Die Verständlichkeit von Texten aus kognitionspsychologischer Sicht


Trabajo Escrito, 2004

19 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Gliederung

1. Einleitung

2. Kognitionspsychologische Ansätze zum Textverstehen
2.1 Leser-Text-Interaktion
2.2 Die Schematheorie
2.3 Teilprozesse des Verstehens
2.3.1 Subsemantische Verarbeitungsprozesse
2.3.1.1 Phase der Informationsaufnahme
2.3.1.2 Phase der Buchstaben- und Worterkennung
2.3.2 Die Texttiefensstruktur
2.3.2.1 Propositionen
2.3.2.2 Propositionslisten
2.3.2.3 Semantisch-Syntaktische Analyse
2.3.2.4. Die Zyklische Textverarbeitung..
2.3.2.5. Kohärenzprobleme..
2.3.3 Elaborative Prozesse 11
2.3.4 Die semantische Makrostruktur
2.3.4.1 Markoregeln
2.3.4 Die Superstruktur

3. Wie lässt sich Verständlichkeit erreichen?

4. Fazit

5. Literaturliste

1. Einleitung:

Die Frage nach der Verständlichkeit von Texten weckt seit Jahrzehnten das Interesse von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen. Dabei ist das wissenschaftliche Interesse an möglichst zutreffenden Ergebnissen nicht die einzige Motivation, seit jeher ist es der Verständlichkeitsforschung auch daran gelegen, nützliche Ergebnisse für die Praxis der Textge-staltung zu erhalten. Mit Lesbarkeitsformeln und dem Hamburger Verständlichkeitsmodell wurden Kriterien entwickelt, anhand derer sich die Verständlichkeit von Texten messen lässt. Während die genannten Modelle ihr Augenmerk jedoch vor allem auf den Text selbst richten, hat sich die Kognitionspsychologie verstärkt den individuellen Verarbeitungsprozessen des Lesers zugewandt. Sie beschäftigt sich mit der Frage, was genau im Kopf des Rezipienten vor sich geht, während er einen Text liest. Der erste Teil der vorliegenden Arbeit stellt diese Verarbeitungsprozesse in ihrer idealtypischen Reihenfolge vor. Er thematisiert, wie Informationen aus dem Text aufgenommen und verarbeitet werden und wie der Leser aus den erhaltenen Informationen eine sinnvolle Wissensstruktur aufgebaut.

Im zweiten Teil der Arbeit wird gezeigt, wie sich die Erkenntnisse der Kognitionspsychologie für die konkrete Textproduktion nutzen lassen. Hier liefert die Verständlichkeitskonzeption von Kintsch und Vipond (1979) wichtige Anhaltspunkte, aus denen Regeln für die Produktion verständlicher Text abgeleitet werden. In einem abschließenden Fazit soll diskutiert werden, inwieweit sich die kognitionspsychologischen Kenntnisse zur Textverarbeitung auf die journalistische Arbeit übertragen lassen.

2. Kognitionspsychologische Ansätze zum Textverstehen

Bereits seit den 70er Jahren beschäftigt sich die Kognitionspsychologie mit dem Verstehen und Behalten von komplexem sprachlichem Material. Eine umfassende Theorie oder ein einheitliches kognitionspsychologisches Forschungsprogramm zur Textverarbeitung blieb sie bislang schuldig. Die folgende Darstellung der Textverarbeitung aus kognitionspsychologischer Sicht kann daher nicht allen Strömungen dieses Fachs gerecht werden, sondern beruht auf einer Auswahl.

2.1 Leser-Text-Interaktion

Kognitionspsychologen begreifen den Prozess des Lesens als eine Kommunikationssituation zwischen Leser und Text. Ballstaedt et al. (1981:15), die sich insbesondere mit Lehr- und Studientexten auseinandergesetzt haben, sehen den Ausgangspunkt dieser Leser-Text-Interaktion beim Autor, der über einen bestimmten Realitätsbereich Kenntnisse als Wissensstruktur in seinem Kopf hat, die er dem Nichtwissenden mit Hilfe des Textes vermitteln möchte. „Anschaulich vorstellen kann man sich eine solche Wissensstruktur als ein vielfältig verknüpftes Netz, in dem die Knoten Begriffe repräsentieren, die durch bestimmte Beziehungen miteinander verbunden sind“ (Heijnk 1997: 40). Indem er einen Text schreibt, vergegen- ständlicht der Autor dieses Netz in der Sprache, er externalisiert es auf das Papier. Das „Wissen wird durch das Schreiben (...) materialisiert“ (ebd.). In der Rezeptionssituation sieht sich der Leser nun vor die Aufgabe gestellt, aus dieser linearen Sequenz im Text wieder eine netzartige Wissensstruktur in seinem Kopf zu konstruieren (Ballstaedt et al.1981:15).

