Unter den Augen der Madonna. Wie Polen sich vom Kommunismus befreite


Livre Spécialisé, 2020

189 Pages


Extrait

1 Spazieren im Lazienki

2 Der Runde Tisch

3 Nowa Wies

4 Der Mai

5 Andrzej Stelmachowski macht Wahlkampf

6 Die Wanze in Stolp

7 Das Volk spricht

8 Nie ma!

9 Mitterand kommt, Bush kommt, Kohl lässt auf sich warten

10 Ein polnisches Märchen

11 Wojciech Jaruzelski

12 Die „Tischler“

13 Die Regierung Mazowiecki

14 50 Jahre danach

15 DDR-Flüchtlinge

16 Wem gehört Auschwitz?

17 Eine deutsche Minderheit?

18 Kohls Zweideutigkeiten

19 Balcerowicz plant die Rosskur

20 Interpress

21 Die Metamorphose der PZPR

22 Die Oder-Neiße-Grenze

23 Gipfeltreffen Schneekoppe

24 Der Stern funkelt

25 Katyn

26 Die Sowjetarmee

27 Weizsäcker, der Diplomat

28 Erste freie Kommunalwahl

29 Solidarnosc splittert

30 Stiftung Kreisau

31 Deutschland, 2 + 4 + 1

32 Von Hexen und Teufeln

33 Geraubt, benutzt, verloren

34 Tee beim Primas

35 Graf Zamoyski und die Zlotys

36 Schwermetalle und Schwimmkörper

37 Wer will Präsident werden?

38 Der Schock

39 Die dritte Republik

40 Danzig an die Macht !

41 Andrzej Szczypiorski: zum Stand der Dinge

42 Wie katholisch sind wir?

43 Nachbarschaft, können wir das?

44 Der Untergang von Balcerowicz

45 65 Parteien wollen in den Sejm

46 Der Schwammberger-Prozess

47 Marek Edelman: nach der Shoah

48 Der sowjetische Abzug

49 Ein Spitzel namens Bolek

50 Das Lager Lamsdorf

51 Schindlers Liste

52 Krakowskie Przedmescie

Literatur-Hinweise


1 Spazieren im Lazienki

 

Zu den Vorzügen öffentlicher Parks gehört, dass sie keine Wanzen und Abhöranlagen haben. In Warschau im Februar 1989 kann das wichtig sein. Im Herzen der polnischen Hauptstadt in einer Mulde nicht weit von der Weichsel besitzt sie eine weitläufige stille Grünanlage. Neben einem Teich hat eine Adelsfamilie in der glücklichen Zeit des Königs Stanislaw Poniatowski ein kleines Barock-Schloss erbaut, ein Sommer- und Badeschloss, weil der Teich damals gutes, sauberes Badewasser hatte. Schlösschen und Park heißen deshalb Lazienki, „Bade“-Park. Wer etwas zu besprechen hat, was nicht belauscht werden soll, meidet Büros, Hotels und Wohnungen. Er sucht die Schönheit der öffentlichen Gärten.

 

Mein Vorgänger übergibt mir das ARD-Studio, hat mir das Land erklärt, mit mir die Risse im Sockel der kommunistischen Macht analysiert: Die normative Kraft der Religion hatte sich als stärker erwiesen als jede marxistische Theorie. Gemeinsam erinnern wir uns der Rolle des ersten polnischen Papstes, Johannes Paul des Zweiten, der bei seiner Polenreise im Juni 1979 die Solidarnosc-Bewegung so inspiriert hatte, dass das kommunistische Regime das Feuer dieser Revolution nicht mehr unter Kontrolle bringen konnte. Wir zeichnen Portraits der handelnden Personen von Jaruzelski bis Walesa auf den winterlichen Rasen. Ich verstehe jetzt, warum die Machthaber und die Solidarnosc-Gewerkschaft einen Historischen Kompromiss versuchen wollen. In wenigen Tagen werden die Verhandlungen am Runden Tisch beginnen, die Reformen bringen sollen, aber auch Risiken für beide Seiten enthalten. Der neue Freiraum soll genutzt werden, den die sowjetische Politik der Perestroika bringt. Das Land plant den Aufbruch. Diese Aussicht wirkt bei unserem Februar-Ausgang im Park fast schon wie ein Frühlingslüftchen.

 

Das Studio der ARD ist im Januar 1989- genau genommen – noch keine Dependance des Deutschen Fernsehens. Die Mitarbeiter werden nicht in Deutschland ausgewählt und von dort entsandt. Sie haben keine Verträge mit dem deutschen Sender, sondern mit der staatlichen polnischen Presse-Agentur Interpress, die eine Art Monopol im Lande für die „Betreuung“ und Begleitung westlicher Journalisten besitzt. Sie bezahlt unsere Kameraleute, Cutterin, Sekretärin nach den in Polen üblichen Sätzen. Ihrerseits rechnet sie monatlich mit dem WDR ab. Die Firma gehört der Partei und ist ihr schönster Devisenbringer. Für das Geld von Interpress würde aber niemand wirklich arbeiten, schon gar nicht den Anforderungen der ARD-Standards genügen, erläutert mir mein Vorgänger. So zahlt der Korrespondent den Mitarbeitern ein zweites, deutlich höheres Gehalt in Devisen. Das ist verboten. Es geschieht unter dem Tisch. Aber jeder weiß es, Interpress, die WDR-Verwaltung, das polnische Finanzamt, die Geheimpolizei, das Außenministerium. Sollten die Behörden den Korrespondenten ausweisen wollen, so brauchen sie nur einen der Mitarbeiter zu zwingen, seine Einkünfte offen zu legen. Sie hätten sofort einen plausiblen Grund. Dem WDR ist es verboten, ein eigenes Konto in Polen zu führen. Lediglich ein privates Gehaltskonto darf der Korrespondent haben. So bestimmt es die Vereinbarung zwischen der polnischen Regierung und der ARD. Sie wurde so nach dem Kriegsrecht nicht ausgehandelt, sondern von der polnischen Seite festgelegt.

 

Man brauche sich darüber keine Sorgen zu machen, meint mein Vorgänger. Sie sind gerade dabei, dich zu akkreditieren. Es macht keinen Sinn, dich gleich wieder rauszuschmeißen. Das klingt logisch. Ob denn unter solchen Umständen die Mitarbeiter loyal sein können, will ich wissen. Zumal der Korrespondent ebenso wie sein Publikum in Deutschland ganz eindeutige Sympathien für Solidarnosc hat. Man darf sie nicht überfordern, werde ich belehrt. Sie sind verpflichtet, regelmäßig über Vorgänge im Studio zu berichten, über die Absichten und Einschätzungen des Studioleiters. Der Kierovnik (Aufnahmeleiter) muss obendrein jeden Drehtermin im Voraus beantragen und besprechen.

 

Die Kontrolleure des Staates haben also das Studio wie den deutschen Journalisten fest im Griff. Im Ernstfall könnten sie auch jede Überspielung eines Beitrags vom Warschauer Fernsehen aus nach Köln oder Hamburg blockieren. Wir unterliegen nicht der Zensur. Der Sicherheits-Apparat kann aber jederzeit eingreifen.

 

Mit einem Mitarbeiter habe mein Vorgänger Probleme gehabt. Er habe Unruhe gestiftet. Deshalb habe er ihn rausschmeißen müssen. Seitdem aber liefe alles gut. Vor allem hätten die Mitarbeiter selbst das alte System satt. Gilt das auch für den Kameramann, der vor Jahren enttäuscht aus Köln zurückgekommen ist und sogar seinen deutschen Pass abgegeben hat, will ich wissen. Antwort: Ja! Die Mannschaft, für die ich die Verantwortung übernehmen darf, ist also Teil Polens, seiner Konflikte und Widersprüche. Diese bewegen auch das Studio. Wir erreichen das adelige Barock-Anwesen. Vögel schwimmen auf dem Teich. Schwarz-blaue Krähen – Zugvögel aus der Sowjetunion – schreiten stolz herum und picken Nahrhaftes aus dem polnischen Boden. Spaziergänger kommen uns frierend entgegen, auch solche, die nicht lediglich den Wanzen der Geheimpolizei ausweichen wollen.

 

In einer Ecke des Parks feiert eine dramatisch sturmverwehte Bronze den Komponisten Frederyk Chopin. Das Denkmal wurde 1946 wieder aufgestellt, nachdem es von einem deutschen Schrottplatz gerettet worden war. Ein Satz des Dichters Adam Mickiewicz schmückt die Skulptur:

 

„…das Feuer wird des Menschen Werk zernagen, es wird der feige Dieb die Schätze finden, das Lied wird bleiben…“

 

Jetzt nicht, aber im Sommer spielen jeden Sonntag Absolventen und Lehrer der Musik-Hochschule hier an einem Konzertflügel unter freiem Himmel Chopins Kompositionen.

 

Die Warschauer lieben ihn sehr, er hilft, die verletzte polnische Seele zu heilen, ein Vorzeigestück aus der oft unglücklichen Geschichte. Und: Die Kommunisten können ihn nicht vereinnahmen, denn zu seiner Zeit gehörten Warschau und Masowien zum russischen Imperium. Chopin haderte mit seinem Gott, weil dieser sein Land den Russen ausgeliefert hatte. In seinem Schmerz war er sich keineswegs sicher, ob nicht Polen doch verloren sei. Die im Sommer erklingenden Mazurkas und Polonaisen scheinen auch jetzt im Februar in den schwarzen Baumwipfeln zu hängen. Nur das Herz des Flüchtlings Chopin kehrte nach seinem Tod nach Warschau zurück. Es liegt in der nahen Heilig-Kreuz-Kirche.

 

Wie und wo tausche ich denn mein Geld, das ich selbst in Polen ausgeben will? „Der kommt auf dich zu“, sagt der Vorgänger. Ich verstehe das nicht ganz. In der Stadt habe ich Schwarzgeld-Wechsler in provisorischen Holzbuden gesehen, die Devisen tauschen zu unterschiedlichen Kursen, aber immer weitab vom offiziellen Wechselkurs.

 

Bei ihren Buden lässt man sich als westlicher Ausländer besser nicht von der Polizei antreffen. Einige Rechnungen müssen mit Geld bezahlt werden, das offiziell getauscht wurde, wird mir erklärt. Umtausch-Belege müssen vorgelegt werden für Miete, Strom, Flugtickets etc. Bei anderen Einkäufen wird das nicht verlangt, etwa auf dem Markt. Man muss das herausfinden.

 

Umtausch-Belege sind also soviel wert wie Bargeld.

 

Wer denn nun auf mich zukommen werde, will ich wissen. Mein Kollege schweigt.

 

Nächste Frage: Wo beschaffe ich mir zuverlässige Informationen und Einschätzungen? Antwort: Im Prinzip überhaupt nicht. Die Staats- und Parteiführung hat westliche Journalisten ins Land kommen lassen, um sie zu benutzen.

 

Die katholische Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny“ ist eine große Hilfe, aber nicht in unserem Sinne vollständig. Eine „saubere“ Quelle sei auch Janusz Reiter, sagt der Vorgänger. „Den werde ich dir vorstellen, wenn du willst. Er gehört zu den Solidarnosc-Leuten, ist gut informiert und ein analytischer Kopf. Auch Adam Krzeminski (Redakteur der Zeitung „Polityka“) sei ein kluger, ehrlicher Mann, wenn er denn Zeit hat.“ Das muss mir genügen.

 

Übrigens: Niemand kommt auf mich zu wegen Bargeld zu Schwarzmarkt-Kursen. Das System ist bereits in Auflösung. Da will sich vielleicht jemand nicht länger als nötig selbst kompromittieren. Das bedeutet: Ich muss mir allein helfen und selbst an die Wechselbuden.

2 Der Runde Tisch

 

Nur die feierliche Eröffnung am 6. Februar 89 sowie die Abschluss-Sitzung am 5. April finden tatsächlich am eigens gebauten, riesigen runden Tisch statt, der kaum in den Saal passt. Der gepflegte, edel ausgestattete Raum in dem schönen Gebäude des Ministerrats mit Marmortreppen, erlesenen Tapeten und feinen Teppichen dürfte manchen Elektriker von der Werft oder Bauern vom flachen Land sehr beeindrucken, wenn nicht erzürnen. Die 57 Teilnehmer suchen ihre durch Kärtchen gekennzeichneten Plätze auf. Nicht wenige der Solidarnosc-Männer hatten Monate oder Jahre in Lagern oder Gefängnissen der Regierung verbracht, während die Machthaber dieses gepflegte Ambiente genossen.

 

Im Detail verhandelt wird in Ausschüssen und an „Untertischen“, wobei bis zu 300 Experten hinzugezogen werden.

 

Die KP hatte nicht ohne Konflikte, Windungen und Verbiegungen bei ihrem 10. Plenum im Dezember und Januar die Voraussetzung für diese in der Verfassung nicht vorgesehene Konferenz geschaffen, die in den Ländern des kommunistischen Machtbereichs ohne Vorbild ist. Auch Premierminister Rakowski, der sich dem Reformflügel zurechnet, musste zu diesem Schritt mühsam gedrängt werden. Er hatte erst im Herbst angekündigt, die mit Verlusten arbeitende Danziger Leninwerft schrittweise stilllegen zu wollen, die Wiege von Solidarnosc, was diese nur als Kampfansage verstehen konnte.

 

Eine einstündige Fernseh-Diskussion von Walesa mit dem Chef der legalen, regierungsnahen Gewerkschaft OPZZ, Alfred Miodowicz, am 30. November 88 hatte die ganze Hilflosigkeit der Kommunisten erneut demonstriert.

 

Ganz Polen saß vor dem Fernseher um die beispiellose Sensation zu erleben. Walesa eröffnete das Gespräch mit den Worten: „Ich danke jenen, die sieben Jahre lang (seit Verkündung des Kriegsrechts) den Mut nicht verloren haben.“ Ohrfeige für die Kommunisten!

 

Miodowicz, sonst nicht auf den Mund gefallen, verkörperte die ganze Aussichtslosigkeit seines Systems. Er machte eine jämmerliche Figur, weil ihm wirklich nichts einfiel, was die Zuschauer nicht schon lange von den Funktionären kannten.

 

Die Partei kam allerdings nicht zu der Erkenntnis, dass ihre marxistisch-leninistische Ideologie die Ursache sein könnte für den drohenden Kollaps oder der staatliche Dirigismus oder die wirtschaftliche und finanzielle Bindung an die Sowjetunion.

 

Immerhin aber begreifen und akzeptieren die Kommunisten jetzt ganz plötzlich etwas Entscheidendes: Das polnische Volk ist in seiner Mehrheit katholisch und fühlt sich nicht oder nicht nur an die Ideologie der Arbeiterpartei gebunden. Die KP konstatiert einen ‚Pluralismus der Inspirationen’ und Weltanschauungen und nimmt ihn neuerdings ohne Widerspruch hin.

 

Das ist das Ende des ‚Realen Sozialismus’. Die Erkenntnis bricht sich Bahn, dass ohne die Unterstützung der Gewerkschaft Solidarnosc und der katholischen Kirche kein Ausweg aus der Krise mehr zu finden ist. Diese Einsicht hätte man längst früher haben können. Aber – wie Bert Brecht festgestellt hat – das Denken fällt dem Menschen so schwer, dass er es nur dann schafft, wenn ihm gar kein anderer Ausweg bleibt.

 

Der Einsicht in die eigene Schwäche auf KP-Seite entspricht aber auch die Erkenntnis der Solidarnosc, bisher weitgehend erfolglos geblieben zu sein. Niemand nimmt mit geschwollenem Kamm Platz am Runden Tisch, eine gute Voraussetzung für Erfolg.

 

Auf der Regierungsseite unter Leitung des Innenministers, General Cieslaw Kiszczak, sitzen auch Vertreter der kleineren Blockparteien, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ihren festen Anteil am Parlament, dem Sejm, an der Wirtschaft und an der Regierung haben.

 

Die Solidarnosc-Seite besteht aus den vom ‚Bürger-Komitee’ entsandten Fachleuten. Dieses Komitee ist nicht demokratisch legitimiert, sondern von Walesa berufen, bzw. in Absprache mit Walesa kooptiert. Das ist Anlass zur Kritik für den radikalen Flügel, der sich ‚kämpfende Solidarnosc’ nennt. Die Kritiker bezweifeln nicht die Kompetenz oder die moralische Integrität der Delegierten, sondern das Verfahren. Die Regierung hatte versucht, die Solidarnosc-Politiker Adam Michnik und Jacek Kuron auszuschließen, weil ihre Opposition „nicht konstruktiv“ sei. Das aber war für Walesa und die Seinen völlig unannehmbar. Die Kommunisten mussten sich fügen.

