Ist die multikulturelle Gesellschaft gescheitert?

Empirische Analyse: Mediale Berichterstattung – ATV versus Pro7


Research Paper (postgraduate), 2008

18 Pages, Grade: 1


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Die Aufnahmegesellschaft in der Krise – Forschungsfragen

Historischer Rückblick – Immigration Deutschland

Einfluss der Türkei auf den Migrationsschub nach Deutschland

Entstehung von „ethnischen Kolonien“
„Ethnische Kolonien“ im Heute

Integrationsmodelle und Integrationsbarrieren
Multikulturelle Bildungspolitik

Kritik und Anregungen des Autors

Immigration in den Niederlanden
1. Post-koloniale Immigration
2. Arbeitermigration
3. Politische Immigration

Drei Phasen der Regierungsmaßnahmen
Multikulturelle Niederlande und die Grenzen der Toleranz

Empirischer Teil

Methode

Tabellen und Interpretation

Resümee

Bibliographie

Tabellenverzeichnis

Die Aufnahmegesellschaft in der Krise Forschungsfragen:

Ist die multikulturelle Gesellschaft gescheitert?

Ist Integration wirklich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe?

Stefan Luft (2006) geht diesen Fragen von Zuwanderung und Integration in seinem Buch „Abschied von Multikulti. Wege aus der Integrationkrise“ auf den Grund. Im Folgenden sollen die wichtigsten Aussagen einen Überblick des Buchinhaltes schaffen.

Zunächst werden die Bevölkerungsentwicklung und insbesondere die Bevölkerungsstrukturen in Deutschland betrachtet und die Bevölkerungspolitik kritisiert. Aufgrund der Mehrstaatlichkeit und des Optionsrechtes lässt sich eine statistische Erhebung der Bevölkerungszusammensetzung aber gar nicht mehr durchführen. Was sich jedoch feststellen lässt, ist, dass die Überfremdungsängste immer weiter steigen. Durch die zu niedrige Geburtenrate der „Einheimischen“ ist die „Bestandserhaltung“ dieser Gruppe nämlich sehr gefährdet. In den städtischen Ballungszentren sind über 50 Prozent der Bevölkerung unterschiedlicher ausländischer Herkunft. Der Begriff „Mehrheitsgesellschaft“ hat in diesen Gebieten kaum mehr Gültigkeit.

Historischer Rückblick – Immigration Deutschland

IN den 60er und 70er Jahren forcierte Deutschland seine Anwerbungspolitik ausländischer Arbeitnehmer. Bis zum Anwerbungsstop im Jahre 1973 gab es noch keine eigenständige Ausländerpolitik. Der Staat handelte lediglich im wirtschaftlichen Interesse und man hat die sozialen und sozialpolitischen Folgen falsch eingeschätzt. Durch die Anwerbung von ausländischen Arbeitnehmern entwickelte sich das Phänomen der „Kettenwanderung“. Die sogenannten „Gastarbeiter“ brachten ihre Familienangehörigen mit nach Deutschland, was durch die meisten Unternehmen bzw. Herkunftsländer noch stark forciert wurde. Die Anwerbung löste also letztendlich einen dauerhaften Zuwanderungsprozess aus. Aus den ehemaligen „Gastarbeitern“ wurde im Laufe von Niederlassungsprozessen dann „Wohnbevölkerung“. Danach startete die Bundesregierung Versuche, die Zuwanderung zu steuern und zu begrenzen. Durch die Kettenmigration entstand eine Wanderungsdynamik, die sich rasch vom Bedarf des Ziellandes und den und den ursprünglichen politischen Intentionen löste. Die Bundesregierung verstrickte sich in ein Paradoxon, da sie sich nicht als Einwanderungsland bezeichnen wollte, die Aufenthaltsrechte der „Gastarbeiter“ sich aber immer mehr verfestigten, je länger diese sich in Deutschland aufhielten. Zuerst sahen alle Beteiligten die Anwerbung von un- und angelernten Arbeitskräften als einfachste Lösung an. So konnten die Entsendeländer ihren Arbeitsmarkt entlasten. In Folge hofften sie auf einen Modernisierungsschub bei Rückkehr der „Gastarbeiter“ und auf dringend benötigte Deviseneinnahmen.

