Der Anfang vom Ende des Investiturstreites

Die Gedankenmodelle des 'Tractatus de investitura episcoporum' und des Privilegs Paschalis’ II. vom 12. Februar 1111


Term Paper, 2007

19 Pages, Grade: 1,0


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Inhalt

Einleitung

1. Der Romzug Heinrichs V. 1110/ 1111
1.1 Der ‚Tractatus de investitura episcoporum’
1.2 Die Ereignisse von 1111

2. Das Privileg Paschalis’ II. vom 12. Februar 1111

3. Bedeutung für die Lösung des Investiturstreites

4. Schlussbetrachtung

Quellen- und Literaturverzeichnis

Einleitung

Am 23. September 1122 fand mit dem ‚Wormser Konkordat’ der fast ein halbes Jahrhundert währende Streit zwischen ‚sacerdotium’ und ‚regnum’ ein Ende. Der Investiturstreit, der später den Namen für diese Epoche prägen sollte, erschütterte den traditionellen Einheitsgedanken von Königtum und Papsttum. Eine Lösung konnte nur in einem Dualismus der Gewalten erwirkt werden, zu sehr waren kirchliche Institutionen mit weltlichen Gewalten verwoben, traditionelle Hoheitsrechte verankert und Territorialansprüche geltend gemacht.[1]

Gerade Paschalis II. hatte die Problematik des Verhältnisses zwischen der weltlichen und geistlichen Einflusssphäre deutlich erkannt. Zur Lösung des Investiturproblems beabsichtigte er 1111 in seinem Privileg vom 12. Februar die wohl radikalste und konsequenteste Form der Gewaltenteilung bzw. des reformerischen Entweltlichungsbestrebens der Kirche: die Rückgabe der in kirchlichen Besitz befindlichen Regalien an das Reich im Austausch mit dem Investiturverzichts Heinrich V.

Trotz des Scheiterns der Verhandlungen von 1111 haben die daraus hervorgegangenen Erkenntnisse wesentlich den Weg geebnet, den Investiturstreit zu einer Lösung zu führen. Zwar hatte schon Ivo von Chartres zu einer begrifflichen Scheidung von Spiritualien und Temporalien beigetragen, aber erst im Privileg Paschalis’ II. mit Zusammenwirkung des von königlicher Seite verfassten ‚Tractatus de investitura episcoporum’ findet der Gedankengang seine Entsprechung durch eine lehnsrechtliche Interpretation des Verhältnisses zwischen Bischof und König. Die damit zusammenhängenden Besitzansprüche werden geltend gemacht und somit auch ein Investituranspruch des Königs abgeleitet werden.

In den Geschehnissen des Jahres 1111 wird die Gesamtproblematik des Investiturstreits deutlich, vor allem die Abhängigkeiten zwischen ‚regnum’ und ‚sacerdotium’ und auch die neue aufstrebende Macht der geistlichen und fürstlichen Territorialfürsten zeigt bereits hier ihren politischen Einfluss.

Anhand des ‚Tractatus de investitura episcoporum’ und des Privilegs Paschalis’ vom 12. Februar und mit der Schilderung der Ereignisse von 1111 sollen die wesentlichen Gedankenmodelle und auch die Abhängigkeitsverhältnisse und Verflechtungen der Gewalten herausgearbeitet und beurteilt werden, um sie in einem weiteren Schritt hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Lösung des Investiturstreites mit dem Wormser Kon-kordat zu beleuchten.

