Kleisthenes - Motive und Vorbilder seiner Reform


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zur Person Kleisthenes
2.1 Kleisthenes’ Familie und sein Werdegang
2.2 Die politische Auseinandersetzung mit Isagoras

3. Motive und Ziele der kleisthenischen Reform
3.1 Die Reform als Mittel zur Verbreiterung der Machtbasis von Kleisthenes
3.2 Die Reform als Mittel, die gentilizisch-lokalen Abhängigkeitsverhältnisse zu beseitigen
3.3 Die militärische Aufrüstung als Ziel der Reform

4. Vorbilder für die Reform des Kleisthenes

5. Resümee

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Person Kleisthenes und seiner Familientradition. Sie liefert zudem Einblicke in die Zielsetzung seiner Reform, wobei seine persönliche Motivation, die ihn zu der Reform bewegt hat, eine Rolle spielen soll. Aufgrund der spärlichen Quellenlage - die Hauptquellen zur Reform sind Herodot 5,66.69 und Aristoteles AP 21 - ist es schwierig genau zu bestimmen, welches Motiv Kleisthenes letztendlich bewegt hat, die sogenannte Phylenreform durchzuführen. Die Inschriften, mit ihren vielfältigen Angaben zu den Phylen, Trittyen und Demen, bilden die Basis der Forschungen zur Kleisthenischen Reform. Denn die Rekonstruktion der geographischen Lage und Zuordnung der Phylen, Trittyen und Demen zueinander zeigt das politische Ziel der Phylenordnung auf. Die Analyse der politischen Implikationen der Kleisthenischen Reform läßt Spekulationen auf persönliche Motive zu. Es ist zu bemerken, dass die einzelnen Aspekte der Reform nur im Hinblick auf Kleisthenes’ Beweggründe und Ziele genannt und deshalb einige Gesichtspunkte, wie zum Beispiel die einzelnen Institutionen, nicht erläutert werden. Die Hausarbeit versucht speziell der Fragestellung nachzugehen, ob Kleisthenes von persönlichen Intentionen gelenkt war bzw. ob er selbst von seiner Reform profitierte. In diesem Zusammenhang werden im 4. Kapitel mögliche Vorbilder für Kleisthenes’ politische Agitation vorgestellt, mit dieser verglichen und über historische Parallelen Analogien herausgearbeitet. Zentrales Untersuchungsmotiv dieser Arbeit wird die Interpretation der Reform nach pragmatischen Gesichtspunkten bilden, um nicht dem historistischen Fehler einer post festum durchgeführten ideologischen Lesart zu erliegen.

2. Zur Person Kleisthenes

2.1 Kleisthenes’ Familie und sein Werdegang

Kleisthenes’ Familie wird in der Überlieferung nach einem Vorvater der männlichen Abstammungslinie namens Alkmaion, Alkmaioniden genannt.[1] Ihren fiktiven Stammbaum führten die Alkmeoniden auf den angeblichen Urenkel des sagenhaften Nestors zurück.[2] Kleisthenes’ Urgroßvater Megakles hatte als eponymer Archon im Jahr des gescheiterten Putschversuchs Kylons (um 630 v. Chr.) sich und seine Familie mit schwerer Blutschuld belastet, weil er zugelassen hatte, dass die Anhänger Kylons getötet wurden.[3] Eine Generation später wurde Megakles Sohn, Alkmaion und seine Angehörigen deswegen verbannt. Erst unter Solon wurde ihnen die Rückkehr gestattet. Der Vater von Kleisthenes, Megakles, zählte in den Jahren um 560 v. Chr. zu den prominenten Aristokraten Athens. Die Mutter des Kleisthenes, Agariste, war die Tochter des Tyrannen Kleisthenes von Sikyon.[4]

Seit dem 7. Jahrhundert kämpften die Alkmeoniden um die Vormacht in Athen. Sie standen mit den Tyrannen in einem Wechselspiel von Bündnis und Opposition. Ihre Position suchten sie durch weitläufige Beziehungen über Athen hinaus zu sichern und standen insbesondere mit Delphi in enger Verbindung. Als Peisistratos 546 v. Chr. endgültig an die Macht kam, verließen die Alkmeoniden zunächst Athen.[5]

