Religiöses Dogma und die Unsterblichkeit der Seele in Heinrich Heines "Romanzero"


Hausarbeit, 2006

14 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Gedichtinterpretationen
2.1 Der Apollogott
2.2 Himmelsbräute
2.3 Auferstehung

3. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Als Heinrich Heines Romanzero 1851 erschien, war die Erwartungshaltung der Zeitgenossen groß. Das lag unter anderem daran, dass in den vorangegangenen Jahren in Deutschland immer wieder Gerüchte über Heines religiöse Ansichten und seine angebliche Bekehrung die Runde gemacht hatten. Die literarische Öffentlichkeit erhoffte sich von dem neuen Gedichtband Antwort auf die Frage, ob Heine der Alte geblieben sei oder sich die Gerüchte als zutreffend erweisen würden.[1] Auf diese erwartungsvolle Neugier bezog Heine sein Nachwort zum Romanzero.[2]

Darin erklärt er, „zum größten Ärgernis meiner aufgeklärten Freunde“[3], seine Absage an die Hegelianer und „meine alten Heidengötter“[4]. Er bestätigte seine „Heimkehr zu Gott“, begründete sie damit, dass er in seiner elenden Situation „nun einen Gott begehrt, der zu helfen vermag“ und spricht von der „Unsterblichkeit der Seele“, die ihm „alsdann mit in den Kauf gegeben“ würde.[5] Zugleich betont er jedoch, seine „religiösen Überzeugungen und Ansichten“ seien „frei geblieben von jeder Kirchlichkeit“ und er habe seiner „Vernunft nicht ganz entsagt“.[6] Die Reaktionen auf den Gedichtband waren heftig und überwiegend ablehnend. Klerikal gesinnte Rezensenten warfen ihm Blasphemie, Unaufrichtigkeit und Koketterie in Fragen der Religion vor. Die „aufgeklärten Freunde“ wiederum störten sich weniger an den vermeintlichen Blasphemien, als an Heines behaupteter Bekehrung und seinen religiösen Äußerungen. Wieder andere waren sich nach der Lektüre des Romanzero und seines Nachwortes uneinig darüber, ob Heine wirklich zum Glauben zurückgekehrt sei oder nicht.[7]

Derartig gegensätzliche Reaktionen und so viel Verwirrung legen den Gedanken nahe, dass der Romanzero überhaupt keine sichere Aussage darüber erlaubt, wie es Heine mit der Religion hielt. Zumindest auf das Nachwort trifft dies zu. Dem Bekenntnis zu einem persönlichen Gott und einem von jeder Kirchlichkeit unabhängigen Glauben folgt keinerlei Präzisierung. Stattdessen ironisiert Heines sein Bekenntnis, indem er die Unsterblichkeit der Seele einen „schöne[n] Markknochen“[8] nennt, den man beim Schlachter unentgeltlich als Dreingabe zu dem eigentlichen Einkauf erhält, mit dem er den Glauben an einen persönlichen Gott auf diese Weise implizit vergleicht. Die Ironie, mit der er über die Unsterblichkeit der Seele spricht, setzt sich fort. Unter dem Vorwand, seinen Glauben an die Fortdauer nach dem Tode zu bekräftigen, persifliert er Swedenborgs Jenseitsvorstellungen und weckt damit Zweifel an seinem Bekenntnis.

Eine nahe liegende Reaktion auf diese ironische Brechung ist sicherlich, sie als Ausdruck von verbliebener Skepsis gegenüber dem eigenen Bekenntnis zu werten. Einzuwenden ist jedoch, dass Heine sich im Nachwort nicht über den Glauben an ein Leben nach dem Tode amüsiert, sondern sich lediglich über Swedenborgs Vorstellungen davon lustig macht. Dies kann natürlich die Maskerade für ein generelles Misstrauen gegenüber jeglicher Art von Jenseitsglauben sein, muss es aber nicht. Vielmehr ist es so, dass Heine hinter solchem Spott gekonnt seine persönlichen Anschauungen verbirgt. Rückschlüsse auf seinen Glauben oder seine Skepsis gegenüber Glaubensvorstellungen sind – zumindest auf der Grundlage des Nachwortes – überhaupt nicht möglich.

Die drei religiösen „Hauptbekenntnisse“ Heines im Nachwort sind der Glaube an einen persönlichen Gott, die fortdauernde Unabhängigkeit von jedem religiösen Dogma und der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele. Während sich in den Gedichten keinerlei Hinweis für eine Bekehrung zu Gott findet,[9] werden religiöse Vorstellungen und Dogmen ebenso wie die Auferstehung der Seele wiederholt thematisiert. Ziel der vorliegenden Arbeit soll es darum sein, anhand von drei exemplarisch ausgewählten Gedichten festzustellen, ob der Romanzero Heines im Nachwort getroffene Selbstauskunft in Glaubensfragen, nämlich die bewahrte geistige Unabhängigkeit und der Glauben an die Fortdauer der Seele, bestätigt. Bei den behandelten Gedichten handelt es sich um Der Apollogott, Himmelsbräute und Auferstehung.