1. Der Romzug Heinrichs V. 1110/ 1111

Ließen das anfängliche Entgegenkommen seitens Heinrichs V. Paschalis II. noch glauben machen, man könne schnell zu einer befriedenden Lösung in der Investiturfrage finden, änderte sich dies jedoch damit, dass Heinrich V. in der Folge weiterhin Bischöfe durch Investitur mit Ring und Stab einsetzte, auch wenn er jegliche Simonie vermied, obwohl Paschalis II. 1106 auf der Synode von Guastalla das Investiturverbot erneuert hatte. Er hatte Heinrichs V. Bitte abgelehnt ihm das ‚ius imperii’[2] zu gewähren, worunter Heinrich neben der Investitur, Mannschaft und Treueid, auch die Mitwirkung bei der Wahl der Bischöfe verstand. Heinrich V. hielt nach wie vor an der Investitur mit Ring und Stab fest. 1108 verschärfte Paschalis II. seine Haltung und drohte mit der Exkommunikation.[3] Dennoch war es im Verlauf nicht dazu gekommen und es zeigte sich auch, dass Paschalis II. (Zusicherung der Kaiserkrönung) und auch Heinrich V. es nicht zu einem Bruch kommen lassen wollten[4] und eine Verständigung für möglich bzw. unumgänglich hielten[5].

Anfang des Jahres 1110 eröffnete Heinrich V. auf einem Reichstag in Regensburg den dort versammelten Fürsten seine Pläne zu einem Italienzug. Der Streit um die Investitur sollte nun endgültig zu einer beiderseitigen befriedigenden Lösung geführt werden, doch diente der Romzug ebenso dem Ziel seiner Kaiserkrönung[6]. In einem freiwilligen Eid versicherten ihm die Fürsten begeistert ihre Teilnahme und Heinrich V. begann nun mit der Rekrutierung eines 30.000 Mann starken Heeraufgebotes und der Zusammenstellung seines Gefolges, das aus gelehrten und angesehenen Männern bestand, denn er „wußte, daß der Römische Staat einst nicht so sehr mit Waffen als vielmehr mit Weisheit regiert zu werden pflegte“[7]. Im August desselben Jahres brach man auf.[8]

1.1 Der ‚Tractatus de investitura episcoporum’

Bereits 1109 hatte Heinrich V. eine Gesandtschaft unter der Leitung der Erzbischöfe Friedrich von Köln und Bruno von Trier nach Rom vorausgeschickt, um Vorverhandlungen mit Paschalis II. zu führen.[9] In der Geschichtswissenschaft wird einhellig die These vertreten, dass ihr eine anonyme Begleitschrift, der bekannte ‚Tractatus de investitura episcoporum’, mitgegeben wurde, der allem Anschein nach auf den Geschichtsschreiber Sigebert von Gembloux zurückgeht und im Auftrage des Hofes verfasst wurde.[10] Es handelt sich wohl „um ein politisches Memorandum, eine Gesandteninstruktion oder eine Unterlage für den mündlichen Vortrag in einem kleinen Kreis von Sachverständigen,“[11] zur Vorlage bei der Kurie und zur Vermittlung in der Frage der Investitur, welche/s in enger Beziehung zu den vorausgegangenen Verhandlungen von Châlons 1107 steht. In historisch-rechtlichem Sinn begründet und verteidigt der Traktat den Anspruch auf eine Laieninvestitur und macht Vorschläge zur Lösung des Investiturproblems in Anlehnung an die bereits durch Ivo von Chartres gemachte Unterscheidung von Spiritualien und Temporalien.[12]

Im ersten Teil wird der historisch-rechtliche Begründungsversuch vorgenommen, dass das Investiturrecht der Könige und Kaiser auf das (gefälschte) Dekret Papst Hadrians I. zurückgehe, in dem er Karl dem Großen und seinen Nachfolgern die Investitur erteilt hätte. Und ebenso seien vor Hadrian I. und im weiteren Verlauf der Geschichte Bischofseinsetzungen durch die Könige und Kaiser die gängige und von der Kirche anerkannte Praxis gewesen, so dass daraus ebenso ein Gewohnheitsrecht erwachsen sei. Ausdrücklich wird auch auf die reichen Beschenkungen und auf den gewährten Schutz und die Verteidigung seitens des Königtums und auf die gegenseitige Unterstützung seit der Zeit Konstantins I. verwiesen.[13] Hierdurch möchte der Verfasser das Anrecht auf eine Investitur beweisen, aber ebenso bekräftigen, dass nur dadurch der Kirche ein ausreichender Schutz seitens des Königtums gewährleistet würde. Auch wird hier schon angedeutet, was im Weiteren im Traktat noch entfaltet wird und für diese Hausarbeit als wichtiger Punkt hervorgehoben werden soll: Der Traktat macht die Ableitung, dass sich das Investiturrecht bzw. der -anspruch aus den von Alters her gemachten Übertragungen von weltlichen Gütern und Rechten an die Kirche und den damit entstandenen Lehnsverhältnissen ergibt. Die Investitur wird hier als Belehnungsakt verstanden.