 

Außerdem sitzen zwei Beobachter der katholischen Kirche am Runden Tisch.

 

Walesa trägt wie immer das Bild der Madonna am Revers. Vorschläge und Wünsche zur Neuordnung kommen überwiegend von den kirchennahen Intellektuellen.

 

„Patriotismus und Verstand gebieten, nach dem zu suchen, was die Polen verbindet“, so heißt es in der gemeinsamen Erklärung, die nach dem Ende der Verhandlungen im April veröffentlicht wird. (Tageszeitung ‚Rzeczpospolita’ vom 7. April 1989) Der Historische Kompromiss bedeute, im Konsens der beiden politischen Blöcke schrittweise Rechtsstaat und Demokratie einzuführen. Unausgesprochen räumt die Erklärung so ein, dass bis jetzt beides fehlt. Politischer Pluralismus wird für die Zukunft garantiert, die Freiheit des Wortes gewährleistet, demokratische Wahlen werden als Ziel ins Auge gefasst und die Unabhängigkeit der Gerichte beschlossen. Unveräußerliches Recht der Bürger ist künftig, dass der Staat in vollem Umfang die Souveränität des Volkes verwirklicht.

 

Die polnische Verfassung ist damit obsolet, ohne dass dies ausdrücklich festgestellt wird. Sie hatte die führende Rolle der Partei und die Bindung an die Sowjetunion festgeschrieben.

 

Das Fehlen eines Grundgesetzes kann für beide Seiten in der Zukunft riskant werden. Es kann bedeuten, dass bei der kleinsten Störung des beabsichtigten Weges jede Richtschnur fehlt, dass beide Seiten plötzlich auf den guten Willen der jeweils anderen angewiesen sind.

 

Die Wortführer übernehmen ein ganz ungewöhnlich hohes Maß an Verantwortung.

 

Schon vor dem Ende der Beratungen sickern Informationen über den Fortgang nach draußen. Die kontrollierten polnischen Medien müssen darüber schweigen, westliche Medien nicht. So erfahren etwa Abgeordnete des Sejm aus westdeutschen Zeitungen und Fernseh-Nachrichten, was auf sie zukommt. Das macht Unmut. Als dann die ersten Gesetze und Verordnungen im Parlament beraten werden, kritisieren einige, dass der Sejm schon wieder oder immer noch absegnen soll, was anderenorts beschlossen wurde. Doch das bleibt ein kleineres Problem.

3 Nowa Wies

 

Am Ostufer der Weichsel, 20 Auto-Minuten oberhalb von Warschau, liegt das Dorf Nowa Wies. Zwischen der Landstraße nach Süden und einem flachen Grundwasser-See stehen hier einige bescheidene Landhäuser, die in den schlechten Jahren recht unansehnlich geworden sind. Da wohnt auch Herr Jozef K. mit Frau und Tochter, die alle energisch nach Höherem streben.

 

Jozef hat sich dazu das Grundstück nebenan gesichert. Er hat dort ein Holzhaus bauen lassen, größer und schöner als das bisherige. Holzhäuser gibt es in den polnischen Dörfern noch viele. Aber niemand will darin wohnen. Denn sie sind klein und eng und dunkel, es fehlt jeder Komfort.

 

Nicht so das Prachtstück von Jozef K.: Üppig bemessen, aus solidem masurischem Lärchenholz, nicht Bretter, sondern ganze Stämme aufeinander gefügt. Große Fenster lassen viel Licht nach innen. Sauberes Wasser liefert der eigene Tiefbrunnen. Große Holzvorräte versprechen gemütliche Winterabende an dem Innenkamin aus Naturstein. Und das weithin sichtbare, ja leuchtende Kupferdach, das sich sonst niemand leisten könnte, bezeugt für alle Nachbarn den Wohlstand von Jozef K. Außen herum lässt er ein Wäldchen wachsen. Ein hoher Holzzaun schirmt das Anwesen ab gegen Blicke und den Lärm der Straße. Josef K. ist stolz auf seinen Besitz. Der hat nur einen Fehler: Er widerspricht mehreren Bau-Bestimmungen, vor allem ist er für eine einzige Familie größer als das Gesetz erlaubt. Jozef darf seine Villa nicht bewohnen.

 

Aber ein geschickter Geschäftsmann ist ja nicht auf den Kopf gefallen. Mit seinen guten Kontakten lässt sich doch `was anfangen. Er kann das Haus ja vermieten, an einen solventen Ausländer etwa, einen, den er auch noch für die Geheim-Polizei überwacht. Kein schlechter Plan!

 

Der Polizei leuchtet der Vorschlag ein. Jozef spricht etwas Englisch und gut Deutsch. Das Haus wird verkabelt, reichlich mit Wanzen bestückt.

 

Der Vermieter im Nebenhaus kann beobachten, aufzeichnen und abhören und wenn er will, Abgehörtes melden.

 

Deutsche Mieter finden sich: der Vorgänger meines Vorgängers, dann mein Vorgänger, dann ich. Das Abhören kann uns kalt lassen. Abgehört wird überall. Man gewöhnt sich daran. Ein Mietvertrag wird geschrieben, eine angemessene Miete in Sloty vereinbart. Alles in zwei Sprachen aufgeschrieben, Seite für Seite paraphiert und gestempelt, am Ende unterschrieben in vier Exemplaren. Eins fürs Finanzamt, damit Josef seine Steuern korrekt abrechnen kann, das ist ihm wichtig. Daneben aber wird mündlich eine weitere monatliche Zahlung in Devisen verabredet. Sie ist etwa zehnmal so hoch wie ein polnisches Durchschnitts-Einkommen. Darüber habe ich zu schweigen, werde ich belehrt, was ich hiermit verspreche.

 

Zu den Kosten kommen geringe Ausgaben für zwei Haushaltshilfen hinzu, die wir zu übernehmen haben. Theresa fürs Grobe, d.h. sie putzt und versorgt vor allem Tag und Nacht die Zentralheizung mit Koks. Und Elsbietha fürs Feinere, Wäsche und Küche etwa. Theresa lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern im Souterrain des Nebenhauses, Elsbietha, die Geliebte des gleichen Mannes, lebt dort auch. Die Damen ergänzen sich vielfältig.

 

Hilfreiche Hände erwarten uns also, als wir an einem schönen Apriltag mit Möbelwagen und Packern in Nowa Wies ankommen. Jozef hat alles vorbereiten lassen: Getränke sind gekühlt, Wurst- und Schinkenbrote geschmiert, Obst ist aufgebaut, sogar ein Blumenstrauß schmückt die große Halle der Lärchenvilla. Das Ausladen besorgen die Packer, Einräumen aber geht nicht. Erst muss der Zollbeamte kommen, das wird wahrscheinlich morgen sein, dürfen wir hoffen. Was der Zöllner nicht begutachtet und abgestempelt hat, werden wir niemals wieder nach Deutschland mitnehmen können. Vor allem Gegenstände die älter sind als von 1945, Bücher etwa, Bilder, Antiquitäten lässt der Staat nicht ins Ausland, weil so wenig Wertvolles den Krieg überstanden hat. Wir haben also lange Listen vorbereitet in doppelter Ausfertigung.

 

Der Beamte erscheint am nächsten Vormittag: Ein etwa fünfzigjähriger in Zoll-Uniform. Wir haben einen Tisch mit einem bequemen Armstuhl in die Halle gestellt, damit er den großen Überblick hat. Sein Stempel ist das wichtigste Stück an diesem Tag, den lässt er sprechen; faszinierend so ein Stempel mit Tintenkissen!

 

Der Mann wirkt verschlossen, aber der Stempel liegt gut in seiner Hand. Zunächst macht er von dem runden Holz allerdings nur zögernd Gebrauch. Er prüft die Listen, fragt, vergleicht.

 

Von Antiquitäten müssen Polaroid-Fotos gemacht werden, sagt er, die dann auch zu stempeln sind.

 

Meine Mitarbeiter hatten mir eingeschärft: Der Zöllner erwarte einen Schein, einen westlichen. Bei der Übergabe dürfe es keine Zeugen geben. Ich vermute, es ist das beste, dies bald hinter uns zu bringen. In einem geeigneten Moment schiebe ich ihm 100,- Dollar zu. Er steckt sie ein, routiniert, ohne aufzublicken.

 

Der Zöllner lässt sich gern bewirten, nach dem Essen gibt’s einen doppelten Cognac, danach läuft alles noch besser, vor allem schneller. Einer meiner Mitarbeiter nimmt den Stempel in die Hand, geht durchs Haus und stempelt alle Möbel, Bilderrahmen, Listen, Fotos, was immer wir ihm hinhalten.

 

Auf einer Liste ist der Revolver meiner Frau verzeichnet. Schusswaffen in Polen einzuführen, ist strikt verboten. Aber niemand nimmt jetzt daran Anstoß.

 

Der Beamte in seinem Stuhl scheint jetzt etwas müde. Wir lassen ihm seine Ruhe. Am späten Nachmittag steht er auf und geht kommentarlos, einen Satz Listen und Papiere in der Tasche. Wir haben den Zoll hinter uns.

 

Durch die weit geöffnete Verandatür kommt mit breitem Lächeln nunmehr Jozef K. herein. Er begutachtet meine Familie, mustert dann die Einrichtung genau so ungeniert und freut sich, dass alles so gut in sein Haus passt. Seiner Frau und Tochter werden wir vorgestellt und für einen der nächsten Tage zum Abendessen eingeladen. Man weiß, was sich gehört. Höflichkeit ist eine sehr polnische Tugend. Wenn wir etwas brauchen, sollen wir es ihm sagen, z.B. könne er Fluss-Krebse beschaffen oder geräucherten Fisch. Er habe auch gute Drähte zu Behörden und vielleicht könnten wir uns ja mal bei der Botschaft der Bundesrepublik für seine Reise-Visa verwenden. Der alte lateinische Grundsatz „do ut des“ (ich gebe, damit du mir gibst) scheint in all dem Chaos draußen seine Gültigkeit nicht verloren zu haben. Chaos? Gibt’s da nicht eine klare Trennung zwischen dem realen Leben und der amtlichen Existenz, die durchaus erlernbar ist? Der Satyriker Stanislaw Lec bringt dieses Lebensgefühl auf einen einfachen Nenner: „Wenn ich ein zweites Mal geboren werde, lass ich mich gleich unter falschem Namen eintragen.“

 

Übrigens: Sechs Wochen später verschwindet die Pistole aus dem Schlafzimmer meiner Frau spurlos, um nie wieder aufzutauchen

4 Der Mai

 

Polen vibriert. Der Historische Kompromiss zwischen Kommunisten und Solidarnosc ist am Runden Tisch verabredet, die Teilung der Macht steht bevor, aber was das bringen wird, weiß man nicht. Einen Übergang? Ein Provisorium? Die Reparatur des schadhaften Apparates? Alle hoffen, fürchten, drängen, verteidigen, wünschen, wollen, wollen… Alles erscheint möglich. Alles ist im Fluss. Kein Mai war je wie dieser.

 

Der erste Tag im Mai soll so sein, wie es sich gehört und wie es immer war, das sagen die Kommunisten. Die Regierung der „Arbeiterklasse“ lässt Militär aufmarschieren, die Internationale erklingt, rote Fahnen wehen im kühlen Wind, die Funktionäre der legalen Gewerkschaft OPZZ applaudieren den Rednern auf ihrem Podest im Stadtzentrum, die sich und den Ihren Mut zu machen versuchen. Das ist durchaus nötig, denn weniger Menschen denn je sind zu ihrer Kundgebung gekommen.

 

Der erste Tag im Mai soll ganz anders sein, als er immer war, das verlangen die Demokraten. Solidarnosc hat einen Umzug durch die Altstadt organisiert. Weiße Fahnen mit dem roten Logo der Reform-Bewegung führen sie mit sich und die rot-weißen Polens. Manche rote Fahne gerät im Vorbeigehen in die Gosse. Freche Sprechchöre! Aber eine Konfrontation soll vermieden werden. Die Führung will keine Zwischenfälle mit Polizei oder der härteren Miliz, der Zomo, die gern und schnell draufschlägt. Das labile Gleichgewicht soll nicht gestört werden.

 

Es gibt eine dritte Gruppe, besonders in Danzig aber auch an anderen Orten und in der Hauptstadt: die „Kämpfende Solidarnosc“, die Radikalen haben sich abgespalten, fühlen sich von Lech Walesa und der kirchennahen Führungs-Gruppe nicht mehr vertreten, sogar verraten. Sie wollen keinen Historischen Kompromiss mit den Kommunisten.

 

Auch sie in quasi militärischer Formation, eine seltsame Mischung von würdigen Alten und schrillen Jungen im Punk-Stil mit „Irokesen“-Kopf. Ihr Trupp zieht durch die beste Straße in Warschau, die „Krakauer Vorstadt“, sie skandieren: „Jaruzelski – Smok Wawelski“. Der Wawel ist eine Art Akropolis in Krakau, auf der das mittelalterliche Königsschloss und die Kathedrale stehen. Unter dem Schloss in dem Berg soll einem alten Mythos zu Folge ein Drache hausen, ein Smok, der „Smok Wawelski“, der für alles Unglück Polens verantwortlich sei. Die Jungen freuen sich an ihrer Frechheit. Die Angst vor der angemaßten Autorität des Staatschefs und des Sicherheits-Apparates fällt sichtbar und hörbar von ihnen ab. Provokation muss auch Spaß machen. Vom Bürgersteig aus werden sie angefeuert.

 

In Danzig sind die Radikalen noch dreister. Studenten des Verbandes NZZ verhöhnen vor dem Rathaus Walesa und Jaruzelski als Brautpaar. Das kränkt sie beide, das Bild prägt sich ein.

 

Dann der Nationalfeiertag, zwei Tage nach dem Ersten Mai: In der Warschauer Kathedrale wird sogar der Priester radikal: „Die Kommunisten-Herrschaft der letzten vierzig Jahre hat Polen mehr geschadet als der Zweite Weltkrieg!“ Unerhört! Ich kann nicht glauben, was er da sagt. Hat er das wirklich gesagt? Der Kameramann bestätigt: Die Kommunisten haben in 40 Jahren Polen mehr geschadet als der Zweite Weltkrieg! Die Kirchengemeinde applaudiert, mehrmals, während der Predigt. Von seiner Kanzel aus geißelt Pfarrer Karlowicz die Diktatur, die nicht nur die Freiheit nimmt und die Verantwortung, sondern die - schlimmer noch - den Charakter verdirbt. Die Korruption, den Zwang zur Lüge, das bereitwillige Sich-Arrangieren mit der Doppel-Moral, die Beliebigkeit, die an Stelle der christlichen Werte getreten sei. Die Kirchenbesucher sind mitgerissen vom Feuer dieser Worte, von der moralischen Vernichtung der Machthaber. Das Pathos der Wahrheit wirkt berauschend. Die Madonna selbst scheint dem Pfarrer Recht zu geben.

 

Der Nationalfeiertag erinnert an die erste schriftliche Verfassung Polens, die vor genau 198 Jahren nach dem Ende einer Adels-Tyrannei unterschrieben wurde. Der Prediger vergleicht die Gewaltherrschaft von damals mit dem Ende der Kommunisten-Herrschaft heute: „Der Sejm wurde von der Gewalt der Stärkeren entmachtet, Willkür und Verrat traten an seine Stelle. So ging die Unabhängigkeit Polens verloren“.

 

Pfarrer Karlowicz liefert eine arg vereinfachte Darstellung der Geschichte. Was sonst? Er politisiert, - ein mutiger Mann. Das ist nicht ungefährlich. Niemand in der Kirche ist 200 Jahre alt, aber heute ist den Besuchern der Kathedrale in Warschau so, als wenn sie die Geburtsstunde der alten Verfassung selbst erlebt hätten. (Es bleibt in der Begeisterung unerwähnt, dass auch die Verfassung von 1791 nur den Adeligen Freiheit und Teilhabe an der Macht versprach und der Kirche Vorrechte sicherte.) Man blickt nach dieser Predigt gestärkt in die Zukunft. Auch das Vertrauen in den Klerus ist noch einmal gewachsen. Der 3. Mai 1989 – ein Aufbruch, der große Veränderungen verheißt! Ja, fast schon vorweg nimmt. Welch ein Nationaler Feiertag!

