Didaktische Aufbereitung zum Thema: Das phantastische Element der Katze Kicki in Christa Koziks Kinderbuch „Moritz in der Litfaßsäule“


Hausarbeit, 2006

28 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Relevanz des Themas für die Grundschule
2.1 Zur Bedeutung des Kinderbuches im Unterricht
2.2 Entwicklungspsychologische Aspekte
2.3 Funktionen literarischer Phantasiegefährten

3 Zum Einsatz des Buches im Deutschunterricht der Grundschule
3.1 Didaktische Vorüberlegungen
3.2 Möglichkeiten des Einstiegs
3.3 Praktische Verarbeitungsweisen im Deutschunterricht

4 Fächerübergreifende und weiterführende Auseinandersetzung mit dem Thema

5 Fazit

Literatur

1 Einleitung

Ziel der vorliegenden Ausarbeitung ist es zum einen die Verdeutlichung, des hohen Stellenwerts von Kinder- und Jugendliteratur für den Grundschulunterricht, welcher in einer verstärkten didaktischen Orientierung zum Ausdruck kommen müsste. Zum anderen soll ebenso aufgezeigt werden, dass auch Kinder- und Jugendliteratur aus der ehemaligen DDR durchaus noch heute aktuelle und wertvolle Inhalte für eine didaktische Umsetzung anbietet.

Unter Punkt 2 will ich versuchen den Einsatz des Buches in der Grundschule unter Berücksichtigung des Themenschwerpunktes, literatur-didaktisch zu begründen bzw. zu erörtern. Die daraus resultierenden Erkenntnisse sollen meiner Unterrichtsplanung als Fundament dienen und eine übergeordnete Orientierung für einen groben didaktischen Rahmen bieten, welcher sieben Unterrichtstunden im Fach Deutsch umfasst. Abschließend werden Ideen vorgestellt, die dabei helfen können die Thematik fächerübergreifend zu vernetzen und sie somit ganzheitlich und möglichst alltagsnah in den Erfahrungshorizont der Schüler zu bringen.

2 Relevanz des Themas für die Grundschule

2.1 Zur Bedeutung des Kinderbuches im Unterricht

Zu meiner Schulzeit war das Lesen ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts, auf den großen Wert gelegt wurde. Auch heute zählt das Lesen zu den von Lehrern besonders beliebten und hochbewerteten Tätigkeiten. Schon die Leseleistung des Grundschülers spielt für die Notenvergabe eine große Rolle.

Auffällig ist, dass überwiegend literarische Kleinformen den Eingang in das Lesebuch gefunden haben und sich somit für eine unterrichtliche Behandlung offiziell legitimiert haben. Das Verhältnis zwischen Lesen und Lehren, zwischen Literatur und Schule scheint dagegen gestört, wenn es um den Umgang mit umfangreicheren Texten wie zum Beispiel in Kinder- und Jugendbüchern geht.

„Dabei sind es - schülerorientiert gesehen - gerade die Kinder- und Jugendbücher, die erfahrungsgemäß zu den spannendsten Themen des Unterrichts gehören“[1]

Ich bin der Meinung, dass sich insbesondere die Grundschule dafür anbietet, die Liebe zur Literatur früh zu wecken, neugierig zu machen und vielleicht auch der Verschulung ein wenig von innen entgegenzuwirken, indem sie der Literatur Entfaltungsspielraum lässt und das scheinbar nutzlose, fiktive Gebilde, das Utopische und Andere zum Gegenstand hat.[2]

Kritiker befürchteten früh, dass liebgewonnene Kinderbücher wie wohlorganisierte Schulbücher behandelt werden könnten und so die Gefahr eines negativ wahrgenommenen Eingriffs in die Privatsphäre der Kinder bestünde.[3]

Zu bedenken gilt aber auch, dass der Zugang zu Büchern nicht für alle Kinder existiert. Für einen Großteil der Kinder ist die Schule der einzige Ort, an dem solch ein Zugang aufgebaut werden kann.

