Betriebliche Personalpolitik vor dem Hintergrund des demographischen Wandels

Können es sich Unternehmen leisten, ältere Arbeitnehmer auszugrenzen?


Mémoire (de fin d'études), 2007

109 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemaufriss
1.2 Fragestellung und Aufbau der Arbeit
1.3 Definition des Begriffs „ältere Arbeitnehmer“

2. Problemanalyse: Demographischer Wandel und die Ausgrenzung Älterer durch Unternehmen
2.1 Begriffsklärung Demographie
2.2 Demographischer Wandel in Deutschland
2.3 Demographischer Wandel in der Arbeitswelt
2.4 Arbeitskräftemangel und Fachkräftemangel im Zuge des demographischen Wandels - baldige Realität oder Mythos?
2.5 Der Arbeitsmarkt und die älteren Arbeitnehmer
2.6 Ende des Jugendwahns?
2.7 Hindernisse bei der Einstellung älterer Arbeitnehmer
2.7.1 Altersstereotype in den Köpfen
2.7.2 Alter als Defizit - Vorurteile der Unternehmen

3. Leistungsfähigkeit und Kosten älterer Arbeitnehmer
3.1 Gerontologische und arbeitsmedizinische Erkenntnisse
3.2 Alter und Produktivität in der Empirie
3.3 Alter und Kosten in der Empirie
3.3.1 Das Senioritätsprinzip
3.3.2 Hoher Krankenstand unter Älteren
3.3.3 Weiterbildung Älterer
3.4 Zwischenfazit

4. Betriebliche Personalpolitik vor dem Hintergrund des demographischen Wandels
4.1 Inhalte der betrieblichen Personalpolitik
4.2 Anforderungen an die Personalpolitik

5. Strategien zur Bewältigung des demographischen Wandels auf betrieblicher Ebene
5.1 Betriebliches Gesundheitsmanagement
5.2 Lebenslanges Lernen
5.3 Förderung der Zusammenarbeit von Jung und Alt
5.3.1 Altersgemischte Gruppen und Teams
5.3.2 Managing Diversity
5.3.3 Gestaltung der Altersstruktur
5.3.4 Generationsübergreifender Wissenstransfer
5.4 Horizontale Karriereplanung
5.5 Flexible altersgerechte Arbeitszeitgestaltung
5.6 Veränderte Rekrutierungspolitik

6. Ergebnisse der Empirischen Untersuchung

7. Fazit

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Altersaufbau Deutschland von 1950 bis 2050

Abbildung 2: Bevölkerung im Erwerbsalter (20 bis 65 Jahre) nach Altersgruppen

Abbildung 3: Die meisten Unternehmen finden heutzutage die Mitarbeiter, welche sie benötigen

Abbildung 4: Bereitschaft ältere Mitarbeiter einzustellen

Abbildung 5: Stärken und Schwächen von Mitarbeitern der Alters-
gruppe 50-65 Jahre in der täglichen Arbeit

Abbildung 6: Hindernisse bei der Einstellung älterer Arbeitnehmer

Abbildung 7: Entwicklung der Bandbreite mit zunehmendem Alter

Abbildung 8: Komponenten der Produktivitätsentwicklung
im Altersverlauf

Abbildung 9: Durchschnittliche abgeschlossene Betriebszuge- hörigkeitsdauer, alte und neue Bundesländer 1985 (1991) bis 2001 nach Alter

Abbildung 10: Unterschiede zwischen traditionellen Ansätzen betrieblicher Gesundheitsförderung und dem betrieblichen Gesundheitsmanagement

Abbildung 11: Der Zusammenhang von Betrieblichem Gesundheits- management, Sozialkapital und Unternehmenserfolg

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Maßnahmen zur alternsgerechten Schichtplangestaltung

Tabelle 2: Charakteristik der befragten Firmen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Demographie war noch vor wenigen Jahren ein wissenschaftliches Fachgebiet, dessen Probleme einige Experten in Ermangelung interessierten Publikums unter sich diskutierten. Das einstige Randthema ist ins Blickfeld der Allgemeinheit gerückt und genießt höchste Aufmerksamkeit der Massenmedien. Die in der Alterspyramide anschaulich dargestellten Entwicklungen der Bevölkerungsstruktur der letzten Jahrzehnte prägen zusammen mit Prognostizierungen ihrer negativen Auswirkungen auf soziale und ökonomische Systeme den öffentlichen Disput. In Medien und Politik werden dramatische Zukunftsszenarien des demographischen Wandels entworfen: immer weniger junge Menschen stehen immer mehr älteren Menschen gegenüber, die Rede ist von Vergreisung und leeren Rentenkassen. Die Suche nach „der Lösung“ steht auf der Tagesordnung. Gibt es eine solche allgemeingültige Antwort, die einfach zu befolgende Anleitung? Sollte man demographische Entwicklungen nicht vielmehr als eine Herausforderung, die einen neuen Handlungsrahmen schafft, begreifen? Jedes gesellschaftliche und wirtschaftliche Subsystem muss, abhängig von seiner Ausgangssituation, den individuellen Handlungsbedarf kennen(lernen) und demgemäß Strategien zum Umgang mit den Veränderungen der gesamtgesellschaftlichen Ebene schaffen.

Diese Arbeit widmet sich einem kleinen, jedoch wichtigen Teilbereich dieses so facettenreichen Themas: der betrieblichen Personalpolitik vor dem Hintergrund des
demographischen Wandels.

1.1 Problemaufriss

„Sie gelten als verlorene Generation. Als Verlierer der Globalisierung. Wegrationalisiert und schwer vermittelbar. Sie sind die Generation 50plus. Wer sich nicht rechtzeitig in den vorgezogenen Ruhestand flüchten konnte, muss mit Hartz IV auskommen“ (Hübner-Weinhold 2007: 61).

Ist diese Darstellung korrekt? Folgt man dem Tenor der Medien in den vergangen Monaten - ältere Erwerbsfähige seien auf dem Arbeitsmarkt gefragter denn je - müsste dem Autor eine inadäquate Überhöhung seiner Aussagen attestiert werden.

Dass es sich hierbei jedoch um eine durchaus wirklichkeitsnahe Umschreibung der Situation Älterer handelt, zeigt die Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen, welche 2005 bei lediglich 45 Prozent lag. Demnach ging nicht einmal jeder Zweite dieser Altersgruppe einer Arbeit nach (vgl. Hollstein 2007: 6). Schuld daran ist eine oft jugendzentrierte Personalpolitik der Unternehmen. Gefragt sind vermeintlich aktive, flexible und dynamische Mitarbeiter[1], Eigenschaften, welche nach Meinung vieler Personalverantwortlicher ausschließlich junge Menschen innehaben. Mitarbeiter im Alter von über 50 Jahren werden von Weiterbildungsmaßnahmen und Karriereplanungen ausgeschlossen und durch Vorruhestand oder Altersteilzeit oft unfreiwillig aus dem Unternehmen gedrängt (vgl. Hillemeyer 2007: 50).

Bis dato konnten es sich Unternehmen - in Bezug auf die Anzahl der Nachwuchskräfte - leisten ältere Arbeitnehmer auszugrenzen. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung in Deutschland scheint diese altersdiskriminierende Personalpolitik jedoch schon bald nicht mehr realisierbar zu sein.