2. Gedichtinterpretationen

2.1 Der Apollogott

Dieses Gedicht wird meist als Auseinandersetzung Heines mit dem Problem des Dichtertums und der schwierigen Künstlergestalt interpretiert. Demnach habe Heine die idealisch erhöhte Gestalt des romantischen Dichters dessen banaler Alltagsexistenz gegenübergestellt und letztlich die Aussage getroffen, dass ein Dichter trotz oder sogar wegen seiner Unzulänglichkeiten immer Dichter bleibe.[10] Andere Interpreten gehen noch weiter und sind der Ansicht, Heine habe sich mit der Außenseiterstellung des exilierten Apollos identifiziert und dessen Interessen vertreten.[11]

Diese poetologischen Deutungsansätze sind überzeugend und wohl zutreffend. Darüber hinaus jedoch stellt das vielschichtige Gedicht auch das Christentum, das Judentum und den Hellenismus einander gegenüber. In der Begegnung der jungen Nonne mit Apollo zeigt sich das Christentum der Antike in Gestalt einer ihrer Götter nicht gewachsen.[12] Die Nonne wird als eine Gefangene dargestellt, die durch ein „Gitterfenster“ (V. I/3) auf den Rhein hinabschaut. Das Kloster selbst, auf einem Felsen hoch über dem Rhein erbaut, erinnert an die zahlreichen Rheinburgen und erhält damit Festungs- und letztlich Gefängnischarakter. Gefangen gehalten wird die Nonne von den restriktiven Vorschriften des Klosterlebens und ihren Gelübden, die nicht nur Keuschheit, sondern umfassende Askese verlangen und ihr damit jegliche Lebensfreude verweigern.

Diese Lebensfreude fährt in der zweiten Strophe in Gestalt Apollos als Personifikation von Musik, Gesang und Dichtkunst auf einem „Schifflein märchenhaft“ (V. I/5) den Rhein entlang. Hinter ihrem Gitterfenster steht die „junge Nonne und lauschet“ (V. I/4) seinen Liedern und beobachtet ihn und seine Musen. Als „schöner blondgelockter Fant“ (V. I/9) wird Apollo beschrieben, die Musen sind „marmorschöne Weiber“ mit „schlanken Leiber[n]“ (V. I/14 u. 16). Unübersehbar ist die auf optische Schönheit ausgerichtete körperliche Komponente. Sie zielt genau auf das Keuschheitsgelübde der Nonne ab und zeigt, dass es auch, aber eben nicht nur das „lieblich“ (V. I/17) gesungene Lied ist, welches „[i]ns Herz der armen Nonne dringt“ (V. I/19). Das Kreuz, das die Nonne mehrmals zur Abwehr schlägt, vermag „die süße Qual“ und „die bittre Wonne“ (V. I/23 u. 24) nicht zu verscheuchen. Somit ist nicht nur die Nonne – eine Braut Christi – machtlos gegen die sexuelle Attraktion Apollos und die Wirkung seiner Kunst, sondern auch Jesus selbst bzw. die christliche Kirche mit allen ihren Gelübden und Verboten. Jesus und Kirche vermögen ihre „Bräute“ lediglich einzusperren, sprich der klösterlichen Klausur zu unterwerfen.

[...]


[1] Bartelt, Frauke, Entstehung und zeitgenössische Aufnahme des „Romanzero“ von Heinrich Heine.
Studien im Zusammenhang einer historisch-kritischen Edition, Diss. Kiel 1973, S. 86 u. 88.;
Höhn, Gerhard, Heine-Handbuch. Zeit – Person – Wirkung, Stuttgart 2004, S. 137-138.

[2] Bartelt, Entstehung und Aufnahme, S. 92.

[3] Heine, Heinrich, Nachwort zum Romanzero, S. 200. (Allen Zitaten aus dem Nachwort und den be-
handelten Gedichten liegt folgende Ausgabe von Reclam zugrunde: Heinrich Heine, Romanzero,
hg. v. Bernd Kortländer, Stuttgart 1997.)

[4] Ebd., S. 202.

[5] Ebd., S. 200.

[6] Ebd., S. 202.

[7] DHA 3/2, S. 951-952; Bartelt, Entstehung und Aufnahme, S. 136-140 sowie Destro, Alberto, Öffent-
lich und privat. Die Beurteilung des „Romanzero“ bei den Behörden, in gedruckten Rezensionen und
in privaten Briefmitteilungen, in: Der späte Heine: 1848-1856, Literatur – Politik – Religion, hg. v.
Wilhelm Gössmann und Joseph A. Kruse, Hamburg 1982, S. 60-61.

[8] Heine, Nachwort, S. 200.

[9] Siehe hierzu auch Lefebvre, Jean-Pierre, Nachwort. Der RomanZero oder Götzens Enfant perdu, in:
Heine, Heinrich, Romanzero, hg. v. Bernd Kortländer, Stuttgart 1997, S. 282-283.

[10] DHA 3/2, S. 623-624;. Bartelt, Entstehung und Aufnahme, S. 64.

[11] Höhn, Heine-Handbuch, S. 142 u. 148.

[12] Landwehr, Helmut, Der Schlüssel zu Heines „Romanzero“ ( = Poetica. Schriften zur Literaturwissen-
schaft 56), Hamburg 2001, S. 174.

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Details

Titel
Religiöses Dogma und die Unsterblichkeit der Seele in Heinrich Heines "Romanzero"
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1
Autor
Jahr
2006
Seiten
14
Katalognummer
V89189
ISBN (eBook)
9783638025997
Dateigröße
376 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Religiöses, Dogma, Unsterblichkeit, Seele, Heinrich, Heines, Romanzero
Arbeit zitieren
Tatjana Schäfer (Autor:in), 2006, Religiöses Dogma und die Unsterblichkeit der Seele in Heinrich Heines "Romanzero", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89189

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