Deixis und Raumreferenz


Seminararbeit, 2004

19 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhalt

Einleitung und Aufgabenstellung

I Zentrale Begriffe
1. Referenz
2. Deixis
3. Lokaldeixis
4. Kontext

II Probleme im Zusammenhang mit lokaldeiktischen Ausdrücken
1. Syntax
2. Semantik
3. Pragmatik

III Lösungsvorschläge
1. Formale Aspekte
2. Semantische Implikationen
3. Pragmatische Überlegungen zum Origo-Modell

Schlussfolgerungen

Verwendete Literatur

Einleitung und Aufgabenstellung

Karl Bühler entwickelte in seiner „Sprachteorie“[1] eine Theorie der Deixis, mit der sich die linguistische Forschung seit dem aus vielen Blickwinkeln befasst hat, wobei es bisher noch nicht zu einer einheitlichen Konzeption gekommen ist.

Wolfgang Klein stellt seinen „Präliminarien zu einer Untersuchung der lokalen Deixis“[2] die Überlegung voran, dass Bühlers „klassische Betrachtungsweise“ die Funktionsweise hinweisender Ausdrücke in der Sprache zu sehr vereinfache. Er entwickelt in diesem Beitrag zur lokalen Deixis einen „Fragenkatalog“, aus dem weniger eine abschließende Theorie, als vielmehr eine „angemessene Strategie“ zur systematischen Erforschung des Hinweisens in der sprachlichen Äußerung hervorgehen soll.

Entlang einiger Fragen, die Wolfgang Klein im Anschluss an seine Darstellung formuliert, sollen hier Lösungsansätze aus der neueren linguistischen Forschung zur Erklärung der Funktionsweise deiktischer Ausdrücke in der verbalen Kommunikation dargestellt werden. Schwerpunkt dieser Darstellung ist die „lokale Deixis“.

In einem ersten Schritt hat diese Arbeit in Abschnitt I die Klärung zentraler Begriffe zur Beschreibung hinweisender Raumausdrücke zum Ziel. Dort soll neben einer allgemeinen Übersicht über die verschiedenen Arten der „Deixis“ der Versuch einer Abgrenzung zwischen lokaldeiktischen Ausdrücken und anderen Varianten der Raumreferenz unternommen werden. In Abschnitt II werden einige Probleme im Zusammenhang mit der deiktischen Raumreferenz aufgezeigt. Im Mittelpunkt stehen dabei – aus syntaktischer Sicht – Fragen nach den Grenzen der formalen Darstellbarkeit „deiktischer Eigenschaften“ von Ausdrücken, einige Aspekte der Semantik des Hinweisens (hier soll die Möglichkeit angerissen werden, das „Funktionieren“ der Ausdrücke in der Kommunikation aus den Denotaten der Begriffe selbst zu erklären) und schließlich wird im Versuch einer Darstellung der „Pragmatik der Deixis“ die starke Kontextabhängigkeit der Lokaldeixis diskutiert. Abschnitt III dieser Arbeit hat einen Vergleich der vorangestellten Lösungsvorschläge mit den Forderungen Kleins an eine praktikable Systematik zum Ziel.

I Zentrale Begriffe

Der Begriff der Referenz bezeichnet das Verhältnis eines sprachlichen Ausdrucks zu einem (gegenständlichen oder abstrakten) Objekt, und zwar im Allgemeinen in der außersprachlichen Welt, den er innerhalb einer bestimmten Äußerung repräsentiert. Daraus ergibt sich die pragmatische Funktion der Referenz im „Sprechakt“, dessen Bestandteil das „Referieren auf etwas“ als „propositionale Handlung“ ist. Wird die Referenz mit einem „deiktischen“ Ausdruck vollzogen, ist die Äußerungsbedeutung nur im Verhältnis zur „Sprechsituation“ (Kontext der Äußerung) zu verstehen. Ganz allgemein gesagt, gibt es demzufolge eine Klasse sprachlicher Ausdrücke, die sozusagen Träger einer „virtuellen“ Referenz sind; diese Ausdrücke haben unterschiedliche grammatische Formen (präpositionalgruppen, Pronomen, Adverben), wobei einige der Ausdrücke einen semantischen Gehalt haben, der die Referenz als Denotat anzeigt. Einige dieser sogenannten „deiktischen“ Ausdrücke repräsentieren einen „Ort“, d.h. sie indizieren einen Aspekt innerhalb der Äußerungsumgebung. Im Folgenden sollen einige Besonderheiten der Referenz, der Deixis und der Sprechsituation hinsichtlich ihrer Bedeutung für räumliche Verweise dargestellt werden.