Wie unterschiedliche Untersuchungen deutlich machen, führen die Verlängerung der Lebensdauer, verbunden mit sinkenden Geburtenraten und dem damit einhergehenden Bevölkerungsschwund, zu einem höheren Altersdurchschnitt der Gesellschaft. Naturgemäß übertragen sich diese Entwicklungen auch auf die Erwerbsbevölkerung. So zeichnet sich eine drastische Schrumpfung und Alterung der Gruppe der erwerbsfähigen Personen im Alter zwischen 20 bis 64 Jahren ab. Angesichts der aufgezeigten Entwicklung werden einerseits weniger junge Nachwuchskräfte auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Das heißt, Unternehmen müssen gezwungenermaßen auf ältere Arbeitnehmer zurückgreifen. Andererseits verändern sich entscheidende gesetzliche Rahmenbedingungen: das Renteneintrittsalter wird auf 67 Jahre angehoben und die Möglichkeiten der Frühverrentung nehmen immer mehr ab. Die Folge ist eine beträchtliche Verlängerung der Lebensarbeitszeit der Erwerbstätigen.

Schon diese verkürzte Beschreibung der Situation deutet darauf hin: dauerhafter Unternehmenserfolg lässt sich mit dem alten Denken nicht sichern. Ein Paradigmenwechsel scheint erforderlich. Nachhaltigkeit in der Personalpolitik, das „Weiterdenken“ im doppelten Wortsinn wird zukunftsbestimmend.

Angesichts des abnehmenden Arbeitsangebots der alternden Gesellschaft sollte sich das Kalkül der Unternehmen schon allein aus ökonomischer Sicht dahingehend verändern, dass der bisher favorisierten Frühverrentung Älterer ein Ende gesetzt wird und verstärkt auf die Qualifizierung sowie die Erhaltung der Gesundheit der bestehenden Belegschaft gesetzt wird, um in Zukunft über hinreichend leistungsfähige und qualifizierte Arbeitnehmer zu verfügen.

1.2 Fragestellung und Aufbau der Arbeit

Die zuvor aufgezeigte Problematik der unzureichenden Beschäftigung älterer Arbeitnehmer lässt die Frage aufkommen, weshalb Unternehmen eine jüngere Arbeitskraft vorziehen und die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen für eben diese höher bewerten als die Einbeziehung Älterer in das Berufsleben. Diese Frage ist von besonderer Bedeutung, da die Einschätzung der Fähigkeiten älterer Erwerbstätiger durch Unternehmen eine entscheidende Rolle bei der Erhöhung der Erwerbsquoten, den Wiedereinstiegschancen bei Arbeitslosigkeit und beim Umgang mit älter werdenden Belegschaften spielt. Nach einer hinlänglichen Beantwortung dieser Frage, soll geklärt werden, wie Unternehmen mit einer alternden Belegschaft langfristig wettbewerbsfähig am Markt agieren können. Da es sich hierbei um ein Aufgabenfeld der betrieblichen Personalpolitik handelt, sollen Strategien für diese abgeleitet werden, welche einen angemessenen und nachhaltigen Umgang mit den Anforderungen, die der gesellschaftliche Alterungsprozess an Unternehmen stellt, ermöglichen.

Die Arbeit gliedert sich dabei wie folgt: im direkten Anschluss wird der Begriff „ältere Arbeitnehmer“ für den weiteren Verlauf der Arbeit verortet. Grundlage der vorliegenden Untersuchung bildet Kapitel 2. Hier wird zunächst der Begriff „Demographie“ erörtert, um im nächsten Schritt die demographische Entwicklung für Deutschland zu skizzieren. Besonderes Augenmerk gilt hierbei dem demographischen Wandel und seinen Folgen für die Arbeitswelt. Anschließend wird die bereits angedeutete Beschäftigungssituation Älterer nochmals ausführlich dargestellt. Die Analyse des in der Gesellschaft vorherrschenden Altersbildes sowie die daraus resultierende Wahrnehmung Älterer durch Unternehmen soll Aufschluss über die Gründe für die Nichtberücksichtigung Älterer geben.

Ob die Wahrnehmung der Unternehmen in Bezug auf Leistungsfähigkeit und Produktivität Älterer einem Abgleich mit empirischen Studien zu eben diesen Themen standhält, ist Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen in Kapitel 3.

In Kapitel 4 soll der Leser für den abstrakten Begriff der Personalpolitik durch die Beschreibung ihrer Aufgabenbereiche und Verankerung im Unternehmen sensibilisiert werden. Anhand der gewonnenen Erkenntnisse aus Kapitel 2 und 3 können schließlich Anforderungen an die zukünftige Personalpolitik definiert werden.

Kapitel 5 hat personalpolitische Strategien und Konzepte zum Inhalt, unter deren Zuhilfenahme die in Kapitel 4 definierten Anforderungen bewältigt werden können.

Inwieweit eine Umsetzung dieser Strategien und Konzepte in Unternehmen bereits erfolgt ist und welche Probleme mit deren Implementierung einhergehen, soll mittels einer empirischen Untersuchung in Kapitel 6 geklärt werden.

Das 7. Schlusskapitel beinhaltet eine kurze Zusammenfassung der Arbeit.

Um die Fragestellung im Rahmen dieser Untersuchung hinreichend beantworten zu können, werden staatliche Möglichkeiten der Regulierung weitestgehend nicht berücksichtigt. Vielmehr liegt der Fokus - besonders in Kapitel 5 - im Aufzeigen betrieblicher personalpolitischer Handlungsfelder.

1.3 Definition des Begriffs „ältere Arbeitnehmer“

Wenn in der Diskussion um den demographischen Wandel von „älteren Arbeitnehmern“ die Rede ist, stellt sich die Frage, welche Altersgruppe in diesem Kontext eigentlich gemeint wird.

Eine allgemeingültige Abgrenzung des Begriffs ist in der Literatur nicht zu finden (vgl. North 2007: 18). Offensichtlich gibt es beträchtliche Unterschiede in den Auffassungen von Arbeitsmarktforschern, ab welchem Alter es sich um „ältere Arbeitnehmer“ handelt und anhand welcher Charakteristika diese identifiziert werden können. Sterns und
Doverspike kommen zu folgendem Schluss: „(…) aging is a multidimensional process that is difficult to adequately depict in a single definition” (Sterns/Doverspike zitiert nach Hedge/Borman/Lammlein 2006: 29). Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden verschiedene Definitionsansätze vorgestellt werden.

North führt eine Definition der OECD an. Demnach stehen „ältere Arbeitnehmer“ in der zweiten Hälfte ihres Berufslebens, haben das Pensionsalter noch nicht erreicht, sind arbeitsfähig und gesund (vgl. North 2007: 18). Hierbei handelt es sich um eine sehr allgemein gehaltene Definition, deren Augenmerk auf die körperliche Konstitution von Erwerbstätigen gerichtet ist, aber eine genaue Altersabgrenzung vermeidet.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit sieht eine fließende Grenze zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr, ab welcher ein Erwerbstätiger als „älterer Arbeitnehmer“ bezeichnet wird.

