Hitlers Englandbild und seine strategischen Entscheidungen im Zweiten Weltkrieg


Thesis (M.A.), 1998

178 Pages, Grade: sehr gut


Excerpt


Inhalt

Einleitung

I. Hitlers deutsch-englische Allianzkonzeption der zwanziger Jahre und erste vergebliche Realisierungsversuche (1933 bis 1937)

II. Realisierungsversuch durch eine Politik des diplomatischen Drucks und der militärischen Drohung (1937/38 bis 1939)

III. Realisierungsversuch durch die Demonstration der militärischen Macht (September 1939 bis Mai 1940)

IV. Realisierungsversuch durch die Anwendung militärischer Gewalt Die Wendung des europäischen Krieges von Ost nach West (Mai 1940 bis Juni 1941)

V. Realisierungsversuch durch eine Ziel-Mittel-Vermischung Die Wendung des europäischen Krieges von West nach Ost (Juni 1941 bis Dezember 1941)

VI. Der Weltkrieg: Hitler und England Die alte Formel der zwanziger Jahre Neue illusionäre Hoffnung und Spekulationen

VII. Die letzte Phase des Krieges: Hitler und England Die alte Strategie von 1940 - Verlagerung des militärischen Schwerpunktes von Ost nach West (1943 bis 1945)

Schlussbetrachtung

Quellen und Literatur

Einleitung

Aufgrund seiner vor 1933 gemachten programmatischen Aussagen und deren Umsetzung in die Praxis bis 1939 orientiere ich mich an der These, daß Hitler von einem Programm mit zwei dogmatisch fixierten „Endzielen“, „Rassenherrschaft“ und „Lebensraum im Osten“, geleitet wurde. Als Folge des konkreten Ablaufs außenpolitischen Agierens und Reagierens war er allerdings gezwungen, mit temporären Kompromissen zu leben und Variationen zu akzeptieren. In seinem „Programm“, das der Realisierung dieser Ziele galt, waren rassenideologische und machtpolitische Denkstrukturen ineinander verwoben. Auch im Falle Großbritanniens, das als „Idealpartner“ eine festumrissene, wenngleich untergeordnete Funktion in Hitlers „Programm“ hatte, gingen diese Komponenten eine charakteristische Synthese ein.

Mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 ohne Kriegserklärung ‘entfesselte’ Hitler den europäischen Krieg. Als Folge sah er sich einer Machtkonstellation gegenüber, die seinen ‘programmatischen’ Freund-Feind-Vorstellungen widersprach. Großbritannien, das er als ‘idealen’ Bündnispartner zur Absicherung der Ostexpansion betrachtete, hatte dem Reich den Krieg erklärt. Zugleich befand er sich in Abhängigkeit von der Sowjetunion, deren Vernichtung das Hauptziel seines „Programms“ war.

Was also blieb nach dem 3. September 1939 noch übrig von der Idee Hitlers einer Partnerschaft mit England auf der Grundlage einer Interessenabgrenzung und der unterstellten gemeinsamen Abwehrhaltung gegen den „jüdisch-bolschewistischen Weltfeind“? Wie verhielt es sich mit den „rassisch wertvollen Elementen“ in England, die Hitler als substantielle Basis gegen den „jüdischen Einfluß“ glaubte in Rechnung stellen zu können? Vor allem aber: Welche Auswirkungen hatte das Englandbild Hitlers auf seine Strategie und Bündnispolitik bis 1945? Diese Frage soll denn auch im Mittelpunkt der Arbeit stehen. Hier wird das Feld der Perzeptionsproblematik betreten. Denn Kräfteverhältnisse, Aktionen und Reaktionen, die der Historiker im Nachhinein rekonstruieren kann sind eine Sache; ihre oft verzerrte Wahrnehmung ist etwas anderes, das aber für das Denken und Agieren der Akteure ausschlaggebend ist. In diesem Rahmen sollen nicht die militärischen und diplomatischen Aktionen in den Kriegsjahren 1939-1945 als solche aufgezählt und im Einzelnen geschildert werden. Sie sind nur unter der speziellen Perspektive interessant, wie sie Hitlers Haltung zu England widerspiegeln oder Aussagen über diese ermöglichen.

I. Hitlers deutsch-englische Allianzkonzeption der zwanziger Jahre und erste vergebliche Realisierungsversuche (1933 bis 1937)

Am Nachmittag des 5. November 1937 versammelte Hitler die politischen und militärischen Spitzen des Regimes zu einer Geheimkonferenz, deren Verlauf durch die Niederschrift eines der Teilnehmer, des Wehrmachtadjutanten Oberst Hoßbach, überliefert ist.[1] Im engsten Kreis sollten Engpässe der Aufrüstung und Ressortkonflikte innerhalb der Wehrmacht zur Diskussion stehen. Ohne jedoch auf diese Punkte näher einzugehen, überraschte der „Führer“ seine Besucher mit einem Monolog über das Wesen und die Ziele nationalsozialistischer Außenpolitik, die kritische deutsche Wirtschaftslage und seine eigene Einschätzung der Chancen einer künftigen aggressiven Expansion.

Hitlers Ausführungen enthielten zunächst nichts, was nicht schon durch seine ‘Programmschrift’ „Mein Kampf“ (1924) sowie durch zahllose spätere Äußerungen geläufig war. In der typischen Verbindung von sozialdarwinistischem Denken und Geopolitik erhob er seine expansive Raumpolitik in den Rang eines gleichsam ewigen und unaufhebbaren historischen und biologischen Lebensgesetzes von Volk und Rasse. Das Ziel „der deutschen Politik“, führte Hitler aus, „sei die Sicherung und die Erhaltung der Volksmasse und deren Vermehrung. Somit handele es sich um das Problem des Raumes.“ Er begründete den Anspruch auf Lebensraum in Europa für einen in sich „fest geschlossenen Rassekern“ damit, daß nur auf diesem Wege „die Erhaltung des deutschen Volkstums auf seiner jetzigen Höhe“ und darüber hinaus sein ewiges Wachstum gesichert sei. Die einzige Alternative zur aktiven Raumpolitik sei „Sterilisation“, also Stillstand, Unfruchtbarkeit und dann Rückgang. Vor diesem Hintergrund diskutierte er zwar nationale Autarkie auf der einen, „Beteiligung an der Weltwirtschaft“ und „koloniale Ausbeutung“ auf der anderen Seite, jedoch nur, um sie als möglichen Ausweg entschieden zu verwerfen. Die Lösung der deutschen Frage mußte letztlich durch Gewalt geschehen. Denn, so Hitler, daß „jede Raumerweiterung nur durch Brechen von Widerstand und unter Risiko vor sich gehen könne, habe die Geschichte aller Zeiten - Römisches Weltreich, Englisches Empire - bewiesen“.

Zur Abwägung der Erfolgschancen einer gewaltsamen Expansion beschäftigte sich Hitler anschließend mit der internationalen Mächtekonstellation. Dabei sprach er mit einer bisher unbekannten Eindeutigkeit und Schroffheit zum ersten Mal von „den beiden Haßgegnern England und Frankreich, ... denen ein starker deutscher Koloß inmitten Europa ein Dorn im Auge sei...“. Seinen Zuhörern kündigte er damit eine neue Frontstellung an, die im krassen Widerspruch zu einer Grundkonstante seines außenpolitischen Denkens stand. Er hatte sie seinem Volk und seinen Militärs seit dem Erscheinen von „Mein Kampf“ immer wieder eingehämmert: Die Eroberung von „Lebensraum im Osten“ und die Vernichtung des „jüdischen Bolschewismus“ könne nur im Bündnis mit dem „arischen Brudervolk“ der Briten geführt werden, wolle man sich nicht dem Risiko eines Zweifrontenkrieges aussetzen. In unserem Zusammenhang stellt sich hier, neben einer näheren Erläuterung der ursprünglichen Konzeption Hitlers, die Frage nach den Ursachen seiner Meinungsänderung, der Bedeutung der Formulierung „Haßgegner“ und den daraus resultierenden Folgen für die Außenpolitik Deutschlands.

Hitlers Vorstellungen einer künftigen deutschen Außenpolitik haben sich in mehreren Etappen in den Jahren zwischen 1919 und 1923 entwickelt, um schließlich bis 1928 zu einem in seinem Kern festen „Programm“ verdichtet zu werden.[2] In seinen ‘Programmschriften’ machte Hitler dem kaiserlichen Deutschland (vor 1914) den Vorwurf, in der außenpolitischen Alternative zwischen England und Rußland nicht klar Position zugunsten der Allianz mit einer der Flügelmächte bezogen zu haben. Deutschland sei daher in einen Zweifrontenkrieg verwickelt worden, den es nicht bestehen konnte.[3] Daraus zog er für sein „Programm“, das - nach der Ausschaltung der Militärmacht Frankreich - auf die Eroberung des europäischen Rußland abzielte[4], die Konsequenz, ein Bündnis mit Großbritannien anzustreben.

Er ging dabei aus von der inneren Logik einer Interessenabgrenzung zwischen der See- und Weltmacht England und einer nach Osten antretenden kontinentalen Militärmacht Deutschland.[5] England, argumentierte er, habe sich nie gegen Militärmächte gewandt, solange ihre Ziele kontinentaler Art gewesen seien; allein eine Gefährdung seiner See- und Handelsinteressen habe England zum Kampf herausgefordert. Die Konzentration aller deutschen Kräfte auf die Eroberung eines genügenden Lebensraumes im Osten für die nächsten hundert Jahre bot, nach Ansicht Hitlers, England keinen Grund mehr „zur Aufrechterhaltung der Feindschaft des Weltkrieges.“[6]

Als Beweis für diese These führte er Spanien, Holland und das wilhelminische Deutschland an. Als Gegenbeispiel diente ihm die kontinentale Militärmacht Preußen unter Friedrich dem Großen, die England nicht im Geringsten beunruhigt habe.[7] Wenn „Deutschland“, so lautete seine Doktrin, „zu einer grundsätzlichen politischen Neuorientierung kommt, die den See- und Handelsinteressen Englands nicht mehr widerspricht, sondern sich in kontinentalen Zielen erschöpft, dann ist ein logischer Grund für eine englische Feindschaft ... nicht mehr vorhanden.“[8] Vielmehr sei England, dessen war Hitler sich nahezu sicher, zum natürlichen Bündnispartner Deutschlands prädestiniert.

Seine These gründete sich vor allem auf die Gegensätze, die zwischen England und anderen Staaten bestanden.[9] Da waren imperiale Konfliktfelder mit Frankreich, dem er „sehr weit gesteckte allgemeine weltpolitische Absichten“[10] unterstellte, und der Sowjetunion, dem „bedrohlichste(n) Feind der britischen Position in Indien.“[11] Vor allem aber das sich entfaltende Potential der USA gab nach Hitler Anlaß, daß „England heute in sorgenvoller Unruhe seine alten Bündnisse überprüft und ... mit Bangen einem Zeitpunkt entgegenstarrt, an dem es nicht mehr heißen wird: ‘England über den Meeren!’, sondern ‘die Meere der Union!’“.[12]

Allerdings sah Hitler trotz solcher Interessendivergenzen von seiner Weltanschauung her die an sich natürliche Kooperation Deutschland und England aus einer bestimmten Richtung gefährdet. In England finde, so Hitler, „ein ununterbrochenes Ringen statt zwischen den Vertretern britischer Staatsinteressen und den Verfechtern einer jüdischen Weltdiktatur.“[13] Zur Zeit sei dieser Kampf mit dem Judentum noch „unentschieden“. Doch verfüge England, ebenso wie Deutschland, noch über rassisch wertvolle Elemente genug, so daß die „Kräfte ... der traditionellen britischen Staatskunst“ alle Chancen hätten, „den verheerenden jüdischen Einfluß“ zu brechen.[14]

Eine Niederlage der völkischen Gruppierungen Englands sei aber nicht vollkommen auszuschließen, denn „in diesem Lande der freiesten Demokratie diktiert der Jude auf dem Umwege der öffentlichen Meinung heute noch fast unbeschränkt.“[15] Im Rahmen dieser ‘Zensur’ aber werde das Judentum alles versuchen, die britisch-deutsche Feindschaft zu erhalten, mit der Absicht, auf diese Weise „eine Befriedung Europas nicht eintreten zu lassen, um im Durcheinander einer allgemeinen Unruhe seine bolschewistischen Zersetzungstendenzen zum Zuge kommen lassen zu können.“[16] Die entscheidende Frage für Hitler lautete daher: „Können die Kräfte ... der traditionellen britischen Staatskunst den verheerenden jüdischen Einfluß noch brechen oder nicht?“.[17]

Nach seinem Machtantritt im Januar 1933 versuchte Hitler, im Rahmen einer verharmlosenden „Gleichberechtigungsstrategie“[18], „traditioneller Revisionsforderungen“[19], pausenloser „Friedensbeteuerungen“[20], anti-sowjetischer Agitation[21] und einem System bilateraler Abkommen[22] in die Ausgangsposition für den Krieg um „Lebensraum“ im Osten zu gelangen. Mit den außenpolitischen Erfolgen konnte er zunächst zufrieden sein. Die terroristischen und antisemitischen Methoden bei der Formierung des „Führerstaates“ hielten die anderen Großmächte - einschließlich die Sowjetunion[23] und den Vatikan[24] - nicht ab, die neue Regierung anzuerkennen. Frankreich intervenierte nicht und Polen schloß sogar einen bilateralen Nichtangriffspakt (26. Januar 1934) mit dem Reich.[25] Selbst der riskante Austritt aus dem Völkerbund kurz zuvor hatte das Reich nicht isoliert.

