In unserem Leben spielt die Tradition eine wichtige, aber dennoch eine fast selbstverständliche und alltägliche Rolle. Das Wort Tradition stammt von lat. traditio, was soviel wie Übergabe oder Überlieferung bedeutet. Es ist „die gesellschaftlich vermittelte, historisch überkommene oder auch bewusst gewählte Übernahme und Weitergabe von Wissen, Lebenserfahrungen, Sitten, Bräuchen, [und] Konventionen [...]“. Demnach ist die Tradition ein kulturelles Erbe, das von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. Da aber niemand alles Wesentliche von Beginn an selbst entwickeln und herausfinden kann, wird einem zwangsläufig das Wissen von Anderen übergeben.
Daraus ergibt sich zugleich die Möglichkeit, die mehr oder weniger aufgezwungene Tradition abzulehnen. Denn jede Tradition hat auch einmal als Neuheit begonnen. Der sich daraus ergebende Schlüsselbegriff „Revolte“ ist der zweite zentrale Punkt dieser Arbeit. Darunter versteht man unter anderem die Auflehnung von Personen gegen auferlegte Erwartungen und Normen.
Im Folgenden werde ich drei meiner Meinung nach passenden Kurzgeschichten auf diese gegensätzlichen, aber dennoch in Bezug zueinander stehenden Begriffe erläutern. Darüber hinaus steht auch die Vorgehensweise der Autoren der Scapigliatura im Mittelpunkt.
Die Kurzgeschichte „Figurina antica“ von Achille Giovanni Cagna handelt von einer Frau, die ihr ganzes Leben lang von ihrer Familie ausgenutzt wird und nach dem Tod ihrer Eltern einsam und zurückgezogen lebt. Die Protagonistin Irene – die „figurina antica“ – lebt ihr ganzes Leben so, wie es die Tradition ihr vorschreibt. Sie ist in ihrer Jugend eine hübsche und zarte junge Frau, die als Dienstmädchen ihrer Familie aufwächst. Sie ist diejenige, die sich um jeden und alles kümmern muss, jedoch wird ihr keine Beachtung geschenkt und keinerlei Respekt erwiesen. Sie pflegt ihre kranke Mutter und macht den ganzen Haushalt. Wenn irgend etwas schief geht, trägt immer Irene die Schuld daran; kein einziges Mal versucht sie sich zu wehren geschweige denn ihre aussichtslose Situation zu verbessern. Schon sehr früh in ihrer Jugend findet sich Irene mit der Situation eine passive Rolle in ihrer Familie zu spielen ab. Als einzige Revolte in ihrem Leben kann ihre Liebe zu Vittorio gesehen werden. Er ist ein gutaussehender junger Mann – „un bel giovinotto“ – der nicht weit entfernt von Irene wohnt. Blickkontakte und Briefe häufen sich, bis er schließlich um ihre Hand anhält.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Tradition und Revolte in Texten der Scapigliatura
- „Figurina antica“
- „Viaggio di nozze“
- „Nettunia“
- Schreibweise der Autoren und Bezug auf den Inhalt
- Cagna in „Figurina antica“
- Dossi in „Viaggio di nozze“
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Rolle der Tradition und Revolte in ausgewählten Texten der Scapigliatura. Sie befasst sich mit der Frage, wie die Autoren der Scapigliatura diese Konzepte in ihren Werken darstellen und wie sie sich mit den Erwartungen und Normen ihrer Zeit auseinandersetzen.
- Die Bedeutung von Tradition und Revolte in der Scapigliatura
- Die Darstellung von Frauenfiguren und ihre Rolle in der Gesellschaft
- Die Analyse von Schreibstil und literarischen Techniken
- Der Einfluss von gesellschaftlichen Normen auf die individuelle Entwicklung
- Die Ambivalenz von Tradition und Fortschritt
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung definiert die Begriffe Tradition und Revolte und setzt sie in einen historischen Kontext. Sie führt in die Thematik der Scapigliatura ein und benennt die drei ausgewählten Kurzgeschichten, die im Mittelpunkt der Arbeit stehen.
Tradition und Revolte in Texten der Scapigliatura
„Figurina antica“
In der Kurzgeschichte „Figurina antica“ von Achille Giovanni Cagna steht die Protagonistin Irene, eine Frau, die ihr ganzes Leben von ihrer Familie ausgenutzt wird, im Mittelpunkt. Die Geschichte zeigt, wie Irene durch die traditionelle Rollenverteilung in ihrer Familie gefangen ist und ihre eigene Selbstbestimmung verliert. Ihre einzige Möglichkeit, mit der Tradition zu brechen, ist die Liebe zu Vittorio, die ihr jedoch von ihrem Vater verwehrt wird.
„Viaggio di nozze“
„Viaggio di nozze“ von Carlo Dossi handelt von einem jungen Paar, das seine Hochzeitsreise nicht antritt. Claudia Di-Viano, die Protagonistin, zeigt sich in der Fremde ängstlich und verzichtet auf die Reise, die sie sich vor der Hochzeit so sehr gewünscht hatte. Dossi kritisiert damit die gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen und deren Anpassung an die traditionelle Rollenverteilung.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert sich auf die Themen Tradition, Revolte, Scapigliatura, literarische Analyse, Frauenrolle, gesellschaftliche Erwartungen, literarische Techniken, Schreibstil und historische Kontext.
- Quote paper
- Anastasia Deibert (Author), 2006, Die Macht der Tradition in ausgewählten Texten der Scapigliatura, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88701