Im Mittelpunkt des Gesamtwerks von Alberto Moravia steht der Mangel an Kontakt mit der Realität. Als Resultat dieses Realitätsmangels entsteht die Langeweile, die vom Autor zwar erst 1960 in seinem gleichnamigen Roman La noia als eine Form der Entfremdung definiert wird; doch bereits Moravias erster, 1929 herausgegebener Roman Gli indifferenti beschäftigt sich mit diesem Phänomen.
Der Gegenstand der Gleichgültigkeit taucht in vielen seiner späteren Werke in allen Variationen als existentielle Krise des Individuums wieder auf und zeigt sich auch in der passiv-gleichgültigen Handlungsunfähigkeit der Charaktere. Moravia blieb quasi bis zu seinem Tod dieser Thematik treu. So wurde sein Schaffen als „immobilismo“ kritisiert und er selbst als ein „scrittore senza storia“ sowie „uno scrittore monotono“ bezeichnet, nicht nur wegen d er jahrzehntelangen Beschäftigung mit dieser Thematik, sondern auch der ähnlichen Personenkonstellation sowie der unveränderten Form und Sprache halber.
Wie die Sekundärliteratur zeigt, scheint Moravias Welt eine stillstehende und pessimistische zu sein. Es ist eine Welt, in der nicht nur keine anderen Werte außer Sex und Geld existieren, sondern in der es weder Hoffnung noch Liebe gibt. Offenbar sind Moravias Figuren zur Gleichgültigkeit und Langeweile verdammt, eingeschlossen in Einsamkeit und Traurigkeit; sie sind schwach, unfähig, hilflos und gehemmt.
Aber was bewegt einen Autor dazu, diese Thematik so beharrlich zu behandeln? Sind Moravias Romanfiguren wirklich so passiv, schwach und unfähig, wie sie scheinen? Wie äußert sich ihre Gleichgültigkeit, Langeweile und Trägheit und wie wirkt sich das auf ihre Handlungen aus? In diesem Zusammenhang untersucht die vorliegende Arbeit das Motiv der Schaffens- und Handlungshemmung sowie dessen erzählerische Vermittlung in Moravias Romanwerk.
Inhaltsverzeichnis
- EINFÜHRUNG. PESSIMISTISCHER IMMOBILISMUS?
- DER LITERATURGESCHICHTLICHE UND HISTORISCHE HINTERGRUND
- Die Problematik einer literarischen Einordnung von Moravias Werken
- Gesellschaftskrise und Literatur. Die Identitätssuche im 20. Jahrhundert
- MORAVIAS WELT- UND MENSCHENBILD
- Die Einflüsse der Philosophie und Psychologie
- Wertekrise durch Geld und sexuelle Triebe. Die Bezüge zu Marx und Freud
- L'uomo come fine: Der entfremdete Mensch
- DIE GESETZMÄBIGKEIT IM ROMANWERK
- Das Titelprogramm, die Handlung und die Figuren
- Gli Indifferenti, die Basis nahezu aller Werke
- Autobiographische Aspekte
- DAS MOTIV DER SCHAFFENS- UND HANDLUNGSHEMMUNG
- L'amore coniugale, L'attenzione und La noia – Eine Übersicht
- Keine Alternative zwischen Liebe und Schaffen
- Vergebliche Suche nach Unverfälschtheit im Schaffen und Handeln
- Die erdrückende Langeweile
- Die wichtigsten hemmenden Faktoren
- Ausgangspunkt: Der mangelnde Bezug zur Realität
- Der psychisch labile Zustand der Figuren
- Sexualität und Triebhaftigkeit
- Ablehnung der Mittelmäßigkeit und der Norm
- Das zerstörerische Prinzip des Intellekts
- Die Resultate des Unvermögens und der Schwäche für die Handlungen
- Das Nicht-Handeln
- Das Scheitern der künstlerischen Absichten
- Träumereien und Phantasie
- Die Unmöglichkeit einer echten Kommunikation
- Mechanische und programmatische Handlungen
- Doppeldeutigkeit
- Die verspätete Erkenntnis
- Die düstere Außenwelt der Figuren
- ENTFERNUNG VON DER DÜSTERNIS UND AUSSICHTSLOSIGKEIT IN GL INDIFFERENTI?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit widmet sich der Analyse des Motivs der Schaffens- und Handlungshemmung in ausgewählten Werken von Alberto Moravia. Sie untersucht, wie die Figuren in ihren Handlungen und ihrer Kreativität gehemmt sind, welche Faktoren zu dieser Hemmung führen und wie diese Thematik in Moravias Romanwerk erzählerisch vermittelt wird.
- Die Problematik der Realitätsflucht und die daraus resultierende Langeweile als zentrales Thema in Moravias Werken
- Die Analyse der psychischen und sozialen Faktoren, die zur Handlungsunfähigkeit der Figuren beitragen
- Die Rolle von Sexualität, Triebhaftigkeit und Intellektualität in der Hemmung der Figuren
- Die Auswirkungen der Schaffens- und Handlungshemmung auf die Beziehungen der Figuren und ihre Interaktion mit der Außenwelt
- Die Frage, ob es in Moravias Werken Momente der Hoffnung und Befreiung von der Tristesse gibt
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung, die das zentrale Thema der Schaffens- und Handlungshemmung bei Moravia einführt und den Fokus auf die Frage nach der Ursache dieser Hemmung legt. Anschließend werden die literaturgeschichtlichen und historischen Hintergründe beleuchtet, um Moravias Werke in einen Kontext einzuordnen und die gesellschaftlichen Einflüsse auf seine Thematik zu verdeutlichen. Im dritten Kapitel wird Moravias Welt- und Menschenbild analysiert, wobei der Schwerpunkt auf den philosophischen und psychologischen Einflüssen liegt. In den Kapiteln vier und fünf steht Moravias Romanwerk im Vordergrund. Es wird die Gesetzmäßigkeit seiner Werke untersucht, die Figuren und Handlungen werden beleuchtet und das Motiv der Schaffens- und Handlungshemmung anhand ausgewählter Romane wie L'amore coniugale, L'attenzione und La noia analysiert.
Schlüsselwörter
Alberto Moravia, Schaffenshemmung, Handlungshemmung, Langeweile, Gleichgültigkeit, Realitätsflucht, Entfremdung, psychische Verfassung, Sexualität, Intellektualität, italienische Literatur, Romanwerk, existenzielle Krise.
- Arbeit zitieren
- Krisztina J. Kreppel (Autor:in), 2004, Schaffens- und Handlungshemmung der Figuren und ihre erzählerische Vermittlung in ausgewählten Werken Moravias, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89187