Erst der Dilettantismus in der Österreich-Frage[26] - der mit der Ermordung des Bundeskanzlers Dollfuß am 25. Juli 1934 seinen Höhepunkt erreichten sollte - führte schließlich zur diplomatischen Isolierung des Reiches; doch stand dem der Prestigeerfolg der Saarabstimmung vom 13. Januar 1935 gegenüber. Im Windschatten dieses nationalen Bekenntnisses wurden mit der ‘Enttarnung’ der deutschen Luftrüstung und der Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht am 16. März 1935 von den Militärs längst geforderte Entscheidungen getroffen[27]. Die Reaktion der drei Westmächte auf die Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht fiel unterschiedlich aus, fand aber anscheinend in ‘Stresa’ am 11. April 1935 einen gemeinsamen Nenner. Man warnte Hitler, die Bestimmungen des Versailler Vertrages weiterhin einseitig aufzuheben. Doch der Eindruck täuschte. Zuerst scherte Großbritannien aus der Abwehrfront aus, dann Italien.

Die britische Regierung hatte sich bereits im Vorfeld der deutschen Entscheidungen mit der Aufrüstung des Reiches abgefunden. Vor allem mit Blick auf die für die Sicherheit der Insel als äußerst bedrohlich empfundene deutsche Luftrüstung war man dort geneigt, sich mit Berlin bilateral zu verständigen.[28] Doch wollte London eine solche bilaterale Verständigung möglichst in das System der kollektiven Sicherheit einbinden und Berlin in den Völkerbund zurückholen. In diesem Sinne hatte die englische Protestnote an Deutschland zugleich die Anfrage enthalten, ob der verabredete Besuch des britischen Außenministers noch erwünscht sei. In Berlin war die Frage bejaht worden, und am 25. März 1935 trafen Außenminister Sir John Simon und sein Ministerkollege Lordsiegelbewahrer Anthony Eden dort ein.

In den Gesprächen zeigte sich schnell, daß Hitler nicht bereit war, von seinen Positionen abzugehen. Er wollte nicht in den Völkerbund zurückkehren. Hinsichtlich der Luftwaffe, der Hauptsorge der Briten, gab er ausweichende Antworten, zeigte aber ein umso größeres Interesse am Zustandekommen eines Flottenabkommens. Nachdem er ausführlich auf die antisowjetische Orientierung seiner Politik eingegangen war, machte er wiederholt den Vorschlag, die Tonnage der deutschen Flotte im Verhältnis zur britischen Flotte zu begrenzen. Mit Hinweis auf den Kolonialbesitz der europäischen Länder verlangte er zugleich für Deutschland mehr „Lebensraum“. Hierzu rechne Deutschland mit der Unterstützung Englands. Diese Ausführungen enthielten ein kaum verhülltes Angebot für ein deutsch-englisches Bündnis.

Die Reaktion der Gäste zeigte, daß sie das auch so verstanden. Simon weigerte sich jedoch, die Herstellung eines besonderen deutsch-englischen Verhältnisses zu erwägen und lehnte es vor allem ab, das enge Einvernehmen mit Frankreich zu opfern. Er machte klar, daß Großbritannien nicht „einen Freund durch den anderen ersetzen“ wolle und an guten Beziehungen zu Paris und Berlin interessiert sei; kurz: England war nicht zu einer bilateralen Bindung auf Kosten kollektiver Sicherheit bereit. Hitlers Bündnisgedanke schien gescheitert. Als Simon sich jedoch nach der gegenwärtigen Stärke der deutschen Luftwaffe erkundigte, antwortete Hitler, Deutschland habe die „Parität mit England“ schon erreicht. Die Mitteilung wirkte wie ein Schock. In den Gesprächen brachte dieser „Bluff“ die Wende.[29]

Hitler hatte mit diesen Gesprächen die erste Runde seiner neuen Politik der Werbung und Drohung gegenüber England eingeleitet. Ihm war klar geworden, daß er seinen Vorstellungen mit Druck und Drohmitteln Gewicht verschaffen mußte.[30] Die Wahl des Zeitpunktes für die Gespräche, unmittelbar nach Bekanntmachung der Aufrüstung zur Luft und der Einführung der Wehrpflicht, bekommt dadurch einen Sinn.[31] Daß starke Kräfte in England dagegen waren, Deutschland den Kontinent zu überlassen, konnte Hitler nicht übersehen. Zu der durchgängigen Kritik, die die englische Presse an den Vorgängen in Deutschland übte[32], gesellte sich die zunehmend reservierte und kritische Haltung der britischen Regierung. Am 4. März 1935 hatte sie ein Weißbuch veröffentlicht, das Deutschland offen der vertragswidrigen, umfangreichen Aufrüstung beschuldigte. Hitler sah dadurch seinen Grundsatz der Gleichberechtigung und Nichteinmischung verletzt.[33] Mit bloßer Werbung allein war England offensichtlich nicht zu gewinnen.

Am 18. Juni 1935 wurde das deutsch-englische Flottenabkommen in London unterzeichnet. Die deutsche Flottenstärke wurde auf 35% der britischen festgelegt. In der U-Boot-Rüstung war zwar grundsätzlich Parität vereinbart worden, doch sollten deutscherseits zunächst nur 45 Prozent der britischen Tonnage in Anspruch genommen werden.[34] Der Abschluß muß als Pluspunkt für Hitler verbucht werden. Es brachte implizit die Anerkennung der deutschen Aufrüstung durch die Regierung in London und eine Schwächung der Stresa-Front. Die deutsche Seite brauchte zunächst keinen fühlbaren Preis zu zahlen. Die 35%-Grenze der deutschen Marinerüstung würde ohnehin erst in einigen Jahren erreicht sein. Darüber hinaus glaubte Hitler, einen ersten Schritt in Richtung auf das angestrebte Bündnis getan zu haben.[35]

Doch nach diesem ‘Erfolg’ sollte sich im Gegeneinander des bilateralen Konzepts Hitlers und des englischen Ziels, über Kollektivpakte den Kontinent in Ruhelage zu halten, der Gegensatz von aggressiver und friedlicher Zukunftspolitik zunehmend abzeichnen. Zwar basierte die englische Außenpolitik in der Tat auf der Erkenntnis, daß die Positionen des Empire und Commonwealth in verschiedenen, weit voneinander entfernten Regionen (Ostasien, Naher Osten, Mittelmeerraum, Ostafrika) bedroht waren, und man sich eine auf eigener Stärke beruhende Absicherung nicht leisten konnte. Doch im Gegensatz zu Hitlers Prämisse setzte London, neben der maritimen Überlegenheit, auf kollektive Sicherheit; auf ein zu modernisierendes, aber letztlich doch von den Versailler-, Völkerbund-, Washington-, und Locarnoverträgen getragenes internationales politisches System.

Die Idee Hitlers, das Empire solle sich durch eine Politik des Arrangements mit einer europäischen Hegemonialmacht sichern, hätte die Preisgabe aller mit diesen Verträgen verbundenen Sicherheit bedeutet, verknüpft mit einer grundlegenden Änderung des ‘Status quo’ auf dem europäischen Kontinent.[36] Was Hitler als die entscheidende Voraussetzung zur Vorbereitung ‘programmorientierter’ Schritte betrachtete, war für die meisten Engländer - einschließlich der maßgeblichen ‘Appeaser’ - ‘undenkbar’.

Trotz der brutalen Methoden der „Wiederwehrhaftmachung“ im Inneren - Vorgänge die in Großbritannien Abscheu und Entsetzen erregten[37] - war man in London aber bereit, mit Blick auf die Folgen eines Krieges für die Weltmachtstellung und die Binnenstruktur Großbritanniens, revisionistischen Strömungen zur Aufrechterhaltung des Friedens in hohen Maße nachzugeben.[38] Darüber hinaus blieben aus englischer Sicht noch die Kolonialfrage und Ziele in Südosteuropa als Verhandlungsspielraum der Appeasement-Politik Chamberlains.[39] Für Hitler jedoch ging es um Blockade oder Freigabe seiner Ostexpansion. Die multilateral angelegte englische Politik, an der sich im Grunde in den dreißiger Jahren nichts ändern sollte, stand dem bilateral angelegten Weg Hitlers diametral entgegen.

Weder Konzessionen noch Drohungen hatten die Engländer daher seit dem Flottenabkommen vom Sommer 1935 beeindruckt und zum ‘Kommen’ bewogen, weder das ‘großzügige’ Angebot zur Interessenabgrenzung und Unterstützung bei der Verteidigung des Empire noch der Verzicht auf eine Flotten- und Weltpolitik in wilhelminischen Dimensionen, weder die seit März 1936 mit der Gleichschaltung der Kolonialbewegung unter Ribbentrop als diplomatisches Druckmittel eingesetzten kolonialen Revisionsforderungen noch die gewaltigen Rüstungsanstrengungen, weder die Unterstützung Italiens im Mittelmeer und in Ostafrika noch die gemeinsame deutsch-italienische „Waffenbrüderschaft“ im spanischen Bürgerkrieg hatten die englische Haltung grundsätzlich zu ändern vermocht.