1. Referenz

Die Referenz ist nicht notwendigerweise der sprachliche Bezug auf einen physischen Gegenstand in der außersprachlichen Realität, sondern sie ist vielmehr Ausdruck einer Beziehung zwischen einem Ausdruck und einem „Modell“ der Wirklichkeit, wie sie in einer bestimmten Sprechsituation (im besten Fall) von Sprecher und Rezipient antizipiert wird. Der „Träger der Referenz“ (der referierende Ausdruck) indiziert einen distinkten Aspekt der vom Sprecher wahrgenommenen, vorgestellten oder erinnerten Welt. Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass mit der Referenz offenbar in der jeweiligen Sprechsituation die Existenz des Objekts sprachlich impliziert wird – und zwar entweder im Sinne einer physischen Existenz oder als Fiktion, wie beispielsweise in der „uneigentlichen“ Rede oder in Modalkonstruktionen. Bühler ergänzt diese beiden Formen der Referenz um eine Weitere, und zwar den anaphorischen Rückbezug eines Ausdrucks auf eine andere Stelle innerhalb des textimmanenten Bezugsrahmens[3]. Auf diese besondere Form der Referenz wird im Folgenden nicht ausführlich eingegangen, wobei grundsätzlich auf die Möglichkei hinzuweisen ist, dass die Deixis in einer syntaktischen Ellipse vollzogen wird: In diesem Fall würde die deiktische Komponente nicht dem „Gehalt“ des Ausdrucks selbst, sondern dem quasi fehlenden Satzteil zugewiesen.

Die sogenannte „Raumreferenz“ beschreibt insofern eine besondere Form der Objektbeziehung, als das Objekt der Referenz ein Aspekt innerhalb der Kommunikationssituation ist, der in der Regel keinen gegenständlichen Charakter hat. Dieser indizierte Ort wird beispielsweise durch präpositionale Ergänzungen angezeigt, oder durch sogenannte „Lokaladverbien“, die entweder einen statischen Aspekt innerhalb des virtuellen Koordinatensystems (mit einer zeitlichen Achse, einer räumlichen Achse und einer Schnittstelle, die die zeiträumliche Sprecherposition bestimmt) oder eine „Bewegungsrichtung“ in diesem System ausdrücken können.

2. Deixis

Als „traditionelle“ deiktische Kategorien identifiziert Levinson Angaben über „Person“, „Ort“ und „Zeit“ als Objekt der Referenz in einer Äußerung.[4] Personaldeiktische Ausdrücke sind in der Regel Personalpronomen, die „Objektdeixis“ (als Variante der Personaldeixis) wird durch Demonstrativpronomen angezeigt. Wie die Raumreferenz kann auch die Tempusform beispielsweise in einer Präpositionalgruppe realisiert werden, in diesem Fall finden wir keinen deiktischen Ausdruck im engeren Sinne vor (der „weite Begriff“ der Deixis, der alle Formen des Hinweisens umfasst, wird hier nicht diskutiert).