Die Definition des Wuppertaler Kreis e.V., Bundesverband betriebliche Weiterbildung, zielt mehr auf den vermeintlichen Rückgang der Leistungsfähigkeit im Alter ab: unter dem Begriff „ältere Arbeitnehmer“ versteht man eine Personengruppe, welche im Erwerbsleben beziehungsweise auf dem Arbeitsmarkt mit Schwierigkeiten und Risiken konfrontiert wird, die mit dem Alter tatsächlich oder vermeintlich einhergehen. Das heißt, dass ab einer bestimmten Altersgruppe die berufliche Leistungsfähigkeit sinkt (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2006: 9). Diese Definition spielt auf weit verbreitete Stereotypen an, welche Arbeitnehmer zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr als zunehmend „krankheitsanfällig, unmotiviert, desinteressiert, langsam, lernentwöhnt, unproduktiv und unflexibel“ (ebd.: 10) beschreiben. Hierbei handelt es sich um eine Sichtweise, welche in der Literatur als so genanntes Defizitmodell bezeichnet wird und noch in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts in Wissenschaft und Gesellschaft vorherrschend war. Die Annahme einer „schicksalhaften“ Abnahme der Leistungsfähigkeit im Alter wurde jedoch zwischenzeitlich empirisch widerlegt (siehe Kapitel 3)

Den Arbeitsmarkt betreffende Pressemitteilungen der Bundesagentur für Arbeit bezeichnen Erwerbstätige ab dem 50. Lebensjahr als „ältere Arbeitnehmer“, da diese verstärkt von Arbeitslosigkeit und Schwierigkeiten bei der Wiedereinstellung betroffen sind (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2006). Angesichts der immer noch angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt, könnte diese Definition gegenwärtig auch auf die Gruppe der „40-plus“ ausgeweitet werden.

Als weiteres Kriterium für eine Verortung des Begriffs „älterer Arbeitnehmer“ muss sowohl die Funktion des Erwerbstätigen wie auch die Art der Organisation, in welcher er tätig ist, berücksichtigt werden (vgl. Hedge/Borman/Lammlein 2006: 30). Der gemeine Angestellte kann danach schon ab dem 40. Lebensjahr zu den Älteren gezählt werden, wohingegen eine Führungskraft in diesem Alter noch als relativ jung angesehen wird. Neben dem kalendarischen Erreichen eines bestimmten Alters müssen zudem Persönlichkeitsmerkmale und die Berufsgruppe gleichermaßen berücksichtigt werden. Ein Beispiel soll diesen Sachverhalt verdeutlichen: ein 35-Jähriger Profisportler zählt in seinem Berufsstand zu den „Alten“, während er in einer Funktion als Trainer als vergleichsweise jung angesehen wird. Zudem hängt die Kategorisierung eines Arbeitnehmers als „Älterer“ von der Größe des Betriebes sowie dem Alter des Kategorisierenden ab: meist zählen in großen Unternehmen Arbeitnehmer früher zu den Älteren als in kleinen und mittelständischen Unternehmen (vgl. Menges 2000: 33). Auch wird ein 25-Jähriger einen 45-Jährigen eher als älteren Mitarbeiter einordnen, während ein 60-Jähriger einen 40-Jährigen vermutlich noch für vergleichsweise jung hält.

Folgendes kann bereits hier festgehalten werden:

- Die persönliche berufliche Entwicklung sowie die damit einhergehende Leistung und Lernfähigkeit sind Aspekte, welche für eine Alterskategorisierung des Arbeitnehmers eminent wichtig sein sollten. Nichtsdestotrotz finden sie in den
zuvor genannten Definitionen keine Beachtung.
- Die vorangegangenen Ausführungen machen weiter deutlich, dass eine pauschale kalendarische Abgrenzung von „Alter“ offenbar nicht möglich ist. Vielmehr sollte nach individuellen Aspekten unterschieden werden, wer zu den „Älteren“ zählt und wer nicht.

Da die der Arbeit zugrunde liegende Literatur „Ältere“ vorwiegend als Personen ab dem 50. Lebensjahr bezeichnet, soll diese Kategorisierung trotz der zuvor dargestellten Problematik in den nachfolgenden Ausführungen übernommen werden.

2. Problemanalyse: Demographischer Wandel und die Ausgrenzung Älterer durch Unternehmen

2.1 Was ist Demographie?

Der Begriff Demographie setzt sich aus den griechischen Wörtern „demos“ (Volk) und „graphein“ (schreiben) zusammen (vgl. Joas 2007: 571).

Es handelt sich um einen Wissenschaftszweig, welcher die Beschreibung und Analyse von Bevölkerungsentwicklungen und -strukturen zum Inhalt hat. Insbesondere die Bereiche Nuptialität (Eheschließungs- und Scheidungsgeschehen), Fertilität, Mortalität und Mobilität/Migration stehen im Mittelpunkt der Untersuchungen (vgl. Burkart 2007: 2). Wichtigste Informationsquelle der Demographie, zu Deutsch Bevölkerungswissenschaft, ist die amtliche Statistik. Sie organisiert und veröffentlicht die Ergebnisse von Registerzählungen, allgemeinen Volkszählungen, sowie Stichprobenerhebungen (vgl. Joas 2007: 571).

Wissenschaftliche und politische Debatten über den demographischen Wandel in Deutschland haben meist die drei entscheidenden Merkmale Fertilität, Mortalität und Migration zum Gegenstand.

Zu den bedeutendsten und zugleich schwierigsten Aufgaben der Demographie gehört es Vorausschätzungen für die genannten Bereiche zu treffen. Diese sind für Politik, Gesellschaft und Ökonomie, welche zuverlässige Vorhersagen der Bevölkerungs-entwicklung benötigen, von besonderer Bedeutung. Dabei verlangt jede Vorausschätzung beziehungsweise die ihr zugrunde liegende Annahmensetzung eine umfassende Analyse und Beurteilung der aktuellen und historischen demographischen Tatbestände. Eine Reihe von schwer überschaubaren Einflussfaktoren und wechselseitigen Abhängigkeiten komplizieren jene Vorausschätzungen jedoch ungemein (vgl. Bretz 2000: 2). So schreibt Birg:

„Um ein fundiertes Urteil über die demographische Entwicklung zu gewinnen, muss eine Vielzahl von Informationen verarbeitet werden, wobei das Risiko eines Fehlurteils groß ist. Niemand ist dazu in der Lage, wirklich alle Auswirkungen der demographischen Entwicklung zu überblicken und ihre Ursachen ganz zu erfassen. Die Komplexität des zu bewertenden Sachverhalts übersteigt die Bewertungskompetenz jedes Menschen, auch die Fachwissenschaftler auf dem Gebiet der Demographie bilden hier keine Ausnahme. Dabei wird die Urteilsbildung unnötig erschwert, wenn Zweifel bestehen, ob der in Frage stehende Sachverhalt überhaupt richtig erfasst wurde. Deshalb liegt einer der wichtigsten Zwecke demographischer Vorausberechnungen darin, möglichst
treffsichere Aussagen über die zukünftige Entwicklung zu gewinnen“ (Birg zitiert nach Bretz 2000: 2f).

2.2 Demographischer Wandel in Deutschland

Diese nachstehende kurze Darstellung des demographischen Wandels in Deutschland erhebt nicht den Anspruch der Vollständigkeit. Die dem Wandel zugrunde liegenden Ursachen sollen nicht aufgezeigt werden, da der Bezug zum eigentlichen Untersuchungsthema sehr gering ist. Das weite Feld der Ursachenforschung würde zudem nach einer eigenständigen Untersuchung verlangen.

Hauptaugenmerk wird auf jene Auswirkungen des demographischen Wandels gelegt, welche einen direkten Einfluss auf Unternehmen und damit auf deren Personalpolitik haben.

Untersucht man die in Punkt 2.1 genannten drei Merkmale (Fertilität, Mortalität, Migration) des demographischen Wandels, so ergibt sich zusammenfassend folgende Situation für Deutschland[2]:

Seit 2003 schrumpft die deutsche Bevölkerung. Absolute Zahlen veranschaulichen die Lage: das Minus betrug in jenem Jahr 5.009 Menschen, im Jahr 2005 schon 62.854 Menschen. Der Saldo wäre noch dramatischer, wenn ihn Zuwanderungsüberschüsse von 142.645 im Jahr 2003 und 78.953 im Jahr 2005 nicht stark abgemildert hätten (vgl. Statistisches Bundesamt 2006). Die sich hier abzeichnende Entwicklung ist seit vielen Jahrzehnten absehbar. Der entscheidende Grund hierfür ist auf die seit 1960 sinkende Zahl der „Lebendgeborenen pro Frau“ zurückzuführen. Sie sank von 5,0 im Jahre 1860 bis auf 1,5 im Jahre 1965 und liegt heute bei geschätzten 1,4 „Lebendgeborenen pro Frau“. Ohne die kinderreichen Zuwanderer wäre die Zahl der „Lebendgeborenen pro Frau“ deutlich geringer[3].

