Diarios de motocicleta / The motorcycle diaries

Analyse narrativer Merkmale


Dossier / Travail de Séminaire, 2007

25 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Road Movie - Elemente
2.1 Bewegung und Fortbewegung
2.2 Thematisierung der Reisemotive und Ziele

3. Ernestos `äußere´ und `innere´ Reise
3.1 Die Reise als narrative Einheit
3.2 Von Buenos Aires bis Chile
3.3 Von Chile bis San Pablo
3.4 Auf der Leprastation in San Pablo

4. Zusammenfassung und Fazit

5. Literaturverzeichnis

« La solidaridad es la ternura de los pueblos» (Ché Guevara)

1. Einleitung

Diarios de motocicleta ist eine internationale Co-Produktion des brasilianischen Filmregisseurs Walter Salles, u. a. produziert von Robert Redford. Der Film ist kein Dokumentarfilm, sondern ein biographisch orientierter Film, der nicht die Ikone Ché Guevara, sondern die 1952 unternommene neunmonatige Reise des jungen Medizinstudenten Ernesto Guevara und des Biochemikers Alberto Granados durch Lateinamerika thematisiert, basierend auf den Büchern Diarios de motocicleta (von Ernesto Guevara) und Con el Che por America Latina (von Alberto Granados). Ernesto wird durch den mexikanischen Schauspieler Gael García Bernal repräsentiert, Alberto durch den Argentinier Rodrigo de la Serna. Der Film erzählt, wie zwei junge Männer aus dem argentinischen Buenos Aires einen lang ersehnten Traum verwirklichen und sich auf eine abenteuerliche Reise durch Südamerika begeben. Er schildert den fortschreitenden Prozess hin zu einer veränderten Weltansicht Ernestos sowie den Beginn der allmählichen Entwicklung seiner revolutionären Ambitionen.

Im Folgenden soll untersucht werden, inwiefern der Film als ein typisches Road Movie bezeichnet werden kann und welche Rolle die Bewegungs- und Fortbewegungsthematik darin spielen. Weiterhin soll, mittels einer Auseinandersetzung mit der narrativen Dimension des Films, der Versuch unternommen werden, den allmählichen Prozess der Identitätsbildung des zukünftigen Revolutionärs Che Guevara und dessen Verhältnis zu seiner Umwelt und den anderen Figuren im Film nachzuzeichnen, zumal die aufgeführten sozialen Interaktionen einen wichtigen Beitrag zu seiner inneren Selbstfindung leisten.

2. Road Movie - Elemente

2.1 Bewegung und Fortbewegung

Zur Kategorie des Road Movies gehören nicht bloß Straßenfilme im engeren Sinne, sondern auch Reisefilme, die in jeder erdenklichen Art und Weise das Unterwegssein einer oder mehrerer Figuren thematisieren. Das besondere Kennzeichen des Road Movie ist der Aufbruch einer oder mehrerer Figuren von einer vertrauten Welt, einem Ort A, in eine unbekannte Welt, einem Ort Z, oder, innerhalb einer kreisförmigen Struktur, erneut zum bekannten Ort A.

In Diarios de Motocicleta spielt das Motiv der Reise eine übergeordnete Rolle. Die Hauptmotivation der beiden Protagonisten bei ihrem Reiseantritt besteht in jugendlicher Abenteuer- und Reiselust. 1952 steht der dreiundzwanzigjährige Ernesto, ein Lepraspezialist, kurz vor seinem medizinischen Studienabschluss. Zusammen mit seinem Freund Alberto, einem Biochemiker, beschließt er Buenos Aires zu verlassen und eine Reise durch den südamerikanischen Kontinent anzutreten. Auf einer Landkarte zeichnen die beiden Freunde die geplante Reisestrecke auf: sie beabsichtigen am 4. Januar 1952 von Buenos Aires nach Patagonien zu fahren, sich von dort aus Richtung Chile zu bewegen, von da aus, der Küste entlang, in den Norden zu reisen, in 6000 Kilometern Höhe die Anden zu überqueren und bis zur alten Inkastätte Macchu Picchu zu gelangen. Von dort aus soll die Reise bis zur Leprastation San Pablo im peruanischen Amazonasgebiet weitergehen. Das vorläufige Reiseziel ist bereits vor dem Reisestart bekannt: es ist die Halbinsel Guajira in Venezuela, welche den nördlichsten Punkt des Kontinents einnimmt.

