Zuständigkeiten der Hauptversammlung in Angelegenheiten der Geschäftsführung


Seminar Paper, 2008

28 Pages, Grade: 1,0


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INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Die Hauptversammlung und ihre Zuständigkeiten

3. Ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung
3.1 Die Holzmüller-Entscheidung
3.2 Die Diskussion nach Holzmüller
3.3 Auswirkungen der Holzmüller-Entscheidung auf Österreich
3.4 Die Macrotron -Entscheidung
3.5 Das Gelatine Urteil
3.6 Klarstellungen durch Gelatine
3.6.1 Schutzzweck
3.6.2 Rechtsgrundlage
3.6.3 Enger Anwendungsbereich der Gelatine-Erkenntnis
3.6.4 Erforderliche Beschlussmehrheit
3.7 Auswirkungen des Gelatine-Urteils auf Österreich
3.8 Ungeklärtes auch nach Gelatine
3.8.1 Verhältnis zu Macrotron
3.8.2 Aufgreifkriterien und Anwendungsbereich
3.8.3 „Verenkelung“ von Vermögensteilen
3.8.4 Beteiligungsveräußerung
3.8.5 Beteiligung Dritter am Gesellschaftsvermögen
3.8.6 Beteiligungserwerb
3.8.7 Maßnahmen in Tochtergesellschafen
3.8.8 Art und Weise des Zustandekommens von „Holzmüller-Beschlüssen“
3.8.9 Initiativrecht der Hauptversammlung
3.8.10 Anwendbarkeit der Holzmüller-Doktrin im Vertragskonzern

4. Der Beteiligungserwerb der Conwert Immobilien Invest AG
4.1 Einführung in die Problemstellung
4.2 Gegenstand des Beteiligungserwerbs
4.3 Zuständigkeiten der Hauptversammlung in Bezug auf den Beteiligungserwerb

5. Abschlusswort des Autors

6. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Im Gegensatz zur GmbH, wo das oberste willensbildende Organ die Generalversammlung ist, ist bei der AG der Einfluss der Eigentümer auf ein Minimum reduziert. Die Zuständigkeiten, welche die Hauptversammlung der AG hat, sind im AktG eindeutig geregelt. Trotz dieses Umstandes hat es in der Vergangenheit Fälle gegeben, wo der Hauptversammlung zwar kein Mitspracherecht in der Geschäftsführung per Gesetz zugekommen ist, aber vom deutschen BGH trotzdem als für zuständig erklärt worden ist (Holzmüller-Entscheidung[1], Macrotron-Entscheidung[2] und Gelatine-Urteil[3]). In diesem Fall spricht man von einer ungeschriebenen Zuständigkeit der Hauptversammlung. Die vorliegende Seminararbeit befasst sich insbesondere mit den Zuständigkeiten der Hauptversammlung in Angelegenheiten der Geschäftsführung, hierbei vor allem mit den ungeschriebenen Zuständigkeiten. Zuerst wird überblicksmäßig auf die Zuständigkeiten eingegangen, die der Hauptversammlung durch das AktG eindeutig zuerkannt werden und anschließend wird anhand von Gerichtsentscheidungen (wie bereits erwähnt: Holzmüller, Macrotron, Gelatine) auf die ungeschriebenen Zuständigkeiten der Hauptversammlung eingegangen. Im Vordergrund dieser Abhandlung steht dabei das Herausarbeiten der einzelnen Faktoren, welche eine derartige ungeschriebene Zuständigkeit begründen und die (engen) Grenzen welche diesen ungeschriebenen Zuständigkeiten gesetzt sind.

Anschließend an die theoretische Abhandlung über die Zuständigkeit der Hauptversammlung in Angelegenheiten der Geschäftsführung wird auf den kürzlich vollzogenen Beteiligungserwerb der Conwert Immobilien Invest AG (welche mittlerweile in eine SE umgewandelt worden ist) eingegangen und untersucht inwieweit bei diesem Fall der Hauptversammlung eine ungeschriebenen Zuständigkeit zugekommen ist oder nicht.