Diese Leser-Text-Interaktion verläuft in zwei Richtungen. Bei den aufsteigenden, textgeleiteten Verarbeitungsprozessen, oder Bottom-Up-Prozessen, bestimmt der Text welches Vorwissen im Kopf des Lesers aktiviert wird, bzw. welche Wissensstrukturen aufgebaut werden. In umgekehrter, absteigender Richtung steuern das Vorwissen und die Zielsetzung des Lesers was mit den Sinnesorganen aufgenommen wird (vgl. ebd:18). Diese Verarbeitung wird auch als Top-Down-Verarbeitung bezeichnet, „weil allgemeines Wissen auf einer hohen Ebene bestimmt, wie Wahrnehmungseinheiten auf einer niedrigen Ebene interpretiert werden“ (Anderson 1996:58). Leserspezifische Faktoren spielen bei der Textverarbeitung auf allen Ebenen eine wichtige Rolle.

Clifton und Slowiaczek (1981) kommen gar zu dem Schluss, dass neu aufgenommene Informationen nur dann sinnvoll verarbeitet werden können, wenn sie in irgendeiner Weise in das bereits vorhandene Wissen integriert werden können (ebd.:145f.). Um zu beschreiben, wie das Vorwissen und die Zielsetzungen des Lesers am Verstehensprozess beteiligt sind, hat der Begriff des Schemas weite Verbreitung gefunden, auf den im folgenden Abschnitt näher eingegangen werden soll.

2.2 Die Schematheorie

Mitte der 70er Jahre erlebte der bereits in den 20er Jahren verwendete Schemabegriff in der Kognitionspsychologie seine Wiedergeburt. Norman und Rumelhart (1978) begreifen Schemata als die primären Bedeutungseinheiten im Informationsverarbeitungssystem. Ihrer Ansicht nach ist der menschliche Geist ein Netzwerk miteinander verbundener Schemata, wobei diese wiederum aus anderen Schemata zusammengesetzt sein können. Die Verwendung des Schemabegriffs in der Kognitionspsychologie ist uneinheitlich. Dennoch lassen sich einige Charakteristika ausmachen, die alle Varianten des Schemakonzepts gemeinsam haben (vgl. Christmann 1989:76):

1. „Schemata repräsentieren in variierendem Abstraktionsgrad Wissen über Realitätsbereiche. Sie bestehen aus einer Konfiguration von Konzepten([1] ) und deren Interrelationen (z.B. Teil-Ganzes-Relationen, temporale, kausale, räumliche Relationen), die jeweils Abstraktionen der ursprünglich dargebotenen Konzepte darstellen“ (ebd.). So verfügt beispielsweise jeder über ein Kino-Skript, das sich aus den Erfahrungen zusammensetzt, die er oder sie mit diesen Einrichtungen gemacht hat. Das Kino-Schema kann also das Wissen darüber enthalten, dass es sich bei einem Kino um einen öffentlichen Raum handelt, dass ein Kino aus einem oder mehreren Vorstellungsräumen mit einer Leinwand und mehreren Stuhlreihen besteht oder dass es unterschiedliche Arten von Kinos (Autokino, Programmkino, 3-D-Kino,...) gibt. Was ein Kino-Schema beinhaltet, hängt von den individuellen Erfahrungen einer Person mit dieser Einrichtung und ihrem Vorwissen ab. Das Kino-Schema eines Filmtechnikers wird sich demnach grundlegend von dem einer Person unterscheiden, die mit dem Begriff die Erinnerung an ihre erste Liebe verbindet. Ein Schema ist folglich keine Definitionen eines Konzeptes, sondern ein „aus der Erfahrungen abgeleiteter Wissenskomplex“ (Ballstaedt et al. 1981:28).
2. „Schemata sind nach dem Allgemeinheitsgrad ihrer Konzepte hierarchisch organisiert.“ (Christmann 1989:76). Ein Schema kann mehrere Subschemata enthalten. Das Kino-Schema könnte beispielsweise ein Filmrollen-Schema als Subschema enthalten. Umgekehrt könnte das Kino-Schema aber gleichzeitig ein Subschema des Öffentlichkeits-Schemas sein.
3. „Schemata weisen Leerstellen oder Variablen (slots) auf, die durch die einkommende Informationen besetzt werden“ (ebd.) Dadurch wird die Engliederung neuer Informationen in die vorhandene Wissensstruktur möglich.
4. „Schemata generieren Erwartungen hinsichtlich der zu einem Schema passenden Information; diese Erwartungen leiten die Interpretation neu aufzunehmender Informationen und stützen die bei unvollständiger Informationsvorgabe notwendig werdenden Inferenzprozesse“[2] (ebd.). Bei einem Leser, der im Politikteil seiner Zeitung auf die Schlagzeile „Schröder verärgert“ stößt, wird beim Anblick dieser Nachricht das Zeitungsmeldungs-Schema aktualisiert. Er wird von dem weiteren Text erwarten, dass er ihn in der nachrichtentypischen Gliederung über den Grund für Schröders Verärgerung aufklärt (vgl. auch Abschnitt 1.3.5). Außerdem wird er schlussfolgern, dass es sich bei dem erwähnten „Schröder“ nicht um seinen Nachbarn Willi Schröder handelt, sondern um den Bundeskanzler.
5. „Prozessual sind Schemata durch das Zusammenwirken von datengeleiteten (bottom-up) und schemageleiteten (top-down) Verarbeitungsaktivitäten gekennzeichnet: Die aufzunehmende Information aktiviert bereits verfügbare Schemata, die ihrerseits wieder Subschemata, Hypothesen und Erwartungen hinsichtlich der neuen Information bereitstellen“ (ebd.).