5 Andrzej Stelmachowski macht Wahlkampf

 

Sehr früh am Sonntagmorgen fährt der Zug von Warschau nach Bialystok im Nordosten kurz vor der sowjetischen Grenze. Die Landschaft Masowien ist flach, kaum gewellt, von kleinen Bächen durchflossen, die wiederum von Erlen gesäumt sind. Vom Zug aus sind lang gezogene Straßendörfer zu sehen: Bauerndörfer mit kleinen Ställen und Scheunen. Fast keine Zäune teilen Felder und Wiesen. Jetzt im Mai bedeckt frisches Grün das Land. In der Ferne, aber vom Zug aus zu sehen: ein Wachturm des Konzentrationslagers Treblinka, der als Mahnmal stehen bleiben soll.

 

Professor Stelmachowski ist Jurist an der Warschauer Universität. Die Hochschule hat eine Dependance in Bialystok, einmal die Woche fährt er also die drei Stunden hin und drei Stunden zurück, um seine Studenten in der Provinz zu betreuen. Die lange Fahrt erlaubt persönliche Gespräche. Der 64-jährige stammt aus Posen, das einmal zu Preußen gehörte. Er hat die kühle und gründliche Art, die seine Landsleute an den Menschen der ehemals preußischen Gebiete schätzen.

 

Sein Vater ist im Krieg verschollen und wahrscheinlich in den Wäldern von Katyn durch den sowjetischen NKWD erschossen worden, erzählt er mir. Offiziell ist das Katyn-Verbrechen Stalins noch immer ein Tabu. Im „Club der katholischen Intelligenz“, der Denkfabrik kommender Reformen, arbeitet der Jura-Professor an führender Stelle, ein Steuermann der Reform-Bewegung, einer, der mit am Runden Tisch saß.

 

Heute ist er in seiner schlichten grünen Cordjacke unterwegs, weil er im Bezirk Bialystok Wahlkampf macht. Die schmale Aktentasche hat er im Gepäcknetz über sich verstaut. Er kandidiert für den Senat, die 2. Parlamentskammer, die am Runden Tisch erfunden wurde, zusätzlich zum Sejm und als Gegengewicht. Da der Senat nur 100 Sitze haben wird, sind seine Wahl-Listen überschaubarer als die des Sejm.

 

Wie alle Solidarnosc-Kandidaten hat Stelmachowski fast keine Presse- oder Fernseh-Unterstützung. Im Gegenteil: das staatliche Programm bekämpft ihn und die Seinen wo immer möglich. Die Wahlkampfzeitung „Gazeta Wyborcza“, die Solidarnosc aus Spenden und durch unbezahlte Helfer auf die Beine stellt, kommt kaum bis hierher. Papier ist knapp, die Regierung begrenzt die Auflage. Obendrein unterliegt auch dieses Blatt der staatlichen Zensur. Auf dem Land ist Solidarnosc schwächer als an Industrie-Standorten oder in Hochschul-städten. Nur die Katholische Kirche ist eine zuverlässige Hilfe. Hier aber, entlang der sowjetischen Grenze, lebt eine Minderheit von orthodox-gläubigen Weißrussen, sie gelten als stramme Klientel der Kommunisten (was sich als Täuschung erweisen wird).

 

Ein weiteres Hindernis ist, dass alle Kandidaten auf allen Wahl-Plakaten nur als Person antreten dürfen, nicht als Mitglied einer Partei oder Organisation. Diese Regel hatten die Machthaber der Solidarnosc am Runden Tisch abgerungen, in der Hoffnung, so würden die Wähler nicht mehr unterscheiden können, wer zu Walesa gehört und wer nicht. Die Solidarnosc-Mannschaft war aber schlau genug, dieses Hindernis zu unterlaufen. Stelmachowski hat sich wie jeder Kandidat zusammen mit Walesa fotografieren lassen. Die Fotos werden im ganzen Land montiert.

 

In dem Wahlkampf-Büro in Bialystok, das er sich mit Solidarnosc-Kandidaten für den Sejm teilt, herrscht fröhliche Betriebsamkeit. Vor allem junge Leute wirbeln hoch motiviert durcheinander.

 

Vieles ist zu besprechen mit dem Kandidaten, jetzt wo er anwesend ist, weil das Telefon meist nicht funktioniert und immer abgehört wird. Auch hier kann niemand sicher sein, ob der Geheimdienst SB nicht mithört. Mindestens dreitausend Unterschriften zu seiner Unterstützung muss jeder Bewerber um ein Mandat vorlegen. Sie werden von den Behörden überprüft und gezählt. Die Liste Stelmachowski wurde 55 tausendmal unterschrieben. Auch muss jeder Kandidat seinen Wahlkampf selbst bezahlen. Eine „Materialschlacht“ wie im Westen kann es also nicht werden.

 

Der Gottesdienst am Sonntagvormittag beginnt in Bialystok immer spät, denn viele Gläubige haben weite Wege aus den Dörfern. Der Pfarrer macht nur wenige Bemerkungen zum Wahlkampf, lädt aber seine Gemeinde ein, im Anschluss draußen auf dem Kirchen-Grundstück, den „guten Katholiken“ Stelmachowski kennen zu lernen.

 

Dort erst unter freiem Himmel stellt er den Kandidaten vor: als gläubigen Christen, als Vertrauensmann von Lech Walesa, als Intellektuellen, der den Warschauer Kommunisten mehr als nur gewachsen ist und schließlich als Jura-Professor mit dem Spezialgebiet Landwirtschaft.

 

Dann hat Stelmachowski das Wort: Abgewogen, pragmatisch, ruhig spricht er, ohne Polemik gegen Partei und Regierung. „Viele Völker sind den Weg des Sozialismus gegangen, aber noch keins hat diesen Weg verlassen können. Wir wollen es probieren, das ist nicht einfach. Es kann nur klappen, wenn alle

 

ihre Sache in die eigenen Hände nehmen.“ Er verdammt niemanden und verspricht nichts. Ein Revolutionär ist er nicht. Die ihm zuhören sind Handwerker oder Bauern, einfache Leute in ihrem Sonntagsstaat. Haltung und Gesichter verraten, dass ihr Leben bisher anspruchslos, hart und enttäuschend war.

 

Stelmachowski hat sie richtig eingeschätzt, sie mögen seine ruhige, abwiegende Art. Einer fragt: Jetzt kommen Sie und behaupten, wir müssen die Welt vom Kopf auf die Beine stellen. Und wie soll das gehen, wo es weder Kopf noch Beine gibt? Ein Bauer will wissen: Sie waren doch am Runden Tisch dabei. Da müssen Sie doch wissen, was die Regierung mit den Subventionen für die Lebensmittel vorhat. Das ist kaum zu beantworten. Die Regierung kann jeden Tag ihre Ansicht ändern. Aber der Kandidat fordert die Erhaltung der Millionen kleinen Höfe zu erträglichen Bedingungen. Dazu gehören angemessene Preise, versichert er.

 

Er weiß auch, dass die jungen Bauern hier wegen der Arbeit, der Armut und des Schmutzes kaum Frauen finden. Die jungen Frauen ziehen lieber in die Städte. Niemand hier hat einen Traktor, eine Melkmaschine oder gar einen Mähdrescher. Alle Katastrophen des 20. Jahrhunderts tobten durch diesen Landstrich, aber die Vorzüge der Moderne bleiben aus – bis jetzt. „Die Industrie soll sich was einfallen lassen“, sagt der Kandidat Stelmachowski, damit die Landwirtschaft effektiver wird und lebenswert bleibt. Jede Kollektivierung der Höfe lehnt er ab, ebenso das Model der Großbetriebe, wie es sich in der Europäischen Gemeinschaft immer mehr durchsetzt. „Polen muss seinen eigenen Weg finden“. Das gefällt den Zuhörern. Endlich einer, der ihre Angst vor der Zukunft versteht und ernst nimmt. So haben die Partei-Kader bisher nicht geredet.

 

Schließlich stimmt der Pfarrer ein schlichtes Kirchenlied an, alle singen mit: „Wir wollen Gott überall in unserem Leben, zu Hause, in der Schule, bei der Arbeit, überall.“ Ausdruck des katholischen Lebensgefühls auf dem Lande. Ein Ton, den die Kommunisten nie treffen konnten, für den sie aber auch nichts Gleichwertiges anbieten konnten.

6 Die Wanze in Stolp

 

Am 4. Juni soll das Parlament gewählt werden, nicht etwa demokratisch. Der vereinbarte Wahl-Modus ist vielfach gebrochen, willkürlich manipuliert, und sehr angreifbar! Die regierenden Kommunisten wollen den Anschein einer demokratischen Wahl, sichern sich aber zugleich ab gegen das Votum des Volkes. Obendrein soll das Volk dieses Manöver nicht durchschauen.

 

Eine zweite Kammer wurde am Runden Tisch erfunden, der Senat. Er ist ein Zugeständnis an Solidarnosc, weil über diese 100 Sitze wirklich frei entschieden werden soll. Wie viel Einfluss die Senatoren nachher haben werden, wird man sehen, wenn es eine neue Verfassung gibt. Vom Abgeordnetenhaus aber, dem Sejm, steht nur ein Drittel zur freien Wahl: 161 von etwa 485 Sitzen.

 

65 Prozent hat die Kommunistische „Arbeiterpartei“ PZPR für sich und ihre Verbündeten reserviert. Den Wahlkampf braucht sie deshalb nicht als Herausforderung zu verstehen. Die Marxisten/Leninisten haben seit 40 Jahren keinen wirklichen Wahlkampf erlebt. (Seit Innenminister und Geheimdienste 1946 und 47 unter sowjetischem Kommando polnische Parlamentswahlen massiv gefälscht haben.) Die Parteikader haben keinerlei Erfahrung mit wirklichem Wahlkampf. Sie fühlen sich sicher in ihrer Festung. Ihre Mehrheitsposition könne gar nicht verloren gehen, glauben sie.

 

Die Partei ist aber schon lange kein einheitlicher Block mehr. Da gibt es die Hardliner, die sich am sowjetischen Kompass orientieren, geführt von Staatschef Wojciech Jaruzelski. Wir westlichen Journalisten nennen sie die „Betonfraktion“. Diese Gruppe kontrolliert mit Hilfe des SB, der Geheimpolizei, die ganze Gesellschaft, nicht nur Solidarnosc, sondern auch die Kirche, die Wirtschaft und selbstverständlich die Ausländer.

 

Auch den „Reformflügel“ überwacht der SB, Dossiers werden angelegt, um sie eines Tages zu nutzen.

 

Auf der anderen Seite die „Reformer“, gesteuert von Ministerpräsident Mieczyslaw Rakowski. Er gibt sich vor allem im Ausland als Liberaler und versucht erste Schritte der Privatisierung der Wirtschaft. Vielleicht ahnt er, dass die Sache mit der Wahl auch schief gehen könnte, vielleicht sieht er in den Wahlen eine Chance, seine eigene Stellung zu festigen. Jedenfalls plant er strategisch seine persönliche Zukunft. Es gelingt ihm, im Staatsrat für sich und seine Truppe aus dem nicht frei wählbaren 65 - Prozent -Kontingent der Kommunisten wiederum 35 Sitze für eine „Landesliste“ zu reservieren, „seine“ Liste. Sie soll den Spitzenpolitikern den Kampf mit örtlichen Kandidaten ersparen. Dass diese Liste gewählt wird, gilt ihm als sicher. Rakowski selbst führt sie an, zusammen mit weiteren 34 Bewerbern aus dem Reformlager, die er von Hand verlesen hat. Im Namen dieser Landesliste werben sie für „Reformen in der Kontinuität“ der PZPR und wollen sich der Solidarnosc-Flut entgegen werfen. Die Sache hat ihren Reiz, sie ist beinahe tollkühn. Die Wähler dürfen nämlich Namen von dieser Liste streichen, auch den von Rakowski. Die Block-Parteien, die bisher mit den Kommunisten verbündet waren, etwa die traditionsreiche Bauernpartei ZSL, haben sichere Plätze im 65-Prozent-Kontingent. Ihre Kandidaten darf der Wähler nicht streichen.

 

In der zensierten Presse, im staatlichen Radio und Fernsehen können die „Journalisten“ der Regierungsseite schalten und walten. Solidarnosc hat nach dem Runden Tisch 45 Minuten Sendezeit pro Woche, hat aber keine Fachleute und auch kein Geld, um wirksame Wahlspots zu machen.

 

Nur einmal bekommen sie ein freundliches Statement des früheren Sicherheitsberaters des Amerikanischen Präsidenten Carter, Zbigniew Brzezynski, der sich seiner polnischen Herkunft erinnert. Das bleibt aber eine Ausnahme. Für die Mehrheit der Polen hat das Medium Fernsehen jede Glaubwürdigkeit verloren, vor allem die politischen Sendungen. Dort machen sich Wortkünstler unter den Redakteuren bei der Partei beliebt, indem sie das Wahlprogramm von Solidarnosc zerpflücken. So können die Zuschauer eines Tages in den Abend-Nachrichten erfahren, dass die Opposition um Walesa den Haushalt des Innen-Ministeriums zu kürzen wünscht. „Mehr Geld für die Bedürftigen spottet der Sprecher, mehr für Schulen, für Krankenhäuser, für die öffentlichen Dienste“. Das sei ja ein einleuchtender Wunsch, aber dann werde wohl der Polizist künftig in der Unterhose vergeblich pfeifen, wenn ein Verbrecher festgenommen werden soll.

 

Bei Solidarnosc wundert man sich, dass Mitarbeiter des Staatsfernsehens ihr Wahlprogramm kennen. Dann aber findet sich eine Erklärung dafür, die man gern auf Flugblättern durchs Land flattern lässt. In dem Bezirks-Büro von Solidarnosc in Stolp, in einem eigentlich abhörsicheren Raum, wird eine Wanze entdeckt mit direkter Leitung nach Warschau. Das ist deshalb so erstaunlich, beinahe sensationell, weil andere Provinzler zum Postamt gehen und dort lange warten müssen auf das Privileg einer Leitung in die Hauptstadt. (Zehntausend Dörfer haben überhaupt kein Telefon.) Die Wanze mit Standleitung illustriert das Potential des Sicherheits-Apparates.

 

Walesa erzählt die Geschichte bei seinem einzigen Live-Auftritt im Fernsehen, ohne den ironischen Wert der Sache voll auszuspielen. Das Gelächter von Stolp verstärkt das Beben im Land. Aber spüren es die Machthaber überhaupt?

 

Dennoch sind es jetzt nicht die Rakowskis und Jaruzelskis, die der Solidarnosc-Führung Sorgen machen. Es sind die Radikalen in den eigenen Reihen, die sich von Walesa losgesagt haben: Die Kranführerin Anna Walentinovicz von der Lenin Werft etwa, die sich von Walesa um das Urheberrecht an Solidarnosc betrogen fühlt, nicht ganz zu Unrecht. Ebenso ihr Partner Andrzej Gwiazda, ehemals Vizepräsident von Solidarnosc. Beide misstrauen Walesa, halten ihn für einen Opportunisten. Niemand bezweifelt den Mut von Walesa und seine Fähigkeit, auch ohne rhetorische Begabung eine große Menschenmenge zu fesseln, indem er ausspricht, was alle empfinden. Sein Widerstandsgeist wird von niemandem übertroffen.

 

Aber er war von der Werft ausgeschlossen, als Anna Walentinovicz und Andrzej Gwiazda einen neuen Streik einleiteten - für ein warmes Essen täglich in der Kantine. Er kletterte von außen über die Mauer und nahm ihnen die Führung ab. Das können sie nicht vergessen.

 

Auch der Studenten-Verband NZZ, der gut an den Universitäten verankert ist, der national-konservative Verband KPN, der in Krakau und Danzig für Krawalle verantwortlich ist, die den sowjetischen Botschafter auf den Plan rufen, sie alle rufen zum Wahlboykott auf. Sie halten den Historischen Kompromiss vom Runden Tisch schlicht für Verrat. Es geht nicht nur um sachliche Meinungsverschiedenheiten. Zwischen Radikalen und Pragmatikern, die sich persönlich gut kennen, bricht manche Intrige auf. Unbezahlte Rechnungen aus der Vergangenheit werden präsentiert. Wenn diese Opponenten Erfolg haben, ist Solidarnosc gescheitert. Walesa und die Anführer vom Runden Tisch brauchen also auch eine hohe Wahlbeteiligung. Alles steht auf dem Spiel, aber es ist kein Spiel.