Die Geburtenrate wird während der nächsten Jahrzehnten voraussichtlich auf einem niedrigen Niveau stagnieren. Nach der 11. koordinierten Bevölkerungsberechnung[4] des statistischen Bundesamtes zeigt das mittlere von drei vorgestellten Szenarios, dass die durchschnittliche Kinderzahl bis zum Jahr 2050 bei 1,4 Kindern je Frau bleiben wird (vgl. 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2006: 8f).

Zu beachten ist hierbei, dass diese Berechnungen lediglich hypothetischen Charakter haben. Die Zahlen zur Kinderlosigkeit und Angaben, wie viele Kinder eine Frau hat, sind Schätzungen. Genaue Erhebungen sind nicht möglich. Schon für die 1965 geborene Frau lassen sich exakte Zahlen nicht mehr bestimmen, da unklar ist, ob diese noch weitere Kinder gebären wird (vgl. Burkart 2007: 15). Hierbei handelt es sich nur um eines von vielen Problemen bei der Erhebung demographischer Daten. Jedoch zeigen die angeführten Zahlen einen Korridor auf, in welchem die Entwicklung verlaufen dürfte.

Für die Mortalität wurden ebenfalls verschiedene Annahmen getroffen. Allen Szenarien zufolge wird die Lebenserwartung von Männern und Frauen in den kommenden Jahrzehnten weiter zunehmen, wenn auch nicht mehr ganz so deutlich wie in den Jahren zuvor (vgl. 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2006: 16). Der Anstieg der Lebenserwartung ist jedoch als Faktor der demographischen Alterung von geringerer Bedeutung. Der Altenquotient, welcher das Verhältnis aus der Zahl der älteren (ab 60 Jahre) zur mittleren Bevölkerung (20 bis 59 Jahre) darstellt, würde sich selbst dann im Laufe der Zeit verdoppeln, wenn die Lebenserwartung der Deutschen konstant bliebe (vgl. Birg 2006: 66). Um wie viele Jahre sich die Lebenserwartung weiterhin erhöht, hängt von der Lebensweise und dem Lebensumfeld der Menschen sowie vom weiteren medizinischen Fortschritt ab. Wäre zum Beispiel Krebs in den nächsten Jahrzehnten vollständig heilbar, könnte sich die durchschnittliche Lebensdauer allein dadurch um drei bis vier Jahre verlängern (vgl. Pötzl 2006).

Beide Entwicklungen (Sinken der Geburtenrate, Anstieg der Lebenserwartung) verursachen eine Verschiebung in der Alterspyramide: ein Ansteigen des Anteils der älteren mit gleichzeitigem Absinken des Anteils der jungen Bevölkerung führt zu einer Erhöhung des Durchschnittsalters.

Der Glaube, die demographische Alterung könne durch Einwanderung Jüngerer aufgehalten werden, wird durch eine theoretische Rechnung von Birg ad absurdum geführt. Bis 2050 würde demnach eine Netto-Einwanderung nach Deutschland von 188 Millionen Menschen erforderlich sein (vgl. Birg zitiert nach Schirrmacher/Platthaus 2006: 32). Vor dem Hintergrund der heute bestehenden Integrationsprobleme von ausländischen Mitbürgern und deren Hineinwachsen in vorwiegend sozial schwache Gefüge ist die Annahme einer derart hohen Einwanderung wohl unrealistisch.

Neben der Verschiebung der Alterststruktur kommt es infolge der niedrigen Geburtenrate laut Statistiken des Statistischen Bundesamtes (2006) bis zum Jahr 2050, je nach Variante der Vorausberechnung[5], zu einem Schrumpfen der Gesamtbevölkerungszahl von heute cirka 82,3 auf 74 bis 69 Millionen, wenn sich die aktuelle Entwicklungsrichtung nicht radikal ändern sollte. Auch Migrationsgewinne durch hohe Einwanderungszahlen und höhere Geburtenraten unter den Immigranten könnten, wie bereits angedeutet, den Rückgang langfristig nicht verhindern, sondern höchstens hinauszögern.

Abbildung 1: Altersaufbau Deutschland von 1950 bis 2050

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Statistisches Bundesamt 2007

Die bisherige, wie auch die zukünftige Entwicklung sind deutlich in der klassischen Alterspyramide zu erkennen, welche sich zwischen 1950 und 2050 von einer
Tannenbaum- oder Pyramidenform zur viel zitierten Pilzform wandeln wird (siehe Abbildung 1).

Offen bleibt die Frage, ob aufgrund der vorgezeichneten Entwicklung Anlass zur „demographischen Panik“ gegeben ist. Aufkommende „Verteilungskriege“ zwischen den Generationen, der Zusammenbruch der Sozialsysteme und allgemeine Verarmung, bildhaft dargestellt in der ZDF Dokumentation "2030 - Aufstand der Alten"[6] und von Bevölkerungsexperten wie Birg und Miegel prophezeit, sind augenscheinlich ebenso populistische wie apokalyptische Interpretationen der Folgen des demographischen Wandels. Nach der Auffassung von Vaupel, Beck und anderen, sollte das Schrumpfen der Bevölkerung hingegen als Chance verstanden werden. So könnte sich beispielsweise die Altersdiskriminierung (siehe Punkt 2.6) in dem Maße abschwächen, wie Firmen gezwungen sind auf ältere Arbeitnehmer zurückzugreifen. Auch die Qualität des deutschen Schulsystems ließe sich entscheidend verbessern, da bis ins Jahr 2020 aufgrund rückläufiger Schülerzahlen 80 Milliarden Euro frei werden (vgl. Wittlich 2006: 36f).

Eine ausführlichere Betrachtung der hitzig geführten Debatte über die gesellschaftlichen Auswirkungen des demographischen Wandels in Deutschland kann an dieser
Stelle nicht erfolgen. Stattdessen soll ein Blick auf die Entwicklung der Erwerbsbevölkerung - der Ausgangspunkt und das Kernproblem der vorliegenden Untersuchung -
geworfen werden.

2.3 Demographischer Wandel in der Arbeitswelt

„Machen sie ihr Unternehmen demographiefest“ und „meistern sie die demographische Bedrohung“, so lauten typische Werbesprüche, mit denen private Unternehmensberatungen, aber auch einige öffentlich geförderte Initiativen sich darum bemühen, Unternehmen auf den Altersstrukturwandel in der Erwerbsbevölkerung aufmerksam zu machen und sie dazu zu animieren „pro-aktiv“ zu werden (Böhm/Buchinger 2007: 22). Doch worin besteht die „demographische Bedrohung“? Oder, neutraler gefragt, worin besteht die „demographische Herausforderung“ in der Arbeitswelt im Einzelnen?

Die in Punkt 2.2 aufgezeigten Tendenzen, Verlängerung der Lebensdauer, aber vor allem der Bevölkerungsschwund infolge niedriger Geburtenraten, übertragen sich naturgemäß auf die Erwerbsbevölkerung. So zeichnet sich eine drastische Schrumpfung und Alterung der Gruppe der erwerbsfähigen Personen im Alter zwischen 20 bis 64 Jahren ab. Ihre Zahl sinkt voraussichtlich von heute 49,8 Millionen auf 35,5 Millionen im Jahr 2050[7], bei gleichzeitigem Ansteigen des Durchschnittsalters.

