Der Weg zur Doha-Deklaration - Globale Zivilgesellschaft oder Wirtschaftsinteressen?


Seminararbeit, 2005

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Folgen der Uruguay-Runde und der Weg nach Doha

3. Der rationalistische Ansatz und die Doha-Deklaration

4. Der konstruktivistische Ansatz und die Doha-Deklaration

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Vom 9. bis 14. November 2001 wurde in Doha, im Wüstenemirat Qatar der Auftakt zur vierten Welthandelsrunde der WTO abgehalten. Die Konferenz widmete sich vor allem zwei Hauptthemen: Zum einen sollte eine Regelung bezüglich der umstrittenen Agrarsubventionen in den USA und der EU gefunden werden, welche nach Ansicht der ärmeren Länder Entwicklungs- und Schwellenländern immer noch den Zugang zum Weltmarkt für Agrarprodukte erschwert. Zum anderen sollte eine Lösung für Probleme gefunden werden welche das TRIPS-Abkommen (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights), das noch in der im Rahmen des GATT durchgeführten Uruguay-Runde verabschiedet wurde, hervorbrachte. Das TRIPS Abkommen wurde im Interesse einiger Industrieländer zum Schutze der IPR (Rechte an geistigem Eigentum) durchgesetzt, und dient dem weltweiten Schutz von geistigem Eigentum. IPR umfassen grob drei Felder. Sie schützen zum einen Produktmarken, um Plagiaten entgegenzuwirken, zum anderen schützen sie das geistige Eigentum an Musik und Software, mit dem Ziel, weltweit gegen Raubkopierer vorgehen zu können. Das meistdiskutierte Feld der IPR ist aber der Schutz von geistigem Eigentum in den Bereichen Wissenschaft und Entwicklung, welches unter anderem auch den Patentschutz an Medikamenten umfasst. Die Umsetzung des TRIPS-Abkommens entfachte vor allem Protest bei LDC-Ländern, für deren Bevölkerung dieses Abkommen keine Möglichkeit mehr vorsah, an Medikamente gegen AIDS, Malaria, Tuberkulose und andere Pandemien zu gelangen, weil diese zu teuer geworden waren. Diese Länder waren über Jahre auf den Import von Nachahmeprodukten (Generika) aus Ländern wie Brasilien, Südafrika und Thailand angewiesen. Die Pharmaindustrien in diesen Ländern kopierten bis dato Medikamente, die vor allem von den großen Pharmakonzernen in den USA und der Schweiz entwickelt wurden, und verkauften diese auf dem großen Markt, den die LDC-Länder bieten. Um diese Generikaproduktion zu unterbinden, unterstützte die Pharmaindustrie mit Nachdruck die Durchsetzung des TRIPS-Abkommens in der Uruguay-Runde, indem sie massiven Einfluss, insbesondere auf die US-Regierung nahm. Die Pharmakonzerne wollten verhindern, dass Medikamente, welche immense Entwicklungskosten verursachten, einfach kopiert werden konnten, und der Absatz der teuren Originalmedikamente durch Importe aus den Generika produzierenden Ländern auf dem heimischen Markt unterlaufen werden kann. Das TRIPS-Abkommen verpflichtete alle Staaten, ihr Rechtssystem bis 2005 so zu gestalten, dass die IPR weltweit geschützt sind.

Dies hatte zur Folge, dass für die Bevölkerung von LDC-Ländern kein Zugang zu Medikamenten mehr möglich war.

Im Hinblick auf diese Entwicklung machten weltweit Menschenrechtsorganisationen, mobil um gegen diese „ungerechten“ Regelungen zu protestieren. Unter dem Motto „copy=life“ wurde schließlich eine Kampagne gefahren, die in Doha in einer Zusatzerklärung zum TRIPS-Abkommen gipfelte. Diese Erklärung beinhaltet einen Kompromiss, der den ärmsten Ländern doch einen Zugang zu den benötigten Medikamenten erleichtert und garantiert (vgl. Elms, 2004: 1 ff).