Auch Sahr führt ähnliche Gegenkritik an und spricht von Möglichkeiten, die sich Kindern aus anregungsarmen oder anregungslosen Milieu eröffnen, wenn sie mit motivierender Lektüre bekannt gemacht werden. Zumindest in der Vorstellung, so Sahr, können diese Kinder ihren eingeengten sozialen Spielraum erweitern. Er kritisiert auch den Umstand, dass Themenbereiche und Darstellungsweisen von Kinder- und Jugendbüchern zu den stark unterrepräsentierten Textsorten des Lesebuchs gehören und plädiert dafür, Grundschüler faszinierende Texte lesen zu lassen, um ihnen nicht nur das Lesen zu lehren, sondern sie an das Lesen zu gewöhnen.[4]

Ich schließe mich dieser Meinung an denn ich denke, dass die Gewöhnung an das Lesen als selbstverständlicher Teil des Lebens nicht über die herkömmlichen Lesebücher gewährleistet werden kann. Der Weg über das Kinderbuch sollte von Lehrern als selbstverständlich in das Unterrichtsrepertoire aufgenommen werden.

Wie schon erwähnt, darf das Kinderbuch dabei nicht als orthographische und grammatische Übungsschrift verwendet werden oder nur der Lesefertigkeit dienen. Lehrer sollten viel eher die Lesemotivation und eine solide Geschmacksbildung zum Ziel haben, so dass ein fruchtbares, die Schulzeit überdauerndes Verhältnis zur Literatur aufgebaut werden kann.

Auch in den Rahmenrichtlinien für das Fach Deutsch wird unter Punkt 3.2 Weiterführendes Lesen der Auftrag beschrieben, Kinder allmählich zu unfangreicheren Lesebuchtexten, Buchausschnitten und Kinderbüchern hinzuführen. Es wird ausdrücklich dargestellt, das die Förderung der Lesefreude in der Grundschule Vorrang vor der nur verstandesorientierten Auseinandersetzung mit Texten hat. Den Schülern soll eine emotionale Auseinandersetzung ermöglicht werden, die es erlaubt, Phantasie zu entwickeln, Leseinteressen zu vertiefen und zu erweitern sowie Freude am Lesen zu erfahren.[5]

2.2 Entwicklungspsychologische Aspekte

Bis in die 70er Jahre hinein spielte die Stufen- und Phasenlehre der literarischen Entwicklung, die auf Charlotte Bühler zurückgeht, eine große Rolle im deutschen Sprachraum. Heftige Kritiken aus sozialwissenschaftlicher Sicht legten den Entwicklungsgedanken scheinbar lahm.

Ein erneuter Paradigmenwechsel in der Psychologie, einhergehend mit der Wiederentdeckung der kognitiven Psychologie Jean Piagets, eröffnet heute neue Forschungsperspektiven für die Entwicklung literarischen Verstehens.[6]

Spinner beschreibt insbesondere drei Aspekte, die den Ansatz Piagets als besonders interessant für Fragen literarischen Verstehens erscheinen lassen:

1. Piaget betont die konstruktive Fähigkeit des Geistes und begreift somit das Denken als aktive Tätigkeit und nicht als bloße Reaktion auf Umwelteinflüsse. Auch nach rezeptionsästhetischen Erkenntnissen trägt das verstehende Subjekt aktiv zum Sinnbildungsprozess bei.

2. Erst die Auseinandersetzung des Menschen mit der Umwelt lässt nach Piaget eine Denkentwicklung zu. Die innere geistige Tätigkeit wird von Piaget also immer auf die äußere Umwelt bezogen, mit der das Subjekt zu tun hat. Nach Spinner lässt sich dieser Ansatz leicht auf die Auseinandersetzung des Lesers mit literarischen Texten übertragen.

3. Die von Piaget geschaffenen Begriffe „Assimilation“ und „Akkomodation“ prägen ein Modell, das sich auf Verstehensvorgänge anwenden lässt. Die Assimilation beschreibt die Angleichung der wahrgenommenen Umwelteinflüsse an die schon bestehenden Verstehensstrukturen.

Die Akkomodation meint den Vorgang der Änderung von Verstehensstrukturen, wenn sich eine Wahrnehmung mit den vertrauten Schemata nicht begreifen lässt. Die Akkomodation führt also zu einer Fortentwicklung der Verstehens-voraussetzungen.