Hinsichtlich der Textverarbeitung basieren die Schematheoretischen Ansätze auf der Annahme, dass das Verstehen und Behalten von Textinformationen in starkem Maße davon abhängt, ob und in welchem Ausmaß relevante Schemata aktiviert werden können (ebd.).

2.3 Teilprozesse des Verstehens

Der Vorgang des Textverstehens lässt sich zu Analyse- und Forschungszwecken in mehrere Stufen unterteilen, die in den folgenden Abschnitten beschrieben werden. Keineswegs verlaufen diese Teilprozesse jedoch aufeinander abfolgend. Vielmehr sind verschiedene Prozesse gleichzeitig an der Textverarbeitung beteiligt (vgl. Ballstaedt 1981:41).

2.3.1 Subsemantische Verarbeitungsprozesse

Zu Beginn des Verarbeitungsprozesses beim Lesen, sieht sich der Leser vor die Aufgabe gestellt, in einer Ansammlung von Druckerschwärze Buchstaben und Wörter zu erkennen (vgl. Ballstaedt 1981:41, Heijnk 1997:54f). In diesen subsematischen Verarbeitungsprozessen wird die visuelle Information in das menschliche Kognitionssystem aufgenommen und dann mit entsprechenden Einheiten im Lexikon des Lesers verbunden. Anlehnend an Ballstaedt (1981) werden diese beiden Phasen der subsemantischen Verarbeitung im Folgenden getrennt dargestellt.

2.3.1.1 Phase der Informationsaufnahme

Zahlreiche Untersuchungen der Augenbewegungen haben ergeben, dass der Blick beim Lesen nicht gleichmäßig über das Papier gleitet, sondern in sogenannten Sakkaden von einem Fixationspunkt zum nächsten springt (Rickheit 2002:94). Jeder dieser Sprünge dauert 5 bis 10 Millisekunden (1 Millisekunde = 1/1000 Sekunde) und umfasst etwa acht Zeichen. In der darauffolgenden Ruhephase fixiert der Leser eine bestimmte Textstelle für 0,2 bis 0,25 Sekunden. Nur während dieser Fixation werden Informationen aufgenommen. (Ballstaedt 1981: 42). Möchte man die Lesegeschwindigkeit erhöhen, so gelingt dies nicht, indem die Fixationszeiten verkürzt werden. „Es ist unmöglich, schon nach 0,1 Sekunden Fixationszeit eine Lesebewegung zum nächsten Punkt einer Zeile durchzuführen“ (Pöppel 1985:14). Das Gehirn benötigt mindesten 0,2 Sekunden für eine Fixation. Man wird also automatisch die Blicksprünge vergrößern, wenn man auf Geschwindigkeit aus ist, wodurch die Genauigkeit der visuellen Informationsaufnahme abnimmt: „es wird häufiger zum «Verlesen» kommen, da dann mehr Geschriebenes auf einen Blick erfasst werden muss“ (ebd.). Die Mechanismen des Gehirns begrenzen die Lesegeschwindigkeit durch ein weiteres unabänderliches Phänomen: die Augen können „nicht häufiger als fünf mal pro Sekunde bewegt werden“ (ebd.).

[...]


[1] Ein Konzept oder Begriff ist eine mentale Bedeutungseinheit, die auf der Zusammenfassung einzelner Objekt-Exemplare zu Klassen beruht. Das Konzept „Hund“ umfasst z.B. Pudel, Terrier, Nachbars Lumpi. Ein Konzept ist meist, aber nicht notwendigerweise, wortgebunden (vgl. Rickheitet al. 2002:18).

[2] „ Bedeutungserweiternde Anreicherung von Informationen im Verlauf ihrer Verarbeitung (liest man z.B. Paul rief den Notarzt, so kann man sich denken, dass Paul dazu wohl ein Telefon benutzt hat)“ (Rickheit et al. 2002:17); Schlussfolgerung.

Final del extracto de 19 páginas

Detalles

Título
Die Verständlichkeit von Texten aus kognitionspsychologischer Sicht
Universidad
University of Hamburg  (Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaften)
Calificación
1,0
Autor
Año
2004
Páginas
19
No. de catálogo
V89063
ISBN (Ebook)
9783638025447
ISBN (Libro)
9783656466581
Tamaño de fichero
464 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Verständlichkeit, Texten, Sicht
Citar trabajo
Kristina Patschull (Autor), 2004, Die Verständlichkeit von Texten aus kognitionspsychologischer Sicht, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89063

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