Einfluss der Türkei auf den Migrationsschub nach Deutschland

Die Türkei übte starken Druck aus, um eine Anwerbeabkommen mit der Regierung Adenauer zu erreichen. Ein „Gastarbeiter-Modell“ funktioniere laut Luft aber nur, wenn die Angeworbenen auch tatsächlich wieder zurückkehren. Dazu müssen Anreize geschaffen werden. Diese Anreize würden sich ergeben, wenn sich das wirtschaftliche und soziale Gefälle zwischen Herkunftsland und Aufnahmeland im Laufe der Zeit verringere. Ist dies aber nicht der Fall, wird aus einer ursprünglich zeitlich befristeten, eine dauerhafte Zuwanderung. Dies verstärkte sich im Casus Türkei noch durch die politische Instabilität im Heimatland.

Entstehung von „ethnischen Kolonien“

Ab Beginn der 70er Jahre entstanden durch diese Niederlassungsprozesse der Gastarbeiter sogenannte „ethnische Kolonien“ in Deutschland. Dabei handelte es sich um Konzentrationen in innerstädtischen Sanierungsgebieten und Stadtvierteln, in denen bereits die sozial schwache einheimische Bevölkerung lebte. Diese räumlichen Trennungen in Ballungszentren sind aber keineswegs aufgrund von Segregationsbestrebungen der Gastarbeiter entstanden. Versuche der Politik, diesen Konzentrationen entgegen zu wirken, scheiterten kläglich. Die Widerstände gegen die Steuerungsversuche waren zu stark.

„Ethnische Kolonien“ im Heute

Die „ethnischen Kolonien“, die sich in den 70er Jahren gebildet hatten, haben sich über die Jahrzehnte verfestigt. Der Familiennachzug und die Heiratsmigration stärken eine Binnenintegration bzw. schwächen multikulturelle Tendenzen in diesen Gebieten. Dennoch besteht das Phänomen der „sozialen Entmischung“ in bestimmten Bezirken und daraus resultierende Migrationstendenzen von sozial bessergestellten Bevölkerungsschichten. Heute leben in den sozial schwierigen Stadtteilen vermehrt zugewanderte und kinderreiche Familien. In den Schulen und insbesondere in den Ballungsräumen, stellen die Schüler mit fremder Herkunftssprache die Mehrheit dar. In ihrem Alltag kommt die deutsche Sprache kaum vor, daher haben sie auch keine Motivation Deutsch zu erlernen. Aufgrund der demokratischen Entwicklungen liegen hier nach Luft die entscheidenden politischen Herausforderungen einer wirkungsvollen Integrationspolitik, da aus der prekären Bildungsmisere, Defizite in der Ausbildung und am Arbeitsmarkt entstehen. Das Verlangen von Integrationsleistungen, wie auch der Spracherwerb, in den 80er Jahren wurde als „Zwangsgermanisierung“ kritisiert. Durch die mangelnde gesellschaftliche Anerkennung werden einerseits islamistische Gruppen gestärkt, andererseits trägt dieser Mangel auch zu einer Erhöhung der Gewaltbereitschaft bei. Bei türkischstämmigen Bevölkerungsgruppen lässt sich laut Luft auch eine hohe Gewaltrate gegenüber Frauen feststellen.

Integrationsmodelle und Integrationsbarrieren

Die Integrationsentwicklung in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern lief nicht gemäß des amerikanischen Modells der zyklischen und vollständigen Integration ab. Es können leicht Eindrücke einer soziokulturellen Invasion und Sukzession entstehen, die Ressentiments auf beiden Seiten stärken. Nach einer gewissen Zeit entstehen lokale Institutionen, die auch nicht sprachlich an das jeweilige Land gebunden sind, wodurch eine gewisse soziale und kulturelle Autonomie zu der „Außenwelt“ realisiert werden kann. Für die in „ethnischen Kolonien“ Aufwachsenden stellt sich eine große Integrationsbarriere, die „Mobilitätsfalle“. Eine „Mobilität“ aus diesen „ethnischen Kolonien“ ist sehr unwahrscheinlich, den jungen Menschen gelingt es immer seltener, sich aus den Strukturen zu emanzipieren und in der Aufnahmegesellschaft aufzusteigen. Bei diesem Scheiterungsprozess entstehen auch „parallelgesellschaftliche Strukturen“.