Auch beim literarischen Verstehen ist immer wieder zu beobachten, wie Rezipienten den Textsinn an ihr Vorverständnis anpassen. Bei anspruchsvoller Literatur wird aber durchaus auch ein Umdenken möglich.

Kognitionspsychologie und Leseforschung beschäftigen sich seit längerem mit der Entwicklung des Fiktionsverständnisses - mit der Frage also, inwieweit Kinder Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden und voneinander abgrenzen können bzw. wollen. Diese Fragen sind besonders im Hinblick auf die phantastische oder mit phantastischen Elementen geschmückte Kinderliteratur interessant.

Anregend waren vor allem Piagets Untersuchungen zum Wirklichkeitsbegriff von Kindern gewesen. So gibt es nach Piaget für Kinder bis zum Alter von sieben oder acht Jahren zwei oder mehrere Wirklichkeiten (z.B. die Welt des Spiels, des Beobachtens…). Im Unterschied zu den Erwachsenen nimmt das Kind die Welten als abwechselnd gleich wirklich wahr und ordnet sie nicht hierarchisch.

Erst ab dem 12. Lebensjahr übernimmt das Kind die Auffassungsweise der Erwachsenen.[7]

Zwischen diesen Wahrnehmungsweisen liegt eine Übergangsphase in der ein Bedürfnis besteht, die Wirklichkeiten aufeinander zu beziehen und dabei Widersprüche auszuschalten.

Untersuchungen von Bettina Hurrelmann eröffneten eine differenzierte Sicht auf das fiktionale Verständnis von Grundschülern.[8] Demzufolge beziehen Viertklässler Erzählungen auf die Realität, machen aber einen graduellen Unterschied zwischen Wirklichkeitsbericht und „Geschichtenerzählung“.

„Sie stellen in Rechnung, dass der Autor den realen Ereigniskern inhaltliche Elemente hinzufügte, um dass Interesse des Lesers zu finden und aufrechtzuerhalten. Dem Autor wird keine Täuschungsabsicht unterstellt, sondern zugestanden, daß es seine Aufgabe ist, einen Text unterhaltsam zu gestalten.“[9]

Der volle Fiktionsbegriff ist also noch nicht erworben, weil ein Bezug zu einem realen Ereigniskern noch als selbstverständlich angenommen wird. Hier wird die von Piaget festgestellte Übergangsphase sehr deutlich.

Das Eigenrecht der Fiktion wird meist erst ab der 10. Klasse erkannt. Vorher werden Geschichten mit der Realität verglichen, wobei Abweichungen als märchenhaft bzw. fabeltypisch akzeptiert werden.

2.3 Funktionen literarischer Phantasiegefährten

„Die unsichtbaren Spielgefährten, die eine Zeitlang eine so wichtige Stelle einnahmen und dann still wieder verschwanden, waren nicht bloß ergötzliche Gebilde der kindlichen Phantasie, sondern standen in einem klaren Zusammenhang mit den Problemen, denen sich das Kind gerade gegenübergestellt sah.“[10]

Die Erfindung eine Phantasiegefährten ist etwas ganz natürliches beim Kind und dennoch wird der Nutzen phantastischer Vorstellungen von Erwachsenen all zu oft verkannt.

Phantasiegefährten können der Alltagskompensation dienen, wenn dieser unzulänglich, trostlos oder monoton erlebt wird. Sie können aber auch Ersatz für etwas Vermisstes oder Verlorengegangenes bedeuten. Außerdem können durch Sie verbotene unerwünschte Verhaltensweisen ausgelebt werden.

In der Regel verschwinden die Gefährten oder Gegenstände, sobald sie ihren Zweck erfüllt haben. Ablehnung und Verständnislosigkeit können die Bedeutung in der Realität aber auch schüren und bis zu einem neurotischen Gebrauch der Phantasie führen.[11]

Von großem Nutzen können phantastische Vorstellungen sein, wenn das Kind neben der Phantasiewelt die Realität anerkennt und sich mit ihr auseinandersetzt. Die periodischen Ausflüge in die Phantasie sollen nach Fraiberg den Kontakt des Kindes mit der richtigen Welt sogar stärken.[12]

Enttäuschungen sind leichter zu ertragen und Forderungen der Realität sind leichter zu erfüllen, wenn das Kind sich zeitweilig in eine Welt begeben kann, in der tiefste Wünsche Erfüllung finden und Probleme auf vielfältigste Art durchgespielt werden können.