7 Das Volk spricht

 

Der 4. Juni 1989 soll also ein historisches Datum für Polen werden. Man geht in Hochstimmung zum Wahl-Lokal. Oder bleibt mit unguten Erwartungen zu Hause. An den Urnen bilden sich lange Schlangen. Denn das Hantieren mit sieben Wahllisten will erst einmal verstanden werden. Das gab’s noch nie. Der Wähler braucht Zeit. Demokratie ist schwieriger als man dachte. Auch Walesa in Danzig muss anstehen.

 

In jedem Wahl-Lokal ist mindestens ein Vertrauensmann von Solidarnosc, so wurde es am Runden Tisch ausgehandelt, damit beim Auszählen niemand übertreibt.

 

Auch das Zählen dauert lange. Nicht am Abend, auch nicht am nächsten Tag, ist Sicheres zu erfahren. Nur Einzel-Ergebnisse werden bekannt, Schätzungen verbreiten sich, die Spannung wächst, stille Euphorie entsteht, zugleich wird die Frage drängender: Warum werden die Ergebnisse nicht veröffentlicht? Was geht da vor?

 

Vier Tage müssen die Polen warten, dann ist es amtlich: Solidarnosc hat einen überwältigenden Sieg errungen: 92 der 100 Sitze im Senat, der zweiten Kammer, sind im ersten Wahlgang schon gewonnen. Andrzej Stelmachowski ist Senator, der Schriftsteller Andrzej Szczypiorski, der Regisseur Andrzej Wajda auch, der Jura-Professor Jaroslaw Kaczynski, der Ghetto-Held und Herz-Chirurg Marek Edelman, der katholische Denker Stanislaw Stomma, die intellektuelle Elite des Landes trifft sich im Senat.

 

Von 161 für Solidarnosc erreichbaren Sitzen im Sejm, schaffte sie 16o im ersten Anlauf. Der Triumph wirkt noch überwältigender, weil die Kommunisten gleichzeitig eine verheerende Niederlage wegstecken müssen. Im Prinzip waren ihnen ja 65 % der Sitze reserviert. Aber die Extratour von Rakowski, über die Landesliste eine Legitimation zu gewinnen, ist total gescheitert. Bis auf zwei Kandidaten sind alle durchgefallen, auch der Premierminister selbst. Die Wähler haben ihn von der Liste gestrichen, nicht wie eine lästige Fliege, sondern lustvoll. Rakowskis Reformflügel der kommunistischen Arbeiterpartei ist politisch vernichtet, die Partei insgesamt desavouiert.

 

Der Regierung, dem Staats-Apparat, der Nomenklatura ist die Basis weg gebrochen. Würde man das Stimmergebnis der Kommunisten demokratisch auszählen und gewichten, dann hätten sie nicht einmal ein Viertel der Mandate. Das labile Gleichgewicht zwischen Kommunisten und Solidarnosc, das am Runden Tisch bestand, ist empfindlich gestört. Und: Nur zwei von drei Wahlberechtigten sind an die Urnen gegangen. Jeder dritte Pole ist trotz der Zuspitzung der letzten Monate vom Verlauf und den Ergebnissen der bald zehnjährigen Solidarnosc-Revolte ermüdet und enttäuscht. Auch Walesa und die Seinen haben Grund zu fragen, was sie falsch gemacht haben.

 

Eine feste Basis für die Zukunft schafft diese Wahl nicht. Ein Leben wie auf Treibsand beginnt. Dennoch deutet der Verlierer Rakowski an, er sei bereit, als Regierungschef weiterzumachen, falls ihn jemand rufen sollte.

 

Beide Seiten sehen, dass eine Verfassung fehlt, die dem Land Halt geben kann, die einen Weg in die Zukunft weist. Nach diesem Urteil des polnischen Volkes bleiben nicht nur die Radikalen als Risiko, auch ein Überschwang der Siegesfreude könnte gefährliche Folgen haben. Wer weiß, ob nicht die Jaruzelski-Truppe über neue Gewalt-Anwendung nachdenkt?

 

Und was wird aus den frei gebliebenen Plätzen, die für die Landesliste reserviert waren? Der Verständigungs-Ausschuss tritt zusammen, ein Gremium, das am Runden Tisch für unvorhersehbare Situationen wie diese geschaffen wurde, eigentlich seine Fortsetzung. Eine Lösung wird gefunden, die im zweiten Wahlgang die frei gebliebenen Plätze besetzt und den Kommunisten das Gesicht zu wahren hilft. Walesa fordert die Wähler auf, im zweiten Wahlgang die Reform-Kommunisten zu unterstützen. Gwiazda und die Radikalen sehen ihre Kritik an Braut und Bräutigam (Walesa und Jaruzelski) bestätigt. Sie verspotten ihn dafür, nennen die Solidarnosc-Leute in Warschau von jetzt an verächtlich „die Tischler“, weil sie die Kompromiss-Linie des Runden Tisches fortsetzen.

 

Der zweite Wahlgang, zwei Wochen nach dem ersten, bestätigt dessen Ergebnisse. Nur ein Unterschied: Da die für Solidarnosc erreichbaren Plätze fast vollständig vergeben sind, bleiben ihre Anhänger zu Hause. In den Wahl-Lokalen herrscht gähnende Leere. Nur jeder vierte Wahlberechtigte wählt. Die Radikalen um Gwiazda triumphieren.

 

Ein einziger Kommunist gelangt im zweiten Wahlgang in den Senat: ein Unternehmer, der aus Tierhäuten Kosmetik-Artikel herstellt, einer der ersten, die erfolgreich die Privatisierungschance nutzen. Sein Trick: er lässt im Wahlkampf in seinem ländlichen Bezirk bei einer Tombola einen Traktor verlosen, den schließlich ein Bauer gewinnt. So einfach ist das.

 

Die Polen erwarten jetzt Rücktritte. Aber Tage vergehen ohne Ereignisse. Radikale, nicht nur Jugendliche und Studenten gehen auf die Straßen und verlangen: „Jaruzelski muss weg“. Seit Jaruzelski im Dezember 1981 das Kriegsrecht ausgerufen hatte, ist er das Sinnbild für Gewalt und Unterdrückung, für alles Sowjetische im Land. Am Runden Tisch hatte man sich diese Pleite der KP nicht vorgestellt, auch die Leute um Walesa sind überrascht.

 

Die Schreck-Sekunde dauert zwölf Tage, bis das Zentralkomitee der polnischen Kommunisten den

 

Rücktritt von Rakowski als Regierungschef und den Rücktritt von Jaruzelski als Staatschef (Vorsitzender des Staatsrates) beschließt. Die Machthaber haben auf Moskau gehört, das polnische Volk unterschätzt, Solidarnosc nicht ernst genommen. Hochmütig waren sie. Nur langsam erkennen die ersten: dieser Erdrutsch ist die Quittung für 40 Jahre Gewaltherrschaft und Misswirtschaft.

 

Die Rücktritte sollen nicht bedeuten, dass die Partei auf ihre Machtansprüche verzichtet, keineswegs! Sie hat das Vertrauen des Volkes verloren, nicht aber die Nomenklatura, d.h. die Herrschaft über Armee, Polizei, Miliz, den Sicherheitsdienst SB, über die Medien, die Industrie, die Justiz, über die Behörden und über die Banken, über das Versorgungssystem. Der Apparat bleibt in der Hand der KP. Und damit wird sich doch `was machen lassen?

8 Nie ma!

 

Die polnische Küche ist etwa so, wie vor 100 Jahren auch in Norddeutschland gekocht wurde: fett, nahrhaft, reichlich und auf der Basis heimischer Produkte. Da in Polen kein Bauer Geld für Kunstdünger hat, wachsen Tiere und Pflanzen langsamer, sind aber schmackhafter als in Westeuropa.

 

Im ARD-Studio kocht Suza, wir essen täglich gemeinsam um einen großen Tisch sitzend. Es fehlt uns an nichts, obwohl das Land Not leidet. Der Korrespondent gehört nämlich wie Diplomaten zu den Privilegierten, die mit einem Sonder-ausweis in speziellen Geschäften einkaufen dürfen. Vor allem gibt es hier Fleisch, Wurst und Schinken, die für die meisten Leute unerreichbar oder unerschwinglich sind. Der Tisch im Studio, zu Hause und auch bei dem Haus-Personal ist also gut gedeckt. Fast schämt man sich.

 

Alles, was aus dem Westen importiert wird, ist für die meisten unerschwinglich, für uns nicht. Polnische Agrarprodukte kosten dagegen in den staatlichen Läden nur Pfennig-Beträge, falls sie vorhanden sind. Die Landwirtschaft ist privat, außer in den meisten der ehemals deutschen Gebiete. Aber der Staat subventioniert, kontrolliert den Handel und bestimmt über Verteilung und Preise. Angebot und Nachfrage zählen nicht, zumindest nicht unmittelbar. Die Kunden einer Warschauer Metzgerei z. B. wissen, dass nachmittags gegen vier Uhr die Fleischlieferung kommt. Eine lange Warteschlange bildet sich täglich draußen. Die Liefermenge ist nicht vorhersehbar, aber in jedem Fall zu klein. Die Qualität lässt in den allgemein zugänglichen staatlichen Läden meist zu wünschen übrig. Nach einer Viertel Stunde schon ist das Fleisch ausverkauft, wenig später Wurst, Schinken und Speck. „Nie ma“, sagt die Verkäuferin, „Haben wir nicht“. Die meisten Kunden gehen trotz langer Wartezeit leer aus. Sie schimpfen. Ihr Geld, für das sie hart arbeiten müssen, ist nichts wert. Auf den Privatmärkten, die in Polen Tradition haben, sind Agrarprodukte mindestens dreimal so teuer.

 

Eine polnische Hausfrau hat immer ein Einkaufsnetz bei sich, sogar in der elegantesten Handtasche, für den Fall, dass es doch `mal etwas gibt, irgendetwas, was man eines Tages gebrauchen könnte. Polen war früher mal ein Agrar-Exportland. Aber nach 40 Jahren Planwirtschaft können die polnischen Bauern nicht einmal mehr die eigene Bevölkerung ernähren.

 

Diese Mangel - Situation der quälenden Warteschlangen besteht seit Jahrzehnten und hat viel böses Blut gemacht. Nichts beweist die Ohnmacht der Regierung und das Versagen des Systems deutlicher. Die verzweifelte wirtschaftliche Lage war es, die die „Betonfraktion“ im Herbst 88 gezwungen hat, einen Kompromiss mit Solidarnosc zu suchen. Der Staatsbankrott stand vor der Tür. Da war keinerlei Einsicht in ideologische Fehler.

 

Vor der Wahl hat Walesa zur Geduld gemahnt: erst die politischen Forderungen, dann die wirtschaftlichen! Dabei hat er sich viel Kritik zugezogen, etwa von den streikenden Arbeitern im schlesischen Kupfer-Bergbau. Umso größer sind jetzt nach der Wahl die Erwartungen.

 

Die Regierung kündigt daher an, die festgelegten Lebensmittelpreise schritt-weise freizugeben, zum ersten August zunächst die Fleischpreise. Das löst schon Wochen vorher Preissprünge aus und macht die Ware noch knapper. Die Bauern werden beschuldigt, Lebensmittel zurückzuhalten, bis sie besser dafür bezahlt werden. Das kann aber nur ein Teil der Wahrheit sein. Auch Zigaretten steigen um 40 Prozent im Preis, Alkohol um 60 Prozent, Benzin um 40 Prozent. Wiederholt sind in Warschau tagelang die Tankstellen geschlossen, weil Benzin fehlt. Autofahrer parken kurzerhand vor der Tankstellen-Einfahrt und in langen Reihen die Straße entlang.

 

Mein Vorgänger als ARD-Korrespondent hat einen „Kierovnik“ (Aufnahmeleiter) angestellt, der keine andere Begabung hat, als Benzin zu beschaffen, wenn die Tankstellen geschlossen sind. Wie er das macht, will er mir nicht verraten. Vielleicht will ich es auch nicht so genau wissen. Aber seine Funktion ist lebenswichtig für uns.

 

Dem Staat fehlen die Devisen. Er ist im Ausland mit 39 Milliarden Dollar verschuldet, (pro Einwohner 1000,- Dollar, mehr als ein durchschnittliches Jahreseinkommen!) fast die Hälfte davon in der Bundesrepublik. Polnische Kohle wird teuer gefördert und billig im Ausland verkauft, damit überhaupt Devisen ins Land kommen. Andere Produkte wie Schiffe oder Waffen lassen sich nur im Osten verkaufen, werden damit praktisch nur gegen Energie-Lieferungen aus der Sowjetunion verrechnet. Neue Kredite sind dringend nötig, um etwa durch Joint Ventures (ost-westliche Gemeinschafts-Unternehmen) die veraltete Industrie zu modernisieren. Aber im Westen wie im Osten will keine Bank, keine Regierung auf die Zukunft des maroden Warschauer Regimes setzen. Neue Kredite? Nie ma! Daher die Teuerung, daher ein rapider Verfall der polnischen Währung. Die Inflation erreicht im Sommer 89 neue Höhepunkte: Innerhalb von sechs Wochen verliert der Zloty gegenüber der D-Mark ein Viertel seines Wertes.

 

Die Opposition verlangt, dass die Regierung die Löhne im gleichen Maß anhebt wie die Preise steigen. Walesa erinnert daran, dass dies am Runden Tisch so vereinbart wurde. Beide Seiten sind sich einig, dass nur die schrittweise Einführung der Marktwirtschaft helfen kann. Streiks in Bromberg führen dazu, dass die Löhne kurzfristig verdoppelt werden. Aber Lohnerhöhungen, die jetzt erkämpft werden, können das Problem nicht lösen. Sie befördern nur die Inflation. Die Ware bleibt so knapp wie vorher. Die polnische Küche bleibt vorerst, was sie seit Jahren ist: die Küche armer Leute.

9 Mitterand kommt, Bush kommt, Kohl lässt auf sich warten

 

Die Umwälzungen in Polen werden im östlichen aber genauso im westlichen Ausland aufmerksam registriert. Die östlichen Hauptstädte schweigen hörbar, und zwar in unterschiedlicher Tonlage (in Moskau und Budapest freundlich, in Ostberlin, Prag, Bukarest und Sofia voll böser Erwartung). Die Westmächte dagegen verstärken ihre diplomatischen Aktivitäten in Richtung Warschau ruckartig.

 

Mitten in der Millionenstadt zwischen wieder aufgebauten Ruinen und modernen Gebäuden liegt der Siegesplatz, der Ort des großen militärischen Zeremoniells. Vor dem Krieg hieß er Pilsudski-Platz, den Deutschen fiel nichts Besseres ein, als ihn Adolf-Hitler-Platz zu nennen, so als handele es sich um das Zentrum einer deutschen Provinzstadt. Um den Platz herum bildeten sie einen deutschen Bezirk, der nur von Deutschen betreten werden durfte, also nicht von Polen, schon gar nicht von Juden.

 

Von dem zerstörten Brühl’schen Schloss aus der Zeit der Sachsen-Könige zwischen dem Sächsischen Garten und dem Parade-Platz ist nur eine Doppelreihe Kolonnaden erhalten und so restauriert, dass man sie als Reste des zerbombten Prachtbaus erkennt. Schon vor dem Krieg war es unter den Säulen in den Boden eingelassen: das Grabmal des Unbekannten Soldaten. Aber Tafeln und Inschriften haben die Kommunisten 1945 gründlich umfrisiert. Alte Worte wurden herausgerissen, die Geschichte in Kurzform neu geschrieben, ein drastischer Akt stalinistischer Kulturklitterung. Das einschneidendste Ereignis, das die polnische Hauptstadt in diesem Jahrhundert erlebte, der Warschauer Aufstand 1944, fehlt völlig. Stalin hatte ihn als Abenteuer bezeichnet. Er galt bis jetzt als illegal, so wie die Untergrundarmee als Banditen-Truppe verunglimpft wurde und die Exil-Regierung in London als Gruppe bourgeoiser Reaktionäre.

 

Die gewaltsame Umdeutung der Geschichte mindert den Wert der Tafeln, die daran erinnern, dass die Deutschen hier nur Trümmer und Leichen zurückgelassen haben. Die Opfer haben diese Minderung nicht verdient.

