Die Auswahl einer geeigneten Unternehmensrechtsform ist ein klassisches betriebswirtschaftliches Entscheidungsproblem. Hierbei sollen die individuellen Zielvorstellungen mit denkbaren organisatorischen Grundformen möglichst übereinstimmen. In Deutschland zeigt sich die Rechtsform der GmbH als außerordentlich beliebt und praktikabel, da sie die günstigste Gesellschaftsform mit Haftungsbeschränkung darstellt.
Gleichwohl wird anlässlich der bei der GmbH gegebenen Kapitalerfordernisse und weiterer rechtlicher Nachteile innerhalb des Gesellschafts- und Insolvenzrechts in Deutschland nach einer flexibleren Gesellschaftsform gesucht, der ebenso eine Haftungsbeschränkung zugrunde liegt.
Seit den EuGH-Urteilen hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit von Kapitalgesellschaften ist Unternehmen der Zugriff auf Rechtsformen anderer Mitgliedstaaten der EU möglich. In einem solchen Fall ist zunächst die Gründung einer ausländischen Gesellschaft vorzunehmen, deren Verwaltungssitz anschließend in einen anderen EU-Mitgliedstaat, z.B. nach Deutschland, verlegt wird. Gleichzeitig erfolgt die Eintragung einer Zweigniederlassung im Handelsregister. Unter bestimmten Gesichtspunkten können sich durch Verwendung ausländischer Gesellschaften Vorteile ergeben, die zur Eröffnung des Wettbewerbs europäischer Rechtsordnungen beitragen.
Die dem englischen Gesellschaftsrecht zugrunde liegende Rechtsform der Private Limited Company by Shares sticht aus der Gruppe gleichartiger Rechtsformen aufgrund ihrer außerordentlich hohen Beliebtheit heraus. Dies lässt sich vornehmlich mit der kostengünstigen und unkomplizierten Gründung, dem fehlenden gesetzlichen Mindeststammkapitalerfordernis und der steigenden Bekanntmachung durch eine neu entstandene Dienstleistungsbranche begründen.
Augenblicklich führt die Limited im Wettbewerb gegenüber der deutschen GmbH und allen anderen Gesellschaften innerhalb der EU. Diese Position lässt sich vielseitig begründen. Im Vordergrund steht dabei das geringe aufzubringende Kapital, welches gewöhnlich 1 bis 100 GBP beträgt. Hierdurch eröffnet sich für Unternehmer, die das bei der deutschen GmbH gesetzlich geforderte Mindeststammkapital i.H.v. 25.000 EUR nicht aufbringen wollen oder können, die Möglichkeit, mittels der englischen Limited dennoch eine Gesellschaft, welche infolge der EuGH-Rechtsprechung auch in Deutschland anerkannt wird, zu gründen. Hinsichtlich dieses Sachverhalts erscheint es nötig, eine vergleichende Analyse vorzunehmen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Niederlassungsfreiheit in der EU
- 2.1 Niederlassungsfreiheit gem. Artt. 43, 48 EGV
- 2.2 Anknüpfungstheorien des Gesellschaftsrechts in der EU
- 2.2.1 Sitztheorie
- 2.2.2 Gründungstheorie
- 2.2.3 Zwischenergebnis
- 2.3 EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit
- 2.4 Ergebnis der Rechtsprechung und Folgen für die Praxis
- 2.4.1 Zuzug ausländischer Gesellschaften
- 2.4.2 Wegzug inländischer Gesellschaften
- 2.4.3 Resultat
- 3 Wettbewerb der europäischen Rechtsordnungen
- 3.1 Überblick und Rechtsgrundlagen von GmbH und Limited
- 3.1.1 Entwicklung und Ausgestaltung der deutschen GmbH
- 3.1.2 Entwicklung und Ausgestaltung der englischen Limited
- 3.2 Vor- und Nachteile der englischen Limited gegenüber der GmbH
- 3.3 Zusammenfassung der Ergebnisse
- 4 Kapitalschutzsystem von GmbH und Limited
- 4.1 Begriff und Arten des Kapitals
- 4.2 Funktionen des Kapitals
- 4.3 Kapitalaufbringung
- 4.4 Kapitalerhaltung
- 4.5 Alternativen zum gebundenen Mindeststammkapital
- 4.6 Mindestkapital im internationalen Wettbewerb der Rechtsformen
- 4.7 Ergebnis
- 5 Reaktionen auf nationaler Ebene in der EU
- 5.1 Antworten der Gesetzgeber anderer Mitgliedstaaten der EU
- 5.2 Antwort des deutschen Gesetzgebers: Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG-E)
- 6 Zusammenfassende Würdigung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Haftkapital der GmbH im Kontext des Wettbewerbs der europäischen Rechtsordnungen. Ziel ist es, die Vor- und Nachteile der deutschen GmbH im Vergleich zur englischen Limited hinsichtlich des Kapitalschutzes zu analysieren und die Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung auf die Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften zu beleuchten.