Fraiberg kritisiert, dass die Existenz von Phantasiegefährten gerne als ein Anzeichen von Unsicherheit, von Rückzug und einer latenten Neurose beurteilt wird. Insbesondere bei Eintritt in die Schule wird diese Neigung als besonders problematisch gesehen.[13]

Ich denke aber, dass sie auch ganz einfach Ausdruck der besonders schöpferischen Natur eines Kindes sein kann, die es ihm ermöglicht mit der Realität besser zurechtzukommen und eben diese zu bereichern.

Zu Beginn der Schulzeit wird gerade diese oft noch phantastische Realität des Kindes zugunsten eines konformen Alltags beschnitten, so dass wenig Raum für unkonventionelle Denkspielräume bleibt.

In der Kinder- und Jugendliteratur ist die Anzahl phantastischer Figuren hoch. Oft begeistern sie durch Eigenschaften oder Vorlieben, die die Kinder an sich selbst wiederfinden können oder bewundern. „Pumuckel“ oder Pippi Langstrumpf“ lassen Kinderwünsche wahr werden, die in der Realität nicht ausführbar sind oder nicht ausgelebt werden dürfen. So verkörpert „Pippi“ all das, was wohlerzogenen Kindern untersagt ist, sie sich aber heimlich wünschen.

Komplizierter beschreibt Sahr die Rolle der irrealen Figuren, die nicht nur zum Vergnügen des jungen Lesers agieren, sondern in Verbindung mit konkreten Problemen auftreten, so wie auch die Katze Kicki in „Moritz in der Litfaßsäule“.

Diese Figuren dienen nicht nur der Lesemotivation, sondern als Transportmittel für Themen, die für Kinder „realistisch“ beschrieben, so Sahr, nur schwer zugänglich wären.

[...]


[1] Vohland, U.: Jugendbuch und soziales Lernen. Unterrichtsmodelle für die Sekundarstufe1. Düsseldorf 1979, S.7

[2] Vgl. Doderer, K.: Literatur und Schule. Essays über ein schwieriges Verhältnis. Weinheim, Basel1983, S.8

[3] Vgl. Sahr, M.: Kinderbücher im Unterricht der Grundschule. Baltmannsweiler, 4.Aufl.,1996, S.2

[4] Ebd. S.3

[5] Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium(Hg.): Rahmenrichtlinien für die Grundschule. Deutsch. Hannover 1984, S.18

[6] Vgl. Spinner, K.H.: Entwicklung des literarischen Verstehens. In: O. Beisbart u.a. Hg.): Leseförderung und Leseerziehung. Donauwörth 1993,S.55

[7] Vgl. Piaget, J.: Urteil und Denkprozeß des Kindes, 1981,S.240-248

[8] Vgl. Spinner, K.H.: Entwicklung des literarischen Verstehens. S.56-57

[9] Ebd. S.57

[10] Wickes, F.G.: Analyse der Kinderseele.Zürich,1971,S.16ff.

[11] Vgl. Sahr, M.: 5*Kinderbücher im Unterricht. Baltmannsweiler, 1994, S.100

[12] Vgl. Fraiberg, S.: Die magischen Jahre in der Persönlichkeitsentwicklung des Vorschulkindes. Reinbek, 1972, S.27.

[13] Ebd. S.25

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Didaktische Aufbereitung zum Thema: Das phantastische Element der Katze Kicki in Christa Koziks Kinderbuch „Moritz in der Litfaßsäule“
Hochschule
Universität Lüneburg
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
28
Katalognummer
V88120
ISBN (eBook)
9783638027915
Dateigröße
576 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Didaktische, Aufbereitung, Thema, Element, Katze, Kicki, Christa, Koziks, Kinderbuch, Litfaßsäule“
Arbeit zitieren
Jana Wiedeking (Autor:in), 2006, Didaktische Aufbereitung zum Thema: Das phantastische Element der Katze Kicki in Christa Koziks Kinderbuch „Moritz in der Litfaßsäule“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88120

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