Das Vorstellen eines Landes oder eines Kontinentes ist ein zentraler Aspekt vieler Road Movies, und so stehen auch in diesem Film landeskundliche Aspekte im Vordergrund. Gemäß der typischen Handlungsstruktur eines Road Movie zeigt der Film die Fortbewegung der Protagonisten von einem Ort A, Buenos Aires, zu einem Ort Z, der nördlichen Halbinsel Guajira, und ist von permanenten Ortsveränderungen und Zwischenstationen begleitet. Zwar ist das Reisen bzw. die Bewegung vom Anfang bis zum Ende ein wichtiger Teilbestandteil des Films, jedoch besteht die Handlung, ebenfalls gemäß einem typischen Road Movie, aus verschiedenen Episoden, welche nur in Form von verschiedenen, geplanten oder nicht geplanten (beispielsweise fahrzeugbedingten) Stationen der Reise realisiert werden können. Die geplanten Zwischenstationen für die bevorstehende Reise befinden sich in Argentinien (als Ausgangspunkt der Reise), Chile, Peru und zuletzt Venezuela. Schriftzüge informieren den Betrachter über die Orte, an denen sich die Handlung abspielt, sowie über die durch die Reisenden zurückgelegten Kilometer und über das jeweilige Datum bei der Ankunft in den geplanten Zwischenstationen. Doch auch die vielen Landschaftsaufnahmen sowie die jeweils landestypischen Sprachakzente geben Zuschauern, die mit Lateinamerika vertraut sind, Aufschluss über die jeweiligen Aufenthaltsorte der beiden Reisenden.

Ein weiteres wichtiges Element des Genres Road Movie ist die Thematisierung der Fortbewegungsmittel, welche nicht als reine Transportmethoden fungieren, sondern i. d. R. dem Ausdruck eines zentralen Gefühls individueller Macht, Gewalt oder Freiheit dienen[1]. Nachdem die Protagonisten sich von Ernestos Familie, einer dem wohlhabenden argentinischen Bürgertum entstammenden, aber von sozialistischem Gedankengut geprägten Familie verabschiedet haben, brechen sie mit wenig Geld aber mit großer Euphorie und Unbeschwertheit auf ihrer Norton 500, der `Allmächtigen´, in Buenos Aires auf. Das Motorrad, mit dem Namen `la poderosa´ (= die Allmächtige) dient dabei dem Ausdruck des Macht- und Freiheitsgefühls der Protagonisten. Sie allein gibt ihnen zu Anfang die Kontrolle über ihr Vorhaben. Jedoch liefert diese personifizierende und idealisierende Bedeutung, welche dem Transportmittel zugewiesen wird, dem Zuschauer, in Verbindung mit den anfänglichen technischen Problemen, auch Anzeichen für den späteren Wendepunkt, von dem an die Reisenden ihren Weg zu Fuß und per Anhalter fortsetzen müssen. Bereits auf der ersten zurückgelegten Strecke von Buenos Aires bis Chile gibt es mehrere Unterbrechungen der Fahrt. Sie hängen mit den technischen Schwierigkeiten des Motorrades zusammen und kündigen dessen zukünftigen Ausfall an.

Ein typisches Road Movie besteht aus Fahrten und Stationen und wechselt zwischen Außenraum- und Innenraumszenen. Die Innenraum- bzw. Stillstandsszenen dürfen dabei nicht stark überwiegen, da ein Road Movie erst durch die thematisierte Bewegung seine Berechtigung erhält. Die Dialektik zwischen Bewegung und Stillstand ist für den Handlungsverlauf entscheidend. Stillstandssequenzen erfolgen aus unterschiedlichen Anlässen für Stopps, welche meist durch einen notwendigen Wechsel der Fortbewegungsmittel bedingt sind.

