Es ist kaum auszudenken, dass vor mehr als 60 Jahren Höhlen, Bergwerke und Straßentunnel eine große Hoffnung der deutschen Rüstungswirtschaft symbolisierten: Bombensichere Produktion.
Bereits 1936 wurden im Rahmen der deutschen Kriegsvorbereitungen Überlegungen zum baulichen Luftschutz der Bevölkerung und Industrie angestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten derartige Überlegungen nur in militärischen Kreisen Berücksichtigung gefunden, etwa beim Bau der Maginot-Linie. Man erkannte jedoch, dass die Beschränkung auf Verbunkerung der Frontlinien im nächsten zwischenstaatlichen Konflikt nicht ausreichen würde.
Die Luftfahrzeugtechnik hatte sich seit 1919 erheblich weiterentwickelt und insbesondere die Vergrößerung der Einsatzreichweite ermöglichte es nun, Industriegebiete und Städte des Gegners mit schnellen und intensiven Luftangriffen erheblich zu schädigen. Die Gesamtmenge der Bombenlast, die zwischen 1941 und 1945 durch britische und amerikanische Flugzeuge auf das vom Deutschen Reich besetzte Europa abgeworfen wurde, betrug mehr als 2,6 Millionen Tonnen.
Beachtung verdient die Tatsache, dass sich die Produktion vieler deutscher Rüstungszweige trotz der umfangreichen alliierten Luftoffensiven bis zum September 1944 immer wieder erholen und sogar steigern konnte. Zahlreiche Faktoren bewirkten diese Entwicklung, aber mitunter waren dafür auch Industrieverlagerungen verantwortlich. Fraglich bleibt die Rolle der unterirdischen Verlagerung...
Eine Aufstellung verschiedener deutscher Ämter vom November 1944 sah eine Gesamtfläche von mehr als 7,8 Millionen Quadratmetern unterirdischen Raumes für die Rüstungswirtschaft vor. Die Flugzeugindustrie hatte mit ca. drei Millionen geplanten Quadratmetern den größten Anteil an dieser Fläche, nutzte Untertageverlagerungen also in besonders hohem Maße. Wie erfolgreich die Vorhaben in diesem Rüstungssektor verliefen, an welche Bedingungen ihr Erfolg oder Misserfolg geknüpft war und welche Bedeutung sie letztendlich für die Flugzeugproduktion hatten, ist bisher nicht näher untersucht worden.
Die Klärung dieses Sachverhalts ist der erste Teil der Fragestellung. Außerdem werden die Ergebnisse der Analyse zu denen zweier anderer Rüstungszweige, der Kugellager- und Mineralölindustrie, in Bezug gesetzt, um auch eine branchenübergreifende Aussage dazu treffen zu können, inwieweit unterirdische Rüstungsproduktion bedeutsam war.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1 Untertageverlagerung – Eine geeignete Luftschutzmaßnahme?
- 1.2 Forschungsstand
- 1.3 Fragestellung
- 1.4 Vorgehensweise
- 1.5 Verwendete Literatur und Quellen
- 2. Die Entwicklung der deutschen Rüstungsindustrie
- 2.1 Aufrüstungspläne und die Ausgangslage der Rüstung 1939
- 2.2 Die Entwicklung der Flugzeugindustrie
- 2.3 Die Entwicklung der Kugellagerindustrie
- 2.4 Die Entwicklung der Mineralölindustrie
- 2.5 Betrachtung der drei Rüstungssektoren
- 3. Der Bombenkrieg und die Industrieverlagerungen
- 3.1 Die Luftbedrohungslage des Deutschen Reichs
- 3.2 Industrieverlagerungen als Luftschutzmaßnahme
- 3.2.1 Typologie der Verlagerungen
- 3.2.2 Oberirdische Verlagerungen
- 3.2.3 Untertageverlagerungen
- 3.3 Die „Combined Bomber Offensive“ im Sommer 1943
- 3.3.1 Luftangriffe auf die Flugzeugindustrie
- 3.3.2 Luftangriffe auf die Kugellagerindustrie
- 3.3.3 Luftangriffe auf die Mineralölindustrie
- 3.4 Betrachtung der Luftangriffe und Gegenmaßnahmen
- 4. Untertageverlagerungen der Flugzeugindustrie
- 4.1 Daimler-Benz AG
- 4.1.1 Die Entwicklung des Unternehmens
- 4.1.2 Konzeptionen zur Untertageverlagerung
- 4.1.3 Die unterirdischen Verlagerungen des Werkes Genshagen
