„Ich werde zur ‚Masse’, wenn ich auf das Recht verzichte, meine Worte selbst zu den-ken und zu formulieren - in meiner eigenen Sprache - und automatisch und kritiklos Formulierungen und Worte übernehme, die andere mir diktieren. Und ich werde zur ‚Masse’, wenn ich aufhöre, mir die moralischen Grundsätze ins Gedächtnis zu rufen, für die ich mich entschieden habe.“
Diese Worte sind ein Auszug aus der Rede des israelischen Schriftstellers David Grossmann, mit welcher er das diesjährige internationale Literaturfestival in Berlin am 04. September er-öffnete. Sorgenvoll bringt er hierin seine gegenwärtigen Eindrücke der von Massenmedien dominierten Gesellschaft in Zusammenhang mit jener Konformistengesellschaft des dritten Reichs, welche durch Massenmedien und Manipulation ihrer individuellen Verantwortung ihres Handelns entledigt wurde. Wie der Titel seiner Rede „Das gute Buch macht den Leser einzigartig“ unschwer erkennen lässt, sieht Grossmann die Möglichkeit dieser ‚Entmenschli-chung’ entgegenzustreben im Leseprozess eines ‚guten Buchs’. Hierbei nämlich ist dem Leser die Möglichkeit geboten, einzigartig und individuell für sich, mithilfe des Buchs, ‚Seelenin-halte’ zu ergründen und zu entdecken, welche ihn der Menge entheben und ein Stück Mün-digkeit zurückgeben können.
Folgender Arbeit zur Untersuchung der gesellschaftlichen Relevanz des individuellen und individualisierenden Leseprozesses liegen zwei aufeinander aufbauende Betrachtungsweisen zugrunde. Zum einen ist der maßgebliche Fokus auf den Rezeptionsprozess und auf die Frage, was sich währenddessen, zwischen Text und Leser zuträgt, gerichtet. Die zweite Hauptunter-suchung der Arbeit blickt gesellschaftswissenschaftlich eher auf die angesprochene unmittel-bare Wichtigkeit des Lesens für das Individuum und die Gesellschaft. Bindeglied dieser bei-den Grunduntersuchungen und letztlich Kernpunkt dieser Arbeit ist die wirkungsästhetische Betrachtung des Lesens fiktionaler und erzählender Literatur an sich, wobei die Frage im Mit-telpunkt steht, welche Wirkung der Text beim Rezipienten hervorruft und wie Selbiges ge-schieht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Lesevorgang
- Der Ort des literarischen Werks
- Die stetige Aktualisierung durch den Leser
- Sinnbildung durch Leerstellen
- Verantwortung von Leser und Autor
- Entautomatisierung des Geistes
- Horizonterweiterung durch Fremderfahrung
- Das Buch braucht Freiheit
- Die Gesellschaft braucht Literatur
- Freiheit ist Verantwortung
- Wieso nicht zurücklehnen?
- Fazit
- Quellen
- Literatur
- Internetlinks
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der gesellschaftlichen Relevanz des individuellen und individualisierenden Leseprozesses. Sie analysiert den Rezeptionsprozess und erörtert die Frage, was sich während des Lesens zwischen Text und Leser vollzieht. Des Weiteren wird die unmittelbare Wichtigkeit des Lesens für das Individuum und die Gesellschaft beleuchtet. Der Fokus liegt dabei auf der wirkungsästhetischen Betrachtung fiktionaler und erzählender Literatur, mit dem Ziel, die Wirkung des Textes auf den Rezipienten zu erforschen.
- Der Rezeptionsprozess und die Interaktion zwischen Text und Leser
- Die Bedeutung des Lesens für die individuelle und gesellschaftliche Entwicklung
- Die Rolle des Lesens in der Gestaltung von Verantwortung und Freiheit
- Der Einfluss des Lesens auf die Horizonterweiterung und Entautomatisierung des Geistes
- Die gesellschaftliche Relevanz von Literatur und ihre Bedeutung für das Individuum
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und verdeutlicht die Relevanz des Lesens in einer von Massenmedien geprägten Gesellschaft. Die Arbeit fokussiert auf die Frage, wie der Leseprozess zur Herausbildung gesellschaftlicher Verantwortung beitragen kann. Das Kapitel „Lesevorgang“ beschäftigt sich mit der rezeptionsästhetischen Betrachtung des Lesens und erörtert den Ort des literarischen Werks, die stetige Aktualisierung durch den Leser und die Sinnbildung durch Leerstellen. Im Kapitel „Verantwortung von Leser und Autor“ werden die Aspekte der Entautomatisierung des Geistes, der Horizonterweiterung durch Fremderfahrung und der Notwendigkeit von Freiheit für das Buch beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themen Leseprozess, Rezeption, gesellschaftliche Verantwortung, Freiheit, Massenmedien, Entautomatisierung des Geistes, Horizonterweiterung, Wirkungsästhetik, literarisches Werk, Sinnbildung, fremde Erfahrung, und die Bedeutung von Literatur für das Individuum und die Gesellschaft.
- Quote paper
- Martin Thiele (Author), 2007, Freiheit durch Lesen - Der Lesevorgang als Weg zur Herausbildung gesellschaftlicher Verantwortung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88551