 

Am 14. Juni 89 erklingt zum ersten Mal seit Jahrzehnten die Marseillaise auf diesem Forum, elektrisierendes Revolutionslied und mitreißende National-Hymne der Franzosen. Die es hören, wissen: Ein Bann ist gebrochen, die Isolation Polens aufgehoben. Der französische Präsident Francois Mitterand kommt noch vor dem zweiten Wahlgang. Der Mann hat ein feines Gespür für das Gleichgewicht in Europa. Bei der sich anbahnenden Neuordnung des Kontinents will er sein Wort mitreden. Seit vor neun Jahren Jaruzelski das Kriegsrecht verhängte, waren die Beziehungen zwischen beiden Ländern eingefroren. In dieser Zeit rutschte Frankreich vom zweiten Platz als Polens Handelspartner im Westen auf den sechsten Platz. Doch nun soll es wieder aufwärts gehen, das versichern sich Jaruzelski und Mitterand gegenseitig. Geld hat Mitterand nicht mitgebracht. Er verspricht aber, sich im „Pariser Club“ (der Gläubiger-Länder) für eine Erleichterung der polnischen Schulden-probleme stark zu machen.

 

Vor seinem Abflug fragt ihn ein polnischer Fernseh-Reporter nach der „Qualität“ seiner Gesprächspartner in Warschau. Ein amüsiertes Lächeln im Gesicht antwortet der Franzose, es sei nicht üblich, wenn man eingeladen war, anschließend zu sagen, „das Fleisch war gut, aber der Fisch mäßig.“ Dann aber lobt er Jaruzelski und die Seinen als „Patrioten“.

 

Es wäre auch sparsamer möglich gewesen. War der Reporter vom staatlichen Fernsehen TVP vorgeschickt, um Freundlichkeiten über Jaruzelski einzusammeln?

 

Staatsbesuche wie dieser haben nichts mit der Routine von Politiker-Reisen zu tun. Die Polen sehen, wie viel Anerkennung sie nach den Bitterkeiten der vergangenen Jahre bekommen, welchen Zuwachs an Ansehen die hart erkämpfte Freiheit bedeutet. Das macht Mut.

 

Das gilt noch mehr für den Besuch von Georges Bush drei Wochen später. Die USA haben seit dem zweiten Weltkrieg Frankreich und Großbritannien als Ort polnischer Sehnsucht abgelöst. Die Weltmacht und ihr wirtschaftliches Potential werden eher überschätzt, entsprechend hoch ist der Erwartungs-Horizont. Die meisten Polen verstehen nicht, unter welchen Zwängen auch ein US-Präsident steht. Sie haben keine Ahnung von Markt-Mechanismen, Kredit- und Zinsgeschäften. Wie auch? Sie glauben, ein Präsident kann einen Kredit einfach anordnen. Jaruzelski hat erst vor wenigen Tagen in einem Brief an Bush um Hilfe bei den polnischen Schulden gebeten, um neue Kredite und um günstige Nahrungsmittel-Lieferungen. So muss der Auftritt von Bush im polnischen Parlament eine Enttäuschung werden. Die polnischen Politiker, von Jaruzelski bis Walesa, erhoffen unisono Kredite in Höhe von zehn Milliarden US-Dollar.

 

Bush verspricht 115 Millionen, das ist etwa ein Prozent des Gewünschten. Er verspricht aber auch, beim Weltwirtschaftsgipfel in Paris für eine Umschuldung und Entlastung Polens zu kämpfen.

 

Gänzlich kostenlos aber wieder mal schöne Worte. Dem „Noch“-Staatspräsidenten, dem Kriegsrechts-Diktator Jaruzelski bescheinigt Bush mehrfach und mit Nachdruck: „Herr Vorsitzender, Sie haben Weisheit und Mut gezeigt, als Sie den Weg des Runden Tisches wählten. Die Welt ist begeistert von dem, was hier geschieht.“ Mancher Solidarnosc-Anhänger reibt sich verwundert die Augen. Bush kann den Polen kaum Geld und Kredit anbieten, aber er verdient sich bleibende Erinnerung durch ein anderes Geschenk: Eine Welle nationaler Heiterkeit. Das Fernsehen zeigt, wie der stocksteife Generalissimo und sein Premierminister im Garten des US-Botschafters zum Lunch die Jacketts ablegen und in Hemdsärmeln versuchen, amerikanisch-locker mit dem Glas in der Hand über den Rasen schlendernd Konversation zu machen. Unerhört in einem Land, das eine umständliche Förmlichkeit zu seinen besten Traditionen zählt. So nackt sah man die Machthaber noch nie. Das Fernsehen kann gnadenlos sein.

 

Es kommt noch mehr: Der Höhepunkt der Bush-Reise ist in den Augen der mitreisenden amerikanischen Fernseh-Journalisten der Besuch am nächsten Tag beim Nationalhelden Lech Walesa. Der Elektriker auf der Leninwerft (der er immer noch ist) und seine Frau Danuta haben Georges Bush zum Mittagessen bei sich zu Hause eingeladen. Bush lernt ihre Arbeiterwohnung im Danziger Stadtteil Oliwa kennen. Alle tragen es mit Fassung. Da gibt’s nichts zu kritisieren oder gar zu lachen. Aber: der lange Georges Bush in der kleinen, dunklen, niedrigen Wohnung, ohne Geld und Geschmack eingerichtet, (was man den Walesas nicht vorwerfen darf) – hm, sehr ungewöhnlich, die Fernseh-Zuschauer in den USA werden darüber reden. Wie zum Ausgleich sind Freude und Herzlichkeit in Danzig größer als in Warschau, auch unter den Zehntausenden Zaungästen.

 

Walesa übergibt ein Memorandum, in dem er um 10 Milliarden Dollar Kredit bittet. Bush nimmt es an sich, steckt das Papier in die Tasche und will sich in Paris dafür stark machen. Dabei bleibt es.

 

Am Tor zur Leninwerft im Danziger Hafen jubeln Zwanzigtausend. Bush würdigt den Kampf von Solidarnosc um Demokratie und Freiheit. Lech Walesa nennt er einen großen Führer.

 

„Die schweren Zeiten sind noch nicht zu Ende“, ruft er den Danzigern zu, „aber Amerika steht an eurer Seite. Kein Volk ist besser geeignet als das polnische, die Teilung Europas zu überwinden“.

 

Große Wünsche haben die Polen auch an die deutsche Bundesrepublik. Doch die Regierung in Bonn ist vorsichtig. Ein Staatssekretär kommt, verhandelt über die Lieferung von Nahrungsmittel-Überschüssen aus den Lagern der Europäischen Gemeinschaft und über Kredite. Erste Lebensmittel kommen im August. Der Bundeskanzler ist eingeladen, wartet aber ab. Der Vertreter des Landes, das Warschau und Polen vor zwei Generationen vergewaltigt und verwüstet hat, das wesentlich dazu beitrug, Polen der sowjetischen Diktatur auszuliefern, er lässt sich Zeit. Im Gegensatz zu Mitterand und Bush hat Bundeskanzler Kohl in diesem Land Schuld abzutragen, darin sind sich die polnischen Journalisten einig. Wie lange will er seiner Verpflichtung, beim Wiederaufbau zu helfen, noch aus dem Wege gehen?

10 Ein polnisches Märchen

 

Noch vor ihrem Präsidenten kommt die Amerikanerin Barbara Johnson nach Polen. In Polen geboren mit dem Namen Piasecka, war sie in die USA ausgewandert. Dort hatte sie als junges Mädchen im Haushalt des Multi-Millionärs Johnson eine Anstellung gefunden. Sie gefiel dem Millionär so gut, einem der reichsten Männer der USA, dass er sie heiratete und zur Miteigentümerin seines Misch-Konzerns machte. Als er starb, erbte sie einen großen Teil seines Vermögens.

 

Es stellt sich hier keineswegs die Frage, wie viele Polinnen von soviel Glück träumen. Die es nicht tun, sind eine kleine Minderheit.

 

Barbara aber sehnt sich in Amerika nach ihrer Heimat. Zwanzig Jahre nach ihrer Auswanderung überquert sie zum ersten Mal den Atlantik in umgekehrter Richtung. Sie reist durch Polen, um ihre Kindheit wieder zu finden. Sie hat sich überlegt, eine Sammlung sakraler Kunst aufzubauen und in die USA mitzunehmen. Polnische Holzschnitz-Arbeiten sind berühmt. Damit sie nicht auf Betrüger hereinfällt, lässt sich die fromme Frau von katholischen Priestern beraten. Sie reist über Krakau einige Wochen durch das aufgewühlte Land, kommt im Mai nach Danzig und klopft an die Kirchentür. Prälat Jankowski erkennt die Chance, die das bedeutet. Er lädt Barbara Piasecka-Johnson ein, an der Prozession zu Fronleichnam teilzunehmen. Er bringt sie mit Lech Walesa zusammen und beide schreiten nebeneinander durch die geschmückten Straßen von Danzig, hinter sich eine große feierlich singende Menschenmenge, vor sich die Geistlichen mit der Monstranz. Über allen Köpfen schwebt das Bild der Madonna.

 

Auch Leszek (Koseform für Lech, so nennt ihn auch die freundliche Öffentlichkeit) erkennt seine Chance. Er schildert die katastrophale Lage der hoch verschuldeten Werft, die Not der Werftarbeiter und ihrer Familien. Er erzählt, dass die Regierung Rakowski vor wenigen Monaten beschlossen hat, die Leninwerft still zu legen, weil sie unrentabel geworden sei. Vor allem aber, weil sie die Bastion der Gewerkschaft Solidarnosc ist und weil Rakowski seinen Feinden so das Rückgrat brechen will.

 

Barbara ist tief beeindruckt. Es ist nicht nur Walesa’s Schilderung, es ist die Freude, zu Hause zu sein, polnisch zu sprechen, es ist das katholische Fest, es sind die Werft-Arbeiter, mit denen sie plaudert. Oder ist es der Weihrauch aus den schaukelnden Silber-Gefäßen? Vielleicht die Goldblitze der Monstranz?

 

Wann hat man schon mal die Gelegenheit, etwas wirklich Großes zu tun? Den gottlosen Kommunisten ein Schnippchen zu schlagen? Auch Barbara Piasecka-Johnson erkennt ihre Chance: Sie verspricht der Werft aus ihren eigenen Mitteln spontan 100 Millionen Dollar!

 

Die Glocken läuten. Hat die Prozession ein Wunder bewirkt? Mit diesem Geld könnte man die Werft retten. Wenn es in die richtigen Hände kommt. Barbara ist nicht von gestern. Ihre Betriebsprüfer und Anwälte sollen das Unternehmen Leninwerft untersuchen, diesen Vorbehalt macht sie. Danach sollen sie einen Rettungsplan aufstellen, ein „Joint Venture“ versuchen. Auf der Werft verbreitet sich Euphorie. Ein Engel ist aus Amerika gekommen, als man fast schon aufgeben wollte. Die reiche Amerikanerin besichtigt die Hallen, die Docks, geht unter den riesigen Portalkranen herum, begutachtet die Schiffs-Neubauten. Die Arbeiter können es kaum fassen. „Sie reagierten sehr glücklich“, sagt Frau Johnson später. „Es war die beste Nachricht für sie seit 45 Jahren“.

 

Aber die hundert Millionen Dollar sollen nicht einfach verschenkt werden. Es dauert einige Wochen, dann kommen die Wirtschaftsprüfer aus USA und wollen in die Bücher schauen. Vieles ist undurchsichtig. In den meisten Großbetrieben hat die Nomenklatura mit der Privatisierung begonnen. Das heißt: Manager versuchen, staatliche Produktionsmittel als Privatbesitz zu übernehmen. Das geht am besten nach der Formel: „Verluste verstaatlichen, Gewinne privatisieren“.

 

Auf der Leninwerft wurden bereits große Schritte in die kapitalistische Zukunft gemacht. Direktoren haben sich wertvolle, funktionierende Teile der Werft heraus geschnitten. So sind Zulieferbetriebe entstanden, die sicheren Gewinn versprechen. Langfristige Verträge mit dem Rumpfwerk wurden geschlossen. Neue Direktoren aus der Nomenklatura gelangen so nach „oben“ und garantieren ihren Vorgängern den Gewinn. Behörden geben die notwendigen Lizenzen problemlos, wenn sie ein wenig in günstige Stimmung gebracht werden. Manchmal hilft auch ein Vetter oder ein lieber Onkel, der am richtigen Schreibtisch sitzt. Die Reformpolitiker bei den Kommunisten halten das für die geeignete Methode der Modernisierung. Die Partei hat das im Prinzip gebilligt. (Die Nomenklatura, das sind Hunderttausende von Leitungs- und Managerposten in Wirtschaft, Verwaltung und im Sicherheits-Apparat, die alle von der KP vergeben werden.)

 

Wir fahren nach Danzig, um über den Fortgang der Prüfung zu berichten. Das Filmteam wird von den Werftarbeitern gern gesehen. Drei große Schiffe bauen sie zurzeit. Wir dürfen alles filmen. Die Männer und Frauen äußern sich freimütig. Durchschnittlich verdienen sie 50,- DM im Monat, ein Lohn wie in der Dritten Welt. An ihrer Leistung liegt es nicht, dass es der Werft schlecht geht. Die Schiffe aus Danzig haben einen sehr guten Ruf. Die meisten sind für die Sowjetunion bestimmt. Die schönsten sowjetischen Segelschulschiffe wurden hier gebaut. Seit langem gibt es keine Groß-Segler-Parade auf der ganzen Welt ohne Schiffe aus Danzig.

 

Aber die Preise stimmen nicht. Die Sowjetunion bezahlt nach einem politisch, d.h. willkürlich festgelegten Rubel-Zloty-Kurs. Der Erlös für die Schiffe wird vollständig gegen Energie-Lieferungen verrechnet. Energie wird wie in allen Ländern des Warschauer Pakts auch in Polen großzügig verplempert. (In normalen Wohnungen gibt es keine Thermostaten, das offene Fenster regelt die Temperatur.) Die Sowjetunion kann Preise berechnen, wie sie will. Polen hat keine Chance, den Zahlungs-Rückstand aufzuholen.

 

Die Euphorie von Fronleichnam hat sich inzwischen weitgehend verflüchtigt. Die Arbeiter sind jetzt skeptisch, ob der Coup noch gelingen kann. Sie vermuten, die Direktoren (alle mit Parteibuch) wollen sich ihre Zustimmung abkaufen lassen, „inoffiziell“. Da ihre fachliche Kompetenz zweifelhaft ist, wissen sie nicht, was aus ihnen wird im Fall eines Joint Venture. Sie zögern, sie verteidigen ihre Pfründe. Je länger die Sache aber dauert, desto mehr schwindet die Hoffnung. Die ungenierte Selbstbedienungs-Mentalität der Nomenklatura erschwert die Zusammenarbeit mit dem Westen. Der Vorvertrag mit Frau Johnson hatte dieses Problem nicht eingeplant.

 

Besonders scharf kommt die Kritik von der verbotenen Untergrund-Gewerkschaft, der „Kämpfenden Solidarität“, die sich von Solidarnosc abgespalten hat. Ihr Anführer Gwiazda sagt uns über die Direktoren: Sie wollen Schmiergeld und zusätzlichen Profit. Das habe Frau Johnson nicht bedacht. Ihr Angebot sei eher idealistisch als realistisch gewesen.

 

Der Sprecher der Mehrheits-Solidarnosc an der Werft meint dagegen: „Frau Johnson ist eine ehrenwerte Dame. Sie weiß, was sie zu tun hat und wird auf die Wünsche der Nomenklatura nicht eingehen.“

 

Auch einer der Direktoren empfängt uns. „Stimmt es, dass das Projekt Johnson an den Schmiergeldwünschen einiger Direktoren zu scheitern droht?“ Er ist wütend. Der Kierovnik, der meine Fragen übersetzen soll, hat Schweißperlen auf der Stirn. Ich frage mich, ob er meine Worte vielleicht abschwächt. „Die Frage ist unangebracht“, meint der Direktor scharf. „Das sind Gerüchte. Die darf man nicht ernst nehmen. Jede Bestechung würde kurze Beine haben.“ „Wieso dauert es dann so lange, bis entschieden wird?“ Antwort: „Wir verhandeln mit zwei Interessenten: Mit Frau Johnson und mit der Vulkan-Werft in Bremen. Die Angebote müssen geprüft und verglichen werden“.

 

Die Verhandlung über die Rettung der Werft zieht sich über Jahre hin. Das Angebot der Vulkan-Werft lehnt eine große Belegschaftsversammlung schließlich nach hitzigem Streit ab. Nicht ausgerechnet die Deutschen sollen als Eigentümer und Chefs nach Danzig zurückkommen, so lautet ihr Beschluss.