2. Die Hauptversammlung und ihre Zuständigkeiten

„Die Zuständigkeit der Hauptversammlung kann durch die Satzung nicht erweitert oder eingeschränkt werden.“[4] Gemäß § 113 Abs. 1 AktG bedürfen die Beschlüsse der Hauptversammlung der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (einfache Stimmenmehrheit), soweit nicht das Gesetz oder Satzung eine größere Mehrheit oder noch andere Erfordernisse vorschreiben. Für Wahlen kann die Satzung andere Bestimmungen treffen (§ 113 Abs. 2 AktG).

„Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt. Ein Dirimierungsrecht besteht nicht und kann nicht durch die Satzung festgelegt werden.“[5]

Bei der Beschlussfassung, der in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallenden Gegenstände, differenziert man zwischen drei verschiedenen Mehrheitserfordernissen.

Gegenstände der Beschlussfassung, die eine einfache Mehrheit erfordern:[6]

- Die Wahl von Aufsichtsrat (§ 87 Abs. 1 AktG) und Abschlussprüfer (§ 270 Abs. 1 UGB);
- Abberufung des Aufsichtsrats (§ 87 AktG);
- Gewinnverteilung (§ 126 AktG);
- Entlastung der Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats (§ 104 AktG);
- Fragen der Geschäftsführung. Dies ist jedoch nur zulässig, sofern der Vorstand der Hauptversammlung die Frage vorgelegt hat. Bei zustimmungspflichtigen Geschäften kann auch der Aufsichtsrat der Hauptversammlung die Angelegenheit vorlegen (§103 Abs. 2).

Gegenstände der Beschlussfassung, die eine 75%ige Mehrheit (zwingend) erfordern:[7]

- Verhältniswahrende Spaltung – in diesem Fall wird auf das vertretene Grundkapital abgestellt (§ 8 Abs. 1 SpaltG);
- Verschmelzung (§ 221);
- Nachgründung;
- Änderung des Unternehmensgegenstandes;
- Ausschluss des Bezugsrechts;
- Bedingtes und genehmigtes Kapital;
- Kapitalherabsetzung;
- Auflösung, Fortsetzung;
- Gewinngemeinschaften;
- Verkauf des Unternehmens;
- Umwandlung in GmbH;
- Satzungsänderungen (§§ 145 ff);
- Beschlüsse aufgrund einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit: faktische Änderung des Unternehmensgegenstandes (vgl BGH 26.4.2004, AG 2004, 384).

Gegenstände der Beschlussfassung, die eine 90%ige Mehrheit des gesamten Grundkapitals erfordern:[8]

- Bei der verschmelzenden Umwandlung gemäß § 2 Abs. 2 UmwG ist die Zustimmung von 90% des Grundkapitals erforderlich. Die Berechnung erfolgt hier auf der Basis des gesamten Grundkapitals, und nicht bloß der anwesenden Gesellschafter.
- Bei der errichtenden Umwandlung ist die Zustimmung von 75% des bei der Beschlussfassung vertretenen Stammkapitals notwendig. Um rechtswirksam zu sein, bedarf es zusätzlich der Zustimmung von 90% des gesamten Stammkapitals, wobei die zweite Mehrheit binnen drei Monaten erbracht werden kann (§ 5 Abs. 2 UmwG). Die Berechnung erfolgt hier auf der Basis des gesamten Grundkapitals, und nicht bloß der anwesenden Gesellschafter.
- Bei der nicht verhältniswahrenden Spaltung ist die Zustimmung von 75% des gesamten Grundkapitals notwendig. Um rechtswirksam zu sein, bedarf es zusätzlich der Zustimmung von 90% des gesamten Grundkapitals, wobei die zweite Mehrheit binnen drei Monaten erbracht werden kann (§ 8 Abs. 1 und 3 SpaltG).

3. Ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung

3.1 Die Holzmüller-Entscheidung

„Bei der Holzmüller-Entscheidung des deutschen BGH[9] ging es um die Ausgliederung von ca. 80% des Gesellschaftsvermögens im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf eine 100% Tochter. Die Rede war vom wertvollsten Betriebszweig.“[10] Der BGH entwickelte folgende viel zitierte Formel:[11] „Es gebe grundlegende Entscheidungen, die durch die Außenvertretungsmacht des Vorstands, seine gemäß § 82 Abs. 2 dAktG begrenzte Geschäftsführungsbefugnis wie auch durch den Wortlaut der Satzung formal noch gedeckt sind, gleichwohl aber so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen. Der II. Zivilsenat sah damals diese Voraussetzungen als erfüllt an, da die Ausgliederung sich im Kernbereich der Unternehmenstätigkeit abspielte, den wertvollsten Betriebszweig betraf und die Unternehmensstruktur von Grund auf änderte. In solchen Fällen verdichte sich das Vorlageinteresse des Vorstands nach §§ 119 Abs. 2 dAktG zu einer Vorlagepflicht. Eine Verletzung dieser Vorlagepflicht lasse die Wirksamkeit der Holzmüller-Maßnahme im Außenverhältnis unberührt.“[12]

3.2 Die Diskussion nach Holzmüller

In den auf die Holzmüller-Entscheidung folgenden zwei Jahren nahm die Diskussion um die Auslegung dieser Entscheidung ungeahnte Ausmaße an. „Das Urteil wurde in der Folgezeit sehr kontrovers diskutiert[13]. Von etlichen, gewichtigen Stimmen in der Literatur hat die Entscheidung ihrem Kerngehalt nach Zustimmung[14] erfahren, vielfach wurde sie jedoch abgelehnt[15]. Die Einzelheiten der Begründung, der Reichweite des Urteils und der Rechtsfolgen sind gleichfalls umstritten. So ist unklar, ob nur die so genannten „Mediatisierungsfälle“ (Übertragung von Vermögen auf Tochter- oder Enkelgesellschaften) oder auch die „Veräußerungsfälle“ (Verkauf von Betrieben oder Beteiligungen an fremde Dritte, Verschmelzungen von Tochtergesellschaften unter Zulassung Dritter, Börsengänge von Tochtergesellschaften etc.) hiervon umfasst sind. Des Weiteren sind die qualitativen und quantitativen Aufgreifgrenzen dem Grunde und der Höhe nach unklar. Es werden Schwellenwerte von 10%, 15%, 20%, 25% und 50% genannt, und diese werden auf unterschiedliche Größen, wie Vermögen, bilanzierte Aktiva, Gesamtwert des Konzerns, Eigenkapital, Grundkapital, Umsatz o.ä., bezogen. Die Instanzgerichte sind dem vielfach mit den unterschiedlichsten Begründungen und Aufgreifgrenzen gefolgt[16], wobei in den letzten Jahren eine erhebliche Verschärfung zu beobachten war“.[17]

[...]


[1] BGH Urteil vom 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 82, 122

[2] BGHZ 153, 47, 54 = ZIP 2003, 387

[3] BGH Urteil vom 26.4.2004 – II ZR 155/02

[4] Nowotny/Fida, 7/2006, Kapitalgesellschafts-, Umgründungs-, Übernahmerecht, S. 141

[5] Nowotny/Fida, 7/2006, Kapitalgesellschafts-, Umgründungs-, Übernahmerecht, S. 142.

[6] Nowotny/Fida, 7/2006, Kapitalgesellschafts-, Umgründungs-, Übernahmerecht, S. 143, 144 (gilt für den gesamten Absatz).

[7] Nowotny/Fida, 7/2006, Kapitalgesellschafts-, Umgründungs-, Übernahmerecht, S. 143 (gilt für den gesamten Absatz).

