In den Jahren von 1938 bis 1948 suchten rund 18.000 Menschen aus Deutschland und Österreich in Shanghai Zuflucht vor der Vertreibungs- und Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten. Da sich unter den deutschsprachigen Shanghai-Emigranten keine berühmten Autoren befanden, und da außerdem kaum Quellen der literarischen Produktion erhalten geblieben sind, wurde dieser Themenbereich von der literaturwissenschaftlichen Forschung in Deutschland erst relativ spät entdeckt und aufgegriffen.
In dieser Arbeit soll nun am Beispiel von zwei autobiographischen Berichten ehemaliger Shanghai-Exilanten das Erleben der Fremde, wie sie Shanghai in extremer Form darstellte, untersucht werden. Der Schwerpunkt wird auf der individuellen Wahrnehmung Shanghais bzw. Chinas liegen. Folgende Fragen werden hierbei im Zentrum der Untersuchung stehen: Wie gehen Menschen, die von heute auf morgen vollkommen unvorbereitet und unfreiwillig in einen ihnen unbekannten Kulturkontext eintauchen müssen, mit dieser Situation um? Wie erfahren sie diese Fremde? Sind Zusammenhänge darüber erkennbar, wie die Qualität der Fremdheitserfahrungen beeinflusst wird? Was wird als fremd, was wird als vertraut wahrgenommen? –
Ziel der Arbeit ist es, herauszufinden, wie die Konfrontation der Exilanten mit der veränderten Umwelt jeweils konkret aussah. Da ich mich aufgrund des Umfangs dieser Arbeit auf zwei Autobiographien beschränken muss, habe ich diese im Hinblick darauf ausgesucht, dass sie die zwei Extrempositionen möglicher Fremdheitserfahrungen im Shanghaier Exil repräsentieren.
Nach einer knappen Darlegung des dieser Arbeit zu Grunde liegenden Textkorpus autobiographischer Berichte, werde ich nacheinander die Autobiographien der beiden Shanghai-Exilanten Franziska Tausig und Wolfgang Hadda auf darin beschriebene Fremdheitserfahrungen untersuchen und in einem Resümee jeweils die in den Berichten enthaltene Fremdheitskonstruktion erörtern. Dies wird mit den zuvor herausgearbeiteten Kategorien einer sozialkonstruktivistischen Fremdheitstheorie geschehen. In einer Schlussbetrachtung möchte ich abschließend die herausgearbeiteten Fremdheitskonstruktionen zueinander in Beziehung setzen und im Gesamtrahmen der, zum Textkorpus zählenden Autobiographien verorten.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung.
- 2. Fremdheit - was ist das?
- 2.1. Fremdheit als Konstruktion des Eigenen.
- 2.2. Exkurs: Zur Genese des Eigenen
- 2.3. Sonderfall Emigration
- 2.4. Über den Umgang mit dem Fremden
- 2.5. Zum Analyseansatz.
- 3. Allgemeines zum Exil in Shanghai
- 3.1. Warum Shanghai? – Transit Shanghai
- 3.2.,,Freies Shanghai“? – Zur weltpolitischen Lage.....
- 3.3. Emigration und Exil
- 3.4. Die Lebensumstände der Exilanten
- 4. Fremdheitserfahrungen im Exil in Shanghai
- 4.1. Übersicht und Auswahlkriterien
- 4.2. Franziska Tausig: Shanghai Passage
- 4.2.1. Stil und Aufbau.
- 4.2.2. Zusammenfassung unter biographischen Aspekten
- 4.2.3. Pragmatischer Überlebensansatz
- 4.2.4. Resümee.
- 4.3. Wolfgang Hadda: Knapp davongekommen.
- 4.3.1. Stil und Aufbau.
- 4.3.2. Zusammenfassung unter biographischen Aspekten.….……………………..\n
- 4.3.3. Ablehnung und Abwertung
- 4.3.4. Resümee.
- 5. Schlussbetrachtung.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht anhand zweier autobiographischer Berichte ehemaliger Shanghai-Exilanten die individuellen Erfahrungen der Fremdheit, die Shanghai in extremer Form darstellte. Der Schwerpunkt liegt auf der individuellen Wahrnehmung Shanghais bzw. Chinas und den Herausforderungen, die mit dem plötzlichen Eintauchen in einen unbekannten Kulturkontext einhergehen. Die Arbeit fragt danach, wie die Exilanten diese Fremdheit erlebten, welche Faktoren ihre Erfahrungen beeinflussten und wie die Wahrnehmung von Fremdheit und Vertrautheit sich gestaltete.
- Die Konfrontation der Exilanten mit der veränderten Umwelt
- Die individuelle Wahrnehmung und das persönliche Erleben des Exils
- Die Bedeutung von Kulturkontext und Fremdheitserfahrung
- Die Unterscheidung zwischen Fremdheit und Vertrautheit in der Exilsituation
- Die Auswirkungen der Exilbedingungen auf die Lebensgeschichten der Exilanten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den historischen Kontext des Exils in Shanghai beleuchtet und die Forschungslücke zur individuellen Fremdheitserfahrung innerhalb der bisherigen Forschung aufzeigt. Kapitel 2 führt in das Theoriefeld "Fremdheit" ein und legt den theoretischen Rahmen für die Analyse der autobiographischen Berichte. Kapitel 3 beleuchtet die historischen und politischen Bedingungen der Shanghai-Emigration sowie die Lebenssituation der deutsch-österreichischen Flüchtlingsgemeinde. Kapitel 4 bietet eine exemplarische Analyse der autobiographischen Berichte von Franziska Tausig und Wolfgang Hadda, wobei die individuellen Erfahrungen der Fremdheit, die Begegnungen mit dem Fremden, die sozialen Missstände und der Alltag in der Fremde im Fokus stehen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Exil, Fremdheit, Autobiographie, Shanghai, China, Kulturkontext, individuelle Wahrnehmung, Lebensgeschichte, deutschsprachiger Exilant, und Emigration.
- Quote paper
- Magistra Artium Ariane Goetz (Author), 2004, Exil in Shanghai. Über Fremdheitserfahrungen in den Autobiographien deutscher Exilanten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89029