 

Auch das Joint Venture mit dem Johnson-Konzern scheitert. Die Fachleute aus Amerika haben geprüft und befunden: die Werft hat unter diesen Umständen mit dieser Direktion keine Chance. Es bleibt ihnen nicht verborgen, dass die Posten in der Direktion ausschließlich von der Partei vergeben werden und dass dabei nicht deren Kompetenz als Schiffbau-Ingenieure entscheidend ist, sondern ihre politische „Zuverlässigkeit“. Es ist also an Fronleichnam kein Wunder geschehen, sondern nur ein Märchen. Die Nomenklatura hat das Wunder verhindert.

11 Wojciech Jaruzelski

 

Das polnische Volk hat gesprochen. Senat und Sejm sind gewählt, aber niemand weiß, wie es weiter gehen kann. Premierminister Rakowski ist kläglich durchgefallen, Staatspräsident Jaruzelski zurückgetreten. Die große Mehrheit der Wähler hat Solidarnosc gewählt, aber die Wahlen waren nur halb-demokratisch, die Sitzverteilung entspricht nicht dem Wählerwillen. Die Mehrheits–Verhältnisse sind knapp und nicht wirklich berechenbar. In dieser Situation könnte jeder Kandidat zu jedem Amt auch scheitern. Die Politik hält den Atem an. Was nun? Man zögert, man berät sich, man erwägt verschiedene Möglichkeiten.

 

Aus dem niederschlesischen Ort Strachow zieht eine sowjetische Panzer-Einheit ab. Die Zahl der noch verbleibenden Sowjetsoldaten bleibt vorläufig ein Staatsgeheimnis. Dieser Abzug aber macht Hoffnung, symbolisiert die wachsende Handlungsfreiheit und Verantwortung der polnischen Politik.

 

Größeren Handlungsdruck machen die Preis-Explosionen in den Geschäften, die staatliche Preis-Kontrolle hört praktisch auf zu bestehen. Das führt im August zu einer neuen Inflationswelle. Seit Mai hat der Zloty die Hälfte seiner Kaufkraft verloren. In unsere Kameras äußern sich viele Menschen auf den Straßen voller Verzweiflung.

 

Am 4. Juli tritt der neu gewählte Sejm zusammen. Frei gewählte Abgeordnete ziehen zum ersten Mal seit 50 Jahren in ein polnisches Parlament. Die Solidarnosc-Fraktion wählt den Historiker Bronislaw Geremek, der mehrere Sprachen spricht und einige Jahre im westlichen Ausland gelebt hat, zum Oppositionsführer. Gemeinsam mit den Senatoren bilden sie die OKP-Fraktion. Von diesen 261 gewählten Abgeordneten und Senatoren waren 80 unter dem Kriegsrecht interniert, 50 für längere Zeit im Gefängnis, Jacek Kuron insgesamt neun Jahre.

 

Jaruzelski und Walesa, die beide kein Mandat haben, sind bei der ersten Plenarsitzung anwesend. Die Kommunisten haben nicht mehr die Mehrheit, weil sie - wie früher - von den reservierten 65 Prozent der Sitze im Sejm einige an die Blockparteien abgeben. Das sind die Bauernpartei und die „Demokratische“ Partei, die bisher ihre Verbündeten und Satelliten waren. Jetzt sehen sie plötzlich neue Chancen und beginnen, ihre Möglichkeiten zu diskutieren.

 

Die Abgeordneten leisten den Eid auf die Rechtsordnung, so war es am Runden Tisch verabredet, nicht auf die Verfassung. Denn in der Verfassung ist die führende Rolle der KP verankert ebenso wie das Bündnis mit der Sowjetunion. Das akzeptieren Solidarnosc und der OKP nicht.

 

Der Sejm wählt den Parlamentspräsidenten, den Marschall – wie es in Polen heißt: Mikolaj Kozakiewicz, ein Abgeordneter der Bauernpartei, der seit langem für Reformen eingetreten ist, einer der wenigen schon im ersten Wahlgang gewählten Kandidaten der alten Koalition. Niemand könnte besser Kontinuität und Fortschritt verkörpern. Niemand vor ihm hatte je die Aufgabe, Kommunismus und Demokratie in einem Parlament zusammen zu führen. Seine erste Amtshandlung ist, den Rücktritt der Regierung Rakowski entgegen zu nehmen.

 

Am Abend des gleichen Tages tritt zum ersten Mal der Senat zusammen, hier hat Solidarnosc 99 von 100 Sitzen. Andrzej Stelmachowski wird Marschall im Senat. Solange es keine neue Verfassung gibt, soll das Gremium aber ein Vetorecht in der Gesetzgebung haben und zusammen mit dem Sejm die Nationalversammlung bilden, die den Staatspräsidenten wählt. Das ist der Konsens vom Runden Tisch.

 

Doch die Solidarnosc-Fraktion ist unentschlossen. Sie ist eine Fraktion, aber keine Partei, es fehlt ein Apparat, der die Meinungsbildung organisiert. Die Fraktion der „Tischler“ weiß nicht, was sie will. Strategien wurden nicht ausdiskutiert. Zudem hemmen große Unterschiede im Temperament, in der sozialen Stellung und im Intellekt jede Entscheidung.

 

Die Macht liegt auf der Straße, ausgerechnet in dem Moment, als US-Präsident Bush nach Polen kommt. Er spricht mit „Amtierenden“. Da besinnt sich Wojciech Jaruzelski, der General mit dem Pflichtbewusstsein. 18 Tage lang war er amtsmüde, plötzlich ist er wieder interessiert. Liegt es am Zögern von Solidarnosc? Waren es die Freundlichkeiten des US-Präsidenten, die ihm neuen Mut geben? Hat Bush gar den holprigen Reform-Prozess zum Stillstand gebracht? Jaruzelski, der Chef der Arbeiterpartei, will plötzlich wieder Staatspräsident werden. Er verhandelt hinter den Kulissen, ob sich in der Nationalversammlung eine Mehrheit für ihn findet. Die Solidarnosc-Fraktion lädt ihn ein. Er kommt, um Rede und Antwort zu stehen. Er verspricht die Fortsetzung der Reform-Politik vom Runden Tisch. Zwar wollen die meisten Solidarnosc-Leute ihn nicht wählen. Sie erlauben aber, ja sie wünschen, dass die bisherige Koalition mit ihrer Mehrheit Jaruzelski wählt.

 

Der Fraktionsvorsitzende Geremek stellt es den Abgeordneten frei, ihrem Gewissen zu folgen.

 

Am 19. Juli ist es so weit: Die National-versammlung stimmt ab. Es ist ein hochdramatischer Akt, obwohl Jaruzelski der einzige Kandidat ist. Die Vorab-Diskussion verläuft chaotisch, im Streit um den Abstimmungsmodus. Schließlich das Ergebnis: Von 544 Stimmen werden für den Kandidaten Jaruzelski 270 abgegeben, also nicht die Hälfte! Gegen ihn 233. Enthaltungen: 34! Die einfache Mehrheit gewinnen kann Jaruzelski nur, weil 7 Stimmen ungültig gemacht sind, z.B. die von Stelmachowski. Die ungültigen Stimmen verringern das Quorum, nur so erreicht Jaruzelski knapp die einfache Mehrheit. Darüber hinaus nehmen elf Solidarnosc-Abgeordnete an der Abstimmung nicht teil, eigentlich unvorstellbar! War man nicht angetreten, um die Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen?

 

Der Kandidat Jaruzelski schrammt haarscharf an einer Niederlage vorbei. Die meisten Solidarnosc-Abgeordneten haben gegen ihn gestimmt und auch das bisherige Regierungslager steht nicht geschlossen hinter ihm. Jeder einzelne, der sich enthalten hat oder abwesend war oder eine ungültige Stimme abgab, hätte den General verhindern können. Es wird den Solidarnosc-Abgeordneten schwer fallen, ihren Anhängern zu erklären, warum sie keinen eigenen Kandidaten aufgestellt haben. Aber sie haben ein gutes Argument: Nur Jaruzelski kann sicherstellen, dass die Armee und der Sicherheits-Apparat den Fortgang der Reformen nicht stören. Es wird jetzt viel von Staatsraison gesprochen.

 

Auch will man nicht in die „Falle“ tappen, für die sicher bevorstehende wirtschaftliche Katastrophe verantwortlich zu sein. Und außerdem: Schwächer könne ein Präsident nicht sein als der General nach dieser doppelten Blamage: der seiner Partei und seiner eigenen. Und ein schwacher Präsident sei eben besser für Solidarnosc. Die Radikalen in Danzig höhnen über den Kleinmut „der Tischler“ in Warschau. Sie erinnern an das Kriegsrecht, an die Toten, die Menschenrechtsverletzungen, die Jaruzelski zu verantworten hat. Sie erinnern daran, dass Jaruzelski 1944 mit der Roten Armee auf dem rechten Weichselufer gestanden hat, - so wie Stalin es angeordnet hatte - als auf dem linken Ufer die Deutschen den Warschauer Aufstand grausam niederschlugen.

 

Doch diese Art von Kritik wird jetzt in der OKP-Fraktion plötzlich als emotional abgetan. Man gibt sich staatsmännisch. Aber verstehen die Wähler das noch? Und Walesa’s Kollegen auf der Leninwerft? Nein, das tun sie nicht. Gwiazda und Anna Walentynowicz sehen sich bestätigt: Die Tischler sind zu opportunistisch oder zu feige!

12 Die „Tischler“

 

Vom Wähler abgestraft, amtsmüde zurückgetreten, aber mit dem denkbar knappsten Abstimmungsergebnis wieder an die Macht gelangt, hat jetzt der General das Heft in der Hand. Jaruzelski bestimmt den Ablauf der Ereignisse und das heißt: der Regierungsbildung. Denn nur er hat das Recht, dem Parlament einen Regierungschef vorzuschlagen. Er wünscht eine Große Koalition aus Kommunisten, Bauernpartei und Solidarnosc. Zunächst bietet er dem Chef der Bauernpartei ZSL das Amt des Regierungschefs an. Sie hat immerhin 76 Sitze im Sejm, ist die drittgrößte Fraktion. Doch der will das Amt nicht.

 

Zweite Wahl des Präsidenten für den Posten des Regierungschefs ist der bisherige Innenminister Kiszczak. Ihm vertraut er. General Kiszczak hatte 1981 das Kriegsrecht vorbereitet und durchgesetzt, er hat es politisch mit zu verantworten. Andererseits hatte er nach dem Aufsehen erregenden Mord an dem Priester Popieluszko durch Geheimdienst-Agenten mit eiserner Hand im Sicherheits-Apparat aufgeräumt. Der Kandidat ist den Solidarnosc-Leuten wohl bekannt, denn am Runden Tisch hatte er die kommunistische (Regierungs-) Seite geleitet. Kiszczak will wie Jaruzelski eine Große Koalition, man könnte das Unternehmen auch die Verlängerung des Runden Tisches in die Zukunft nennen. Ob er es will oder nicht, diese Absicht spaltet Solidarnosc.

 

Der 25. Juli 1989 ist ein schöner sonniger Tag. In der wieder aufgebauten Altstadt von Warschau schlendern Müßiggänger, studieren das Angebot von Floristen, Postkartenhändlern und Malern. Man könnte man fast vergessen, welche Not im Land herrscht. Auf dem Stary Rinek, dem quadratischen Platz zwischen den wieder aufgebauten malerischen Bürgerhäusern aus besseren Zeiten schlendert einer zwischen Touristen und jugendlichen Bummlern, den alle kennen: Lech Walesa!

 

Die Leute freuen sich, ihn zu sehen, rufen „Lechek“! Er lacht, winkt zurück, genießt sein Publikum fast wie ein Popstar. Walesa ist der populärste Mann im Land. Wenn er will, kann er bestimmen. Aber was will er? Weiß er, was er will?

 

Wir entdecken den Solidarnosc-Führer, der offenbar gerade die Wohnung des Fraktionsvorsitzenden Geremek verlassen hat, weil wir zufällig in der Nähe zu tun haben. „Wie geht’s denn nun weiter“? rufe ich ihm zu. Antwort: „Ich weiß, was ich will“. Frage: „Können wir das auch erfahren“? „Nein“! Er steigt in sein Auto und fährt davon.

 

Der erste, der es erfährt, ist der Staatspräsident. Jaruzelski hat Walesa für diesen Nachmittag in den Belweder-Palast zu Sondierungsgesprächen eingeladen. Bisher hatte Walesa sich geweigert, die Regierungsmacht mit den Kommunisten zu teilen. Heute ersetzt er das „Nein“ durch ein „Entweder ganz oder gar nicht“. Walesa hat kein Mandat, er ist nicht einmal Parlamentsmitglied. Aber er verlangt vom Staatspräsidenten die gesamte Regierungsmacht für seine Fraktion oder nichts.

 

Der Gewerkschaftsführer betrachtet von Danzig aus die Aktionen seiner Freunde in Warschau durchaus missmutig. Er fühlt sich schlecht informiert, er würde gern öfter gefragt, aber kaum einer von den Warschauer Intellektuellen kommt je nach Danzig. (Telefon und Telex kontrolliert die Geheimpolizei.) Dagegen schmerzt ihn die ätzende Kritik der Radikalen um Gwiazda, die er täglich wahrnimmt. Heute ist er selbst in die Hauptstadt gereist. Er sagt es dem General, er sagt es anschließend der Solidarnosc-Fraktion im Sejm: Entweder Alles oder Nichts, keine Große Koalition mit den Kommunisten! So spricht Walesa heute. Dann fährt er zurück in sein Urlaubsquartier in der Tucheler Heide.

 

Alles oder Nichts, die Fraktion diskutiert bis tief in die Nacht und weiter am nächsten Tag. Die Mehrheit neigt dem „Nichts“ zu, schließlich könne man sich auf den kommunistischen Verwaltungs-Apparat nicht verlassen. Zuerst müsse die Nomenklatura besiegt und beseitigt werden, sagen viele. Dieser Versuch war am Runden Tisch gescheitert. Eine Million „Mafiosi“ sind es, große und kleine, unter den 39 Millionen Polen, schätzt Fraktionschef Geremek. Jeder Solidarnosc-Minister werde sich an den Apparatschiks die Zähne ausbeißen. Die kommunistische Nomenklatura und die lokale Mafia müssten zunächst durch freie Kommunalwahlen unter Kontrolle gebracht werden, sagt Geremek in unsere Kamera. „Das ist das einzige Mittel, ihre Macht zu brechen“.

 

Eine Minderheit aber sammelt sich um Adam Michnik, den Chefredakteur der Tageszeitung „Gazeta Wyborca“ (Wahlzeitung) die während des Wahlkampfs gegründet worden ist und weiter besteht, die einzige Tageszeitung von Solidarnosc. Michnik hat schon länger in seiner Zeitung den Posten des Regierungschefs für Solidarnosc gefordert. „Euer Präsident – unsere Regierung“ lautete eine Schlagzeile in der Gazeta. Sie macht als geflügeltes Wort die Runde durch alle aktuellen Diskussionen.

 

Auch Kiszczak tut, was er kann. Er sucht den Kontakt mit dem Oppositionsführer hinter den Kulissen. Aber Professor Geremek will und kann nicht gegen die Mehrheit seiner Fraktion entscheiden. Am Morgen des 2. August treffen sich beide durch Zufall auf der Treppe im Parlament. Unser Ton-Ingenieur hat ein besseres Mikrofon als die beiden Politiker annehmen.

 

„Guten Tag, Herr Professor, welche Chancen gibt’s?“

 

„Ich habe Ihnen alles gesagt.“

 

„Ich möchte weiter eine Große Koalition bilden. Aber … Was hat sich über Nacht ergeben? Gibt es positive Veränderungen“?

 

„Was soll ich Ihnen noch sagen, Herr General, keine Änderungen“.

 

„Keine Änderung!“

 

„So ist es“.

 

„Sie sind hart, Sie wollen nicht, schade! Vielen Dank!“

 

Noch am gleichen Tag wählt der Sejm den 63-jährigen General Kiszczak zum Premierminister – gegen die Stimmen von Solidarnosc. Er verspricht, die Reformen fortzusetzen und äußert den Wunsch, Solidarnosc-Minister in sein Kabinett zu holen. Aber das ist wohl aussichtslos. Er ist ein Mann des Militärs und des Sicherheits-Apparates. Und: Er ist überhaupt nicht der Wirtschafts-Fachmann, den Polen jetzt dringend braucht.

 

Streiks und Unruhen in vielen Städten wegen der galoppierenden Preiserhöhungen erhalten neue Nahrung durch die Nachrichten aus Warschau. Ein kommunistischer General als Präsident, ein weiterer kommunistischer General als Regierungschef! – Haben wir dafür gekämpft? „Die Tischler“ haben völlig versagt, so urteilen nicht nur die von Solidarnosc abgespaltenen Radikalen. Die Arbeiter der Leninwerft sind empört.