Am 19. November 1937 beharrte der Lordsiegelbewahrer und wenig später Eden an der Spitze des Foreign Office ablösende Lord Halifax auf dem Obersalzberg gegenüber Hitler auf dem britischen Mitspracherecht in kontinentalen Angelegenheiten und auf der Bedingung, daß jede „notwendig gewordene Änderung“ des Status quo in Mitteleuropa nur aufgrund „einer vernünftigen Regelung“ und auf friedlichem und evolutionärem Wege erfolgen dürfe.[40]

Zunehmend ratlos hatte Hitler erkennen müssen, daß die Politik Londons dem ‘programmorientierten’ Kern seiner außenpolitischen Planungen zuwiderlief. „Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll“, erklärte er schon im Herbst 1935 gegenüber Albert Speer. „Es ist eine zu schwere Entscheidung. Am liebsten würde ich mich den Engländern anschließen... Gehe ich mit ihnen, dann ist es zwischen Italien und uns für immer aus. Die Engländer lassen mich danach fallen und wir sitzen zwischen beiden Stühlen.“[41] Zwei Jahre später, am 20. September 1937, zeigte er dieselbe Ratlosigkeit, nun jedoch verbunden mit unverhüllter Drohung: „Mein ganzes Leben lang“, äußerte er gegenüber C.J. Burckhardt, „habe ich England und die Engländer geliebt. Ich habe nie aufgehört, ihnen die Freundschaft Deutschlands anzubieten, die Freundschaft eines großen Volkes... Sie haben mich zurückgestoßen, das ist unerhört.“[42] Diese Bemerkung fiel kurz vor der Oberbefehlshaber-Besprechung vom 5.November 1937, mit dem zentralen Hinweis Hitlers auf die „beiden Haßgegner England und Frankreich.“

Wie Hitler kam auch Ribbentrop, der mit dem Aushandeln des deutsch-englischen Flottenabkommens von 1935 sein Gesellenstück abgeliefert hatte, das ihn zum deutschen Botschafter in London qualifizieren sollte, in diesem Zeitraum zu einer negativen Einschätzung der deutsch-englischen Beziehungen. Nachdem er im August 1936 den Londoner Botschafterposten angetreten hatte, mußte er bald feststellen, daß hier weder das Bündnis gegen die Sowjetunion noch die „freie Hand“ nach Osten zu erreichen waren.[43] Als er Anfang Januar 1938 London verließ, um in Berlin das Auswärtige Amt zu übernehmen, gab er realistisch ,wenn auch überspitzt, wieder, was von der englischen Politik der „Balance of Power“ her gesehen nur konsequent und von London auch nie zur Disposition gestellt worden war. England „will kein übermächtiges Deutschland in seiner Nähe, das eine ständige Bedrohung seiner Inseln wäre. Dafür wird es kämpfen.“[44] Sein außenpolitisches ‘Kalkül’ stand daher ganz in der Tradition des antibritischen Kontinentalbündnisses, wie es etwa von Großadmiral Tirpitz vor 1914 alternativ zum pro-englischen Kurs des Reichskanzlers Bethmann Hollweg vertreten wurde und sah eine enge Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und Japan gegen das Inselreich und das Empire vor.

Hitlers Wahrnehmung dagegen war, wie schon die Begründung seiner ‘Allianzkonzeption’ zeigte, grundsätzlich von rassenideologischer Verzerrung behindert. Die Verschmelzung machtpolitischer und ideologischer Faktoren und deren unterschiedliche und wechselnde Präponderanz erzeugten bei ihm Erklärungs- und Legitimationsmuster, die sich deutlich von dem machtpolitischen Kalkül Ribbentrops unterschieden. Er sah die im Dienste jüdischer Hintermänner stehenden antinationalen Kräfte in England am Werk. Sie verhinderten die von den völkisch-national-britischen Interessen vorgeschriebene Allianz mit dem Deutschen Reich. Gegenüber dem durch die demokratische Staatsform gedeckten jüdischen Zerstörungswerk hatten sich diese Interessen und die sie vertretenden Kräfte eben als zu schwach erwiesen.[45] Aus dieser Perspektive heraus, erhält auch die Formulierung „Haßgegner“ ihren Sinn. Für Hitler stand ein mit Haß gegen Deutschland erfülltes England einer Realisierung der Allianz entgegen, die im Rahmen der wahren, nationalen Interessen des Landes geboten war.[46]

Für Hitler hatte sich dies - neben den Ereignissen im Vorfeld des Flottenabkommens - vor allem im Rahmen der „Rheinlandbesetzung“ im März 1936 angedeutet, als Großbritannien den Völkerbund einschaltete und sich dadurch erneut in innerdeutsche Angelegenheiten eingemischt hatte.[47] Diese Institution war Hitler von jeher Symbol und Instrument der demokratisch-bolschewistisch-jüdischen Komplizenschaft im Kampf gegen die nationalen Belange der Völker.[48] Der Ausgang der britischen „Königskrise“ 1936 - die Abdankung Eduards VIII, den Hitler für einen der herausragenden Exponenten einer pro-deutschen Richtung hielt - war ihm der entscheidende Hinweis, daß „dunkle deutschfeindliche Mächte über den Gang der britischen Politik entschieden.“[49]

Doch es gab auch machtpolitische Beweggründe, die am 5.November 1937 zur ersten Neuorientierung seiner Englandkonzeption führen sollten. Charakteristischerweise hatte er die englische Reaktion auf Mussolinis Unternehmen in Afrika (1935/36) fehlinterpretiert. Im Sinne der sozialdarwinistischen Logik seiner Politik war der Umstand, daß die Weltmacht zögerte, keine Truppen entsandte, um ihre Einflußsphäre abzustecken, sondern die Angelegenheit über den Völkerbund behandelte, ein Beweis der Schwäche.[50]

England büßte damit für Hitler umso mehr an Bündniswert ein, je selbstsicherer Mussolini auftreten konnte. Das Beispiel Italiens schien zu zeigen, daß sich seine Ziele in Mittel- und Osteuropa auch ohne Englands Zustimmung verwirklichen ließen. Man mußte mit England nur aus einer Position der Stärke, nicht aus einer des Respekts verhandeln. „Italiens Sieg“, bemerkte treffend der englische Botschafter in Berlin, Phipps, „eröffnete ein neues Kapitel. Es war unvermeidlich, daß in einem Land, wo die Macht angebetet wird, Englands Prestige sich verminderte. Der Deutsche begann sich zu fragen, ob es noch notwendig sei, sich mit einer Nation zu versöhnen, ohne deren Gunst Italien sehr gut voran zu kommen schien.“[51]

II. Realisierungsversuch durch eine Politik des diplomatischen Drucks und der militärischen Drohung (1937/38 bis September 1939)

In der praktischen Politik schwenkte Hitler auf die von Ribbentrop vorgeschlagene ‘Ersatzlösung’ eines „Weltpolitischen Dreiecks“ Berlin-Rom-Tokio ein, ohne allerdings dessen antienglische Spitze zu übernehmen. England war der sich seinen Plänen versagende Wunschpartner, der sich so ‘programmwidrig’ verhielt, daß der unter ‘Zeitnot’ stehende Fahrplan in Gefahr zu geraten drohte. Es avancierte nicht zu seinem Hauptgegner. Sinn des Ganzen war es vielmehr, die imperiale Position Großbritanniens in möglichst vielen Spannungszonen zu bedrohen, um mit diesem Druckmittel die deutsche Ostexpansion, wenn schon nicht im angestrebten Bündnis mit England, dann doch wenigstens durch dessen Intervention nicht gestört führen zu können. Der ursprüngliche Allianzgedanke, nun in den Hintergrund gedrängt, blieb als latentes Wunschziel in der politischen Vorstellungswelt Hitlers präsent.[52]

Die „Blomberg-Fritsch-Krise“ ermöglichte es Hitler am 4. Februar 1938, die Befehlsgewalt über die Wehrmacht persönlich zu übernehmen. Nach dem Umbau der Spitzengliederung mit Hilfe Keitels als Chef des neugeschaffenen OKW präsentierte sie sich als gefügiges Instrument der Aggressionsvorbereitung.[53] Was Hitler nun brauchte, war eine klare und unzweideutige Antwort aus London auf die Kernfrage, die lautete: Würde die britische Regierung dem Aufbau einer deutschen Hegemonialstellung auf dem Kontinent tatenlos zusehen, oder würde der Widerstand Londons und der Franzosen vor dem angestrebten „Lebensraumkrieg“ im Osten noch einen vorgeschalteten Zwischenkrieg nach Westen notwendig machen? Das Setzen der Prioritäten in der Aufrüstung - Heer, Flotte oder Luftwaffe - und für die deutsche Bündnispolitik hing entscheidend von dieser Frage ab.[54]

Mit ausgesprochener Verstimmung und wachsender Verärgerung reagierte Hitler in den folgenden Wochen auf das beharrliche Bemühen Londons, ihn in ein kollektives „general settlement“ einzubinden. Der reibungslose „Anschluß“ Österreichs vom 12./13. März 1938 hatte ihn jedoch in seinem Optimismus noch einmal bestärkt.[55] Er schätzte sowohl die Chancen für den Erfolg eines blitzschnellen Handelns in der tschechischen Frage als auch die Möglichkeit einer Lokalisierung und Isolierung des Konflikts günstig ein. Die Entwicklung der sogenannten Sudetenkrise sollte aber alles andere als planmäßig verlaufen.[56]

Es war Großbritannien, das mit seinem nachdrücklichen Pochen auf Mitsprache in Mitteleuropa zutiefst verunsichernd auf die Berliner Politik wirkte. London zeigte in der „Wochenendkrise“ im Mai 1938 nicht nur Verständnis für die tschechoslowakischen Mobilmachungsmaßnahmen, sondern kündigte auch Beistand im Falle eines deutschen Angriffs an.[57] Am 3. August 1938 wurde Lord Runciman als Vermittler nach Prag entsandt. Nach einer Zeit höchster Spannung fand die Sudetenkrise durch die beiden Besuche des britischen Premiers Chamberlain bei Hitler in Berchtesgarden (15. September) und Bad Godesberg (22./23. September) sowie die Münchner Konferenz zwischen Hitler, Mussolini, Chamberlain und Daladier (29./30.September) mit der dort vereinbarten Amputation der Tschechoslowakei ihre Lösung.[58] Auch das deutsch-britische Verhältnis schien durch eine in München zwischen Hitler und Chamberlain vereinbarte Erklärung wieder entspannt. In ihr wurde dem Wunsch beider Völker Ausdruck gegeben, nie wieder gegeneinander Krieg zu führen und sich künftig bei allen Problemen gegenseitig zu konsultieren.[59]

Vordergründig schien sich die Appeasement-Politik Chamberlains bewährt zu haben. London hatte erfolgreich auf seinem Mitspracherecht auf dem Kontinent beharrt. Es hatte deutlich gemacht, daß man im Zuge einer die Versailler Ordnung hinter sich lassenden neuen europäischen Ordnung, ethnisch berechtigten deutschen Revisionsforderungen entgegenkommen wollte. Als Voraussetzung galt die Bereitschaft des Deutschen Reiches, sich in ein auf der Zusammenarbeit der vier Mächte Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien beruhendes System einzufügen.[60] Doch der Preis, den Chamberlain für diese Form der Friedenspolitik zahlen sollte, war hoch.

Die nicht eingehaltenen Bündnisverpflichtungen gegenüber der Tschechoslowakei erschütterten das Vertrauen der Donau- und Balkanstaaten in die Westmächte nachhaltig. In den folgenden Monaten orientierten sich diese Länder zunehmend auf Berlin.[61] Vor allem aber vergaß die Sowjetunion nicht, daß sie von der Konferenz ausgeschlossen worden war. Schon wenige Tage danach wies der deutsche Botschafter in Moskau darauf hin, daß „Stalin ... Schlußfolgerungen ziehen“ und seine Außenpolitik überprüfen werde.[62] ‘München’ sollte sich als eine der entscheidenden Grundlagen des deutsch-sowjetischen Nichtangriffpakts vom 23. August 1939 erweisen.[63]

Hinter der Fassade des Erfolges hatte auch Hitler, gemessen an seinem ursprünglichen Ziel, der Vernichtung der Tschechoslowakei, ein gewaltiges Stück zurückstecken und damit seinen ersten wirklichen Rückschlag hinnehmen müssen.[64] Zudem war der „Führer“ im Verlauf der Krise zum ersten Mal an ‘Grenzen’ gestoßen. Im Innern waren Warnungen - und zwar nicht nur von ausgesprochenen Gegnern des Regimes, sondern auch aus der an sich loyalen militärischen Führung selbst - unüberhörbar gewesen.[65] Vor allem aber die offenen Lageberichte der Behörden über die gedrückte Stimmung in der Bevölkerung angesichts der Kriegsgerüchte hatten Hitler nachhaltig beeindruckt. Eine am 27. September 1938 durch Berlin marschierende, kriegsbereit ausgerüstete Division war auf schweigende Ablehnung der Bevölkerung gestoßen.[66]

Außenpolitisch hatte gerade sein Achsenpartner Mussolini in engem Zusammenspiel mit den Engländern eine multilaterale Regelung der mitteleuropäischen Verhältnisse erzwungen. Diese Regelung basierte überdies auf einem Vorschlag aus Kreisen des Auswärtigen Amtes um v. Weizsäcker und des ‘Vierjahresplan’-Stabes um Hermann Göring.[67] Im Sinne traditioneller Großmachtpolitik hatten sich diese Kräfte noch einmal gegen den forcierten Kriegskurs des „Führers“ durchgesetzt.[68] Für Hitler aber stand fest, daß ‘München’ die letzte internationale Konferenz über Fragen deutscher politischer Ziele gewesen war. Die „feigen Generäle“ und auch Göring wurden nachträglich von Hitler mit Schmähungen bedacht.[69]

Vor allem gegen seinen Wunschpartner England saß der Stachel nun so tief, daß er nicht mehr allein auf die britische Neutralität setzte.[70] „Es braucht nur“, mischte er sich in Saarbrücken am 9. Oktober 1938 in die britische Innenpolitik ein, „in England statt Chamberlain, Herr Duff Cooper oder Herr Eden oder Herr Churchill zur Macht zu kommen, so wissen wir genau, daß es Ziel dieser Männer wäre, sofort einen neuen Weltkrieg zu beginnen. Sie machen gar kein Hehl, sie sprechen das offen aus.“ Deutschland wolle „nichts als den Frieden“, und deshalb würde es gut sein, „wenn man in Großbritannien allmählich gewisse Allüren der Versailler Epoche ablegen würde. Gouvernantenhafte Bevormundung vertragen wir nicht mehr.“[71] Mit dieser Rede hatte Hitler eine neue, deutlich aggressivere Runde seiner Politik der Drohung und Werbung gegenüber London eingeleitet.