Der Rückgang wird besonders spürbar um 2030, wenn die geburtenstarken Jahrgänge („Baby-Boomer“) Mitte der 50er Jahre bis Mitte der 60er Jahre mindestens 65 Jahre alt sind. Die Zahl der Bevölkerung im Erwerbsalter bleibt zunächst jedoch konstant, da die 50 bis 64-Jährigen anfangs deutlich zunehmen und dadurch die Abnahme bei den unter 50-Jährigen kompensiert wird. Im weiteren Verlauf nimmt auch die Zahl der Älteren ab.

So wird die größte und zeitnächste Herausforderung für Unternehmen durch den deutlichen Rückgang der Erwerbsbevölkerung in der Altersgruppe der 30- bis unter 50-Jährigen dargestellt (vgl. 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2006: 34ff). Bis 2010 erfolgt die Zunahme älterer Arbeitskräfte langsam und stetig, ab 2010 bis 2020 vollzieht sich diese Entwicklung sprunghaft (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Bevölkerung im Erwerbsalter (20 bis 65 Jahre) nach Altersgruppen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2006: 41

Jeder vierte Arbeitnehmer wird 2010 50 Jahre und älter sein, 2020 jede dritte Arbeitskraft (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2006). Somit haben die 50- bis 64-Jährigen im Jahr 2020 die „Mittelalten“ - das heißt die 35- bis 49-Jährigen - als stärkste Gruppe der Erwerbsbevölkerung abgelöst. Diese als Kohortenwechsel bezeichnete Veränderung findet vermutlich bereits in den Jahren 2013 bis 2015 statt, also in cirka 6 bis 8 Jahren (vgl. Richenhagen 2006: 53).

Die Bundesregierung hat auf diese Entwicklung bereits reagiert. Im September 2006 wurde vom Bundeskabinett die Initiative „50plus“ verabschiedet. Sie beinhaltet neu gestaltete Zuschüsse, welche Anregungen für Arbeitgeber schaffen, ältere Arbeitnehmer einzustellen, und Arbeitslose jenseits der 50 dazu ermuntert auch deutlich geringer bezahlten Tätigkeiten nachzugehen (vgl. Hoffmeyer 2007a: 11). Die Anreize zur Frühverrentung für Unternehmen wurden durch die Verkürzung der Zahldauer des Arbeitslosengeldes, durch die Rente mit 67[8] und durch das Auslaufen der 58er-Regelung[9] deutlich reduziert (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2006a). Ob die Bemühungen der Bundesregierung tatsächlich die gewünschten Ergebnisse erzielen, vor allem vor dem Hintergrund der Ausführungen in Punkt 2.7, ist jedoch mehr als fraglich.

Schlussfolgernd kann die Aussage getroffen werden, dass die bisherige jugendorientierte Personalpolitik deutscher Unternehmen, in Folge der genannten Entwicklungen, nicht länger aufrechtzuerhalten ist. Auf der einen Seite gibt es den zukünftigen Mangel an jungen Arbeitskräften, auf der anderen Seite reduzieren sich in den Betrieben die Gelegenheiten die wachsende Gruppe der Angestellten „50plus“ staatlich gefördert in den Ruhestand zu entlassen.

In der Konsequenz müssen sich die Unternehmen darauf einstellen Produktionszuwächse und Innovationen mit einer deutlich älteren Belegschaft zu bewerkstelligen (vgl. Morschhäuser 2006: 12). Ob und inwieweit sich Unternehmen auf jene extreme Veränderung der Altersstruktur von Erwerbstätigen vorbereitet haben und welche Besonderheiten sich für die betriebliche Personalpolitik ergeben, soll im weiteren Verlauf der Arbeit aufgezeigt werden.

Zunächst stellt sich jedoch die Frage, ob die betriebliche Personalpolitik deutscher Unternehmen durch die massive Veränderung der Altersstruktur und das Schrumpfen der Erwerbsbevölkerung dem Problem des Arbeitskräfte- und Fachkräftemangels tatsächlich gegenüber steht.

2.4 Arbeitskräftemangel und Fachkräftemangel im Zuge des demographischen Wandels - baldige Realität oder Mythos?

Nach einer 2006 veröffentlichten EU-Studie werden aufgrund des immensen Arbeitskräftemangels Unternehmen in Zukunft in Länder abwandern, in welchen sie genügend Arbeitskräfte finden (vgl. Drewes 2006: 2). Weithin wird in Deutschland vor einem dramatischen Arbeitskräftemangel gewarnt. In absehbarer Zeit würden immer weniger Menschen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Ab 2015 sei ein deutlicher Rückgang des Erwerbspersonenpotentials zu verzeichnen mit der Folge eines schwerwiegenden Mangels an qualifizierten Arbeitskräften (vgl. Schiltz 2005). Viele Firmen leiden schon heute unter einem eklatanten Fachkräftemangel, wie Untersuchungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft zeigen (vgl. Straush 2007: 14).

Nach Kistler (2006) erweisen sich diese Szenarien als kaum haltbar. Wie bereits in Punkt 2.4 aufgezeigt, bleibt die Zahl der Erwerbsbevölkerung zunächst konstant. Bis 2020 nimmt die Zahl der 20- bis 65-Jährigen nur um knapp eine halbe Millionen ab. Erst ab 2020 sinkt sie in einem größeren Ausmaß zwischen 5,4 und 5,9 Millionen bis 2030 (vgl. Kistler 2006: 48). Der Rückgang der Erwerbsfähigen bis 2030 liegt somit unterhalb der Summe aus Arbeitslosen plus stiller Reserve zum jetzigen Zeitpunkt. Die künftig geringere Nachfrage nach Arbeitskräften – Stichwort: technische Rationalisierung (vgl. Bundesanstalt für Arbeitschutz und Arbeitsmedizin 2004: 6) oder verdeckte Unterbeschäftigung, wie beispielsweise unfreiwillige Teilzeit oder Frühverrentung - wurden hierbei nicht einmal berücksichtigt (vgl. Kistler 2006: 49). Allerdings muss eine Unterscheidung zwischen Erwerbsfähigen und Erwerbstätigen getroffen werden.

So ist die Erwerbsquote[10] unter der stark wachsenden Gruppe der 55 bis 64-Jährigen deutlich geringer als bei jüngeren Erwerbsfähigen. Kistler prognostiziert jedoch einen beträchtlichen Anstieg der Erwerbsquote Älterer, sowie eine weiter steigende Frauenerwerbsquote in Westdeutschland (vgl. ebd.: 51).

Von einem quantitativen Mangel an Arbeitskräften kann in den nächsten zwei Jahrzehnten in Deutschland demnach keine Rede sein. Die Generation der „Baby-Boomer“ wird das Rentenalter erst weit nach 2020 erreicht haben und dem Arbeitsmarkt potenziell zu Verfügung stehen.

Zu klären bleibt, ob Engpässe an qualifizierten Fachkräften entstehen können? Es klingt zunächst plausibel, dass niedrige Schulabgängerzahlen zu einem Lehrlings- und Akademikermangel und daraus unmittelbar folgend zu einem Fachkräftemangel führen.

Kistler weist jedoch nach, dass diese häufig von der Arbeitgeberseite bemühte Argumentation überzogen und verzerrt ist. Vorliegenden Studien, welche einen Fachkräftemangel prognostizieren, attestiert er erhebliche methodische Schwächen. In vielen Fällen wurden weit überschätzte Zahlen hochgerechnet und gehandelt.

