Ob bewusst oder unbewusst, zumindest die meisten Heidelberger Studierenden kennen das Bild des blondgelockten, nachdenklichen Dichters in blauem Gewand. Die Darstellung von Walther von der Vogelweide, des wohl bekanntesten mittelalterlichen Lyrikers, ist nämlich in der Heidelberger Universitätsbibliothek in den Recherchecomputern als Bildschirmschoner zu sehen. Die repräsentative Miniatur des Codex Manesse stellt jedoch nur eine Facette des abwechslungsreichen Bilderkanons der Lyriksammlung dar.
Die Große Heidelberger Liederhandschrift, wie der Codex Manesse auch genannt wird, ist eine auf weltlichen Auftrag hin erfolgte Zusammenstellung von Liedern des Minnesangs, Sangsprüchen sowie einem Epos. Mündlich und mit musikalischer Begleitung vorgetragen, diente der Minnesang im Mittelalter der höfischen Unterhaltung. Das Wort Minne kann folgendermaßen definiert werden:
„Es bezeichnet eine Art vergeistigter, idealisierter Liebe, das Verhältnis des Sängers zu seiner im Gesang verehrten und gepriesenen Dame, die aber für ihn immer unerreichbar bleibt“ (Walther 1989: XXI).
Im Minnesang wird ein Liebesbekenntnis abgelegt – üblicherweise von einem Mitglied des Ritterstandes an eine vornehme, oft höher gestellte und bereits vergebene Dame. Die Lieder sind somit meist Ausdruck unglücklicher Liebe, unerfüllter Sehnsucht und Liebesschmach. Die Verehrung und oft demütige Anbetung der Frau steht im Vordergrund. Die Empfängerin des Minnesangs wird jedoch als die Verkörperung des weiblichen Ideals angesehen; somit „muss die Minne des Sängers unerhört bleiben“ (Walther 1989: XXI).
Der Minnesang wird auch in den zahlreichen Miniaturen des Codex Manesse – bestehend aus 137 Bildern und einer Federzeichnung – thematisiert. Der Facettenreichtum der Bilder, die allesamt jeweils den Autor des folgenden Textes vorstellen sollen, ist frappierend. Nicht nur die unterschiedlichen Ausübungsarten der Minne zählen zu den favorisierten Motiven der Maler; auch der Stand, das Dichtertum als solches sowie die höfische Freizeitgestaltung werden symbolhaft dargestellt. Mit dem Inhalt dieser Illustrationen sowie mit ihrer Funktion innerhalb der Großen Heidelberger Liederhandschrift beschäftigt sich die vorliegende Arbeit.
Um die Bedeutung der Miniaturen in einem größeren Zusammenhang zu begreifen, wird zunächst die Rolle des Bildes im Mittelalter erläutert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Von der Aufführung zur Miniatur – die Rolle des Bildes im Mittelalter
- „Wa vunde man sament so manig liet?“ – Über den Codex Manesse
- Farbenfroh und facettenreich - Funktion und Inhalt der Miniaturen
- Beispiele
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Funktion und den Inhalt der Miniaturen in der Großen Heidelberger Liederhandschrift, auch bekannt als Codex Manesse. Sie beleuchtet die Rolle des Bildes im Mittelalter, analysiert die Gestaltung und den Zweck der Miniaturen im Kontext der Manessischen Liederhandschrift und befasst sich mit den vielfältigen Motiven und Stilen der an der Handschrift beteiligten Maler.
- Die Rolle des Bildes im Mittelalter
- Der Codex Manesse: Inhalt und Kontext
- Die Funktion der Miniaturen in der Manessischen Liederhandschrift
- Die Motivik und Stilistik der Miniaturen
- Analyse ausgewählter Miniaturen
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt den Codex Manesse und seine Bedeutung als Quelle für den Minnesang vor. Sie beleuchtet die Rolle des Minnesangs im Mittelalter und die Funktion der Miniaturen als visuelle Darstellung des Gesangs.
- Das zweite Kapitel widmet sich der Rolle des Bildes im Mittelalter und betrachtet den Einfluss der Bildsprache in einer Zeit, die von mündlicher Kommunikation geprägt war.
- Kapitel III befasst sich mit der Geschichte und dem Inhalt des Codex Manesse, einer einzigartigen Sammlung von Minnesangliedern, Sangsprüchen und einem Epos.
- Kapitel IV analysiert die Funktion und den Inhalt der Miniaturen in der Manessischen Liederhandschrift, indem es verschiedene Aspekte wie die Darstellung des Minnesangs, den Stand des Dichters und die höfische Freizeitgestaltung beleuchtet.
Schlüsselwörter
Codex Manesse, Minnesang, Liederhandschrift, Miniaturen, Mittelalter, Bildsprache, Funktion, Inhalt, Motivik, Stilistik, Maler, Grundstockmaler, höfische Kultur, Kommunikation, Primärmedien, Audiovisualität.
- Arbeit zitieren
- Daria Eva Stanco (Autor:in), 2007, Funktion und Inhalt der Miniaturen in der Manessischen Liederhandschrift, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88419