Am 21. Oktober 1938 legte er Weisungen über die „Erledigung der Rest-Tschechei“[72] und die „Inbesitznahme des Memellandes“ vor.[73] Gleichzeitig plante er immer entschiedener eine Zwischenstufe ein, die vor der entscheidenden Phase des ’Programms’, dem Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion, durchzuführen war: die Verdrängung Großbritanniens vom Kontinent und die Zerschlagung Frankreichs.[74] Die „pazifistische Platte“ war, wie Hitler in seiner Rede vor der deutschen Presse am 10. November 1938 betonte, jetzt endgültig abgespielt.[75] Mehr noch als diese Rede hatten am Vortag die antisemitischen Ausschreitungen der sogenannten „Reichskristallnacht“ angezeigt, daß das Dritte Reich innen- und außenpolitisch an einem Wendepunkt angelangt war.[76]

Schon seit Frühjahr 1938 hatte sich Großbritannien als möglicher Gegner immer stärker in den Vordergrund der seestrategischen und rüstungswirtschaftlichen Überlegungen geschoben. Die Luftwaffe ging in einer Studie vom 25. August 1938 von einem Krieg gegen England und Frankreich aus. Die Kriegsmarine führte im Frühjahr 1938 erstmalig Manöver durch, die England einkalkulierten.[77] Am 27. Januar 1939 setzte sich Hitler gegen erhebliche Bedenken in der Marine mit seinem Schlachtflottenkonzept (Z-Plan) durch. Neben Hitlers Hoffnung, eine für die ‘Insel’ bedrohliche Aufrüstung der Seestreitkräfte könnte England doch noch zum „Kommen“ bewegen, war das Konzept operativ auf die Nordseekriegführung gegen die britische Blockade abgestellt.[78]

Diese Entscheidung konnte jedoch von den militärtechnischen Voraussetzungen her, die den bisherigen, rein kontinentaleuropäisch orientierten Aufbauplanungen zugrunde lagen, nur zu völlig negativen Ergebnissen hinsichtlich der deutschen Erfolgschancen im Falle eines Krieges gegen England führen. „Was die Kriegsmarine anbetrifft“, sollte Raeder bei Kriegsausbruch am 3. September 1939 das deprimierende Fazit ziehen, „so ist sie selbstverständlich im Herbst 1939 noch keineswegs für den großen Kampf mit England hinreichend gerüstet... Die Überwasserstreitkräfte aber sind so gering an Zahl und Stärke gegenüber der englischen Flotte, daß sie - vollen Einsatz vorausgesetzt - nur zeigen können, daß sie mit Anstand zu sterben verstehen und damit die Grundlage für einen späteren Wiederaufbau zu schaffen gewillt sind.“[79]

Wie Hitler erlag auch das OKW der Illusion, die Briten durch einen Seekrieg gegen die englisch-französischen Verbindungen in Nordsee und Atlantik, durch einen offensiven Luftkrieg und den Vorstoß an die Gegenküste zum Einlenken bewegen zu können. Es hatte seine operativen Planungen daher auf die Bezwingung der Maginotlinie eingerichtet, in der Annahme, Frankreich damit militärisch niederzuwerfen. Konkrete Pläne für eine Besetzung der Insel gab es bis zum Unternehmen „Seelöwe“ nicht.[80]

Unter offenem Bruch des Münchner Abkommens erfolgte am 15. März 1939 die Besetzung der sogenannten. „Rest-Tschechei“. Nach dem Anschluß Österreichs im Jahr zuvor, markierte dieser Coup nur den Schlußpunkt der am 5. November 1937 von Hitler angestrebten Phase der Errichtung einer großdeutschen Plattform in Mitteleuropa für den „Lebensraumkrieg“. Gleichzeitig liefen bereits Vorbereitungen für die zweite Phase der deutschen Expansionspolitik. Vordergründig zielte sie auf eine endgültige Bereinigung des Verhältnisses zu Polen, im Grunde aber stand sie ganz im Schatten der ungeklärten Beziehungen zu Großbritannien. Eine Bemerkung Weizsäckers vom Dezember 1938 machte das Dilemma deutlich: Hitler und Ribbentrop bewegten sich auf den Krieg zu, „man schwanke nur, ob gleich gegen England, indem man sich dafür noch Polens Neutralität erhalte oder zuerst im Osten zur Liquidation der deutsch-polnischen und der ukrainischen Frage.“[81]

Am 26. März 1939 erhielt Hitler die endgültige Absage Polens, sich als ‘Juniorpartner’ in das ’Programm’ einbinden zu lassen. Er hatte seit Oktober 1938 darum geworben.[82] Am 31. März 1939 garantierte Großbritannien zusammen mit Frankreich die Unabhängigkeit Polens.[83] Am 6. April wurde diese Garantie in ein wechselseitiges Beistandsversprechen umgewandelt.[84] Zudem wurde die seit 1936 eingeleitete Aufrüstung der englischen Streitkräfte in diesen Wochen forciert.[85]

Von einer radikalen Kehrtwendung Londons gegen Deutschland und einem Ende des „Appeasement“ kann aber nicht die Rede sein. Zwar hatte die Politik Chamberlains mit ‘Prag’ einen schweren Rückschlag erlitten. Doch trotz seiner stellenweise ‘harten’ Rede in Birmingham am 17. März 1939 und der Garantieerklärung für Polen - „independence“, nicht „integrity“ - versuchte der englische Premier auch weiterhin, das Reich in eine allgemeine Friedensordnung einzufügen.[86] Diese Haltung Londons signalisierte Hitler, daß seine Spekulation das Expansionsprogramm, wenn schon nicht im Bündnis mit England zusammen, dann wenigstens ‘ohne England’ durchführen zu können, vergeblich gewesen war.

Trotz des Risikos eines Eingreifens der Westmächte, hielt Hitler aber an dem jetzt aller Wahrscheinlichkeit nach nur noch mit Gewalt umzusetzenden Etappenziel fest. Bereits am 3. April 1939 hatte er dem OKW befohlen, den „Fall Weiß“ (Angriff auf Polen) so zu bearbeiten, „daß die Durchführung ab 1. September 1939 jederzeit möglich ist.“[87] Dabei sollte Polen, wie eine weitere Führerweisung vom 11. April 1939 ausführt, im Kriegsfall möglichst isoliert werden. Es müsse daher gelingen, „den Krieg mit überraschenden, starken Schlägen zu eröffnen und zu schnellen Erfolgen zu führen.“[88] Am 27. April 1939 kündigte er das deutsch-britische Flottenabkommen und den deutsch-polnischen Nichtangriffspakt.

Einem neuen ‘München’ wollte Hitler niemals wieder zustimmen. Er wollte keine neuen Grenzen, er wollte neue ‘Räume’. „Danzig“, so Hitler in der Oberbefehlshaberbesprechung vom 23. Mai 1939, sei nicht „das Objekt, um das es geht. Es handelt sich ... um die Erweiterung von Lebensraum im Osten... “ Mit Blick auf die drohende Auseinandersetzung mit den Westmächten hatte der Krieg gegen Polen, neben der Schaffung des Aufmarschgebietes gegen die Sowjetunion, zwei weitere Funktionen erhalten. Es galt, sowohl einen Unsicherheitsfaktor im Rücken des Deutschen Reiches auszuschalten als auch durch die „Sicherstellung der Ernährung“ die Voraussetzungen für einen wahrscheinlich langen Kampf gegen die Westmächte zu verbessern. Hitler hatte das Lebensraumkonzept, das er bisher ausschließlich auf Rußland bezogen hatte, damit ohne weiteres auf Polen übertragen.

In den folgenden Monaten bis zum Kriegsausbruch ging es Hitler bei allem Kalkulieren und Spekulieren einzig noch darum abzuschätzen, wie hoch das Risiko ist, mit einem Angriff auf Polen einen europäischen Krieg auszulösen. An eine „Wiederholung der Tschechei“ glaubte Hitler zwar nicht, aber dennoch wollte er wenn irgend möglich vermeiden, daß sich die Westmächte in einen deutsch-polnischen Konflikt einschalteten. Zur Verminderung des Risikofaktors galt es, neben den Avancen Wohlthats und Dahlerus im Sinne seiner alten Bündnisidee, eine internationale Mächtekonstellation herbeizuzwingen, die entweder England und seinen Juniorpartner Frankreich von einer Hilfsaktion für Polen abhalten oder beide Mächte im Kriegsfall dazu zwingen würde, ihre Kräfte zu verzetteln.[89]

Doch den Bemühungen Ribbentrops seit Sommer 1938, das auf der Basis des „Antikominternpakts“ nur recht locker gefügte „weltpolitische Dreieck“ in ein Militärbündnis umzuwandeln, war kein Erfolg beschieden. Zwar gelang es im Falle Italiens, am 22. Mai 1939 den „Stahlpakt“ abzuschließen, doch hatte Mussolini im gleichen Atemzug seine Kriegsbereitschaft erst für 1942 erklärt.[90] Im Falle Japans scheiterte der Versuch völlig. Mit Blick auf die eigenen außenpolitischen Konfliktfelder war Tokio im Sommer 1939 an einem Militärbündnis mit Spitze gegen Großbritannien nicht interessiert.[91]

Nun erst schaltete die Berliner Diplomatie zögernd auf die zweite Wahl um, die Annäherung an Moskau. Während das taktische Umschwenken der deutschen Außenpolitik in Richtung auf ein Arrangement mit der Sowjetunion in vollem Gange war, äußerte sich Hitler am 11. August 1939 gegenüber C.J. Burckhardt über die Konstanz seiner programmatischen Zielsetzung: „Alles was ich unternehme, ist gegen Rußland gerichtet; wenn der Westen zu dumm und zu blind ist, um dies zu begreifen, werde ich gezwungen sein, mich mit den Russen zu verständigen, den Westen zu schlagen und dann nach seiner Niederlage mich mit meinen versammelten Kräften gegen die Sowjetunion zu wenden.“[92]

Am 23. August unterzeichnete Ribbentrop in Moskau den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt.[93] „Der Sinn des Führers“, faßte Weizsäcker am gleichen Tag zusammen, „war darauf gerichtet, durch Brutalität die englische Regierung von ihren Garantieverpflichtungen abzudrängen. Der Führer rechnet damit, daß am 24. August unter dem Eindruck unseres Coups in Moskau Chamberlain stürze und die Garantie-Idee falle.“[94] Als die erhoffte Nachricht ausblieb[95], gab Weizsäcker die Gedankengänge Hitlers mit den Worten wieder: „Der Führer arbeitet weiter in der Richtung des lokalisierten Krieges, den er nicht preisgeben will.“[96]