Kistler belegt seine Position mit einer Befragung des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit aus dem vierten Quartal 2003. Im Durchschnitt wurde in dieser Befragung ein gesamtwirtschaftliches Angebot von 825.000 offenen Stellen ermittelt. Wichtig zu wissen ist hierbei, dass bei genauer Nachfrage 309.000 dieser Stellen erst später zu besetzen waren. Die Zahl der tatsächlichen Vakanzen belief sich somit lediglich auf 516.000 Stellen. Zudem brachte die Erhebung zu Tage, dass die befragten Betriebe selbst nur knapp 70.000 der Vakanzen als „schwer zu besetzen“ bezeichneten. Neuere Untersuchungen kämen überdies zu dem Schluss, dass offene Stellen 2004 und 2005 leichter zu besetzen waren als in den Jahren zuvor. Viele bei den Arbeitsagenturen gemeldete offene Stellen seien in Wirklichkeit nicht oder nicht mehr zu besetzen, so Kistler weiter. Faktisch handelt es sich somit nicht um offene Stellen, welche in die Statistik der Bundesagentur für Arbeit eingehen (vgl. ebd.: 59ff).

Eine Studie der Managementberatung Capgemini[11] aus dem Jahr 2006, in welcher die 440 größten deutschen Unternehmen zum Thema „Demographischer Wandel“ befragt wurden, bestätigen Kistlers Ausführungen. Wie Abbildung 3 zu entnehmen ist, fanden die meisten Unternehmen (83 Prozent) die Mitarbeiter, die sie benötigten (vgl. Capgemini 2007: 10).

Ferner sind die Unternehmen, welche keine geeigneten Mitarbeiter finden, oftmals „Opfer“ ihrer von Vorurteilen behafteten Einstellungspolitik. Abbildung 3 zeigt, dass beispielsweise ein vermeintlicher Mangel an Ingenieuren herrscht.

Abbildung 3: Die meisten Unternehmen finden heutzutage die Mitarbeiter, welche sie benötigen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Capgemini 2007: 11

Im Jahr 2006 waren jedoch cirka 42.000 Erwerbsfähige dieser Berufsgruppe in Deutschland arbeitslos gemeldet. Zirka die Hälfte von ihnen gehörte zur Gruppe der 50plus. Personalverantwortliche betrachten diese Alten allerdings als gemeinhin teuer und nicht mehr leistungsfähig (vgl. Reppesgaard 2006: 23), eine Annahme welche grundlegend falsch ist (siehe Kapitel 3). Wenn Unternehmen ohne weiteres auf das Potenzial Älterer verzichten können, scheint, so der logische Schluss, der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften nicht besonders dringlich, was Kistlers Ausführungen ebenfalls stützen würde.

Wie ernst sind also die Lamenti über den Fachkräftemangel zu nehmen? Sicherlich gibt es in einzelnen Branchen schwer oder nicht zu besetzende Stellen mit hohen Qualifikationsanforderungen, ein Trend welcher sich gerade in Zeiten des konjunkturellen Aufschwungs und dem Wandel zur Wissensgesellschaft verstärken wird. Auch kann das Absinken der Erwerbsbevölkerung regional unterschiedlich stark ausfallen (vgl. Hillemeyer 2006: 27). Vor den angeführten Zahlen einen generellen Fachkräftemangel zu propagieren, mutet jedoch befremdlich an. Der „Fachkräftemangel“ ist Kistler zufolge vielmehr ein „politisch instrumentalisierter Begriff“:

„Auf den Punkt gebracht: Die Arbeitgeber(-Verbände) benutzen dieses Argument gerne und übertreiben bei entsprechenden Befragungen dabei auch. Sie tun dies nicht zuletzt, da sie nichts so sehr fürchten als eine tatsächliche Verknappung von Arbeitskräften, die ihre inzwischen politisch durchgesetzten fast unbegrenzten Spielräume wieder einschränken könnte“ (Kistler 2006: 62).

Für Unternehmen und deren Personalverantwortliche ist der viel zitierte Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel in Folge des demographischen Wandels, welcher in der Literatur häufig in der Umschreibung „War for Talent“ gipfelt, bis auf einige Ausnahmen nicht existent.

Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sollten daher mittelfristig vor allem auf die Behebung der anhaltenden Arbeitslosigkeit abzielen und nicht dem von Arbeitgeberseite propagierten Arbeitskräftemangel Rechnung tragen (vgl. Ebert/Kistler/ Staudinger 2007: 25).

2.5 Der Arbeitsmarkt und die älteren Arbeitnehmer

Die Beschäftigungsquote der älteren ist im Vergleich zu jüngeren Erwerbstätigen deutlich geringer (Punkt 2.5), was auf die mindere Wertschätzung von älteren Erwerbstätigen und deren Leistungsfähigkeit durch Arbeitgeber hinweist. Was sind jedoch die Gründe für die geringe oder nicht vorhandene Bereitschaft von Unternehmen, Ältere zu beschäftigen?

In der heutigen Leistungsgesellschaft prägen zahlreiche Vorurteile und Stereotypen das Bild von den Älteren. Alter steht nicht mehr für Erfahrung und Kompetenz - es ist vor allem in der Arbeitswelt zu einem Makel geworden, unabhängig davon, in welcher körperlichen und geistigen Verfassung sich der Erwerbstätige tatsächlich befindet. Dass hier seitens der Unternehmen eine grobe Fehleinschätzung der Leistungsfähigkeit Älterer vorliegt, soll in Kapitel 3 aufgezeigt werden.

Unabhängig von empirischen Untersuchungen, welche die Qualitäten von älteren Arbeitnehmern offen legen, werden Unternehmen in Zukunft gezwungen sein, verstärkt auf ältere Erwerbsfähige zurückzugreifen.

2.6 Ende des Jugendwahns?

Aufgrund verbesserter Lebens- und Arbeitsbedingungen stehen den Unternehmen heute ältere Arbeitnehmer zur Verfügung, welche leistungsfähiger und vitaler sind als je eine Generation gleichen Alters zuvor (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2006b: 4). Diese positive Entwicklung spiegelt sich jedoch nicht in der Beschäftigung älterer Erwerbstätiger in Unternehmen wider.

So ist die Erwerbstätigkeit der Bevölkerung im Alter von 55 bis 64 Jahren in Deutschland im Vergleich zu anderen Industrieländern relativ gering. Die Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen lag 2005 bei nur 45 Prozent. Nicht einmal jeder Zweite dieser Altersgruppe ging damit einer Arbeit nach (vgl. Hollstein 2007: 6). Das von den EU-Staaten 2001 in Stockholm beschlossene Ziel, die Erwerbsquote der 55-bis 64-Jährigen bis zum Jahr 2010 in jedem EU-Mitgliedsland auf mindestens 50 Prozent zu erhöhen, liegt für die Bundesrepublik Deutschland damit noch in weiter Ferne (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2006: 6).

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit ist die Arbeitslosigkeit unter Älteren jedoch rückläufig. Im April 2007 waren im Monatsdurchschnitt 1.055.185 Menschen im Alter von 50 Jahren und älter arbeitslos gemeldet. Das sind rund 113.000 Menschen weniger als im Jahr 2005 (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2007). In den letzten Monaten gehäuft auftretende Meldungen wie „Generation 50plus - Trendwende am Jobmarkt“, „Ende des Jugendwahns“ oder „Ältere Bewerber plötzlich wieder gefragt“ verbreiten eine entsprechend optimistische Darstellung der Verhältnisse. Doch die Realität ist für viele ältere Arbeitnehmer eine andere: mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen ist nach wie vor nicht bereit Arbeitnehmer zu beschäftigen, welche 50 Jahre und älter sind (vgl. European Foundation for the Improvement of Living and Working
Conditions 2007: 1).

