden Ländern in keinem Verhältnis zueinander stehen.

Der Umgang mit der nach Kriegsende noch intakten japanischen Regierung stellte die amerikanischen Besatzer vor drei Hauptprobleme (Dobbins, 2003: 38): (1) Zunächst musste festgelegt werden ob und wie die vorhandene Bürokratie zur Durchsetzung der Eigenen Maßnahmen genutzt werden kann. (2) Ein zweites Problem stellte der Kaiser, und die Frage über seine Zukunft dar, (3) eine dritte Frage war, wie die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen ausfindig gemacht und bestraft werden sollten.

All diese Probleme waren für General MacArthur und die amerikanischen Besatzer unter dem Primat der Demilitarisierung und Demokratisierung zu lösen. Gleichzeitig sollte sichergestellt werden, dass Japan nicht wieder zu einer Bedrohung für die Vereinigten Staaten wird, oder den Frieden in der Welt gefährdet. Ziel war es auch eine Regierung zu bilden, die friedlich ist, und die Rechte anderer Länder, als auch die Prinzipien welche in der Charta der Vereinten Nationen verankert sind respektiert, und die Ziele der Vereinigten Staaten unterstützt (Kiyoshi, 1995: 582).

Der Begegnung mit der Demokratie war für Japan nicht ganz neu. Bereits in den 1870er und 1880er Jahren war die Idee der Volkssouveränität als Bürgerrechtsbewegung vorhanden, die gegen das Tennō-System gerichtet war. Diese Bewegung konnte aber die Volkssouveränität im frühen zwanzigsten Jahrhundert nicht mehr öffentlich fordern und zielte auf eine Transformation des Tennō-System in eine konstitutionelle Monarchie (Kiyoshi, 1995: 592). Die Idee der Auffassung des Tennōs als Gott, verlor immer mehr an Einfluss, insbesondere in Kriegszeiten in denen die Verkörperung des Staates durch den Tennō jede antidemokratische Maßnahme rechtfertigte, was eine immer stärkere Distanzierung des Volkes gegenüber des Staatoberhauptes nach sich zog. In der japanischen Bevölkerung wurden deshalb die Pläne außerordentlich begrüßt, welche den Tennō nur noch zum Symbol machen sollten. Die Verfassung wurde zwar als oktroyiert angesehen, wurde aber nicht als dem Volk, sondern als der herrschenden Klasse aufgezwungenen Verfassung empfunden (Kiyoshi, 1995: 592). Zunächst entwarf die immer noch amtierende japanische Regierung einen Verfassungsentwurf, welcher einen Revisionsentwurf des Großjapanischen Reiches darstellen sollte. Dieser wurde aber vom General Head Quarter (GHQ) am 13. Februar 1946 in jedem Punkt verworfen. Ein Gegenentwurf des GHQ umfasste neben der Degradierung des Tennōs zum Staatsorgan die Formulierung von Volksouveränität und die Festsetzung eines gänzlichen Verzichts auf Aufrüstung und Unterhalt von Streitkräften, wenn auch nur zur Selbstverteidigung (Art. 9). Kiyoshi (1995: 592 f) nennt zwei Gründe dafür, warum die japanische Regierung den Verfassungsentwurf nach nur 10 Tagen akzeptierte. (1) Zum einen hätte die japanische Regierung befürchtet die Ostasienkommission würde, sollte ein weiterer Entwurf vorgelegt werden müssen, auf ein republikanisches Japan bestehen, was den gänzlichen Verlust des Tennōs nach sich gezogen hätte.

Diese Option wollte die Regierung mit allen Mitteln verhindern. (2) Zum anderen hätte MacArthur bei einer Ablehnung der Verfassung deren Grundlinien öffentlich gemacht, was auf große Unterstützung in der Bevölkerung gestoßen wäre, und die Regierung deutlich geschwächt hätte.