Hitler setzte noch einmal auf seine Politik der Drohung und Werbung. Während er noch am 23. August 1939 gegenüber dem britischen Botschafter in Berlin, Henderson ausgeführt hatte, daß „England ... sich den Mann, der sein größter Freund werden wollte, zum Feind gemacht“ habe[97], verweist sein angekündigtes „großzügiges Angebot“ an Großbritannien vom 25. August auf die Kontinuität seiner deutsch-englischen Bündnisidee. Nach der Lösung des Polenproblems, erklärte er gegenüber Henderson, wolle er „noch einmal an England mit einem großen umfassenden Angebot herantreten.“ Er sei „bereit, dann mit England Abmachungen zu treffen, die ... nicht nur die Existenz des Britischen Weltreiches unter allen Umständen deutscherseits garantieren würden, sondern auch, wenn es nötig wäre, dem Britischen Reich die deutsche Hilfe sicherten, ganz gleich, wo immer eine derartige Hilfe erforderlich sein sollte.“[98]

Die Verschiebung des ursprünglich auf den 26. August angesetzten Angrifftermins nach der Meldung vom Abschluß des britisch-polnischen Beistandpaktes und der Absage Mussolinis[99] diente neben der Komplettierung des deutschen Aufmarsches sicher auch der Überlegung, Großbritannien die Annahme des „Angebots“ zu erleichtern.[100]

Die britische Antwort vom 28. August kam in Hitlers Augen aber einer Ablehnung gleich. Die friedliche Lösung der polnischen Frage wurde zur Vorbedingung jeglicher weiterreichenden Verständigung gemacht.[101] Im Rahmen seines ’Programms’ aber wollte Hitler den Krieg mit Polen. Zwar hoffte er immer noch auf ein Abseitsstehen Englands, doch nahm er mit Blick auf den sich zunehmend verringernden Rüstungsvorsprung auch das Risiko eines vorgeschalteten Krieges mit den Westmächten in Kauf.[102]

Dieser objektive „Zeitfaktor“ in Verbindung mit der Überzeugung, nur eine begrenzte Lebensspanne zur Umsetzung seiner ‘großen Ziele’ zu Verfügung zu haben, ließ ihn schließlich handeln, als sei er, wie J. Fest in seiner Biographie treffend bemerkte, endlich all der umständlichen Zwänge, des ewigen Lavierens, der Verstellungskünste und diplomatischen Fädenzieherei, kurz der Politik, überdrüssig und suche wieder einmal die „eine große, allgemein verständliche, befreiende Handlung.“ Er schien entschlossen, endlich das Netz der Abhängigkeiten sowie der falschen Einverständnisse zu zerreißen und jene Putschistenfreiheit zurückzugewinnen, einen Politiker als „Schweinehund, der mir einen Vermittlungsvorschlag vorlegt“, zu bezeichnen.[103]

Auf die Warnung Görings, das „Vabanquespiel“ doch zu lassen, antwortete Hitler am 29. August: „Ich habe in meinem Leben immer ‘va banque’ gespielt.“[104] Auch einen Vermittlungsvorschlag Mussolinis -analog zu ‘München’ - ließ er nicht mehr zu. Am 31. August bejahte Hitler die Frage des italienischen Botschafters, „ob damit dann wohl alles zu Ende sei“.[105] Die deutschen Schritte in den letzten Tagen des August 1939 hatten nur noch taktische Bedeutung. Der erneuten, freilich nur mündlichen Lancierung des „großzügigem Angebotes“ an Polen in der Nacht zum 31. August lag der Versuch zur Erhöhung der politischen Rechtfertigung für den Krieg zugrunde.

Es galt nach außen, die Westmächte aus dem Krieg heraushalten und Polen als vermeintlichen Aggressor zu isolieren, und nach innen, das eigene Volk propagandistisch auf einen erneuten Opfergang einzustimmen. Hitler hatte, wie der Chef des Generalstabes des Heeres, Halder, am 29. August 1939 in seinem Tagebuch knapp und eindeutig notierte, die Abfolge des Geschehens in den nächsten Tagen festgelegt: „30. 8. Polen in Berlin, 31. 8. Zerplatzen, 1. 9. Gewaltanwendung.“[106]

Gewisse Ähnlichkeiten mit der Julikrise des Jahres 1914, in der, mit Blick auf England und die SPD, das Zarenreich als Aggressor aufgebaut wurde, sind nicht zu übersehen.[107] Eine dem August 1914 vergleichbare Kriegsbegeisterung aber fehlte. „Nichts von alledem“, notierte der Gauleiter von Schwaben, Karl Wahl, „was ich 1914 erlebte, habe ich ... feststellen können: keine Begeisterung, keine Freude, kein Jubel. Überall, wohin man kam, herrschte eine bedrückende Ruhe, um nicht zu sagen Niedergeschlagenheit. Das ganze deutsche Volk schien von einem lähmenden Entsetzen gepackt zu sein, daß es weder zu Beifalls- noch zu Mißfallensäußerungen befähigte.“[108]

Am 1. September 1939 ‘entfesselte’ das deutsche Reich mit einem Überfall und ohne Kriegserklärung den Krieg gegen Polen. Als sich Berlin weigerte, den ultimativen Forderungen der Westmächte nachzukommen, weitete sich mit den Kriegserklärungen der britischen und der französischen Regierung am 3. September 1939 der ursprünglich von Hitler regional begrenzte Konflikt zum europäischen Krieg aus.[109]

III. Realisierungsversuch durch die Demonstration der militärischen Macht (September 1939 bis Mai 1940)

Während der Angriff auf Polen rasch vorankam, sah sich Hitler einer Machtkonstellation gegenüber, die seinen ‘programmatischen’ Freund-Feind-Vorstellungen widersprach. Großbritannien, das er als ‘idealen’ Bündnispartner zur Absicherung der Ostexpansion betrachtete, das er umworben und von dem er, trotz Risikobewußtsein, bis zuletzt gehofft hatte, es würde das militärische Vorgehen gegen Polen hinnehmen, hatte dem Reich den Krieg erklärt und Frankreich dabei mitgerissen. Zugleich befand er sich in Abhängigkeit von der Sowjetunion, deren Vernichtung das Hauptziel seines ‘Programms’ war, während die Verbündeten Italien und Japan außerhalb des europäischen Krieges blieben.

Was also blieb nach dem 3. September 1939 noch übrig von der Idee Hitlers einer Partnerschaft mit England auf der Grundlage einer Interessenabgrenzung und der unterstellten gemeinsamen Abwehrhaltung gegen den „jüdisch-bolschewistischen Weltfeind?“ Wie verhielt es sich mit den „rassisch wertvollen Elementen“ in England, die Hitler als substantielle Basis gegen den „jüdischen Einfluß“ glaubte in Rechnung stellen zu können?

Der Grundtenor der Proklamationen Hitlers an Volk, Partei und Wehrmacht am Tage der britischen Kriegserklärung weist unmißverständlich darauf hin, daß sein Verhältnis zu England auch über die Zäsur des Kriegsbeginns hinweg von einem ‘Perzeptions-Problem’ belastet war. Seine Wahrnehmungen und Deutungen wurden damit auch weiterhin durch die eigenen, oft ‘axiomatisch’ festliegenden Vorstellungen und ‘Bilder’ verzerrt. Aus seiner Perspektive hatten nicht nationale Interessen England in die Gegnerschaft zum deutschen Reich gebracht - diese hätten aus machtpolitischen und ideologischen Motiven zur Allianz mit dem deutschen Reich gedrängt - ,sondern die Kräfte des antinationalen „Weltfeindes“. Wie seit 1935/37 befürchtet und seit Herbst 1938 als reale Möglichkeit ins Kalkül einbezogen, sei die Saat der „jüdisch-plutokratischen und demokratischen Herrenschicht“, die seit Jahren die Vernichtung Deutschlands predigte und „den deutschen Lebensraum einzuengen suchte“, aufgegangen.[110] „Der jüdisch-demokratische Weltfeind hat es fertig gebracht“, ließ Hitler seine Vorstellungen der zwanziger Jahre anklingen, „das englische Volk in den Kriegszustand gegen Deutschland zu stellen.“[111] Es galt daher, die „Wucht der Argumente gegen England“ zu richten, wie Hans Fritsche auf der Pressekonferenz vom 3. September 1939 forderte: „Anzugreifen sei nicht das englische Volk, sondern die führenden Mächte, die England in die Einkreisungspolitik getrieben hatten, besonders das Judentum, der internationale Kapitalismus und die Geldmächte.“[112]

[...]


[1] Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918-1945 (künftig zitiert: ‘ADAP’), Serie D, Bd.I, Nr. 19, S. 25ff. Da Hoßbach seine Niederschrift erst einige Tage nach der Konferenz aus dem Gedächtnis und nach privaten Notizen angefertigt hat, verbieten sich Rückschlüsse auf den genauen Wortlaut der Monologe Hitlers und die Ausführungen der anderen Teilnehmer: Dem Reichskriegsminister, Generalfeldmarschall von Blomberg, den Oberbefehlshabern des Heeres, von Fritsch, der Marine, Raeder, und der Luftwaffe, Göring, sowie dem Reichsaußenminister, von Neurath. Wörtliche Zitate beziehen sich nur auf den Text von Hoßbach.

[2] Ausführlich dazu E. Jäckel, Hitlers Weltanschauung, Stuttgart 1981 (künftig zitiert: ‘Jäckel, Hitlers Weltanschauung’), S. 29ff.

[3] A. Hitler, Mein Kampf, 2 Bände in einem Band, XI. Auflage, München 1932 (künftig zitiert: ‘Hitler, Mein Kampf’), S. 157.

[4] Hitlers Fernziel, ein deutsches Ost-Imperium auf den Trümmern der Sowjetunion aufzubauen, war nicht bloß eine aus Wunschvorstellungen erwachsene „Vision“. Im November 1918, im Augenblick des Waffenstillstandes im Westen, sicherten deutsche Truppen als Sieger die Ukraine sowie die Krim und Transkaukasien.

Die Diktatfriedensschlüsse von Brest-Litowsk (3. März 1918) und von Bukarest (7. Mai 1918) sowie die deutsche Ukrainepolitik wiesen bereits wichtige Züge des späteren Hitlerschen Imperialismus auf, die sich dann, rassenbiologisch und geopolitisch ideologisiert und radikalisiert, nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 wiederfinden sollten. Vgl. dazu A. Hillgruber, Deutschlands Rolle in der Vorgeschichte der beiden Weltkriege, Göttingen 1986 (künftig zitiert: ‘Hillgruber, Deutschlands Rolle’), S.65f.

[5] Mit dem Sieg über das jüdisch-bolschewistische Rußland würden sich allerdings in der Vorstellungswelt Hitlers die Deutschen zum rassisch höchststehenden Volk der Weltgeschichte entwickeln. Im Rahmen des von sozialdarwinistischen Gesetzen geprägten Geschichtsablauf konnte diesem Volk der Weg zur Weltherrschaft zwangsläufig nicht mehr bestritten werden. Zwar behandelte Hitler die diesem ‘Endziel’ vorgeschaltete Weltmachtphase nur spekulativ und verortete sie weit in der Zukunft, doch irgendwann würden koloniale und maritime Machtfragen anstehen. Auch mit Großbritannien könnte es dann zum Konflikt kommen und die Übereinstimmung der Interessen „eines Tages in das reine Gegenteil umschlagen.“ Als Ideallösung galt Hitler aber auch in diesem Fall eine Konstellation, die Großbritannien als „Juniorpartner“ an der Seite des deutschen Reiches sah. Es gelte dann vor allem, den USA „die Stirn zu bieten“.