Capgemini Consulting befragte Personalverantwortliche nach der Bereitschaft im ihrem Unternehmen ältere Mitarbeiter einzustellen und kommt zu ähnlichen Ergebnissen
(siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Bereitschaft ältere Mitarbeiter einzustellen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Capgemini Consulting 2007: 12

Die Vermittlung von Arbeitslosen über 50 ist somit nahezu aussichtslos (vgl. Hollstein 2007: 6), Langzeitarbeitslosigkeit ist meist die Konsequenz (vgl. Kistler 2006: 141).

Fürnkranz-Prskawetz vom Institut für Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften macht für die Verdrängung Älterer aus dem Arbeitsmarkt „Push- und Pull-Faktoren“ verantwortlich. Das soll heißen, dass auf der einen Seite die staatlichen Anreize zur Frühpensionierung[12] noch immer zu hoch sind, auf der anderen Seite ersetzen Unternehmen häufig Ältere durch Jüngere (vgl. Fürnkranz-Prskawetz zitiert nach Bösinger 2007: 22).

Zu beachten ist allerdings, dass sich die Probleme besonders auf ältere Erwerbstätige ohne Berufsabschluss oder mit vergleichsweise geringer formaler Bildung konzentrieren (vgl. Funk 2006: 157). Ein Grund hierfür liegt in der Internationalisierung der Arbeitsteilung, welche dafür sorgt, dass immer mehr simple, repetitive Jobs ins Ausland abwandern und einen steigenden Anteil an anspruchsvolleren Tätigkeiten zurücklassen, die eine höhere Ausbildung erfordern (vgl. Riphahn/Sheldon 2006: 21). So herrscht unter 55- bis 64-Jährigen Akademikern mit einer Arbeitslosenquote von 3,5 Prozent nahezu Vollbeschäftigung, bei einer Erwerbsbeteiligung von über 70 Prozent (vgl. Funk 2006: 157).

Wie ist jedoch der Rückgang der Arbeitslosenquoten unter älteren Arbeitnehmern zu erklären? Nach Kistler sind hierfür einerseits gesetzliche Regelungen verantwortlich: die Arbeitslosenstatistik wird verzerrt, indem Arbeitslose ab dem 58. Lebensjahr unter erleichterten Bedingungen Arbeitslosengeld empfangen, anschließend aber nicht mehr zu den Arbeitslosen gezählt werden (vgl. Kistler 2006: 138). Andererseits begründet Kistler den Hauptteil des Rückgangs mit einer demographischen Besonderheit: die geburtenschwachen Jahrgänge der Kriegs- und Nachkriegsjahre haben einen tiefen Einschnitt in der Alterstruktur gelassen, gefolgt vom Berg der Baby-Boomer. Diese Kriegsjahrgänge sind heute um die 60 Jahre alt und haben vor dem Hintergrund des schwachen Arbeitsmarktes in besonders hohem Maße von weiterhin möglichen Frühverrentungsregelungen Gebrauch gemacht. Gleichzeitig stehen dem Arbeitsmarkt relativ weniger Erwerbstätige aus den betrachteten Alterskohorten zur Verfügung. Die Entwicklung der Arbeitslosenquoten der 50- bis 64-Jährigen spricht für Kistlers Argumentationsgang, da diese in den letzten Jahren, im Gegensatz zu den Jahren davor, immer über dem Durchschnitt lagen. Demzufolge setzt sich die Altersdiskriminierung nach unten weiter fort (vgl. ebd.: 139).

Von Kistler nicht berücksichtigt wird der konjunkturelle Aufschwung und die damit einhergehende allgemein gestiegene Arbeitsnachfrage der Unternehmen, welche zweifelsohne auch positive Effekte auf den Arbeitsmarkt für ältere Arbeitnehmer hat.

Rückblickend ist, wie bereits erwähnt, jedoch deutlich zu sehen, dass ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor einen schlechten Stand haben. Personalverantwortliche in den Unternehmen bevorzugen noch immer jüngere Mitarbeiter. Vom viel bemühten „Ende des Jugendwahns“ zu sprechen, scheint verfrüht.

Christian Scholz, ein Personalexperte von der Universität Saarbrücken behauptet indes sicherlich streitbar: "Nichts wird sich ändern (…) wir werden zwar eine Aging Society bekommen, eine Aging Workforce aber nicht" (Scholz zitiert nach Astheimer/Nöcker: 2007: 11). Auch künftig würden Ältere entlassen, da diese schlichtweg zu teuer seien. Eine Änderung der Rahmenbedingungen wie Vergütungsstrukturen, Karrierewege, aber auch Kündigungsschutzregeln, sei weitaus komplizierter als die Älteren, wie heute schon üblich, zu entlassen. Wenn keine jüngeren Arbeitskräfte nachrücken, würden die Belegschaften in Unternehmen eben schrumpfen, so Scholz (vgl. ebd.).

2.7 Hindernisse bei der Einstellung älterer Arbeitnehmer

Die in Punkt 2.5 aufgezeigte unzureichende Beschäftigung älterer Erwerbfähiger führt zu der Frage, weshalb Unternehmen die Arbeitskraft eines jüngeren Arbeitnehmers vorziehen und die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen für eben diese höher bewerten als die Einbeziehung älterer Erwerbsfähiger in das Berufsleben. Diese Frage ist von besonderer Bedeutung, da die Einschätzung der Fähigkeiten älterer Erwerbstätiger durch Unternehmen eine entscheidende Rolle bei der Erhöhung der Erwerbsquoten, den Wiedereinstiegschancen bei Arbeitslosigkeit und beim Umgang mit älter werdenden Belegschaften spielt. Gründe für die offensichtliche Geringschätzung älterer Arbeitnehmer sollen im Folgenden aufgezeigt werden.

2.7.1 Altersstereotype in den Köpfen

Unsere Gesellschaft orientiert sich stark an vermeintlich jugendlichen Attributen. Was zählt, ist gesund, fit, flexibel und dynamisch zu sein. Eigenschaften, welche man heute älteren Menschen abspricht. Im Wesentlichen konnotiert Alter Verfall, Gebrechlichkeit, Krankheit sowie Abbau von Kräften und wird nicht mit Werten wie Weisheit und Lebenserfahrung in Verbindung gebracht (vgl. Adenauer 2002: 41). Auf die Frage weshalb das Altersbild der heutigen Gesellschaft von den zuvor beschriebenen Alterstereotypen beherrscht wird, liefern Wentura und Rothermund einen Erklärungsansatz: Einschätzungen sind in solchen Situationen stereotypgeleitet, in denen die vorliegenden Informationen ambivalent sind und große Deutungsspielräume lassen. Für die Wahrnehmung von alten Menschen heißt das, dass vor allem die Beurteilung des „alten Menschen“ in Situationen, in denen wenig individuierende Informationen vorhanden sind, von stereotypen Vorstellungen geprägt ist. Untersuchungsergebnisse weisen gleichzeitig darauf hin, dass die Einschätzung des Alterns von „aktuell zugänglichen Kontextinformationen“ abhängig ist (Wentura/Rothermund o.J.: 31). So gibt es in vielen gesellschaftlichen Bereichen kaum ältere Menschen, womit es Jüngeren meist nicht möglich ist, ein realistisches Bild von diesen zu bekommen (vgl. Steiner 1997: 136). Stattdessen werden im Zuge des Jugendkultes mit Vorurteilen belastete Informationen durch die Medien verbreitet und von weiten Teilen der Gesellschaft ungefiltert akzeptiert und verinnerlicht. Die mediale Öffentlichkeit stellt Ältere beispielsweise häufig nur als Konsumenten von Faltencremes, als Bewohner von Seniorenheimen oder in anderen einseitigen, altersstereotypen Rollen dar.[13]

„Anti-aging“- Produkte sind allgegenwärtig und auf subtile Weise tragen auch diese dazu bei, dass Altern zum sozialen Stigma wird (vgl. Hedge/Borman/Lammlein
2006: 27).