 

Lech Walesa in seinem Urlaubsort wütet. Er hatte schon immer ein sicheres Gefühl für die Stimmung im Land. Er setzt sich in seinem kleinen Urlaubs-Holzhaus hin, schreibt einen Brief an die Bauernpartei ZSL und lässt ihn fast gleichzeitig veröffentlichen: ein Paukenschlag!

 

Die ZSL erwacht wie aus einem 40-jährigen Dornröschen-Schlaf. Walesa rechnet ihnen vor: Sie können entweder mit den Kommunisten eine Regierung bilden oder mit Solidarnosc. In beiden Fällen entsteht eine solide Mehrheit.

 

Plötzlich bemerkt die Bauern-Fraktion, welche Schlüsselrolle sie hat. Jahrzehntelang war sie nichts als ein scheinbar demokratisches Feigenblatt an der Seite der Kommunisten. Jetzt plötzlich haben sie die Macht und damit die Verantwortung, die Walesa ihnen vor Augen führt. Sie können Polen von der Allmacht der Kommunisten befreien. Walesas Plan kommt so plötzlich, dass die Solidarnosc-Fraktion genauso überrascht ist wie die ZSL.

 

Am 10. August erscheint eine Solidarnosc-Delegation beim Fraktions-Vorsitzenden der ZSL, Bentkowski: Jacek Kuron, der stellvertretende Senats-Präsident Wielowiejski und der Walesa-Sekretär Lech Kaczynski, ein Jurist (der spätere Staatspräsident). Sie verabreden, Koalitions-verhandlungen zu führen. Bentkowski kündigt an, seine Partei werde nunmehr gegen Kiszczak stimmen, (den sie erst vor einer Woche gewählt hatte.) Die Regierung Kiszczak ist erledigt, bevor sie angefangen hat. Der General verzichtet nach zwei Wochen, am 14. August, auf das Amt des Regierungschefs. Gleichzeitig schlägt er den Vorsitzenden der Bauernpartei Malinowski als Nachfolger vor. Tags darauf erhebt die Solidarnosc-Fraktion ihr Veto gegen Malinowski. Das Politische Karussell in Warschau dreht sich täglich schneller.

 

Die Kommunisten sind alarmiert. Walesa verlasse den am Runden Tisch vereinbarten Weg, heißt es drohend in einer Erklärung. Dieser bestreitet, dass am Runden Tisch Beschlüsse über die neue Regierung gefasst wurden.

 

Es kann kein Zufall sein, dass der neue KP-Chef Rakowski Sondereinheiten der Armee besucht, die dem Innenministerium unterstehen. Er hat weder mit der Armee noch mit dem Innenministerium irgendwas zu schaffen. Es ist auch kein Zufall, dass das Fernsehen zeigt, wie Rakowski die Bedeutung dieser Truppe würdigt. Drohung liegt in der Luft.

 

Im Sejm wird es hektisch. Die Demokratie ist eingezogen ins Parlament. Aber beherrscht sie es auch? Das Gleichgewicht zwischen Kommunisten und Solidarnosc schwankt. Die Situation ist voller Risiken.

 

„Das ist jetzt furchtbar schwierig“, sagt mir Lech Walesa, den wir in seinem Urlaubsort aufsuchen. „Es ist halsbrecherisch, jetzt schon eine Solidarnosc-Regierung zu verlangen. Doch auch wenn ich eins in die Fresse kriege, dann will ich wissen, von wem und wofür“. Der Mann drückt sich gern drastisch aus. Sehr zuversichtlich klingt er aber nicht. Zwischen Wald und See in einem sehr bescheidenen Holzhäuschen, nein, in einer Hütte, verbringt der Nobelpreis-träger seine Ferien mit Frau Danuta und einer großen Kinderschar.

 

Uns empfängt er schimpfend. Wir sollten ihn endlich in Ruhe lassen, er brauche Erholung. Aber das ist reine Koketterie. Er sucht sich einen Platz für seinen Gartenstuhl zwischen zwei Wacholdern, ohne im Geringsten die Wünsche des Kameramanns zur Kenntnis zu nehmen, lässt sich gern ausführlich fragen und besteigt dann den am Ufer liegenden Angelkahn, um schließlich für unsere Kamera auf den See hinaus zu rudern. Wenn er zurückkommt, sollen wir weg sein, hinterlässt er uns schmunzelnd.

 

Frau Danuta serviert uns Tee und betont, dass sie keineswegs immer mit ihrem Mann übereinstimmt. Aber sie ist sichtbar stolz auf ihn.

 

Auf seine Parteifreunde in Warschau ist Walesa nicht gut zu sprechen. Der Mann hat „Entzugs-Erscheinungen“. Er möchte mehr Macht ausüben.

 

Fast täglich kommt sein Sekretär und engster Berater Lech Kaczynski aus Danzig, bringt Nachrichten aus Warschau und der Welt. Oder er schickt Boten. Lech Kaczynski war am Runden Tisch beteiligt, ist jetzt Senator, ein konsequenter

 

Anti-Kommunist. Er scheint Walesas Unruhe zu bestärken. Die beiden reden, angeln, diskutieren, trinken das eine oder andere Glas Bier, spazieren im grünen Wald und kommen zu dem Ergebnis: Jetzt muss es sein. Gemeinsam haben sie den Brief an die Bauernpartei formuliert, der eine Wende herbeiführt.

 

Später ist zu erfahren, dass in diesen Tagen bereits die Zwillingsbrüder Lech und Jaroslaw Kaczynski heimlich im Auftrag von Walesa mit der Bauernpartei persönlichen Kontakt aufnehmen. Walesa selbst wie auch die Solidarnosc-Spitze in Warschau werden so vollständig vom Geheimdienst überwacht, dass er solche Gespräche gar nicht führen könnte. Den Kaczynskis aber, Juristen und Berater Walesas, gelingt es mehrfach, die Geheim-Agenten bei Fahrten zu Treffen mit der ZSL-Führung abzuhängen. Sie sind Zwillinge und einander sehr ähnlich. Das weiß der Geheimdienst zu diesem Zeitpunkt nicht. Wenn der SB einen der beiden unter Kontrolle hat, wird der andere nicht gesucht und kann sich fast frei bewegen. Es gelingt den Kaczynskis auch, die Bauernpartei von der Idee einer Koalition zu überzeugen.

 

Der Brief an die Bauernpartei, bzw. seine Veröffentlichung, beseitigt die Heimlichkeit und entfaltet seine Wirkung. Das Land begreift: Walesa ist wieder da. Er macht Druck. Er greift nach der Macht. Warum sollte er nicht selbst Regierungschef werden, fragt er sich.

 

Kaczynski erklärt am 15. August öffentlich in Warschau, Walesa selbst solle Premier-Minister werden. Er weiß auch, wie er das den Kommunisten und dem Staatspräsidenten plausibel machen kann.

 

Die Minister im Innen- und im Verteidigungs-Ressort könne Jaruzelski selbst bestimmen, dann würden auch zwei Kommunisten einer von Solidarnosc geführten Regierung angehören.

 

Kein Kandidat der Kommunisten, aber auch kein Kandidat der Bauernpartei hat eine Mehrheit im Sejm gefunden. Jetzt geht es also um einen Kandidaten der Solidarnosc-Fraktion. Aber kann das Walesa sein? Die Bauernpartei ZSL stimmt grundsätzlich dem Vorschlag Kaczynskis zu. Die Kommunisten weigern sich noch, die neue Lage zu akzeptieren. Partei-Chef Rakowski sagt, es ist jetzt nicht die Zeit, sich zu ergeben. Er will noch nicht hinnehmen, dass er die Mehrheit im Sejm und die Macht im Staat verloren hat.

 

Am Abend des 16. August ist Walesa wieder in Warschau. Die entscheidende Phase der Koalitionsverhandlungen beginnt. In seiner Fraktion aber wird Unmut laut. Man wundert sich, dass der Solidarnosc-Vorsitzende sich selbst ins Gespräch gebracht hat, ohne sich mit der Fraktion zu beraten. Ein Abgeordneter stellt fest, die Fraktion habe ein demokratisches Mandat, Walesa aber nicht. Die Bauernpartei akzeptiert Walesa als Premierminister, Solidarnosc zögert.

 

Am nächsten Morgen, am 17. August, empfängt Walesa erst den Chef der Bauernpartei Malinowski und danach den Vorsitzenden der kleinen Demokratischen Partei, Jozwiak, in seinem Warschauer Hotel. Die drei sind wie beschwippst von den neuen Aussichten. Sie meinen, den göttlichen Hauch der Geschichte zu spüren. Alle Polen sollen den gleichen Hauch erleben. Um ihr Dreier-Bündnis feierlich zu besiegeln, suchen sie einen angemessenen Rahmen. Sie inszenieren: Das hübsche Barock-Schloss im Lazienki-Park, das sonst einen Dornröschenschlaf schläft, scheint ihnen die geeignete Bühne. Dort treten sie vor Fernseh-Kameras, Fotografen und Journalisten und verkünden: Gemeinsam wollen sie den Kommunisten die Macht abnehmen. Fast die ganze Macht, bis auf das Innen – und das Verteidigungs-Ministerium. Diese sollen aus Rücksicht auf die Nachbarn im Warschauer Pakt unter kommunistischer Leitung bleiben. Es ist der 17. August 1989.

 

Wer Regierungschef werden soll, das wissen sie noch nicht. Walesa ist heute zurückhaltender als in den letzten Tagen und nachdenklicher. „Viele Kandidaten kommen in Frage“, erklärt er. Das Vorschlagsrecht liege ohnehin beim Staatspräsidenten. „Aber wir werden Kandidaten benennen und Argumente liefern, so dass er auswählen kann.“

 

Walesa ist nach der Kritik im eigenen Haus auf dem Rückzug. Die drei begeben sich am Nachmittag in den Belweder-Palast zu Jaruzelski. Dieser ruft den noch amtierenden Premier Kiszczak dazu.

 

Noch am Abend erklärt Walesa, er werde nicht der neue Regierungschef sein. Der General habe aber akzeptiert, dass ein Solidarnosc-Politiker Premier wird. Welche Kandidaten Walesa dem Staatspräsidenten genannt hat, das erfährt die Solidarnosc-Fraktion erst spät in der Nacht. Es sind der Fraktions-vorsitzende Bronislaw Geremek, sein Stellvertreter Jacek Kuron und der Chefredakteur der Solidarnosc-Wochenzeitung, Tadeusz Mazowiecki. Alle drei waren im Winter am Runden Tisch dabei und fühlen sich dieser Linie verpflichtet. Sie gehören zum alten Kern und zur intellektuellen Führung von Solidarnosc. Sie sind nicht unbedingt die engsten Freunde von Walesa.

 

Allerdings ist die Fraktion erneut aufgebracht über seine Alleingänge. Geremek erklärt, Walesa habe den Auftrag zu Konsultationen mit den kleineren Parteien gehabt, aber keine Vollmacht, Koalitionen zu beschließen.

 

Nur einen der drei Genannten bittet der Präsident am nächsten Tag, dem 18. August, zu einem Gespräch in seinen Palast: Tadeusz Mazowiecki.

 

Zwei Stunden brauchen die beiden, um sich einig zu werden. Wir Journalisten lauern auf der Straße. Der bescheidene, persönlich anspruchslose Solidarnosc-Mann verlässt den Palast zu Fuß, das ist unsere Chance. Aber er hat keine Zeit, das versteht sich. Selten habe ich mich so über den sprühenden Charme meiner gescheiten Assistentin gefreut wie heute. Wir laufen neben ihm her, der Kameramann rückwärts:

 

„Werden Sie Regierungschef?“

 

„Das wird sich herausstellen.“

 

„Wollen Sie es werden?“

 

„Ich weiß nicht, ob man das wollen soll. Es hängt von der Situation ab oder vom Verantwortungs-bewusstsein. Wir werden sehen.“

 

„Fahren Sie zur Solidarnosc-Konferenz nach Danzig?“

 

„Heute nicht, am Sonntag.“

 

„Wie stehen Ihre Chancen?“

 

„Ich habe heute mit dem Präsidenten gesprochen. Das war sehr grundsätzlich. Der Präsident wird weitere Gespräche führen. Ich glaube, bald wird alles klar sein.“

 

„Wann?“

 

„Ein bisschen Geduld! Bei der Regierungsbildung geht es um eine völlig neue Formel. Ich weiß, dass die Leute ungeduldig sind. Ich hoffe, dass sich die Probleme bald lösen.“

 

„Wissen Sie schon, wie die Ministerien verteilt werden?“

 

„Das weiß ich noch nicht. Das muss ich mir noch überlegen.“

 

Da hat er es also heraus gelassen! Wenn er sich das noch überlegen muss, kann nur er der neue Regierungschef sein.

 

Am nächsten Tag, einem Samstag, geht Mazowiecki in den Wald, lässt er uns wissen: zum Nachdenken.

 

Jaruzelski nutzt diesen Samstag, um den Polen seine Entscheidung mitzuteilen: Als ersten nicht kommunistischen Regierungschef seit dem Zweiten Weltkrieg schlägt er dem Sejm Tadeusz Mazowiecki vor, den Mann, den er vor acht Jahren in ein Internierungslager geschickt hatte.

 

Im Leben eines Journalisten kann es keine spannenderen Zeiten geben als diese. Alles fließt, alles ist möglich, aber keiner weiß Bestimmtes, keine Instanz kennt den Ablauf des morgigen Tages (was für einen Fernsehreporter nicht ganz unwichtig ist) und wenn doch, sagt er es nicht. In der einen Woche nach dem 14. August nenne ich dem deutschen Fernseh-Publikum drei neue Namen als wahrscheinliche Regierungschefs: Kiszczak, Walesa und Mazowiecki.

 

Meine polnischen Mitarbeiter sind beschwingt und erwartungsvoll. In der Diktatur, die alles durch die Geheimdienste unter Kontrolle hat, die alles zu steuern gewohnt ist, wissen plötzlich nicht einmal der Staatspräsident und der Geheimdienstchef, was los ist in ihrem Land. Sie haben die Kontrolle und damit die Herrschaft verloren. Polen hungert, aber lacht, und fiebert der Zukunft entgegen. Herrlich!

13 Die Regierung Mazowiecki

 

Heute bleibt der Sessel des Staatspräsidenten im Sejm leer. Es ist der 24. August 1989, das Parlament wählt einen neuen Regierungschef, den General Jaruzelski vorgeschlagen hat: den ersten nicht-kommunistischen Premierminister seit mehr als 40 Jahren. Das Land ist sich der Bedeutung dieses Ereignisses bewusst, der Generalissimo, Herr des Kriegsrechts, wohl auch. Deshalb will er das Zeremoniell nicht durch seine Anwesenheit aufwerten. Und wer weiß, welche spontanen Kundgebungen von den neuen Abgeordneten zu erwarten sind. Der Mann hält sich zurück.

 

Überwältigend ist die Zustimmung zu Tadeusz Mazowiecki. Nur vier Nein-Stimmen und 41 Enthaltungen, aber 378 Ja-Stimmen, das bedeutet, dass sogar die Mehrheit der Kommunisten ihn gewählt hat, ihm vertraut. Am Vormittag hatte er in der Fraktion der Kommunisten um Zustimmung geworben und einen Anti-Krisenpakt vorgeschlagen. Auch im Plenarsaal zerstreut er vor der Wahl mögliche Befürchtungen. Er bekennt sich zum Warschauer Pakt und zur osteuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft Comecon. Vorbehalte einiger Nachbarn gegen die Demokratie in Polen wolle er abbauen. Jaruzelski, den er gleich anschließend im Belweder aufsucht, wünscht ihm Glück und Erfolg. „Den kann ich nur haben, wenn Sie mir helfen“, antwortet der Premier.

 

Ein Herkules wäre nicht stark genug für die Aufgaben, die auf Mazowiecki warten. Aber bevor es um Wirtschaftskrise und Versorgungsprobleme gehen kann, ist ein Kabinett zu bilden. Die Kommunisten sind mit den beiden Ministerien für Inneres und Verteidigung keineswegs zufrieden. Sie wollen etwa ein Drittel der Kabinettsposten, auch das Außenministerium und das Informationsministerium, dem u. a. Radio und Fernsehen nachgeordnet sind. Parteichef Rakowski erklärt, wenn seine Partei nicht die gewünschten Ministerien bekommt, dann werde sie das Innen- und Verteidigungs-Ressort nehmen, im Übrigen aber in die Opposition gehen.