- Wettbewerb der Rechtsformen GmbH und Limited
- Niederlassungsfreiheit in der EU und ihre Auswirkungen
- Kapitalschutzsysteme im deutschen und englischen Recht
- Relevanz des Mindeststammkapitals
- Reaktionen der Gesetzgeber auf die EuGH-Rechtsprechung
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Diese Einleitung führt in die Thematik des Haftkapitals der GmbH und den Wettbewerb der Rechtsordnungen ein. Sie beschreibt die Zielsetzung der Arbeit und gibt einen Überblick über den Aufbau. Der Fokus liegt auf der rechtlichen und ökonomischen Analyse der Rechtsformen GmbH und Limited im europäischen Kontext.
2 Niederlassungsfreiheit in der EU: Dieses Kapitel analysiert die Niederlassungsfreiheit im europäischen Recht, insbesondere Artikel 43 und 48 EGV. Es untersucht verschiedene Anknüpfungstheorien im Gesellschaftsrecht (Sitztheorie, Gründungstheorie) und bewertet die einschlägige Rechtsprechung des EuGH (Daily Mail, Centros, Überseering, Inspire Art). Die Auswirkungen dieser Rechtsprechung auf den Zuzug und Wegzug von Gesellschaften werden ausführlich diskutiert und die Folgen für die Praxis erläutert. Das Kapitel zeigt auf, wie die EuGH-Rechtsprechung die Grenzen der nationalen Rechtsordnungen im Kontext der Niederlassungsfreiheit definiert.
3 Wettbewerb der europäischen Rechtsordnungen: Dieses Kapitel vergleicht die GmbH und die Limited hinsichtlich ihrer Entwicklung, Ausgestaltung, Vor- und Nachteile. Es wird ein umfassender Vergleich der Gründungsverfahren, Organisationsverfassung, laufenden Kosten, Kapitalverfassung, Finanzierungsmöglichkeiten, Mitbestimmung, Durchgriffshaftung, Rechnungslegung, Besteuerung, Publizitätspflichten, Kreditwürdigkeit, Auftreten im Geschäftsverkehr, inländischen Lizenzen und Genehmigungen, Rechtsformwechsel und Gesellschafterwechsel vorgenommen. Das Kapitel liefert eine detaillierte Analyse der jeweiligen Stärken und Schwächen beider Rechtsformen und deren Auswirkungen auf den Wettbewerb der Rechtsordnungen.
4 Kapitalschutzsystem von GmbH und Limited: Dieser Abschnitt befasst sich eingehend mit den Kapitalschutzsystemen der GmbH und der Limited. Er definiert den Begriff des Kapitals, beschreibt die verschiedenen Kapitalarten und analysiert deren Funktionen (Arbeitskapital, Gläubigerschutz, Schutz der Gesellschafter). Der Vergleich der Kapitalaufbringung und -erhaltung in beiden Rechtsordnungen bildet den Kern dieses Kapitels. Die Analyse der Alternativen zum gebundenen Mindeststammkapital und die Einbettung dieser Thematik in den internationalen Wettbewerb der Rechtsformen runden das Kapitel ab. Es wird detailliert dargestellt, wie die jeweiligen Systeme die Interessen von Gläubigern und Gesellschaftern schützen sollen.
5 Reaktionen auf nationaler Ebene in der EU: Das Kapitel beleuchtet die Reaktionen der Gesetzgeber verschiedener EU-Mitgliedstaaten auf die EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit. Konkret werden die Anpassungen des Company Law im Vereinigten Königreich, der französischen S.A.R.L., der spanischen SLNE und der niederländischen B.V. untersucht. Im Fokus steht die Reaktion des deutschen Gesetzgebers mit dem MoMiG-E, einschließlich der Herabsetzung des Mindeststammkapitals, der Vereinfachung der GmbH-Gründung und der Anpassung weiterer Regelungen. Die Analyse zeigt, wie die einzelnen Staaten auf den europäischen Rechtsrahmen reagieren und welche Anpassungen sie in ihren nationalen Rechtsordnungen vornehmen.
Schlüsselwörter
GmbH, Limited, Haftkapital, Niederlassungsfreiheit, EU, EuGH-Rechtsprechung, Kapitalschutz, Wettbewerb der Rechtsordnungen, Mindeststammkapital, MoMiG-E, Gläubigerschutz, Gesellschafterschutz, Rechtsformenvergleich, Unternehmensgündung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Arbeit: "Haftkapital der GmbH im Kontext des Wettbewerbs der europäischen Rechtsordnungen"
Was ist der Gegenstand der Arbeit?