Das erste, was die Überlieferung von Kleisthenes berichtet, ist, dass er 525/524 v. Chr. Archon in Athen war.[6] Michael Stahl mutmaßt in diesem Zusammenhang, dass Kleisthenes, da Archonten meist jüngere Männer waren, vielleicht zwischen 560 und 550 v. Chr. geboren sein könnte.[7] Seine Herkunft aus dem reichen Geschlecht der Alkmeoniden hat einerseits seinen Ehrgeiz begünstigt, ihm allerdings gleichzeitig einen Hang zum Außenseitertum beschert, der auf das unkontinuierliche Ansehen seiner Familie zurückzuführen ist.[8] Seine Stärke lag in seiner Wendigkeit, genauer gesagt in seinem Vermögen, sich verschiedener Register zu bedienen. Er war nicht nur Taktiker, sondern auch ein Stratege und zudem mit den neuesten intellektuellen Perspektiven vertraut.

Nach seinem Archontat in der Schlußphase der Tyrannis befand sich Kleisthenes erneut im Exil. Die Zeit im Exil nutzte Kleisthenes, um seine Popularität zu steigern. Durch seine großzügige Beteiligung am Bau des neuen Apollontempels, dem bedeutendsten griechischen Heiligtum, wurde Kleisthenes in ganz Griechenland bekannt. Dieser Zugewinn an Prestige und Einfluß zahlte sich aus. Es gelang Kleisthenes von Delphi aus, maßgebende Kreise Spartas für eine militärische Intervention gegen die Tyrannis zu gewinnen.[9] Bereits vor dem Eingreifen der Spartaner hatte er selbst vergeblich versucht, die Peisistratiden mit militärischer Gewalt zu vertreiben. Kleisthenes steht mit seinen Bemühungen, die jeweils gegen die vorherrschenden Machtinhabern gerichtet sind, in einer generationslangen Familientradition. Insofern entsteht ein Bild von ihm, welches einen typischen Aristokraten abzeichnet, dessen Ziel es scheint, nach dem Ende der Tyrannis eine politische Ordnung aufzubauen, die seinen persönlichen Machtinteressen entsprach.

2.2 Die politische Auseinandersetzung mit Isagoras

Nach der Vertreibung des Tyrannen begann eine heftige stasis zwischen Isagoras und Kleisthenes.[10] Die Auseinandersetzungen um das Archontat führten zu einer Polarisierung des Adels. Da Kleisthenes schon 525/524 v. Chr. das Archontat bekleidet hatte und in Folge dessen nicht mehr kandidieren konnte, setzte er sich für einen Adligen aus seiner Anhängerschaft ein.[11] Das eigentliche Instrument des Machtkampfes war in dieser Phase noch die Gefolgschaftsbildung innerhalb der Oberschicht auf Basis der hetairien[12]. Kleisthenes Ziel mißlang: Isagoras wurde für das Amtsjahr 508/507 v. Chr. zum Archon gewählt. Isagoras konnte sich zwar in der ersten Phase des Kampfes mit der Unterstützung seiner Anhängerschaft in der Wahlversammlung durchsetzen. Allerdings bildete die Mehrzahl der Versammlungsteilnehmer keine ständige Hausmacht von ihm, weshalb seine Machtbasis instabil war.[13] Diesen Umstand nutzte Kleisthenes, um die Auseinandersetzungen für sich zu entscheiden, indem er den Demos in seine Hetairie aufnahm.[14]

Die rasche Zuspitzung der Auseinandersetzung läßt darauf schließen, daß Kleisthenes bereits kurz nach der Archontenwahl Reformvorschläge vorbrachte und darin eine breite Zustimmung fand, weil er dem Demos stärkeren Anteil am politischen Geschehen versprach.[15] Isagoras reagierte, indem er erneut Kleomenes I von Sparta einschaltete. Durch dessen Einmischung erreichte er, daß Kleisthenes und der Kern seiner Gefolgschaft (ca. 700 Familien), Attika verlassen mußten.[16] Als Isagoras jedoch beabsichtigte den Rat der 400 aufzulösen und eine erneute Tyrannis in Form eines spartanischen Vasallenregimes drohte, lehnte sich das Volk auf und belagerte die Akropolis, wo sich Isagoras und Kleomenes I. befanden und zwangen sie zum Abzug. Daraufhin kam Kleisthenes zurück und realisierte sein Programm[17].[18]