In dieser Arbeit sollen die Gründe für die Einigung zu dieser Zusatzerklärung untersucht werden. Um die Fragestellung für die Internationalen Beziehungen relevant zu gestalten, soll dies unter der Anwendung zweier Theorien geschehen. Es soll zunächst untersucht werden, ob die an der Doha-Runde beteiligten Länder profitorientiert und nach dem liberalen Modell eines Handelsstaats (Rittberger, 1999: 87 f) handelten. Im ersten Teil soll die Entwicklung also auf ein rationalistisch-utilitaristisches Modell angewandt werden. Im zweiten Teil wird die Entwicklung im Hinblick auf ein normativ-konstruktivistisches Modell untersucht. Dabei gehe ich der Frage nach, ob die durch verschiedene NGO’s durchgeführte Kampagne eine Art „globale Zivilgesellschaft“ (Lipschutz, 1992) als Akteur aktivierte, der die in Doha verhandelnden Staaten durch öffentlichen Druck zwang, die Zusatzerklärung zum TRIPS-Agreement letztendlich zu erlassen.

2. Die Folgen der Uruguay-Runde und der Weg nach Doha

Sell und Prakash (2004: 145) beschreiben das in der Uruguay-Runde beschlossene TRIPS-Abkommen als Ergebnis gezielter Einflussnahme von Wirtschaftsnetzwerken auf die internationale Politik. Insbesondere die großen Pharmakonzerne in den USA und der Schweiz hatten massives Interesse an der Strafverfolgung der Patentverletzer. Vor allem Brasilien, Südafrika und Thailand rückten ins Ziel der US-amerikanischen Kritik. Durch die Produktion von Generika durch diese Länder, würden die Weltmarktpreise für die neu entwickelten Medikamente deutlich gedrückt, und eine Deckung der extrem hohen Entwicklungskosten wäre nicht gewährleistet. Deshalb sollte das TRIPS-Abkommen die IPR an den Medikamenten schützen, indem es alle Staaten dazu verpflichtete, die IPR mit einer 20jährigen Patentfrist durch die nationale Gesetzgebung zu schützen. In der Uruguay Runde wurde festgelegt, dies bis spätestens 2005 abzuschließen (Elms, 2004: 2). Für reiche Staaten wären die jeweiligen Medikamente weiterhin zugänglich. Nur die ärmeren Staaten, insbesondere LDC-Länder, könnten diese Normalpreise nicht bezahlen, wären weiterhin auf Generika angewiesen, welche aber nach einer vollständigen Umsetzung des TRIPS-Abkommens nicht mehr, oder nur noch begrenzter Anzahl, vorhanden wären. Dies hätte zur Folge, dass Krankheiten wie HIV, Malaria oder Tuberkulose nicht mehr behandelt werden können. Die Tatsache, dass diese Krankheiten vor allem in diesen LDC-Ländern vorkommen, verschärft das Problem weiter (Elms, 2004: 3). Die LDC-Länder selbst verfügen nicht über eine Industrie, die in der Lage ist, Generika herzustellen. Bisher wurden diese Medikamente immer aus Ländern importiert, die selbst nicht in der Lage sind, Medikamente zu entwickeln, jedoch Generika herzustellen und diese in LDC-Länder zu exportieren. Hier sind vor allem Brasilien, Südafrika und Indien zu nennen, die die NGO-Kampagne für den Zugang zu den Medikamenten massiv unterstützten (Kell& Prakash, 2004: 160 f). Der Beginn der Kampagne kann auf 1998 datiert werden. In diesem Jahr wurde die TRIPS-Problematik erstmals auf die Agenda gebracht. Die WHA (World Health Assembly), der Exekutivausschuss der WHO, widmete sich diesem Thema auf Drängen einiger NGO wie z.B. der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF). Die WHA, in diesem Jahr ohne US-amerikanische Beteiligung, schloss sich dieser Kampagne an, und forderte in einem offenen Brief an die WTO-Mitgliedstaaten, der öffentlichen Gesundheit in der Umsetzung des TRIPS-Abkommens höchste Priorität zu gewähren und den LDC-Ländern eine verlängerte „Gnadenfrist“ bei der Umsetzung einzuräumen (Kell & Prakash, 2004: 163).