[8] Nowotny/Fida, 7/2006, Kapitalgesellschafts-, Umgründungs-, Übernahmerecht, S. 142 (gilt für den gesamten Absatz).

[9] Vgl. Arnold, Mitwirkungsbefugnisse der Aktionäre nach Gelatine und Macrotron, ZIP 2005, 1573; BGHZ 83, 122 = ZIP 1982, 568.

[10] Arnold, Mitwirkungsbefugnisse der Aktionäre nach Gelatine und Macrotron, ZIP 2005, 1573.

[11] Vgl. Arnold, Mitwirkungsbefugnisse der Aktionäre nach Gelatine und Macrotron, ZIP 2005, 1573; BGHZ 83, 122, 131 = ZIP 1982, 568, 571.

[12] Arnold, Mitwirkungsbefugnisse der Aktionäre nach Gelatine und Macrotron, ZIP 2005, 1573.

[13] Vgl. Fuhrmann, „Gelatine“ und die Holzmüller-Doktrin: Ende einer juristischen Irrfahrt? Zugleich Anmerkung zu dem Urteil des BGH vom 26.4.2004 – II ZR 155/02, AG 2004, S.340; MÜLBERT in Großkomm/AktG, 4. Aufl. 2000, § 119 AktG Rz. 19; HÜFFER, 6. Aufl. 2004, §119 AktG Rz. 17.

[14] Vgl. Fuhrmann, „Gelatine“ und die Holzmüller-Doktrin: Ende einer juristischen Irrfahrt? Zugleich Anmerkung zu dem Urteil des BGH vom 26.4.2004 – II ZR 155/02, AG 2004, S.340; LUTTER in Festschrift Stimpel, 1985, S. 825; REHBINDER, ZGR 1983, 93.

[15] Vgl. Fuhrmann, „Gelatine“ und die Holzmüller-Doktrin: Ende einer juristischen Irrfahrt? Zugleich Anmerkung zu dem Urteil des BGH vom 26.4.2004 – II ZR 155/02, AG 2004, S.340; MARTENS, ZHR 147 (1983), 377; WERNER, ZHR 147 (1983), 429.

[16] Vgl. Fuhrmann, „Gelatine“ und die Holzmüller-Doktrin: Ende einer juristischen Irrfahrt? Zugleich Anmerkung zu dem Urteil des BGH vom 26.4.2004 – II ZR 155/02, AG 2004, S.340; LG Frankfurt v. 10.3.1993 – 3/14 O 25/92, AG 1993, 287; LG Frankfurt v. 29.7.1997 – 3/5 O 162/95, AG 1998, 45; LG Heidelberg v. 1.12.1998 – O 95/98 KfH I, AG 1999, 135; LG Düsseldorf v. 13.2.1997 – 31 O 133/96, AG 1999, 95; OLG Stuttgart v. 14.5.2003 – 20 U 31/02, AG 1003, 527.

[17] Fuhrmann, „Gelatine“ und die Holzmüller-Doktrin: Ende einer juristischen Irrfahrt? Zugleich Anmerkung zu dem Urteil des BGH vom 26.4.2004 – II ZR 155/02, AG 2004, S.340

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Details

Title
Zuständigkeiten der Hauptversammlung in Angelegenheiten der Geschäftsführung
College
Vienna University of Economics and Business
Course
Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht
Grade
1,0
Author
Year
2008
Pages
28
Catalog Number
V87991
ISBN (eBook)
9783638034067
ISBN (Book)
9783638930772
File size
528 KB
Language
German
Keywords
Zuständigkeiten, Hauptversammlung, Angelegenheiten, Geschäftsführung, Gesellschafts-, Kapitalmarktrecht
Quote paper
Markus Ronnweber (Author), 2008, Zuständigkeiten der Hauptversammlung in Angelegenheiten der Geschäftsführung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87991

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