Die Festlegung Hitlers bereits vor Kriegsbeginn auf konkrete globale Zielvorstellungen nach der Eroberung von „Lebensraum im Osten“ muß trotz solcher vereinzelten Hinweise in den Quellen, die in diese Richtung zu deuten scheinen, Spekulation bleiben. Vgl. dazu J. Henke, Hitlers England Konzeption. Formulierung und Realisierungsversuche. In: M. Funke (Hrsg.), Hitler, Deutschland und die Mächte. Materialien zur Außenpolitik des Dritten Reiches, Düsseldorf 1977 (künftig zitiert: ‘Funke, Hitler, Deutschland und die Mächte’), S. 584ff. Auch M. Messerschmidt, Außenpolitik und Kriegsvorbereitung (künftig zitiert: ‘Messerschmidt, Außenpolitik’). In: W. Deist u. a. (Hrsg.), Ursachen und Voraussetzungen des Zweiten Weltkrieges, Frankfurt a. M. 1989 (künftig zitiert: ‘Deist, Ursachen’), S.649ff.

[6] G. L. Weinberg (Hrsg.), Hitlers Zweites Buch. Ein Dokument aus dem Jahre 1928. Geleitwort von H. Rothfels, Stuttgart 1961 (künftig zitiert: ‘Hitler, Zweites Buch’), S. 163.

[7] Ebd., S. 167.

[8] Ebd., S. 173f.

[9] England werde und müsse „kommen“, das war schon die Grundüberzeugung, die der außenpolitischen Konzeption des Geheimen Rats im Auswärtigen Amt, Friedrich v. Holstein zugrunde lag. Im Gegensatz zur Außenpolitik Bismarcks zog er in den Jahren des sogenannten „Neuen Kurses“ (1890-1897) die Schlußfolgerung, daß es - aufgrund des weltpolitischen Gegensatzes zu Rußland, Frankreich und Amerika - im Interesse Englands liegen mußte, ein Bündnis mit Deutschland zu schließen. Ausführlich dazu Hillgruber, Deutschlands Rolle, S. 11ff.

[10] Hitler, Zweites Buch, S. 173.

[11] Ebd., S. 173.

[12] Hitler, Mein Kampf, S. 722.

[13] Ebd., S. 721. Frankreich lief infolge der geringen „Rassenhöhe“ seines Volkskörpers bereits Gefahr, der Bolschewisierung unrettbar zu verfallen. Hitler sah bereits einen der Vernegerung anheimfallenden „Mulattenstaat ... vom Rhein bis zum Kongo“ heraufziehen. Ebd., S. 730.

[14] Ebd., S. 724.

[15] Ebd., S. 721.

[16] Hitler, Zweites Buch, S. 175.

[17] Hitler, Mein Kampf, S. 720.

[18] Im Rahmen kollektiver internationaler Abrüstungsbemühungen war durch die Genfer Fünfmächteerklärung vom 11. Dezember 1932 als wichtigster Grundsatz einer Abrüstungskonferenz festgelegt worden, „Deutschland und den anderen durch Vertrag abgerüsteten Staaten die Gleichberechtigung zu gewähren in einem System, das allen Nationen Sicherheit bietet.“ In den am 3. Februar 1933 in Genf anlaufenden Verhandlungen sprach die deutsche Delegation von „Gleichberechtigung“ und „Abrüstung“, verwies auf erbrachte Vorleistungen, hatte dabei aber längst auf militärische Stärke, Revisionspolitik und europäische Hegemonie gesetzt. Ausführlich dazu M. Messerschmidt, Außenpolitik. In: Deist, Ursachen, S.685ff.

[19] Siehe dazu ebd., S. 668f.

[20] Stellvertretend sei hier nur seine berühmte Friedensrede vor dem Reichstag am 17. Mai 1933 genannt, die ihre Wirkung auf eine Welt, die noch unter den Folgen des Ersten Weltkrieges litt, nicht verfehlte. Ausführlich dazu ebd., S. 135ff.

[21] Unter dem Eindruck der Schreckensmeldungen aus Rußland über das Terrorregime Stalins und seine „Säuberungen“ fiel diese Agitation auf fruchtbaren Boden. So sprach Chamberlain nur vom „halbasiatischen Rußland“.

[22] Siehe dazu ebd., S. 696ff.

[23] In seiner Regierungserklärung vom 23. März 1933 zog Hitler einen klaren Trennungsstrich zwischen der Ausschaltung der Kommunisten in Deutschland einerseits und den Beziehungen zur UdSSR andererseits. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. Am 4. April 1933 stimmte Hitler der Verlängerung des Berliner Vertrages vom 24. April 1926 zu. Die Ratifizierung erfolgte am 5. Mai 1933 in Moskau. Vgl. dazu L. Herbst, Das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Frankfurt am Main 1996, S. 101.

[24] Abschluß des Konkordats im Juli 1933. Ausführlich dazu M. Broszat: Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung, München 1986 (künftig zitiert: ‘Broszat, Der Staat Hitlers’), S. 123ff.

[25] Mit diesem Abkommen verließ Hitler nicht nur die Linie der nationalen Revisions- und Großmachtpolitik Stresemanns, sondern auch den Kurs der in Geschwindigkeit und Rigorosität wesentlich forcierten Revisionspolitik der autoritären Kabinette. Siehe dazu die Denkschrift des Staatssekretärs v. Bülow. Auszüge in Messerschmidt, Außenpolitik. In: Deist, Ursache, S. 682ff. Die Regierung Hitler erschien aus dieser Perspektive den Polen weniger bedrohlich als die traditionellen „Rechts“-Parteien. Vor allem die „Deutsch-Nationalen“ mit ihrer sozialen Basis beim preußischen Grundbesitz, drängten forciert auf eine Revision der Grenzen gegenüber Polen. Diese Einschätzung war auch in Großbritannien verbreitet, was für die Konstellation 1938/39 bedeutsam werden sollte, als sich die Regierung Chamberlain für den „Österreicher“ Hitler gegen die konservativ „preußische“ Opposition entschied. Siehe dazu K. Hildebrand, Das Dritte Reich, München 1995, S. 33. Hitler diente der Pakt kurzfristig zur Absicherung der nächsten Schritte und langfristig der Vorbereitung des Ausgriffs nach Osten.

[26] Ausführlich dazu Broszat, Der Staat Hitlers, S.274ff. Zum Stil der NS-Außenpolitik, der „Sondermissionen“, der Tätigkeit der zahlreichen nichtstaatlichen Dienststellen und des Reichspropagandaministeriums siehe H. A. Jacobsen, Zur Struktur der NS-Außenpolitik 1933-1945. In: M. Funke (Hrsg.), Hitler, Deutschland und die Mächte. Materialien zur Außenpolitik des Dritten Reiches, Düsseldorf 1976 (künftig zitiert: ‘Funke, Hitler, Deutschland und die Mächte’), S. 137-185.

Der Fehlschlag des Putsches hatte auch mit Blick auf den zweiten, von Hitler anvisierten, potentiellen Bündnispartner Italien eine negative Wirkung. Das Verhältnis zwischen Hitler und Mussolini war ohnehin, wie sich beim Treffen in Venedig am 14./15. Juni 1934 gezeigt hatte, zutiefst gestört. Schon durch die „Römischen Protokolle“ vom 17. März 1934 - Österreich, Italien und Ungarn verpflichteten sich darin auf eine gemeinsame Politik und damit indirekt auf eine Verteidigung der Unabhängigkeit Österreichs - war der Weg nach Südosteuropa zumindest erheblich erschwert worden. Erst das Jahr 1936 sollte ganz im Zeichen der Annäherung stehen. So deutete Mussolini dem deutschen Botschafter in Rom, Ulrich v. Hassel, am 7. Januar 1936 an, daß die wohlwollende Neutralität, die Deutschland Italien im Rahmen des Abessinien-Konfliktes gegenüber bewahre, die Möglichkeit geschaffen habe, die „deutsch-italienischen Beziehungen grundlegend zu bessern.“ Er signalisierte Bereitschaft, das Österreich-Problem gemeinsam mit Deutschland zu lösen, und erklärte Stresa „als ein für allemal tot.“ ADAP, Serie C, Bd. IV, S. 954ff.

[27] M. Geyer, Militär, Rüstung und Außenpolitik, Aspekte militärischer Revisionspolitik in der Zwischenkriegszeit. In: Funke, Hitler, Deutschland und die Mächte, S. 239ff. Auch W. Deist, Die Aufrüstung der Wehrmacht (künftig zitiert: ‘Deist, Aufrüstung’), S. 439-637. In: Deist, Ursachen.

[28] Vgl. dazu Messerschmidt, Außenpolitik. In: Deist, Ursachen, S. 721.

Das Bewußtsein von der Gefährdung Englands durch einen modernen Luftkrieg wurde von Baldwin mit den Worten charakterisiert: „When you think of the defence of England you no longer think of the chalks-cliffs of Dover; you think of the Rhine. That is where our frontier lies.“ House of Commons Debates (Fifth ser.) 292, vol. 2339, 30. 7. 1934. Zitiert nach Messerschmidt, Außenpolitik. In: Deist, Ursachen, S. 709 Anm. 43.

[29] ADAP, Serie C, Bd. III, Nr. 555, S. 1043ff. Später, am 19. November 1936, sollte er sich vor dem österreichischen Staatssekretär des Äußeren, Guido Schmidt, dieses „taktischen Mittels“ rühmen, siehe ADAP, Serie D, Bd. I, Nr. 181.

[30] Ausführlich zu den ersten, recht unorthodox erscheinenden Englandmissionen Rosenbergs und Ribbentrops nach dem 30. Januar 1933, in: W. Michalka, Ribbentrop und die deutsche Weltpolitik, München 1980 (künftig zitiert: ‘Michalka, Ribbentrop’), S. 69ff.

[31] So betonte auch der Chef der Heeresleitung,, Fritsch, am 24. April 1935, daß die Maßnahme zwar „nicht zu umgehen“ gewesen sei, aber „mit weniger Dramatik mögl(ich)“ gewesen wäre. Zitiert nach Deist; Aufrüstung. In: Deist, Ursachen, S. 496f.

[32] Ausführlich dazu D. Aigner, Das Ringen um England, München 1969, S. 98ff.

[33] Ausführlich dazu J. Henke, England in Hitlers politischen Kalkül 1935-1939, Boppard a. Rh. 1973 (künftig zitiert: ‘Henke, England’), S. 35ff.

[34] Ausführlich dazu Deist, Aufrüstung. In: Deist, Ursachen, S. 546ff.

[35] Ausführlich dazu Michalka, Ribbentrop, S. 152.

[36] Ebd., S. 107ff.

[37] Neben der unterschiedslosen Verfolgung von Pazifisten, Demokraten, Liberalen, Sozialdemokraten und Kommunisten wirkte vor allem die Judendiskriminierung (Boykott vom 1. April 1933) wie ein Schock in England. Im Unterhaus fanden kritische Debatten statt. Außenminister Simon erklärte dem Botschafter v. Hoesch, „es sei eine unleugbare Tatsache, daß Deutschland in den letzten Wochen außerordentlich viel Sympathien in England verloren habe.“ ADAP, Serie C, Bd. I, S. 351f.

[38] Vgl. dazu H. C. Schröder, Englische Geschichte, München 1995 (künftig zitiert: ‘Schröder, Englische Geschichte’), S. 71ff.

[39] Ausführlich dazu Henke, England, S. 114.

[40] ADAP, Serie D, Bd. I, Nr. 31. Anlage über die Unterredung zwischen dem Führer und Reichskanzler und Lord Halifax in Anwesenheit des Herrn Außenminister am Obersalzberg am 19. 11. 1937.

[41] A. Speer, Erinnerungen, Frankfurt a. M. 1969 (künftig zitiert: ‘Speer, Erinnerungen’), S. 85.

[42] C. J. Burckhardt, Meine Danziger Mission 1937-1939, München 1969 (künftig zitiert: ‘Burckhardt, Danziger Mission’), S. 99ff.

[43] Ausführlich dazu Michalka, Ribbentrop, S. 117.

[44] ADAP, Serie D, Bd. I, Nr. 93, S. 136. Notiz für den Führer vom 2. 1. 1938.