 

Zwei Wochen zäher Verhandlungen braucht Mazowiecki, dann stellt er seine Kabinettsliste der Öffentlichkeit vor: OKP (Solidarnosc), KP, ZSL (Bauernpartei) und SD (Demokraten) erhalten jeweils einen Vize-Regierungschef. Die KP besetzt vier Ministerien, ZSL ebenfalls vier, SD zwei und Solidarnosc elf. Außenminister wird der parteilose Völkerrechts-Professor Krzysztof Skubiszewski, der der Kirche und Solidarnosc nahe steht. Jacek Kuron vom linken OKP-Flügel wird Minister für Arbeit und Soziales, der erst 42-jährige Leszek Balcerowicz Vizepremier und Finanzminister, ein Exponent des marktwirtschaftlich denkenden Solidarnosc-Flügels.

 

Die Ausschüsse des Sejm hören die Minister-Kandidaten drei Tage lang an, vor allem die Kommunisten müssen sich ungewohnt harte Fragen gefallen lassen. General Kiszczak, nunmehr Innenminister, verspricht, den Reform-Kurs fortzusetzen. Die Telefon-Abhör-Abteilungen sowie die Post-Kontrolle sollen weitgehend abgeschafft werden, gegenüber der Katholischen Kirche vollständig. Die berüchtigten Sonder-Einheiten des Innenministeriums „Zomo“, die nicht nur während des Kriegsrechts Solidarnosc-Aktivisten niedergeknüppelt hatten, sollen von 13 000 auf 5000 Mann reduziert werden, so stellt Kiszczak in Aussicht.

 

Das Parlament ist mit diesen Auskünften zufrieden. Am 12. September stimmen 402 von 415 anwesenden Abgeordneten ohne Gegenstimme dem Kabinett Mazowiecki zu. Im Land ist die Zustimmung deutlich schwächer.

 

Auch diese Regierung sieht wieder so aus wie eine Fortsetzung des Runden Tisches, wie ein Kompromiss, nicht wie ein Sieg. Die Macht in der Regierung ist etwa hälftig aufgeteilt, wenn man von der Nomenklatura im Behörden-Apparat absieht.

 

Demokratische Grundsätze wie Meinungsfreiheit, Pluralismus und Unabhängigkeit der Justiz sollen Richtlinien seiner Arbeit sein, verspricht der Premierminister in seiner Regierungs-Erklärung. Diesmal hört der Staatspräsident in seiner Loge sitzend zu. Außenpolitisch will Mazowiecki die weitere Öffnung Polens nach Westen suchen, was keine Abkehr von bisherigen Bündnis-verpflichtungen bedeute. Mit der deutschen Bundesrepublik wünsche er eine Aussöhnung und Annäherung, wie sie zwischen Bonn und Paris erreicht sei. Wegen eines Schwäche-Anfalls muss Mazowiecki seine Rede für eine Stunde unterbrechen. Aber er kommt zurück und schließt mit der Formel: „Ich glaube, Gott wird uns helfen.“ Einen solchen Satz hat der Sejm seit 40 Jahren nicht gehört. Alle Fraktionen erheben sich für anhaltenden Applaus. Alle fühlen, das Land braucht jetzt wirklich einen Retter.

 

Die Versorgungskrise, die galoppierende Inflation, die notwendige Wirtschaftsreform das sind zweifellos die dicksten Brocken, die auf den Regierungschef warten. Darin haben seine Vorgänger versagt. Mazowiecki ist keiner, der es sich leicht macht. „Es ist so, als ob man mir 100 Kilo Steine auf den Kopf geladen hätte“, vertraut er einem polnischen Journalisten an. „Doch ich habe mich zusammengenommen und es mit Zuversicht angepackt. Anders geht es nicht.“ Er ist kein Volkstribun wie Walesa, aber er hat einen sicheren Blick für das Machbare und viel Verhandlungsgeschick. Die Internierung unter dem Kriegsrecht hat er nicht vergessen, aber er lässt sich nicht von Emotionen leiten. Er weiß, wenn er scheitert, dann ist alles wieder in Gefahr, was Solidarnosc errungen hat. Das Wochenende nach seiner Wahl verbringt Mazowiecki im Kloster Laski bei Warschau, wo Franziskaner-Nonnen blinde Kinder unterrichten. Neben der kleinen Stadtwohnung ist dies sein zweites Zuhause. Auf dem Klosterfriedhof liegt auch seine früh gestorbene Frau begraben. Oft kommt er hierher, um nachzudenken. Einer Reporterin erzählt er: „Ich betrachte Laski als meine geistige Heimat. Sie sehen, das ist ein Heim für blinde Kinder, das Franziskanerinnen führen, die Dienerinnen des Kreuzes. Wenn man hier den Blinden begegnet, diesem Leiden und diesem Optimismus – in diesem Heim ist die Atmosphäre sehr heiter – dann findet man neue Kräfte. Und das hatte ich nötig.“

14 50 Jahre danach

 

Der 1. September nähert sich, der 50. Jahrestag des deutschen Angriffs auf Polen. Wir fahren nach Gleiwitz in Oberschlesien, das heute Gliwice heißt, um eine kleine Weltspiegel-Reportage zu machen.

 

Die Stadt war seit ihrer Gründung vor 800 Jahren polnisch und deutsch. Das war früher kein „entweder oder“, es war ein „sowohl als auch“, typisch für das alte Oberschlesien. Die schönsten Liebesbriefe der polnischen Literatur schrieb König Jan Sobieski , als er vor rund 300 Jahren auf dem Weg nach Wien hier Station machte, bevor er mit seinem christlichen Heer das Abendland vor den Türken rettete. Polen ist stolz auf ihn.

 

Das Stadtbild spiegelt diese doppelte Zugehörigkeit. Rathaus und Bahnhof aus der deutschen Zeit haben überdauert, verbunden vor dem Krieg durch die Wilhelmstraße, die jetzt Ulica Zwyciestwa heißt, „Siegesstraße“. Die Fassaden der Einkaufsstraße sind reparaturbedürftig, aber der Krieg hat sie weitgehend verschont. Neubauviertel und Trabantenstädte kamen hinzu. Die Einwohnerzahl ist mit mehr als 200 000 heute größer als vor 1945. Polnische Flüchtlinge aus den verlorenen Ostgebieten Polens kamen hierher. Professoren der polnischen Universität Lemberg gründeten hier die erste Technische Hochschule in Schlesien nach dem Krieg. Es leben immer noch Deutsche oder Deutschstämmige in Gleiwitz, vor allem in der Innenstadt, auf der Straße aber sprechen sie polnisch. Offiziell existieren sie nicht. Die meisten Einwohner sind polnische Flüchtlinge aus den von Stalin annektierten Ostgebieten und eine neue hier geborene Generation.

 

Vor einem Fotogeschäft hat sich eine Schlange gebildet, weil eine Lieferung Filme angekommen ist. Die Leute warten geduldig, so können wir fragen: „Was bedeutet Ihnen der 1. September?“

 

Unterschiedliche Antworten:„Als Pole muss ich sagen, der erste September wirkt bis heute. Alle wollen, dass sich das nicht wiederholt.“

 

„Man muss deshalb nicht trauern. So ist eben die Geschichte. So wie Polen nach dem ersten Weltkrieg wieder auferstanden ist, so musste Polen wieder geteilt werden. Molotow und Ribbentrop haben das eingefädelt.“

 

„Die Hälfte meiner Familie ist im Warschauer Aufstand und in Auschwitz umgekommen. Ich habe keinen Hass, aber ich kann die Deutschen auch nicht lieben.“

 

„Ich habe mehr Grund, die andere Seite zu hassen, im Osten.“

 

„Ob ich die hasse? Darauf werde ich antworten, wenn ich weiß, wie die Deutschen über uns denken.“

 

„Ich glaube, die Deutschen haben sich geändert in den fünfzig Jahren. Die denken jetzt anders und friedlich.“

 

„Ich war Soldat in der Sowjetunion und bin ausgezeichnet worden. Ich war Soldat für die Demokratie. Und wo ist die Demokratie jetzt? Jetzt kämpft Solidarnosc um Demokratie und wir Veteranen sollen hier Schlange stehen?“

 

Wir sind verabredet mit dem Historiker und Schriftsteller Wilhelm Szewczyk. Er ist hier geboren. Sein Name verbindet die beiden Traditionen Oberschlesiens, die slawische und die deutsche. Als Jugendlicher hat er den Krieg miterlebt. Er erzählt uns von der „Gleiwitzer Provokation“, ein Begriff, der jedem polnischen Schulkind vertraut ist. Der Name der Stadt ist ähnlich wie Danzig mit dem Angriff Hitlers auf Polen verbunden. Am Abend des 31. August 1939 haben SS-Männer, verkleidet in polnischen Uniformen, einen Schein-Angriff auf die deutsche Radiostation Gleiwitz unternommen. Die Provokation sollte einen Anlass für Hitlers Angriff liefern. „Nach unserem Sieg wird man nicht nach den Gründen des Kriegs fragen“, hatte Hitler gesagt. Den Sender gibt es nicht mehr. Im Gebäude der Radio-Redaktion arbeitet jetzt die polnische Post, erklärt uns Szewczyk. Der freundliche, aber melancholisch wirkende Mann scheint an der Vergangenheit zu leiden, will das aber nicht zugeben. Die Vergangenheit ist ihm sicher nicht vergangen. Er schenkt mir sein Büchlein „Iphigenie in Auschwitz“, das er in Anlehnung an die griechische Mythologie und Goethes Drama „Iphigenie auf Tauris“ schrieb.

 

Wir dürfen nicht abreisen, sagt er uns, ohne die Zeugnisse der Gleiwitzer Kunstgießereien gefilmt zu haben. Für sie ist diese Stadt berühmt. Die älteste ist mehr als Hundert Jahre alt, hat also zwei Weltkriege überstanden und arbeitet immer noch. Zu Kaisers Zeiten entstanden hier die Säulenheiligen des Wilhelminischen Reiches: Schmuckstücke Berliner Parks und vornehmer Gärten. Die Inschriften haben sich geändert. Die Kunst, Flüssiges in feste Form zu bringen und damit Fixpunkte in die schwankende Welt zu setzen, diese Kunst ist geblieben, Neptun ist mein Zeuge. Ein besonders prächtiger Gott beherrscht die Gewalt der Flüsse und Meere von seinem Brunnen aus gleich in der Nähe des alten Rathauses von Gleiwitz am Rynek. (Das polnische Wort kommt vom deutschen „Ring“ und bezeichnet meist den Mittelpunkt der Altstadt.)

 

Das offizielle Polen denkt an den 50. Jahrestag in Warschau am Grabmal des Unbekannten Soldaten am Siegesplatz, den die Nazis Adolf-Hitler-Platz genannt hatten und der auch schon einmal Sächsischer Platz hieß wegen der Sachsenkönige, die von hier aus einst Polen regierten. Es ist der Vorabend des ersten September. Sirenen heulen wie bei einem Flieger-Angriff, dann der feierliche Wachwechsel des Militärs. Der Kommunist Jaruzelski in Generalsuniform und der Solidarnosc-Mann Mazowiecki gemeinsam, das ist neu. Das Neue bewirkt, dass Erinnerung und Trauer an die Verbrechen der Nazis nicht mehr einer Ideologie dienen, einer Macht, die solche Gefühle letztlich missbraucht. Abordnungen der damaligen Schutzmächte und Vertragspartner Frankreich und Großbritannien sind gekommen.

 

Nicht gekommen ist der deutsche Bundespräsident – trotz Einladung. Die CDU/CSU soll ihn gehindert haben, heißt es in Warschau. Sie wünsche keinen weiteren „Gang nach Canossa“. (Nach dem Kniefall von Willy Brandt in Warschau.) Lediglich eine kleine Bundestags-Delegation, angeführt von Rita Süßmuth, sowie eine Reihe von SPD-Politikern ist erschienen, um die Chance einer Versöhnung nicht völlig zu verschenken.

 

Unter den Arkaden werden wie zum Appell von einem Offizier die Namen polnischer Kampf-Einheiten gerufen, Soldaten antworten: „Gefallen auf dem Felde der Ehre“.

 

Zum ersten Mal sind auch die Truppenteile dabei, die 1939 im Osten gegen den Einmarsch der Sowjetunion gekämpft haben, also auch die Opfer des NKWD von Katyn. Kränze mit dem polnischen Adler, Ehren-Salut!

 

Jahrzehntelang haben die Machthaber ausschließlich die Soldaten geehrt, die an vielen Fronten gegen das faschistische Deutschland gekämpft hatten. Wer Polen gegen die Sowjetunion verteidigt hatte, der wurde verschwiegen oder wurde bis jetzt gar als Verbrecher verleumdet. Die Sowjetunion, die mit Hitler verbündet im Osten einmarschierte, galt noch vor einem Jahr als Schutzmacht und Freund und durfte nicht kritisiert werden. Die Vergangenheit ist nicht vergangen. Die Veränderung des Blickwinkels zeigt: sie lebt.

 

Die Schüsse des deutschen Kriegsschiffs Schleswig-Holstein auf das polnische Militär-Depot auf einer Landzunge vor der Hafeneinfahrt von Danzig, der Westerplatte, am 1. September 39 gelten als Beginn des Krieges, (obwohl schon einige Stunden früher deutsche Bombenflugzeuge das polnische Städtchen Wielun an der Westgrenze angegriffen und zerstört hatten). Von den 182 polnischen Soldaten, die die Westerplatte eine Woche lang heldenhaft verteidigten, leben noch mehr als sechzig. Einige sind bei der 50-Jahr-Feier anwesend, Jaruzelski schüttelt ihre Hände unter den Blicken von Mazowiecki und Walesa. Delegationen der vier Siegermächte sind dabei sowie Politiker aus der Bundesrepublik (z.B. Ministerpräsident Johannes Rau) und aus der DDR. Sechs Millionen Polen sind im zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen, 22 Prozent der Bevölkerung. Der Staatspräsident sagt: Polen darf nie wieder schwach, zerstritten und allein sein. Das unabhängige, souveräne Land habe heute das Recht, in sicheren Grenzen zu leben. (Der Bonner Finanzminister Weigel und andere Stimmen in der Bundesrepublik haben eben erst die Oder-Neiße-Grenze erneut in Frage gestellt.) Der General ist gebildet und findet das angemessene Wort, so hölzern er sonst wirken mag. Er nutzt sein Amt gelegentlich durchaus geschickt.

 

Der erste September 1989 ist für die Polen kein leichter Tag, sondern schwer von niederdrückenden Erinnerungen. Für die Deutschen in Polen ist dieser Tag auch nicht leicht. Eine Jugend-Delegation aus Nordrhein-Westfalen nimmt zusammen mit ihrem Ministerpräsidenten an einer Zeremonie auf dem Märtyrer-Friedhof von Palmiry teil, 25 km nördlich von Warschau in dem Nationalpark „Puszcza Kampinowska“. Es ist eine Feier zwischen 2000 Gräbern ohne viel Pathos. Hier hatte die SS im Dezember 1939 begonnen, die polnische Intelligenz zu vernichten. Viele der Opfer waren einfach auf der Straße in Warschau festgenommen worden, ohne jeden Vorwand. Einige Grabsteine tragen den Davidstern. Johannes Rau neigt schweigend den Kopf. Anonyme Briefe hatten ihm vor der Reise angedroht, er werde um sein Leben fürchten müssen, wenn er wie Willy Brandt in Warschau 1970 auf die Knie falle. Die Vergangenheit ist nicht vergangen.

Fin de l'extrait de 189 pages

Résumé des informations

Titre
Unter den Augen der Madonna. Wie Polen sich vom Kommunismus befreite
Auteur
Année
2020
Pages
189
N° de catalogue
V889198
ISBN (ebook)
9783346202413
ISBN (Livre)
9783346202420
Langue
allemand
Mots clés
kommunismus, madonna, polen, Solidarnosc, Oder-Neiße, Auschwitz, Holocaust, Warschauer Aufstand, Papst Johannes Paul II., Walesa, Jaruzelski, Mazowiecki, Szczypiorski, Edelman, Der „Runde Tisch“ 1989, Kreisau, Kriegsrecht in Polen, Der Warschauer Ghetto-Aufstand 1943, Der Warschauer Aufstand 1944, Die Oder-Neiße-Grenze, Die Schwarze Madonna von Tschenstochau, Kardinal Karol Wojtila
Citation du texte
Dr. Dierk Ludwig Schaaf (Auteur), 2020, Unter den Augen der Madonna. Wie Polen sich vom Kommunismus befreite, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/889198

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