Ungleiche Einkommensverteilungen und die Wahrscheinlichkeit einer Revolution


Seminararbeit, 2005

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung:

1. Einleitung

2. Die Bedeutung von Revolutionen

3. Ein Verhaltensmodell für Revolutionsaktivitäten
3.1 Die Regierungsaufgabe
3.2 Die Bevölkerung
3.3 Die Wahrscheinlichkeit einer Revolution
3.4 Ungleiche Einkommen

4. Empirische Untersuchung
4.1 Daten und Vorgehensweise
4.2 Gruppenvergleich anhand persönlicher Merkmale
4.3 Regressionsanalyse
4.3.1 Persönliche Merkmale
4.3.2 Makroökonomische Größen
4.4 Wachstum oder gleiche Einkommen?
4.5. Kritische Reflexion

5. Weitere Zusammenhänge und Erklärungsansätze
5.1 Weitere relevante Größen
5.2 Weitere Erklärungsansätze
5.2.1 Forschung und ungleiche Einkommen
5.2.2 Ein spieltheoretischer Ansatz
5.2.3 Freiheit und Religion

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

„Revolutionen kommen aus dem Magen“, vermutete Napoleon I. Ohne Frage steigt das Revolutionsbedürfnis bei Nahrungsmittelknappheit. Aber Nahrungsmittelknappheit kann nicht der einzige Grund sein, wie sich z.B. bei Revolten von Jugendlichen in französischen Vorstädten zeigt. Die Frage, welche weiteren Faktoren in welchem Ausmaß in die Revolutionsneigung einer Person mit einfließen, ist zwar altbekannt, aber dennoch bisher nur unzureichend beantwortet worden.

Die Literatur zu dieser Thematik teilt sich in zwei Strömungen auf: Ein Ansatz untersucht politische und wirtschaftliche Ungleichbehandlungen, den Einfluss von Mangelerscheinungen (z.B. an Nahrung) sowie den hieraus folgenden Verdruss mit der ökonomischen sowie politischen Gesamtsituation. Der andere Ansatz konzentriert sich auf die Untersuchung der individuellen wirtschaftlichen Ertragsmaximierung. Bei diesem wird angenommen, dass ein Individuum eine Revolution wünscht, wenn es einen erhöhten Nutzen von der Revolution erwartet[1].

In dieser Arbeit wird der zweite Ansatz aufgegriffen und hierzu, nach der Darstellung der Bedeutung von Revolutionen in Abschnitt 2, in Abschnitt 3 ein mikroökonomisches Verhaltensmodell eingeführt, das auf den Arbeiten von Grossman (1991) und MacCulloch (2001/2005) aufbaut. Anhand dieses Modells können verschiedene Einflussfaktoren auf die Revolutionsaffinität untersucht werden. Den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet dabei die Analyse des Einflusses unterschiedlicher Einkommenshöhen, welche in Abschnitt 4 mit Hilfe einer empirischen Untersuchung durchgeführt wird. In Abschnitt 5 wird auszugsweise auf weitere nicht empirisch untersuchte Zusammenhänge und Erklärungsansätze eingegangen. Abschnitt 6 fasst schließend zusammen und gibt einen Ausblick.

2. Die Bedeutung von Revolutionen

Erfolgreiche Revolutionen lösen bestehende Eigentumsrechte auf und verteilen das Eigentum neu. Die Konstanz der Eigentumsrechte ist jedoch von fundamentaler Bedeutung für jede Marktwirtschaft. Wenn damit zu rechnen ist, dass sich die Eigentumsrechte verschieben könnten, dann fehlt den Individuen der Anreiz, Verträge abzuschließen und einzuhalten. Der Wohlstand der westlichen Industrienationen beruht jedoch zu einem großen Teil auf der freiwilligen Umverteilung von Ressourcen durch frei verhandelbare Verträge.