Als sekundärer Faktor muß in diesem Zusammenhang die Tatsache eingeordnet werden, daß Ribbentrop als Botschafter in London wenig Erfolg hatte und seine zahlreichen protokollarischen Entgleisungen sowie seine häufige Abwesenheit vom Arbeitsplatz - die englische Presse sprach vom „Half-time-Botschafter“ - ihm seitens der Engländer nur offen zur Schau gestellte Ablehnung und Verachtung eintrugen. Siehe dazu Michalka, Ribbentrop, S. 157f.

[45] Ausführlich dazu Michalka, Ribbentrop, S. 117.

[46] Trotz eines drohenden Untertons in Hitlers Bemerkung vom 20. September 1937 gegenüber Burckhardt ist von echtem Haß gegen England nichts zu spüren. Vielmehr überwiegt die Klage, daß sich sein Traum von der Allianz nicht in die Realität umsetzen läßt. Vgl. dazu Henke, England, S. 105f. Am 8. November 1940 erklärte Hitler rückblickend: „Ich habe damals schon gesehen, wie gewisse Kriegsinteressenten seit Jahren hetzten... Es konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, daß sie eines Tages das britische Volk in Wut und Haß gegen Deutschland versetzen würden, während das deutsche Volk überhaupt keinen Haß gegen England empfand.“ Domarus II, Hitler, Reden, S. 1603.

[47] Mit der Remilitarisierung des Rheinlandes und der Wiederherstellung der vollen „Wehrhoheit“ im gesamten Reichsgebiet wurde nicht nur ein Teil des Versailler Vertrages (Art. 42 und 43) einseitig aufgekündigt, sondern ein von einer deutschen Regierung freiwillig abgeschlossener Vertrag, das Abkommen von Locarno vom Oktober 1925, gebrochen.

[48] Vgl. dazu Henke, England, S. 49.

[49] Speer, Erinnerungen, S. 86.

[50] Aus der halbherzigen Sanktion gegen Italien und dem Bestreben der Westmächte, Mussolini im westlichen Lager zu halten, zog Hitler nicht den naheliegenden Schluß, daß Afrika vielleicht in britischen Augen weniger wichtig sein könne als Europa.

[51] Phipps Schlußbericht vom 13. April 1937, PRO London, FO 371/20710, C/2857/3/18. Zitiert nach Henke, England, S. 41.

[52] Vgl. dazu Michalka, Ribbentrop, S. 168ff.

[53] Siehe dazu K. Hildebrand, Deutsche Außenpolitik 1933-1945. Kalkül oder Dogma? Stuttgart 1971 (künftig zitiert: ‘Hildebrand, Kalkül oder Dogma’), S. 63.

[54] Bereits im Februar 1934 hatte Hitler die Situation erörtert, die sich ergeben würde, wenn Großbritannien sich dem deutschen Eroberungszug nach Osten zur Gewinnung neuen Lebensraumes aktiv widersetzen sollte. In diesem Fall, so Hitler vor höheren Reichswehroffizieren, würden „kurze entscheidende Schläge nach Westen, dann nach Osten“ notwendig werden. Aufzeichnung des späteren Generalfeldmarschalls Frhr. von Weichs. Zitiert nach Henke, England, S. 37. Im Rahmen der damals eindeutig vorherrschenden Freundschaftsbemühungen Hitlers gegenüber England war diese Erwägung ein isolierter Gedankengang. Er sollte seine Entschlossenheit unterstreichen, Eroberungen im Osten in allen nur denkbaren Konstellationen durchzuführen. Doch hatte sich hier schon sehr früh die Unterordnung der Englandpolitik unter das Fernziel der Gewinnung von „Lebensraum im Osten“ manifestiert. Auch im „Kampf“-Buch hatten gewisse Formulierungen - „Deutschland wird entweder Weltmacht oder überhaupt nicht sein.“ (Hitler, Mein Kampf, S. 742) - erkennen lassen, daß eine deutsch-englische Idealkonstellation nicht absolute Voraussetzung zur Realisierung des Fernziels war. Zumal Hitler aus rassenideologischer Perspektive das „Riesenreich im Osten reif zum Zusammenbruch“ ansah. Ebd., S. 743.

[55] Ein Überblick über die „Anschluß“-Problematik in Hillgruber, Das „Anschluß“-Problem (1919-1945) aus deutscher Sicht. In: Hillgruber, Zerstörung Europas, S. 121-136.

[56] Vgl. dazu Henke, England, S. 134ff.

[57] Ausführlich dazu Messerschmidt, Außenpolitik. In: Deist, Ursachen, S, 783ff. Auch Henke, England, S. 152.

[58] W. Hofer (Hrsg.), Der Nationalsozialismus. Dokumente 1933-1945, Frankfurt a. M. 1957,

S. 257ff. Der Staat verlor nicht nur durch seine erzwungenen Abtretungen an Deutschland, Polen (2. Oktober, Teschen) und Ungarn (4.-11.November, südlicher Streifen der Slowakei) wirtschaftlich und strategisch wichtige Gebiete, die ihn zur Verteidigung unfähig machten. Er ging auch einem von Berlin aus unterstützten inneren Auflösungsprozeß (5.-8. Oktober, Autonomie für die Slowakei und die Karpato-Ukraine) entgegen.

[59] Zu den Gesprächen siehe die Aufzeichnungen in ADAP, Serie D, Bd. II, Nr. 670, 674.

[60] Vgl. dazu Henke, England, S. 184ff.

[61] Ausführlich dazu A. Hillgruber, Deutsche Außenpolitik im Donauraum 1930-1939. In: A. Hillgruber, Die Zerstörung Europas. Beiträge zur Weltkriegsepoche 1914 bis 1945, Frankfurt a. M. 1988 (künftig zitiert: ‘Hillgruber, Zerstörung Europas’), S. 137-146.

[62] ADAP, Nr. 476, S. 529f.

[63] Vgl. dazu Hildebrand, Kalkül oder Dogma, S. 76f. Auch Messerschmidt, Außenpolitik. In Deist, Ursache, S. 725.

[64] Vgl. dazu Henke, England, S. 187ff.

[65] Ein Überblick über die Verschwörergruppe um Oberstleutnant Hans Oster, Leiter der Zentralabteilung in der Abwehr, sowie über die Reaktionen innerhalb der Militärs, u. a. der Rücktritt des Chefs des Generalstabes Beck, in Fest, Hitler. Eine Biographie, S. 768ff. Auch Hildebrand, Kalkül oder Dogma, S. 73ff.

[66] Siehe dazu M. Steinert, Hitlers Krieg und die Deutschen. Stimmung und Haltung der deutschen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg, Düsseldorf/Wien 1970 (künftig zitiert: ‘Steinert, Hitlers Krieg’), S. 77ff.

[67] Am 18. Oktober 1936 hatte Hitler Göring mit der Durchführung des Vierjahresplans beauftragt, der binnenwirtschaftlichen Ergänzung des „Neuen Plans“, mit dem H. Schacht (Reichsbankpräsident und Reichswirtschaftsminister) seit 1934 versuchte, die ständig wachsenden Rüstungsanforderungen, den Einfuhrbedarf der Binnenkonjunktur und die Außenwirtschaft auf einen Nenner zu bringen. In diesem Rahmen unterstützte Göring zwar den alle ökonomischen Notwendigkeiten kraß mißachtenden Rüstungs- und Kriegskurs Hitlers auf der einen Seite vorbehaltlos. Doch spricht einiges dafür, daß der neue „Wirtschaftsdiktator“ die angestrebte ökonomische und politische Dominanz in Südosteuropa als Alternative zu Hitlers kriegerischer Expansion sah, Nicht zuletzt wohl unter dem Einfluß ihn beratender Fachleute aus dem Stab des „Vierjahresplans“ wie Ministerialdirektor Wohlthat orientierte er sich dabei an der traditionellen Konzeption eines deutsch geführten „Mitteleuropas“. Vgl. dazu A. Kube, Hermann Göring im Dritten Reich. Pour le mérite und Hakenkreuz, München 1986 (künftig zitiert: ‘Kube, Göring’), S. 265ff. Auch K. Hildebrand, Das Dritte Reich, München 1991, S. 34.

[68] Mit einer inflationären und undifferenzierten Benutzung des Begriffes „Widerstand“ sollte hier aber sehr vorsichtig umgegangen werden. Keine der genannten Persönlichkeiten, die hier agierten, hat den Krieg schlechthin als legitimes Mittel einer Hegemonial- und Großmachtpolitik abgelehnt. Einig aber waren sie sich in dem Wunsch, das Erreichte nicht durch ein vorschnelles Losschlagen ohne hinreichende bündnis- und rüstungspolitische Absicherung aufs Spiel zu setzen. Auch von „polykratischen“ Strukturen im Sinne wirklich konkurrierender und autonom handelnder Macht- und Entscheidungszentren neben Hitler, die dessen Kriegspolitik hätten bremsen können, kann nicht gesprochen werden. Die „Teilidentität der Ziele“ (Messerschmidt) band letztlich die konservativen Eliten in der Außen- und Militärpolitik an den „Führer“. Vgl. dazu Kube, Göring, S. 267.

[69] Ausführlich dazu Henke, England, S. 187ff.

[70] Bei Hitler setzte sich der Gedanke fest, von Chamberlain übervorteilt worden zu sein: England suche nur Zeit für die eigene Aufrüstung zu gewinnen. Siehe dazu Michalka, Ribbentrop, S. 240. Nachdrücklich soll hier noch einmal betont werden, daß der auf Erhaltung des Friedens um nahezu jeden Preis gerichtete außenpolitische Kurs Chamberlains primär der Organisation eines stabilen Friedens und nicht dem Zeitgewinn für eine bessere Ausgangsposition zur Bekämpfung Deutschlands diente.

[71] M. Domarus (Hrsg.), Hitler. Reden und Proklamationen 1932-1945, Neustadt an der Aisch 1962 (künftig zitiert: ‘Domarus, Hitler. Reden’), Bd. I. S. 954ff.

[72] ADAP, Serie D, Bd. VI. Nr. 81.

[73] Ebd., Bd. VII. S. 551f.

[74] Vgl. dazu Henke, England, S. 212ff.

[75] W. Treue, Rede Hitlers vor der deutschen Presse. In: VfZ 6 (1958) S. 175-191. Zitiert nach Messerschmidt, Außenpolitik. In: Deist, Ursachen, S. 797. Unverhüllt legte Hitler in dieser Rede, die gleichsam die psychologischen Mobilisierung der Bevölkerung zum Kriege einleiten sollte, die rein taktische Bedeutung seiner Friedenspropaganda seit 1933 dar. Ausführlich dazu W. Wette, Ideologien, Propaganda und Innenpolitik als Voraussetzungen der Kriegspolitik des Dritten Reiches. In: Deist, Ursachen, S. 157f.

[76] Ausführlich zu den Ereignissen der „Reichskristallnacht“ H. Graml, Reichskristallnacht. Antisemitismus und Judenverfolgung im Dritten Reich, München 1988. S. 9ff. Neben der Anprangerung des angeblich verhängnisvollen Einflusses der Juden in der Weltpolitik - insbesondere auf England zielend - eigneten sich die Pogrome ausgezeichnet, um dem deutschen Volk die Illusion zu nehmen, mit dem Münchner Abkommen habe die Zeit der Krisen ihr Ende gefunden.

[77] Vgl. dazu Ebd., S. 778f.

[78] Dazu ausführlich Michalka, Ribbentrop, S. 243.

[79] G. Wagner (Hrsg.), Lagevorträge des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine vor Hitler 1939-1945, München 1972 (künftig zitiert: ‘Wagner, Lagevorträge’), S. 20f.

[80] Vgl. dazu Henke, England, S. 256. Auch Messerschmidt, Außenpolitik. In: Deist, Ursachen, S. 808.

[81] U. von Hassel, Vom andern Deutschland. Aus den nachgelassenen Tagebüchern 1938-1944, Zürich und Freiburg i. Br. 1946 (künftig zitiert: ‘Hassel, Vom andern Deutschland’), S. 37.