Die Arbeit untersucht das Haftkapital der deutschen GmbH im Vergleich zur englischen Limited vor dem Hintergrund des Wettbewerbs der europäischen Rechtsordnungen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Analyse des Kapitalschutzes und der Auswirkungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Niederlassungsfreiheit auf Gesellschaften.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: den Wettbewerb zwischen GmbH und Limited, die Niederlassungsfreiheit in der EU und deren Auswirkungen, die Kapitalschutzsysteme im deutschen und englischen Recht, die Relevanz des Mindeststammkapitals, und die Reaktionen der Gesetzgeber auf die EuGH-Rechtsprechung. Ein detaillierter Vergleich der Gründungsverfahren, Organisationsverfassung, Kosten, Kapitalverfassung, Finanzierung, Mitbestimmung, Haftung, Rechnungslegung, Besteuerung und Publizität der beiden Rechtsformen wird durchgeführt.
Welche Rechtsquellen werden berücksichtigt?
Die Arbeit analysiert relevante Artikel des EG-Vertrags (Art. 43 und 48 EGV), die Rechtsprechung des EuGH (u.a. Daily Mail, Centros, Überseering, Inspire Art), sowie nationale Gesetze zur GmbH und Limited. Das deutsche Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG-E) wird ebenfalls eingehend betrachtet.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit ist in sechs Kapitel gegliedert: Einleitung, Niederlassungsfreiheit in der EU, Wettbewerb der europäischen Rechtsordnungen, Kapitalschutzsystem von GmbH und Limited, Reaktionen auf nationaler Ebene in der EU und zusammenfassende Würdigung. Jedes Kapitel behandelt einen spezifischen Aspekt der Thematik und baut auf den vorhergehenden Kapiteln auf. Es werden detaillierte Kapitelzusammenfassungen bereitgestellt.
Welche Anknüpfungstheorien im Gesellschaftsrecht werden untersucht?
Die Arbeit untersucht die Sitztheorie und die Gründungstheorie im Kontext der Anknüpfung im Gesellschaftsrecht der EU und bewertet deren Relevanz im Lichte der EuGH-Rechtsprechung.
Welche Auswirkungen hat die EuGH-Rechtsprechung auf die Niederlassungsfreiheit?
Die Arbeit analysiert die Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung auf den Zuzug und Wegzug von Gesellschaften innerhalb der EU. Es wird gezeigt, wie die Rechtsprechung die Grenzen nationaler Rechtsordnungen im Kontext der Niederlassungsfreiheit definiert und welche Folgen dies für die Praxis hat.
Wie werden GmbH und Limited verglichen?
Der Vergleich der GmbH und Limited umfasst eine umfassende Gegenüberstellung ihrer Vor- und Nachteile hinsichtlich Gründung, Organisation, Kosten, Kapital, Finanzierung, Haftung, Rechnungslegung, Besteuerung, Publizität und weiteren relevanten Aspekten.
Was sind die Kernaussagen der Arbeit zum Kapitalschutz?
Die Arbeit analysiert die Kapitalschutzsysteme beider Rechtsformen, definiert den Begriff des Kapitals, beschreibt dessen Funktionen und vergleicht die Kapitalaufbringung und -erhaltung. Alternativen zum gebundenen Mindeststammkapital und deren Rolle im internationalen Wettbewerb werden ebenfalls diskutiert.
Wie reagieren die nationalen Gesetzgeber auf die EuGH-Rechtsprechung?
Die Arbeit untersucht die Anpassungen des nationalen Rechts verschiedener EU-Mitgliedstaaten, insbesondere die Reaktion des deutschen Gesetzgebers mit dem MoMiG-E, auf die EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit.
Welche Schlüsselwörter sind relevant für die Arbeit?
Relevante Schlüsselwörter sind: GmbH, Limited, Haftkapital, Niederlassungsfreiheit, EU, EuGH-Rechtsprechung, Kapitalschutz, Wettbewerb der Rechtsordnungen, Mindeststammkapital, MoMiG-E, Gläubigerschutz, Gesellschafterschutz, Rechtsformenvergleich, Unternehmensgündung.
- Citation du texte
- Diplom-Ökonomin / Magistra Legum (LL.M) Kristina Werner (Auteur), 2007, Das Haftkapital der GmbH vor dem Hintergrund des Wettbewerbs der Rechtsordnungen - eine rechtliche und ökonomische Analyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88239