Bei der Untersuchung des Reise- und Fortbewegungsmotivs es wichtig, das Moment der `äußeren´ Reise stets in den Kontext einer `inneren´ Fortbewegung zu setzen, zumal das physische Vorankommen der beiden Hauptfiguren sich parallel zu ihrer mentalen Reise vollzieht und nicht unabhängig voneinander betrachtet werden kann. Aus diesem Grunde soll nicht bloß auf die konkrete Reiseroute, sondern zugleich auch auf die Struktur der Handlungskonstruktion und die Figurencharaktere eingegangen werden, da die landeskundlichen und soziokulturellen Aspekte des jeweiligen geographischen Raumes zu dem Prozess der mentalen Veränderung der Protagonisten, insbesondere der Hauptfigur Ernesto, beitragen. In den folgenden Kapiteln soll nach und nach untersucht werden, auf welche Weise im Film dieser Prozess der Selbstfindung Ernestos bzw. des zukünftigen Che Guevaras konstruiert wird.

2.2 Thematisierung der Reisemotive und Ziele

Die Nennung der Reisemotivationen und Ziele zu Beginn des Films ist ein typisches Element der Handlungskonstruktion eines Road Movie. In jedem Road Movie werden vor dem Beginn einer Fortbewegung von einem Ort A zu einem Ort Z, gewisse Reisemotive und Ziele vorgestellt, welche der anschließenden Bewegung als Grundlage dienen. Die Gründe für einen Aufbruch in einem Road Movie können verschiedene sein: so kann es den Reisenden z. B. darum gehen, aus reiner Neugierde ein neues Ziel zu erreichen. In der Regel geht es in Road Movies um die Veränderung gegebener Verhältnisse, welche sich erst mittels der fluchtartigen Fortbewegung von einem Ort zu einem oder zu mehreren anderen verwirklichen lässt. Fluchtgedanken oder auch die Suche nach der eigenen Identität können ebenfalls Reisemotive sein. In diesem Fall sind die Protagonisten „eher Suchende, die ihr Leben nicht in den Griff kriegen“ und losziehen, „um herauszufinden, was noch geschieht, irgendwie hoffend, dass so auch etwas mit ihnen geschieht“[2]. Sie nehmen Äußeres wahr, „auf dass sich auch Inneres verändert“[3].

Bei Ernesto ist eine solche Selbstfindung erst im Verlauf des Films und in einem langsamen Prozess der Auseinandersetzung mit dem Fremden zu beobachten, ohne im Voraus zu den ihm bewussten und konkret genannten Motivgründen zu zählen. Hierbei ist es auch wichtig zu erwähnen, dass Ernesto zu Anfang nicht so stark von den Reiseplänen seines Freundes überzeugt zu sein scheint wie Alberto selbst.

Während die Protagonisten konkrete Ziele vor Augen haben, legen sie einen geringeren Wert auf eine konkrete methodische Planung der Reise. Dies wird zu Beginn durch den Satz „el método: improvisación“ deutlich gemacht. Die Charaktereigenschaften der beiden jungen Männer werden zusammen mit deren Reisemotiven und Zielen gleich zu Beginn des Films vorgestellt, während die beiden Freunde ihre Taschen packen und der temperamentvolle und sorglose Alberto mit sichtlicher Vorfreude ein inhaltlich passendes Lied des in den 1930er Jahren berühmten argentinischen Tangosängers französischer Abstammung Carlos Gardel singt: Adios muchachos. Das Lied wird in die Handlung integriert, da es Abschied und Lebensveränderung thematisiert.