- 4.1.4 Die unterirdischen Verlagerungen des Werkes Sindelfingen
- 4.1.5 Ergebnis
- 4.2 BMW Flugmotorenbau-GmbH
- 4.2.1 Die Entwicklung des Unternehmens
- 4.2.2 Untertageverlagerungen
- 4.2.3 Ergebnis
- 4.3 Messerschmitt AG
- 4.3.1 Die Entwicklung des Unternehmens
- 4.3.2 Die Verlagerungen des Standortes Augsburg
- 4.3.3 Die Verlagerungen des Standortes Regensburg
- 4.3.4 Bunkerwerke
- 4.3.5 Ergebnis
- 4.4 Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG
- 4.4.1 Die Entwicklung des Unternehmens
- 4.4.2 Der Beginn der Verlagerungsmaßnahmen
- 4.4.3 Untertageverlagerungen der Flugmotorenwerke
- 4.4.4 Untertageverlagerungen der Flugzeugzellenwerke
- 4.4.5 Ergebnis
- 4.5 Reichsmarschall Hermann Göring Werke
- 4.5.1 Die Gründung der REIMAHG
- 4.5.2 Eine bombensichere Jägerfabrik
- 4.5.3 Ergebnis
- 4.1 Daimler-Benz AG
- 5. Auswertung
- 5.1 Einflussgrößen auf den Erfolg von Untertageverlagerungen
- 5.2 Eine geeignete Luftschutzmaßnahme?
- 5.3 Verdeckte Ziele der Unternehmen
- 5.4 Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Rolle der Untertageverlagerung in der deutschen Rüstungsproduktion während der Jahre 1943 bis 1945. Sie analysiert die Hintergründe, den Umfang und die Auswirkungen dieser Maßnahme, die als Reaktion auf die intensiven Luftangriffe der Alliierten auf die deutsche Industrie durchgeführt wurde.
- Entwicklung der deutschen Rüstungsindustrie im Zweiten Weltkrieg
- Strategische Bedeutung von Industrieverlagerungen
- Auswirkungen der „Combined Bomber Offensive“ auf die deutsche Rüstungsindustrie
- Konzeption und Umsetzung von Untertageverlagerungen
- Bewertung der Effizienz und Wirksamkeit der Untertageverlagerung als Luftschutzmaßnahme
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung
Dieses Kapitel stellt die Fragestellung der Arbeit vor, die sich mit der Bedeutung der Untertageverlagerung als Luftschutzmaßnahme im Zweiten Weltkrieg beschäftigt. Es werden zudem der Forschungsstand und die methodische Vorgehensweise der Arbeit erläutert.
- Kapitel 2: Die Entwicklung der deutschen Rüstungsindustrie
Dieses Kapitel beleuchtet die Entwicklung der deutschen Rüstungsindustrie im Zeitraum von 1939 bis 1943. Es werden die Aufrüstungspläne des NS-Regimes, die Ausgangslage der wichtigsten Rüstungssektoren (Flugzeugindustrie, Kugellagerindustrie, Mineralölindustrie) sowie die strategische Bedeutung dieser Industrien für die Kriegsführung dargestellt.
- Kapitel 3: Der Bombenkrieg und die Industrieverlagerungen
Dieses Kapitel analysiert die zunehmende Bedrohung durch alliierte Luftangriffe auf das Deutsche Reich und untersucht die verschiedenen Formen der Industrieverlagerung als Reaktion auf diese Gefahr. Es werden sowohl oberirdische als auch unterirdische Verlagerungen sowie die Auswirkungen der „Combined Bomber Offensive“ auf die deutsche Rüstungsindustrie behandelt.
- Kapitel 4: Untertageverlagerungen der Flugzeugindustrie
Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Umsetzung von Untertageverlagerungen in der deutschen Flugzeugindustrie. Es werden die Erfahrungen verschiedener Unternehmen wie Daimler-Benz, BMW, Messerschmitt und Junkers analysiert und die Herausforderungen bei der Planung und Durchführung dieser Projekte beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen wie Untertageverlagerung, Rüstungsproduktion, Luftschutz, „Combined Bomber Offensive“, Luftangriffe, Flugzeugindustrie, Industriegeschichte, Zweiter Weltkrieg, NS-Regime, strategische Bedeutung, Industrieverlagerung, Effizienz, Wirksamkeit.
- Citation du texte
- Frederic Gümmer (Auteur), 2007, Die Rolle der Untertageverlagerung in der deutschen Rüstungsproduktion 1943-1945, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88012