[...]


[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden – sofern beide Geschlechter gemeint und keine geschlechtsspezifischen Differenzierungen erforderlich sind – nur die maskuline Form verwendet.

[2] Die im Folgenden gemachten Angaben, beruhen zu einem Großteil auf Berechnungen und Schätzungen des Statistischen Bundesamtes (vgl. www.destatis.de). Andere Institutionen, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (vgl. www.diw.de) oder das Zentrum für Demografischen Wandel (www.zdwa.de) kommen zu ähnlichen Ergebnissen.

[3] Um die Bevölkerungszahl konstant zu halten, müsste eine Frau in ihrem Leben durchschnittlich 2,1 Kinder gebären (vgl. Seibt 2006: 13).

[4] Vorausberechnungen bezüglich der Bevölkerung gehen immer von der Ist-Situation aus. Gegeben ist eine Bevölkerung, die nach Geschlecht und einzelnen Altersjahren gegliedert ist. Für diese Bevölkerung werden, ebenfalls differenziert nach dem Alter, die Geburten-, Sterbe-, Zu- und Abwanderungswahrscheinlichkeiten berechnet, anhand derer die Vorausberechnungen vorgenommen werden. Problematisch hierbei ist, Annahmen zur Entwicklung von Mortalität, Fertilität und Migration zu treffen. So hängt die Qualität der Prognosen davon ab, inwieweit diese Annahmen die Realität abbilden. Da es, wie in Punkt 2.2 bereits angedeutet, nicht möglich ist, exakte Trends vorherzusehen, werden Bevölkerungsvorausberechnungen immer in verschieden Varianten berechnet (vgl. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2004: 61).

[5] Die Vorausberechnungen variieren in den geschätzten Zuwanderungszahlen. Als wahrscheinlichste Zuwanderungsannahme wurden 100.000 ausländische Zuwanderer pro Jahr gesetzt, eine weitere Variante rechnet mit 200.000 Personen (vgl. Statistisches Bundesamt 2006).

[6] ZDF, dreiteilige Dokumentation, Erstausstrahlung 16. Januar 2007, 20.15 Uhr

[7] Bei einer Zuwanderung von 100.000 Menschen pro Jahr.

[8] „Die allgemeine Regelaltersgrenze wird zwischen 2012 und 2029 auf 67 Jahre angehoben. Beginnend mit dem Geburtsjahrgang 1947 erfolgt die Anhebung ab 2012 zunächst in Ein-Monats-, von 2024 an in Zwei-Monats-Schritten, so dass dann für Versicherte ab Jahrgang 1964 die Regelaltersgrenze von 67 Jahren gilt“ (Schilling 2007: 145).

[9] Wer mindestens 58 Jahre alt ist, kann sich aus der Arbeitslosenstatistik austragen lassen und bis zu 32 Monate lang Arbeitslosengeld beziehen. Anschließend bekommt er, bei Bedürftigkeit, Arbeitslosenhilfe. Er muss dann allerdings zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Altersrente in Anspruch nehmen, dies wiederum nur dann, wenn die Rente ohne Abschlag zugebilligt werden kann (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2006a).

[10] Die Erwerbsquote ist gleich die Menge der Personen im erwerbsfähigen Alter, minus den Anteil derjenigen, die keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen können oder wollen, sowie derjenigen, welche aufgrund von Altersdiskriminierung keine Chance auf einen Arbeitsplatz haben und sich daher aus dem Erwerbsleben zurückziehen (vgl. Kistler 2006: 50).

[11] Die Studie basiert auf einer Befragung der 440 größten Unternehmen in Deutschland, bei der von April bis Juni 2006 Personalleiter beziehungsweise Leiter der Personalabteilungen mit einem Fragebogen um eine persönliche Stellungnahme gebeten wurden. Grundlage waren die Adressdatenbanken von Capgemini Deutschland. Die aufgeführten Unternehmen geben einen guten Querschnitt über die wichtigsten Branchen in Deutschland. An der Befragung waren sowohl junge Unternehmen als auch Traditionsunternehmen beteiligt (vgl. Capgemini Consulting 2007: 6).

[12] Frühverrentung bezeichnet ganz allgemein den vorzeitigen Renteneintritt vor der Regelaltersgrenze von 65 Jahren. 1973 lag das Renteneintrittsalter bei 61,5 Jahren, 1982 war es bereits auf 58,5 Jahre gesunken. (vgl. Pfeiffer/Simons 2004: S. 9ff). „Über Jahrzehnte schien die Frühverrentung nur Gewinner zu kennen und wurde in einem breitem Bündnis von Unternehmen, Gewerkschaften und Politik befürwortet“ (Busch 2004: 16). Frühzeitiger Zugang zur Rente soll dem individuellen Alterungsprozess gerecht werden. Langjährig erwerbstätige Arbeitnehmer, gesundheitlich und leistungsmäßig eingeschränkten Personen, sowie ältere Arbeitslose sollen durch verschiedene Verrentungsoptionen vorgezogen, doch finanziell abgesichert, in den Ruhestand entlassen werden. Die sozialpolitischen Motive der Altersgrenzenpolitik werden so durch arbeitsmarktbezogene Zielstellungen ergänzt (vgl. Blum/Becker/Zimmermann 2007: 39).

Besonders in den 90er Jahren nutzte man die Frühverrentung aus arbeitsmarktpolitischen Gründen, weswegen jedoch in der zweiten Hälfte der 90er Jahre das Zugangsalter bei den Renten wegen Alters stark absank. Um die Einstellung jüngerer Arbeitnehmer zu ermöglichen, Unternehmen vermeintlich zu entlasten und um Arbeitslosigkeit zu verhindern wurden ältere Mitarbeiter, oft unfreiwillig, „freigesetzt“ und mussten hohe Renteneinbußen in Kauf nehmen. Realisiert wurde jedoch allein die Entlastung der Unternehmen, während die Sozialkassen, besonders die gesetzlichen Rentenversicherungen, die Kosten tragen mussten. (vgl. Gräser 2006: 3).

[13] Das 2006 erschienene Buch von Astrid Nourney „Zu alt? Abgelehnt! Berichte über das Älter werden“ liefert weitere ernüchternde Beispiele zur Altersdiskriminierung in Deutschland.

Fin de l'extrait de 109 pages

Résumé des informations

Titre
Betriebliche Personalpolitik vor dem Hintergrund des demographischen Wandels
Sous-titre
Können es sich Unternehmen leisten, ältere Arbeitnehmer auszugrenzen?
Université
University of Lüneburg
Note
1,7
Auteur
Année
2007
Pages
109
N° de catalogue
V88185
ISBN (ebook)
9783638023849
ISBN (Livre)
9783638924122
Taille d'un fichier
984 KB
Langue
allemand
Mots clés
Betriebliche, Personalpolitik, Hintergrund, Wandels
Citation du texte
Sven Regenhardt (Auteur), 2007, Betriebliche Personalpolitik vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88185

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