Revolutionen gelten daher oft als Zerstörer von wirtschaftlichen Kreisläufen und den Grundlagen der Gesellschaft. Auf der anderen Seite kann eine Revolution durchaus positive Wirkungen haben, indem sie ein Regime, welches nur für eine kleine Gesellschaftsgruppe arbeitet, seiner Macht enthebt. Ob der Effekt einer Revolution positiv oder negativ ist, hängt dabei maßgeblich von der Größe der repräsentierten Bevölkerungsgruppe des entmachteten und des neu installierten Regimes ab. Je größer die Regierungsklientel, desto demokratischer ist eine Regierung und umso nachteiliger ist i.d.R. eine Revolution.

Unabhängig von der Größe der Regierungsklientel ist ein Hauptziel jeder Regierung, nicht nur Revolutionen zu verhindern, sondern auch die Revolutionsaffinität der Bevölkerung möglichst gering zu halten, um den Bürgern eine möglichst große Sicherheit zu bieten. Regierungen geben u.a. auch aus diesem Grunde Geld für Polizei und Militär aus, verteilen die Leistungen ihrer Volkswirtschaft um oder erkaufen sich die Loyalität der Bevölkerung durch Ausweitung der Bürgerrechte[2]. Bismarck z.B. führte die erste Form einer modernen Sozialversicherung ein, um damit den Sozialdemokraten als revolutionsaffinen politischen Gegnern die Unterstützung aus der Bevölkerung „abzukaufen“. Damit diese Mittel zur Revolutionsvorbeugung effizient eingesetzt werden, muss aber bekannt sein, wie bedeutsam welche Faktoren für die Revolutionsaffinität einer Bevölkerung sind.

In Abschnitt 3 wird für die Ableitung von grundlegenden Faktoren ein von Grossmann entwickeltes Modell vorgestellt, welches die Revolutionsaffinität einer Gesellschaft unter einer Regierung mit kleiner Regierungsklientel untersucht. In Abschnitt 4 werden diese und weitere Einflüsse anhand einer empirischen Unter-suchung gemessen und damit vergleichbar gemacht. Die Ergebnisse sind dabei unabhängig von der Größe der Regierungsklientel, so dass sie auch für die Revolutionsvorbeugung von demokratischen Staaten verwertbar sind.

3. Ein Verhaltensmodell für Revolutionsaktivitäten

Grossman hat 1991 ein mikroökonomisches Modell entwickelt, das die Revolutionsneigung einer Bevölkerung direkt mit makroökonomischen Größen verknüpft und damit die Zusammenhänge empirisch überprüfbar macht.

In diesem Modell wird angenommen, dass der Staat seine beiden Regierungs-variablen - Steuern und Militärausgaben - nutzt, um den Wohlstand ihrer Klientel zu maximieren[3]. Die Militärausgaben dienen dabei der Senkung der Wahrschein-lichkeit einer erfolgreichen Revolution.

3.1 Die Regierungsaufgabe

Die Regierung hat die Aufgabe, das Einkommen ihrer Klientel, Ek, zu maximieren. Für Ek gilt:

(1) Ek = (1- α)*(T – w*M),

wobei α die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Revolution bezeichnet, in deren Folge das Einkommen der Regierungsklientel Null ist. Das Einkommen der Regierungsklientel besteht bei nicht erfolgter Revolution aus den gesamten Steuereinnahmen[4], T, abzüglich der Militärausgaben. Diese setzen sich aus, w, dem Sold pro geleisteter Zeiteinheit im Militärdienst, und M, der kumulierten Zeit der Bevölkerung, die auf Militäraktivitäten verwendet wird, zusammen.

Die Regierung agiert als „First-Mover“ vor der Bevölkerung.

3.2 Die Bevölkerung

Die Bevölkerung reagiert auf Politik der Regierung als „Second-Mover“, indem sie ihre Zeit in Arbeit, a, Militärdienst, m, und Revolutionsaktivitäten, r, aufteilt. Es gilt: a + m + r = 1.