Als deiktische Ausdrücke werden hier Lexeme behandelt, die sich ohne präpositionale Ergänzung („an sich“) auf personale, zeitliche oder räumliche Objekte beziehen. Diese Ausdrücke sind, wie später noch ausführlicher gezeigt werden soll, in hohem Maße kontextabhängig:

„Die Beziehung zwischen Sprache und Kontext spiegelt sich in den Strukturen der Sprachen am deutlichsten in der Deixis wider. Der Begriff leitet sich von dem griechischen Wort für Zeigen oder Hinweisen ab; seine prototypischen oder zentralen Verwendungen betreffen Demonstrativpronomen, Pronomen der ersten und zweiten Person, Tempus, bestimmte Adverbien für Ort und Zeit wie hier und jetzt und eine Vielzahl anderer grammatischer Phänomene, die in direktem Zusammengang mit den Umständen der Äußerung stehen.“[5]

3. Lokaldeixis

Es sind im Deutschen vor allem die sogenannten „Topologischen Adverbien“, die in der Regel nur unter Berücksichtung der jeweiligen Äußerungsumgebung interpretiert werden können[6]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Indizierung eines Aspekts innerhalb des Verweisraums, in dem die jeweilige Sprechhandlung vollzogen wird, ist die Funktion jedes dieser so kategorisierten Ausdrücke; nur bei der „Raumdeixis“ handelt es sich um die tatsächliche Referenz auf einen Ort:

„Die Raumdeixis betrifft die Bestimmung von Orten relativ zu Ankerpunkten im Sprechereignis. Die große Bedeutung der Ortsspezifikationen im allgemeinen erkennt man daran, daß es offensichtlich zwei grundlegende Möglichkeiten gibt, auf Objekte zu referieren – man beschreibt oder benennt sie oder man lokalisiert sie.“[7]

Nach Levinsons Auffassung sind Orte also entweder in Relation zu anderen Objekten („festen Referenzpunkten“) oder mit Hilfe deiktischer Spezifikationen zu identifizieren. In beiden Fällen erfolge im Sprechakt eine Interaktion zwischen „enzyklopädischem Wissen“ und sprachlichem Wissen, gleichwohl gebe es einige „rein raumdeiktische“ Wörter wie beispielsweise „here“ und „there“ im Englischen:

„Die symbolische Verwendung von hier [...] läßt sich umschreiben mit die pragmatisch vorgegebene Raumeinheit, die den Aufenthaltsort des Sprechers bei CT [Sprechzeit] einschließt.

[...] Die Umschreibung der gestischen Verwendung muß etwas anders formuliert werden mit der pragmatisch vorgegebene Raum, der in der Nähe des Aufenthaltsortes des Sprechers bei CT liegt und den gestisch angezeigten Punkt oder Ort einschließt.“[8]

[...]


[1] Karl Bühler, Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache, Stuttgart 1999

[2] Wolfgang Klein, Wo ist hier? Präliminarien zu einer Untersuchung der lokalen Deixis, Linguistische Berichte 58, Wiesbaden 1978

[3] Vgl. Karl Bühler 1999, a.a.O., S. 102 ff.

[4] Vgl. Stephen C. Levinson, Pragmatik, Tübingen 2000, S. 67 f.; die dort von ihm genannten weiteren deiktische Formen, die „Diskurs- oder Textdeixis“ und die „Sozialdeixis“ werden hier nicht behandelt.

[5] Levinson 2000, a.a.O., S. 59

[6] Vgl. Wolfgang Klein, Überall und nirgendwo. Subjektive und objektive Momente in der Raumreferenz; in: ders. (Hg.), Sprache und Raum, Göttingen 1990, S. 22.

[7] Levinson 2000, a.a.O., S. 86

[8] ebd., S. 87; es handele sich hier um eine „notwendige Modifikation“, wie am Beispiel der Äußerung „ Setzen Sie hier an.“ nachzuweisen sei, die von einem Baggerführer eine ganz andere Präzision verlange, als von einem Chirurgen.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Deixis und Raumreferenz
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Deutsch als Fremdsprachenphilologie )
Veranstaltung
Raumausdrücke
Note
2,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V88503
ISBN (eBook)
9783638035958
Dateigröße
519 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deixis, Raumreferenz, Raumausdrücke
Arbeit zitieren
Aydin Günbeyi (Autor:in), 2004, Deixis und Raumreferenz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88503

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