Die konkreten Ziele Ernestos und Albertos bestehen darin, in vier Monaten eine Strecke von 8000 Kilometern zurückzulegen. Alberto schlägt vor, am Reiseziel Guajira, der nördlichsten Halbinsel des Kontinentes, Urlaub zu verbringen. Keiner der beiden fürchtet eventuelle Schwierigkeiten und Hindernisse der bevorstehenden Reise oder zweifelt daran, dass ihnen bei ihrer Ankunft an ihrem Ziel Guajira zum Feiern und zu Urlaub zumute sein wird. Die beiden Freunde leben in den Tag hinein und nehmen das Leben mit Leichtigkeit. Sie möchten ihren eigenen Kontinent, der ihnen nur aus Büchern bekannt ist, kennen lernen und erforschen. Alberto freut sich auf die schönen Frauen, die er in Lateinamerika kennen lernen wird und äußert Ernesto gegenüber den Wunsch, die Reise in Venezuela mit einer Feier anlässlich seines dreißigsten Geburtstages abzuschließen, was sich am Ende des Films als ein strategischer Täuschungsversuch entpuppt, um Ernesto zu einer erhöhten Anstrengung während des Reisens zu motivieren. Auch wenn Ernesto kaum an der Begegnung mit schönen Frauen interessiert ist und sein Herz allein seiner Freundin Chichina gehört, gegenüber der er sich aufrichtig, treu und ehrlich zu verhalten beabsichtigt, verbindet beide Freunde Abenteuerlust, Rastlosigkeit, grenzenlose Lebensfreude, träumerischer Geist, Freiheitsstreben und ein besonderes Interesse an ihrem Kontinent . Diese Eigenschaften stellen die primären Beweggründe für ihre Reisepläne dar. Die Filmszenen sind von verbalisierten Inhalten aus den o. a. Tagebüchern begleitet, welche das Geschehen untermalen.

Das Ziel der Reise ist in Road Movies für die Handlung häufig von sekundärem Interesse und nicht notwendigerweise der ausschlaggebende Faktor für den Aufbruch. Meist geht es eher um das Unterwegssein an sich. Der Wille zur Fortbewegung entspricht dabei häufig, so auch in Diarios de Motocicleta, dem Willen zur freien Entscheidung über das eigene Leben, das den kulturellen Normen der vertrauten Zivilisation entgegensteht. Von Beginn an sind die Figuren Ernesto und Alberto von dem für Identität suchende Road Movie - Helden typischen Willen zum Trotz gegen die Konventionen ihrer gesellschaftlichen Umgebung bestimmt. In den ersten Sequenzen dient die Kürze der Sätze, durch welche der Ich-Erzähler Ernesto die Hauptfiguren vorgestellt, dem Ausdruck der kompromisslosen Entschlossenheit der Figuren. Nicht nur durch ihre selbst gewählten Spitznamen, Ernesto alias `el fuser´ (= der Zünder), sowie Alberto alias `vagabundo científico´ (= wissenschaftlicher Vagabund) wird ihr Selbstverständnis deutlich: beide fühlen sich von der sie umgebenden Gesellschaft distanziert und sind nicht bereit, sich in bestehende kulturelle oder gesellschaftliche Muster und Strukturen einzufügen.

[...]


[1] Vgl. Grob, Norbert/Klein, Thomas (Hgg.), Road Movies, Mainz: Ventil Verlag KG 2006, 11.

[2] Grob, Norbert/Klein, Thomas (Hg.), Road Movies, Mainz: Ventil Verlag KG 2006, 9.

[3] A.a.O., 18.

Fin de l'extrait de 25 pages

Résumé des informations

Titre
Diarios de motocicleta / The motorcycle diaries
Sous-titre
Analyse narrativer Merkmale
Université
University of Paderborn  (Romanistik)
Cours
Road Movies in Spanien und Lateinamerika
Note
1,0
Auteur
Année
2007
Pages
25
N° de catalogue
V89433
ISBN (ebook)
9783638028950
Taille d'un fichier
405 KB
Langue
allemand
Mots clés
Diarios, Road, Movies, Spanien, Lateinamerika
Citation du texte
Isabel Weinrich (Auteur), 2007, Diarios de motocicleta / The motorcycle diaries, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89433

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