Der kumulierte zeitliche Aufwand für Arbeit sei A, für Militärdienst M und für Revolutionsaktivitäten R. Die volkswirtschaftlich pareto-optimale Allokation der Zeit maximiert die Produktion, es gilt also A = 1 und M, R = 0.

Jede Person erwirtschaftet q = λ*a, wobei q ihre gesamte Wertschöpfung und λ die Wertschöpfung pro Zeiteinheit bezeichnet[5].

Das Gesamteinkommen, E, der Bürger setzt sich aus dem Arbeitseinkommen, EA, dem Einkommen aus dem Militärdienst, EM, und dem Einkommen aus einer Beteiligung an einer Revolution, ER, zusammen.

Das Arbeitseinkommen beträgt:

(2) EA = (1-t)*q = (1-t)*λ*a,

wobei t den durchschnittlichen Steuersatz angibt.

Das Einkommen aus dem Militärdienst beträgt:

(3) EM = (1-α)*w*m,

wobei 1-α bedeutet, dass der Sold nur erworben wird, wenn keine erfolgreiche Revolution stattfindet.

Das Einkommen aus einer Beteiligung an einer Revolution beträgt[6]:

(4) ER = α*Ω*r/R,

wobei die potentielle „Beute“ aus der Beschlagnahmung der Besitzstände bezeichnet. setzt sich aus angehäuftem Kapital vorheriger Perioden, K, und dem jetzigen Steueraufkommen, t *λ*A = T, zusammen. Es wird dabei angenommen, dass die einzigen Kosten einer Revolution die Opportunitätskosten der entgangenen Produktion sind[7]. Dementsprechend gilt:

(5) Ω= t* λ*A + K = T + K.

Die Bürger sehen sich also folgender Einkommensgleichung gegenüber:

(6) E = EA + EM + ER = (1-t)*λ*a + (1-α)*w*m + α*Ω*r/R.

Die Variablen t, λ, α, w, Ω und R sind der Bevölkerung gegeben [8] , so dass sie ihr erwartetes Einkommen, E, durch die Wahl der Variablen a, m, r (unter der Nebenbedingung a + m + r = 1) maximiert.

Die partiellen Ableitungen des Einkommens je eingesetzter Zeiteinheit sind positiv

(7a) ∂EA/∂a > 0

(7b) ∂EM/∂m > 0

(7c) ∂ER/∂r > 0

und müssen im Maximum für die drei Einkommensarten gleich sein [9] :

(8) ∂EA/∂a = ∂EM/∂m = ∂ER/∂r = (1-t)*λ = (1-α)*w = α*Ω/R.

Ein Individuum wird also keine Zeit in eine Einkommensart investieren, wenn eine andere Einkommensart eine höhere Einnahme erwarten lässt; bzw. es wird alle Zeit einer Einkommensart widmen, wenn diese höhere Einnahmen erwarten lässt als die anderen Einkommensarten.

Es kann realistischerweise jedoch angenommen werden, dass die marginalen Einkommenseffekte mit zunehmenden Zeiteinsatz abnehmen:

(9a) ∂²EA/∂a² < 0

(9b) ∂²EM/∂m² < 0

(9c) ∂²ER/∂r² < 0

Die Bevölkerung wird folglich nur unter besonderen Umständen jegliche verfügbare Zeit für eine Einkommensart verwenden, so dass i.d.R. im Maximum von (8) gilt: 0 < a < 1, 0 < m < 1, 0 < r <1.

3.3 Die Wahrscheinlichkeit einer Revolution

Aus Gleichung (8) folgt, dass die Zeit, die mit Revolutionsaktivitäten verbracht wird:

1. zunimmt, je größer die potentielle „Beute“Ω (∂R/∂Ω > 0),
2. abnimmt je größer die Produktivität λ (∂R/∂λ < 0)[10],
3. zunimmt je größer der Steuersatz t (∂R/∂t > 0) und
4. abnimmt je größer der gezahlte Sold w ist (∂R/∂w < 0).