Multikulturelle Bildungspolitik

Ab den 70er Jahren wurde der Versuch gestartet, die nationalen und kulturellen Identitäten von Zuwanderern und deren Kindern zu bewahren. Insbesondere Kinder, welche die Sprache ihrer Eltern beherrschten, sollten ihre „Identität“ bewahren. Dieser Versuch war zum Scheitern verurteilt, weil er schon allein aus strukturellen Gründen nicht umsetzbar war und in Folge auch die möglichen Integrationschancen am Arbeitsmarkt bzw. in anderes kulturelles Umfeld schmälert. Länder, die den Multikulturalismus zur Staatsdoktrin erhoben hatten, haben sich inzwischen mehrheitlich davon distanziert. Die Ideologie hat die Spannungen zwischen Zuwanderern und „Einheimischen“ eher noch vertieft. Die Ursache liegt aber nicht in der mangelhaften Umsetzung des Konzeptes sondern in seinen ursprünglichen Konstruktionsfehlern. Es wurde ausgeblendet, dass erhebliche Anpassungsleistungen als Voraussetzung erfolgreicher Integration nötig sind. Luft definiert Multikulturalismus als „Schöpfung akademischer Mittelschichten“. Die aufgrund sozialer Schwäche in den „ethnischen Kolonien“ lebenden „Einheimischen“ wurden mit der Integrationsaufgabe belastet. Tatsächlich kann man von einer aktuellen „Bildungskatastrophe“ sprechen. Das Phänomen der „Restschulen“ entstand aus der Ungleichverteilung ausländischer und inländischer Schüler und ziehen eine misslungene Berufsausbildung nach sich.

Kritik und Anregungen des Autors

Zuerst hält Luft fest, das „legitime Kritik“ aus dem Diskurs völlig ausgegrenzt wird. Der Staat sieht sich nicht mehr als Bezugsrahmen für die Integration diverser Gruppen und schiebt diese Verantwortung den „multikulturellen Sozialräumen“, also den Kommunen und Bezirken zu. Ohne eine „soziale Einbürgerung“ und in Folge soziale Anerkennung bringt eine Einbürgerung wenig. Die Akzeptanz von Rechtsnormen sollte für jeden Zuwanderer gelten und nicht als religiöse bzw. kulturelle Beschneidung verstanden werden. Multikulturalismus als Staatsdoktrin wurde zu unreflektiert behandelt, besonders seine desintegrierenden Auswirkungen auf die Bevölkerungsgruppen. Integration ist laut Luft nur durch ein gewisses Maß an kultureller Anpassung möglich.

Um der Integrationskrise zu entkommen, muss eine Stärkung des Bildungswesens in den betroffenen Regionen mit besonderem Fokus auf Ganztagsschulen, sowie eine Einbindung der Eltern erfolgen. Das bedeutet auch, dass vor allem in den vorschulischen Einrihtungen ausreichend Personal vorhanden sein muss. Bund, Länder und Kommunen benötigen dafür eine solide finanzielle Basis. Alle Möglichkeiten für ein verbessertes Erlernen der deutschen Sprach müssen genutzt werden. Sprachförderung sollte mit der Gelegenheit alltägliche deutsche Kontakte zu knüpfen, einhergehen. Die Zuwanderung muss gesteuert und begrenzt werden. So muss auch in den Schulen in den „ethnischen Kolonien“ der Anteil nicht deutschsprachiger Schüler begrenzt werden. Luft: „Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

Die Integrationskrise lässt sich nur durch offene politische Debatten abwenden und die Beseitigung von Missständen müsse im Vordergrund stehen. Eine Überarbeitung des Ausländerrechts ist dringend notwendig, bevor über zusätzliche Zuwanderung gesprochen wird. Auch der Betritt der Türkei zur Europäischen Union und die damit verbundenen Wanderungspotentiale müssen in Deutschland kritisch debattiert werden.

Zum Vergleich sollen im Anschluss die Einwanderungs- und Integrationsprozese der Niederlande näher beleuchtet werden. Zuerst folgt ein geschichtlicher Ablauf der Immigration, danach wird erläutert, warum man auch dort vom Schlittern ins „multikulturelle Drama“ spricht.

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Details

Title
Ist die multikulturelle Gesellschaft gescheitert?
Subtitle
Empirische Analyse: Mediale Berichterstattung – ATV versus Pro7
College
University of Vienna  (Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft)
Course
Forschungsseminar
Grade
1
Author
Year
2008
Pages
18
Catalog Number
V88791
ISBN (eBook)
9783640102075
ISBN (Book)
9783640113309
File size
529 KB
Language
German
Keywords
Gesellschaft, Forschungsseminar
Quote paper
Bakk. Andrea Ludwig (Author), 2008, Ist die multikulturelle Gesellschaft gescheitert?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88791

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