Die am 6. März veröffentlichte Verfassung präsentierte die japanische Regierung zwar als eigenen Entwurf, welcher aber deutlich auf den vom GHQ vorgelegten Verfassungsentwurf zurückging. Auch wenn die Verfassung nicht der Feder einer demokratisch legitimierten verfassungsgebenden Nationalversammlung entsprungen war, lässt sich dennoch sagen, dass diese Verfassung, die der herrschenden Klasse, bzw. dem Shidehara-Kabinett aufgezwungen wurde, durch die demokratischen Länder in der Ostasienkommission und letztendlich auch durch das japanische Volk durchgesetzt wurde. Das japanische Volk nahm ebenso Einfluss auf die Verfassung, als es eine Änderung einer schwammigen Formulierung der in Artikel 1 festgelegten Volksouveränität, sowie die sofortige Aufhebung des Adelssystems, die Garantie des Gleichheitsgrundsatzes und die Übersetzung des Dokuments in Umgangsprache und Silbenschrift durchsetzte (Kiyoshi, 1995: 593 f). Beratungen über die Verfassung erfolgten im Parlament, das am 10. April 1946 noch nach dem Wahlrecht des Großjapanischen Reiches gewählt wurde. Jedoch waren dies die ersten Wahlen in der japanischen Geschichte die ohne Stimmkauf und illegale Eingriffe stattfanden (Kiyoshi, 1995: 585). Als die Verfassung verkündet wurde, war es offensichtlich, dass dieses mit heißer Nadel gestrickte Dokument alles andere eine sorgfältige Entstehungsgeschichte hinter sich hatte und rückte deshalb direkt nach ihrer Verkündigung in den Fokus der öffentlichen Kritik. Halliday (1989: 155 f) weist darauf hin, dass die Ostasienkommission der Verfassung durchaus skeptisch gegenüber stand. Die Verfassung hätte nicht dem Willen des japanischen Volkes entsprochen und der Entwurf sei ohne ausreichende Zeit zur Beratung im Parlament durchgesetzt worden. Der Inhalt und die die Art und Weise der Durchsetzung hätten deshalb ein Gefühl der Feindseligkeit in der japanischen Bevölkerung gegenüber der Verfassung hervorgebracht. Aber trotz des offensichtlich fremden Ursprungs fand sie auch breite Unterstützung in Teilen der Bevölkerung, und wurde bemerkenswerter Weise bis heute nicht verändert (Dobbins, 2003: 43 f). Neben der Verfassungsgebung an sich, stellte die Reform der Regierung, der Administration und der Bürokratie für die Besatzer eine große Herausforderung dar. Eine Militärregierung wurde abgelehnt, es sollte eine eigenständige und Umfangreiche Bürokratie aufgebaut, und zunächst mit der japanischen Administration kooperiert werden (Halliday, 1989: 110 f).

Für die Verwaltung war eine Fortexistenz geplant, der ganze Beamtenapparat sollte aber gesäubert werden und die Kriegsschuldigen und Kriegsverbrecher zur Rechenschaft gezogen werden. Ähnlich der Entnazifizierung wurden ab 1946 Befragungen durchgeführt. Aber diese Säuberungsaktionen begrenzten sich hauptsächlich auf das Militär und die militärischen Eliten. 79,6% der Amtsenthebungen machten die ranghohen Militärs aus, während die Verwaltungseliten genau wie die Wirtschaftseliten nur einen Anteil von 0,9% darstellten. 16,5% der von Säuberung Betroffenen begleiteten während des Krieges politische Ämter. Im Ganzen gesehen tendierte die Säuberungsaktion aber ins Lächerliche. Nur 0,29% der Gesamtbevölkerung wurden zur Rechenschaft gezogen, während zum Vergleich, in Deutschaland in der amerikanischen Besatzungszone immerhin 2,5% der Bevölkerung ihres Amtes enthoben wurde. Auch die Befragungszeiten und die Sorgfalt der Befragungen lässt sich im Vergleich zu Deutschland als eher schlampig bezeichnen (vgl. Halliday, 1989: 116 f). Halliday (1989: 119) selbst bezeichnet die Säuberungsaktionen als „ungerecht“ und „ineffizient“. Vor allem im Hinblick auf die dünne Säuberung der Beamtenschaft, von der kaum jemand entlassen wurde. Auch wurden führende Politiker wie z.B. Yoshida, die formell überprüfungspflichtig waren, unberührt gelassen, aus dem einfachen Grund, dem SCAP in irgendeiner Weise nützlich zu sein. Von Juni 1946 bis November 1948 wurde in Tokio ein internationales Militärgericht eingerichtet. Die so genannten „Tokioprozesse“ entsprachen in ihrer Art und Verfahren den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen (Dobbins, 2003: 40). Sie beschäftigten sich vor allem mit Verbrechen gegen den Frieden und gegen die Menschheit. Im Gegensatz zu Nürnberg gab es in Tokio keine Freisprüche, es wurden mitunter 7 Todesstrafen verhängt die restlichen Angeklagten wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Halliday (1989: 212 f) versteht die Tokioprozesse vor allem als exemplarische Gesten und verweist auf ihre symbolische Bedeutung. Halliday übt weiter Kritik an der Gründlichkeit bei der Auswahl der Angeklagten, indem er darauf hinweist, dass sich die Anklagen fast Ausschließlich gegen Japaner aufgrund von Straftaten gegen westliche Opfer gerichtet hätten. Insgesamt machten diese aber weniger als 10% der Opfer der gesamten japanische Aggressionen im zweiten Weltkrieg aus.

[...]

Final del extracto de 24 páginas

Detalles

Título
Zwei Wege - ein Ziel: Die Demokratisierung von Japan und Deutschland im Vergleich
Universidad
University of Mannheim  (Fakultät für Sozialwissenschaften Lehreinheit für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte)
Curso
Seminar "Demokratisierungsprobleme nach Diktaturen"
Calificación
1,8
Autor
Año
2005
Páginas
24
No. de catálogo
V87981
ISBN (Ebook)
9783638040280
ISBN (Libro)
9783638936828
Tamaño de fichero
609 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Zwei, Wege, Ziel, Demokratisierung, Japan, Deutschland, Vergleich, Seminar, Demokratisierungsprobleme, Diktaturen
Citar trabajo
Bachelor of Arts Johannes Schumm (Autor), 2005, Zwei Wege - ein Ziel: Die Demokratisierung von Japan und Deutschland im Vergleich, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87981

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