Aber wie stark beeinflusst die Zeit, die für Revolutionsaktivitäten verwendet wird (also die Variable R), die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich zu einer erfolgreichen Revolution kommt?

Die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Revolution ist eine mit R steigende und mit S fallende Funktion. Grossmann hat in seinen Ausführungen für diesen Sachverhalt folgende Funktion als „plausibel“ angenommen[11]:

[...]


[1] Es muss gelten: U(Revolution) > U(keine Revolution), U ist als Nutzen definiert.

[2] Acemoglu und Robinson zeigen in ihrem Artikel „Why Did the West Extend the Franchise? Democracy, Inequality and Growth in Historical Perspective“, The Quaterly J. of Economics, 2000, [1], dass politische Führungen das Wahlrecht ausweiten, um soziale Unruhen (und im Extremfall Revolutionen) zu verhindern.

[3] Die Annahme engt den Betrachtungshorizont ein, da sie zwar für absolutistische und diktatorische Regimes zutreffen mag, jedoch nicht für demokratisch legitimierte Regierungen, die alle ihre Bürger als Klientel haben,.

[4] Das Steueraufkommen lässt sich aus dem Steuersatz, t, multipliziert mit der kumulierten Wertschöpfung jeder Person, Q, berechnen. Zur Vereinfachung wird angenommen, dass keine Kosten der Steuererhebung (z.B. Unterhalt eines Finanzamtes) bestehen.

[5] λ kann als technologischer Parameter gesehen werden, der positiv mit der technologischen Entwicklung korreliert ist. Die volkswirtschaftlich relevante aggregierte Wertschöpfung, Q, lässt sich durch Multiplikation des kumulierten zeitlichen Aufwands für Arbeit und λ berechnen: Q = λ *A.

6 Die Gleichung gilt unter der Annahme, dass die Revolutionäre die „Beute“, , aus der Beschlagnahmung der Besitzstände entsprechend der zeitlichen Beteiligung an der Revolution aufteilen. Für eine genauere Betrach-tung von privaten Erlösen aus einer Revolution wird auf Taylor, Michael, „Rationality and Revolutionary Collective Action“, Cambridge University Press, 1988, [9], verwiesen.

[7] Schäden am Kapitalstock durch Ressourcenzerstörung und –verlusten sowie Kosten durch entstehende Unsicherheit in der Bevölkerung werden also vernachlässigt.

[8] Der über die Bevölkerung aggregierte Zeiteinsatz für Revolutionsaktivitäten, R, ist bei hinreichend großer Bevölkerung für die Einzelperson in der ersten Periode nur als exogene Größe gegeben. Eine Veränderung von R wird der Bevölkerung erst nachträglich bekannt und kann somit erst in der nächsten Periode in das individuelle Nutzenkalkül mit einbezogen werden.

[9] Herleitung siehe Grossmann, Herschel. „A general Equilibrium Model of Insurrections“, American Economic Review 81 (1991), [3], S. 916f.

[10] Da 0 < t < 1 und angenommen wird, dass K > 0.

[11] Vgl. Grossmann, Herschel. [3] S. 915.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Ungleiche Einkommensverteilungen und die Wahrscheinlichkeit einer Revolution
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Recht der Wirtschaft)
Veranstaltung
Seminar zur ökonomischen Analyse des Rechts
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
25
Katalognummer
V88330
ISBN (eBook)
9783638024211
ISBN (Buch)
9783638926034
Dateigröße
582 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ungleiche, Einkommensverteilungen, Wahrscheinlichkeit, Revolution, Seminar, Analyse, Rechts
Arbeit zitieren
Ingo Fiedler (Autor:in), 2005, Ungleiche Einkommensverteilungen und die Wahrscheinlichkeit einer Revolution, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88330

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