[82] Ein Überblick in Messerschmidt, Außenpolitik. In: Deist, Ursachen, S. 809ff. Auch A. Hillgruber, Deutschland und Polen in der internationalen Politik 1933-1939. In: Hillgruber, Zerstörung Europas, S. 147-168.

[83] Die Entscheidung der britischen Regierung, sich auf Polen als ‘Widerlager’ im Osten Europas gegen Hitlers Expansionspolitik festzulegen, hatte politische und militärische Gründe. Die Alternative, eine „Große Allianz“ mit der Sowjetunion anzusteuern, wie es die Labour Party, aber auch die konservative Oppositionsgruppe (gegenüber der Regierung Chamberlain) um Churchill befürwortete, wurde daher als zusätzlich abstützende Hilfskonstruktion im Sommer 1939 nur halbherzig angestrebt. Siehe dazu A. Hillgruber, Der 2. Weltkrieg. Kriegsziele und Strategie der großen Mächte, 6., verb. und erw. Aufl./hg. von Bernd Martin. - Stuttgart;Berlin;Köln 1996 (künftig zitiert: ‘Hillgruber, Zweiter Weltkrieg’), S. 17f.

[84] Diese Garantieerklärung - sieht man von der Garantie der Neutralität Belgiens ab - kam einer Revolution der britischen Diplomatie gleich. „Das wahre Problem“ war dabei nicht Polen, wie der britische Außenminister, Lord Halifax, am 18. März im Kabinett formulierte, sondern „Deutschlands Versuch, die Weltherrschaft zu erreichen, was abzuwehren im Interesse aller Länder liege.“ Zitiert nach Ludolf Herbst, Das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Frankfurt a. M. 1996. S. 223.

[85] Im März war die Entscheidung gefallen, die Territorial-Armee von 13 auf 26 Divisionen zu bringen und die Luftwaffe zu verstärken. Zur gleichen Zeit wurde über die Vorzüge der Allgemeinen Wehrpflicht nachgedacht, die dann im Sommer eingeführt werden sollte. Nach Messerschmidt, Außenpolitik. In: Deist, Ursachen, S. 807.

[86] Ausführlich dazu Henke, England, S. 236ff. Die öffentliche Meinung in England begann sich von dem Premierminister und seiner Beschwichtigungspolitik abzuwenden. Während der Kreis derjenigen, die ihn im Kabinett und im Parlament unterstützten, im Laufe des Jahres 1939 zunehmend kleiner wurde, mehrten sich nun die Stimmen, die fürchteten, Großbritannien werde durch sein Zögern Südosteuropa politisch an Deutschland ausliefern. Zwar hatte Chamberlain im Unterhaus am 1. November 1938 erklärt, Deutschland komme die wirtschaftliche Vormachtstellung in Südosteuropa zu. Doch das Foreign Office, das mit seiner insgesamt skeptischeren Haltung gegenüber Hitler recht behalten hatte, sah hinter den ökonomischen Faktoren auf dem Balkan zunehmend die strategischen Positionen Englands im Mittelmeer und im Nahen Osten. Am 13. April 1939 - auch als Antwort auf den italienischen Einmarsch in Albanien am 7. April - erfolgte daher konsequent die britisch-französische Garantie für die Unabhängigkeit Rumäniens und Griechenlands. Am 12. Mai 1939 erfolgte die Garantieerklärung für die Türkei. Vgl. Ebd., S. 200. Auch Messerschmidt, Außenpolitik. In: Deist, Ursachen, S. 819f.

[87] ADAP, Serie D, Bd. VI. Nr. 149. Weisung Chef OKW vom 3. April 1939.

[88] Ebd., Nr. 185. Anlage II.

[89] Seit der Rheinlandkrise 1936 hatte in Hitlers Sicht jedes Ereignis in der internationalen Politik nur erneut seine Auffassung bestätigt, daß die ursprünglich bei Frankreich liegende politische und militärische Führung der europäischen Westmächte auf Großbritannien übergegangen war. Er ging davon aus, daß Frankreichs Haltung wesentlich von der britischen mitbestimmt wurde, ja, von dieser abhing. Vgl. dazu A. Hillgruber, Frankreich als Faktor der deutschen Außenpolitik im Jahre 1939. In: Hillgruber, Zerstörung Europas, S. 203-215.

[90] ADAP, Serie D, Bd. VI:. Nr. 459, Anlage. Denkschrift Mussolinis zum Stahlpakt vom 30. Mai 1939.

[91] Dazu ausführlich Michalka, Ribbentrop, S. 247ff.

[92] Burckhardt, Danziger Mission, S. 348. Seine „Aufgabe“, erklärte Hitler gegenüber seinem Luftwaffenadjutanten v. Below am 31. August 1939, „liege in Rußland. Alle anderen Kämpfe dienten nur dem einen Ziel, sich den Rücken für die Auseinandersetzung mit dem Bolschewismus freizumachen.“ In: N. v. Below, Als Hitlers Adjutant 1937-1945, Mainz 1980 (künftig zitiert: ‘Below, Adjutant’), S. 192.

[93] Ausführlich dazu A. Hillgruber, Der Hitler-Stalin-Pakt und die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges - Situationsanalyse und Machtkalkül der beiden Pakt-Partner. In: Hillgruber, Zerstörung Europas, S. 219-238.

[94] L. E. Hill (Hrsg), Die Weizsäcker-Papiere, 2 Bde. Berlin/Frankfurt a. M./Wien 1974/1982 (künftig zitiert: ‘Weizsäcker-Papiere’), Bd. II. S. 159.

[95] Chamberlain warnte vielmehr in einem Schreiben, daß Hitler am 23. August 1939 übergeben wurde, von einer durch das deutsch-sowjetische Abkommen veränderten Haltung Großbritanniens auszugehen: „Kein größerer Fehler könnte begangen werden. Welcher Art auch immer das deutsch-sowjetische Abkommen sein wird, so kann es nicht Großbritanniens Verpflichtung gegenüber Polen ändern.“ ADAP, Serie D, Bd. VII, S. 180f.

[96] Ebd., S. 160.

[97] ADAP, Serie D, Bd. VII. Nr. 200. Aufzeichnung vom 24. August 1939 über die Unterredung Hitler-Henderson vom 23. August 1939.

[98] Ebd., Nr. 265. S. 233ff. Erklärung Hitlers an Henderson vom 25. August 1939.

[99] ADAP, Serie D, Bd. VII, S. 238ff. Die Absage des Duce änderte das militärische Kräfteverhältnis nicht unbeträchtlich, da Italien erhebliche Land-, See-, und Luftstreitkräfte der Westmächte gebunden hätte.

[100] In dieser Situation, als der Befehl für den Angriff auf Polen gegeben, widerrufen und erneut gegeben wurde, zeigt sich überdeutlich, welches Maß an Entscheidungsautonomie Hitler in der Außen- und Kriegspolitik gewonnen hatte. Alles hing von seiner Entscheidung ab.

[101] Ebd., Nr. 384. Anlage.

[102] Vgl. dazu die Argumente auf der Oberbefehlshaberbesprechung am 22. August 1939 über das augenblicklich noch vorhandene Rüstungsübergewicht Deutschlands gegenüber England: „Wesentliche Verstärkung der Flotte nicht vor 1941 oder 1942... Noch ist Englands Luftwaffe verwundbar. In zwei bis drei Jahren kann sich dies ändern.“ Mit seiner Person und der Mussolinis führte er zugleich „zwei persönliche Bedingungen“ ein, deren Existenz noch eine Überlegenheit gegenüber den Westmächten garantiere. ADAP, Serie D, Bd. VII, Nr. 192, S. 167ff.

[103] J. C. Fest, Hitler. Eine Biographie, Berlin/Frankfurt a. M. 1973 (künftig zitiert: ‘Fest, Hitler. Eine Biographie’), S. 834f.

[104] Weizsäcker-Papiere, S. 162. Der Va-banque-Charakter der Kriegsentscheidung Hitlers tritt wohl am deutlichsten aus seinen Ausführungen vor Reichstagsabgeordneten und „Prominenten der Partei“ am 27. August 1939 heraus. Dazu die Notizen Groscurths aufgrund von Berichten zweier Gewährsleute: „Mindestforderung: Danzig und Korridor. Höchstforderung: je nach Stand der militärischen Lage. Wenn Mindestforderung nicht erfüllt würde, dann Krieg. Krieg mit brutalsten und unmenschlichsten Mitteln. Er selbst sei, wie Friedrich der Große, gewillt, alles auf eine Karte zu setzen ... Krieg würde schwer, möglicherweise sogar aussichtslos, dann sei Untergang in Ehren der Kapitulation vorzuziehen. Solange ich lebe, wird von Kapitulation nicht gesprochen. Wenn einer von Ihnen glaubt, daß ich nicht nur aus Liebe zu Deutschland handle, so gebe ich ihm das Recht, mich niederzuschießen. Sowjetpakt ist von vielen Parteigenossen mißverstanden. Er paktiere aber mit dem Satan, um den Teufel auszutreiben ... Blockade sei nicht zu fürchten wegen Autarkie und neuer Möglichkeiten im Osten.“ H. Groscurth, Tagebücher eines Abwehroffiziers 1938-1940. Hrsg. von H. Krausnick und H. C. Deutsch, Stuttgart 1970,

S. 190.

[105] ADAP, Serie D, Bd. VII, Nr. 478. Dem italienischen Konferenzvorschlag vom 2. September wich er aus. Ebd., Nr. 535.

[106] F. Halder, Kriegstagebuch. Tägliche Aufzeichnungen des Chefs des Generalstabs des Heeres 1939-1942, bearb. von H.-A. Jakobsen, 3 Bde. Stuttgart 1962-1964 (künftig zitiert: ‘Halder, KTB’), Bd. I. S. 42. Nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang die vorgetäuschten Überfälle auf Reichsgebiet (u. a. Sender Gleiwitz) durch die SS am 31. August 1939. Ausführlich dazu L. Gruchmann, Totaler Krieg, München 1991, S. 11ff.

[107] Die deutsche Reichspolitik in der Julikrise 1914 war unter anderem von der Ansicht des Reichskanzlers geprägt, es lasse sich vielleicht doch britische Neutralität für den Kriegsfall erlangen. Bethmann glaubte, England werde nicht intervenieren, wenn ein Kriegsausbruch so erfolge, daß es schiene, Rußland habe den ersten Schritt getan. Ähnliches gilt auch mit Blick auf die SPD. Siehe dazu Hillgruber, Deutschlands Rolle, S. 34ff. Sowie J. Joll, Die Ursprünge des ersten Weltkrieges, München 1988, S. 265ff.

[108] Wette, Propaganda. In: Deist, Ursachen, S. 25.

[109] Mit Blick auf England, von dem Hitler noch immer ein Abseitsstehen erwartete, hieß es in der „Sprachregelung“ für den Angriff, die deutschen Truppen seien „in Abwehr polnischer Angriffe“ in Aktion getreten. „Diese Aktion ist vorläufig nicht als Krieg zu bezeichnen.“ Rundfunktelegramm Weizsäckers vom 1. 9. 1939. ADAP, Serie D, Bd. VII, Nr. 512.

[110] Domarus II, Hitler. Reden, S. 1339f.

[111] Ebd., S. 1342.

[112] BA Koblenz, ZSg 102/19, Sänger, Hans Fritsche auf der Pressekonferenz v. 3. September. Zitiert nach Henke, England, S. 301.

Excerpt out of 178 pages

Details

Title
Hitlers Englandbild und seine strategischen Entscheidungen im Zweiten Weltkrieg
College
Technical University of Darmstadt
Grade
sehr gut
Author
Year
1998
Pages
178
Catalog Number
V88544
ISBN (eBook)
9783638028417
ISBN (Book)
9783638934916
File size
982 KB
Language
German
Keywords
Hitlers, Englandbild, Entscheidungen, Zweiten, Weltkrieg
Quote paper
MAGISTER ARTIUM Udo Schmidt (Author), 1998, Hitlers Englandbild und seine strategischen Entscheidungen im Zweiten Weltkrieg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88544

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