Der Begriff der Revolution wird meist mit Vorstellungen eines gewalttätigen Umsturzes in Verbindung gebracht, mit der Befreiung von Tyrannei, mit Bildern von Menschenmassen auf Barrikaden. Diese Bilder sind zweifellos geprägt einem Ereignis, das gemeinhin als die „Mutter“ aller Revolutionen angesehen wird, der Französischen Revolution.
Auch in Hannah Arendts Denken nimmt das Phänomen der Revolution eine bedeutende Stelle ein: Sie sieht Revolutionen als das „geheime Leitmotiv des neunzehnten Jahrhunderts“, denen jedoch keine geheimnisvolle Kraft zugrunde liege, sondern die „das Ergebnis sehr bestimmter Ereignisse und Taten von Menschen“ seien, „die man namhaft machen kann“ (REV 327). Die Revolution ist bei Arendt Sinnbild für die Entstehung von etwas Neuem, für das hoffnungsstiftende, jedoch auch beunruhigende Potential des politischen Handelns von Menschen.
In ihrem 1962 erschienen Werk On Revolution (auf deutsch: Über die Revolution) widersetzt sie sich jedoch den eingangs beschriebenen vorherrschenden Vorstellungen darüber, was eine Revolution sei: Sie unterzieht die Französische Revolution einer harschen Kritik und stellt ihr die vergleichsweise unspektakuläre Amerikanische Revolution gegenüber, die bei ihr für einen gelungenen „Gründungsakt“ steht. Im Gegensatz zur Französischen Revolution, die im Terror endete, sei hier ein Raum für Diskussion und Handeln in Pluralität, Freiheit und gegenseitigem Respekt geschaffen worden – ein Raum in dem das, was sie meint, wenn sie von Politik spricht, realisiert werden könne.
Dieser zunächst überraschende Gedankengang zum Zusammenhang von Revolution und Politik ist Gegenstand dieser Arbeit. Dabei wird zunächst der kontrovers diskutierte Politikbegriff Arendts skizziert (II.), um dann auf ihre Gedanken zur Französischen und Amerikanischen Revolution einzugehen (III.). Der Französischen Revolution wird dabei mehr Raum gegeben als der Amerikanischen, da Arendts Kritik an der ersteren sehr viel ausführlicher und dezidierter ist als ihr Lob der letzteren, welche gerade durch ihre vielversprechende Unbestimmtheit charakterisiert war. In Exkursen wird außerdem auf die Bedeutung der Russischen Revolution und Arendts Überlegungen zu Demokratie, Räten und Eliten eingegangen. In der Schlussbetrachtung (IV.) wird die Auseinandersetzung mit Arendts Begriffen der Politik und Revolution schließlich rekapituliert und auf aktuelle Diskussionen um ihr Werk eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Überlegungen zu Arendts Politikbegriff
- Revolution und Politik
- Die Französische Revolution
- Soziale Frage und Geschichtsdeterminismus
- Mitleid statt Solidarität
- Terror und Kampf gegen die Heuchelei
- Macht und Neugründung in der Französischen Revolution
- Die Amerikanische Revolution
- Macht und Neuerung in der Amerikanischen Revolution
- Die Französische Revolution
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit setzt sich mit Hannah Arendts Werk auseinander und analysiert ihren Politikbegriff im Kontext der Revolution. Der Fokus liegt auf Arendts Ausführungen zur Französischen und Amerikanischen Revolution, die sie als paradigmatische Beispiele für die Herausforderungen und Chancen der modernen Politik betrachtet.
- Arendts Politikbegriff und seine zentrale Rolle im Verständnis der Revolution
- Die Herausforderungen der sozialen Frage in der Französischen Revolution und die daraus resultierenden Gefahren für die politische Freiheit
- Die Bedeutung der Amerikanischen Revolution als „Gründungsakt“ und ihre Abgrenzung zur Französischen Revolution
- Die Rolle von Macht, Gewalt und Versprechen im politischen Handeln
- Arendts Kritik an Geschichtsdeterminismus und die Bedeutung der „zweiten Geburt“ im politischen Handeln
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Revolution im Werk Hannah Arendts ein. Sie stellt den Kontext ihrer Gedanken zur Französischen und Amerikanischen Revolution dar und zeigt die Relevanz ihres Werks für die heutige Zeit auf.
Kapitel II skizziert Arendts Politikbegriff und die damit verbundenen Überlegungen zur menschlichen Fähigkeit zur Politik und zur Begründung von Freiheit. Hier werden auch Arendts Kritik am Begriff des Menschen und ihre negative Anthropologie erläutert.
Kapitel III analysiert Arendts Gedanken zur Französischen und Amerikanischen Revolution. Im Fokus steht die Analyse der Französischen Revolution und ihrer problematischen Entwicklungen, insbesondere die Bedeutung der sozialen Frage und des Terrors. Im Gegensatz dazu wird die Amerikanische Revolution als ein gelungenes Beispiel für einen „Gründungsakt“ der Freiheit dargestellt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit Hannah Arendts Werk und analysiert ihren Politikbegriff im Kontext der Revolution. Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Politik, Revolution, Freiheit, Macht, Gewalt, Pluralität, Französische Revolution, Amerikanische Revolution, soziale Frage, Geschichtsdeterminismus, Mitleid, Solidarität, Terror, Neugründung, Gründungsproblematik, Demokratie, Räte, Eliten, Totalitarismus.
- Arbeit zitieren
- Christoph Schwarz (Autor:in), 2007, Politik und Revolution im Werk Hannah Arendts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88630