Den NGO gelang es auch, das Problem in den US-Präsidentschaftswahlkampf von 2000 einzubringen, in dem sie Ralph Nader, den dritten Kandidaten, dazu brachten, die Position der NGO einzunehmen, und somit als Verfechter des gesunden Menschenverstandes und der Bürgerinteressen darzustellen, während die Demokraten und Republikaner so dargestellt wurden, dass sie die Interessen der Wirtschaft und der Großkonzerne, in diesem Fall hauptsächlich der Pharmaindustrie, vertreten würden. Spätestens jetzt war das Thema in der Öffentlichkeit bekannt und wurde regelmäßig in den Medien diskutiert. Der Durchbruch der Kampagne erfolgte aber nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Als in den USA und Kanada Anschläge mit Anthrax-Sporen durchgeführt wurden, mussten sich die Regierungen der beiden Länder entsprechende Medikamente beschaffen. Das Patent für das erforderliche Ciproflaxin hatte aber die deutsche Arzneimittelfirma Bayer inne. Im Hinblick auf acht(!) Opfer durch diese Anschläge, riefen die USA und Kanada den nationalen Gesundheitsnotstand aus, setzten sich über den Patentschutz von Bayer hinweg und ließen ein entsprechendes Generikum produzieren. Im Hinblick auf Tausende Tote in Entwicklungsländer, die nicht mehr mit Medikamenten versorgt werden können, werteten die NGO dies als Skandal, der auch erhebliche Medienpräsenz fand. Die London Times schrieb am 5. November 2001, vier Tage vor Beginn der Verhandlungen in Doha:

„The problem is the protection of private property - a sacred trust in America - and double standards. In South Africa 4.5 million people are infected with HIV. So far, fewer than a dozen Americans have con- tracted anthrax. To find a solution we must travel from Washington to the Gulf state of Qatar where the disconnection between African HIV sufferers and American anthrax victims is threatening a row.”

Für die USA und die Schweiz wurde es immer schwerer, ihren Standpunkt für den Patentschutz zu verteidigen, und vor allem sie standen in Doha unter Druck, und hatten gleichzeitig bei den Verhandlungen am meisten zu verlieren, insbesondere wenn die Forderungen der Kampagne für freien Zugang zu den Patenten implementiert würden (Elms, 2004: 2). Sie bildeten die erste Akteursgruppen bei den Verhandlungen, die als einzige Länder massiv an der konsequenten Umsetzung des TRIPS-Abkommens aus wirtschaftlichen Interessen festhielten. Die zweite Akteursgruppe bildeten die Staaten, die über eine Pharmaindustrie verfügen, selbst aber keine Forschung und Entwicklung betreiben. Also Staaten wie Brasilien, Indien oder Südafrika, die bisher den Großteil der in LDC-Länder Generika produzierten. Diese hatten bis zu diesem Zeitpunkt keinen Patentschutz in den nationalen Gesetzen verankert, wären aber bei einer Umsetzung des TRIPS-Abkommens dazu verpflichtet, diesen einzuführen. Eine weitere Generikaproduktion wäre somit nicht mehr gewährleistet, was einen beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden für die Pharmaindustrie in sich bergen würde.

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Der Weg zur Doha-Deklaration - Globale Zivilgesellschaft oder Wirtschaftsinteressen?
Hochschule
Universität Mannheim  (Fakultät für Sozialwissenschaften, Lehrstuhl für Politische Wissenschaft II)
Veranstaltung
Seminar: "Einführung in die Internationalen Beziehungen"
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
17
Katalognummer
V87982
ISBN (eBook)
9783638040297
ISBN (Buch)
9783638936835
Dateigröße
513 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Doha-Deklaration, Globale, Zivilgesellschaft, Wirtschaftsinteressen, Seminar, Einführung, Internationalen, Beziehungen
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Johannes Schumm (Autor:in), 2005, Der Weg zur Doha-Deklaration - Globale Zivilgesellschaft oder Wirtschaftsinteressen? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87982

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