Aus der Zeit nach der Reform hören wir nichts mehr von ihrem Urheber, außer dass er in der Krisensituation, nach der Reform, als Sparta, Chalkis und Boiotien in Attika einmarschierten, nach Persien ging und dort dem Großkönig Erde und Wasser überreichen wollte.[19] Jedenfalls hatten die Alkmeoniden um 490 v. Chr. ihren Einfluß, ja sogar ihr Ansehen verloren. Mittlerweile wurde mit dem Sturz der Tyrannis nicht mehr Kleisthenes in Verbindung gebracht, sondern Armodios und Aristogeiton. Noch vor 500 v. Chr. waren die Statuen der beiden Tyrannenmörder in öffentlichem Auftrag geschaffen worden.[20] Sogar Kleisthenes’ isonomia wurde nun in einem Trinklied (skolion) diesen beiden Männern zugesprochen.

„Tragen will ich das Schwert im Myrtenzweige

Wie Armodios und Aristogeiton

Als von ihrer Hand starb der Tyrann

Und sie den Bürgern Athens brachten ein gleiches Recht“[21] (isonomia)

[...]


[1] Vgl. Stahl, S. 24.

[2] Vgl. Welwei, S. 3.

[3] Vgl. Welwei, S. 3f.

[4] Herodot 6, 126-130.

[5] Vgl. Welwei, S. 4.

[6] Dies ist aufgrund einer fragmentarisch erhaltenen Archontenliste aus dem späten 5. Jhd zu vermuten. Vgl. Welwei S. 336.

[7] Vgl. Stahl, S. 25.

[8] Vgl. Meyer, S. 97.

[9] Vgl. Murray, S. 338.

[10] Vgl. Stahl, S. 23f.

[11] Vgl. Welwei, S. 169.

[12] Vereinigung von Hetairoi „Gefährten“. Der griechische Terminus Hetaireia, ist im Unterschied zur Bezeichnung Hetairoi, die schon in den homerischen Epen häufig verwendet wird, vor dem 5. Jh. nicht belegt. Die „klassischen“ Hetairien des 5. und 4. Jhs., die an sich „private“ Gruppen bildeten, wurden gegebenenfalls bei politischen Konflikten aktiviert. Sie waren unterschiedlich strukturiert und bestanden nicht nur aus Aristokraten. Vgl. Stein-Hölkeskamp, S.157.

[13] Vgl. Welwei, Die griechische Polis, S. 169ff.

[14] Herodot 5, 66,2.

[15] Vgl. Welwei, Die griechische Polis, S. 170.

[16] Vgl. Welwei, Die griechische Polis, S. 170.

[17] Der Kernpunkt der kleisthenischen Ordnung war die Einführung eines neuen Systems der Demen (Gemeinden), Trittyen („Drittel“) und Phylen. Begründung einer rein territorialen Ordnung. Eine Phyle setzte sich aus jeweils 3 „Dritteln“ zusammen, von denen jedes Drittel einer der großen Landschaftsbereiche war. Stadtbereich, Binnenland, und Küstenbereich waren zu einer Phyle zusammengesetzt. Vgl. Bleicken, S. 43ff.

[18] AP 20.

[19] Vgl. Murray, S. 345.

[20] Vgl. Murray, S. 345.

[21] Carmina Convivalia 893.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Kleisthenes - Motive und Vorbilder seiner Reform
Hochschule
Universität Münster  (Seminar für Alte Geschichte)
Veranstaltung
Die athenische Demokratie
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
17
Katalognummer
V88646
ISBN (eBook)
9783638030069
ISBN (Buch)
9783638927871
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kleisthenes, Motive, Vorbilder, Reform, Demokratie
Arbeit zitieren
Simone Bender (Autor:in), 2006, Kleisthenes - Motive und Vorbilder seiner Reform, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88646

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