Der Traktat erläutert in Folgendem, dass vor den Zeiten Silvesters I. die Kirchen arm gewesen seien, seitdem

„aber von Silvester an die Kirchen durch die christlichen Könige und Kaiser beschenkt und bereichert und erhöht wurden, in Grundstücken und in anderen beweglichen Gütern, und die Rechte der Gemeinschaften an Zöllen, Münzen, Meiern und Schöffen, Grafschaften, Vogteien, Bannsprüchen der Sendgerichte durch die Könige den Bischöfen überlassen wurden, ist es angemessen und folgerichtig gewesen, daß der König […] den Bischof investire und inthronisire und so entgegen einem Einbruch von Feinden wisse, wem er seine Gemeinschaft anvertraue, da er eben sein Recht in das Haus jener Bischöfe übertragen hat.“[14]

Und der Traktat erklärt, dass der König von einem armen Bischof keiner Lehnshuldigung und keiner Eidesleistung bedürfe.[15] Hier werden Armut mit Freiheit und Reichtum mit Bindung miteinander verbunden und gegenseitig in Kontrast gesetzt. Man könnte also schlussfolgern: Wenn die Kirche weiterhin ihren Reichtum wahren und erweitern möchte, dessen Umstand sie den Königen verdankt, so muss sie ebenso die königlichen Rechte und demzufolge eine Anbindung anerkennen und, was der letzte Teil impliziert, dass eine arme Kirche frei von jeglicher Bindung an den König geblieben wäre.[16] Allerdings scheint der Verfasser vielmehr den Umstand hervorheben zu wollen, dass ohne eine Vergabe der Regalien, der Besitzstand und die Einnahmen des Königs nicht geschmälert worden wären, und keine Lehnsbindung nötig gewesen wäre, die ja die Servitialleistungen beinhaltet, die der König zum Unterhalt und zur Truppenaufbringung bedarf und natürlich bekräftigen, dass die Kirche ihren Reichtum dem König zu verdanken habe. Es lag aber bestimmt nicht in der Absicht des Verfassers, hier die Möglichkeit der Wiederherstellung des Zustandes der ‚armen Kirchen’ anzubieten. Man kann deutlich erkennen, dass das Verhältnis zwischen der Kirche und dem Königtum lehnsrechtlich definiert wird: Der Empfänger erhält Regalienrechte und Schutz, der Geber Treue, Gefolgschaft und Servitialleistungen[17]. Das Recht der Investitur wird daher aus den Regalienvergaben und dem damit eingegangenen Lehnsverhältnis abgeleitet.

Ein anderer Passus - für den Verfasser des Traktates besonders bedeutsam[18] - sei auch hier hervorzuheben:

[...]


[1] Vgl. Struve, T.: Art. „Investiturstreit, -problem“. In: Bautier, Robert-Henri et al. (Hrsg.): Lexikon des Mittelalters (Hiera-Mittel bis Lukanien 5) München 1991, Sp. 481.

[2] Vgl. Hartmann, Wilfried: Der Investiturstreit (Enzyklopädie deutscher Geschichte 21). München 1993, S. 36 f.

[3] Vgl. hierzu Laudage, Johannes: Gregorianische Reform und Investiturstreit. Darmstadt 1993, S. 50 f.; Goez, Werner: Kirchenreform und Investiturstreit 910 - 1122. Stuttgart/Berlin/Köln 2000, S. 173 ff.; Blumenthal, Uta-Renate: Der Investiturstreit. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1982, S. 174 ff.; Tellenbach, Gerd: Die westliche Kirche vom 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert (Die Kirche in ihrer Geschichte 2). Göttingen 1988, S. 217 ff.

[4] Hier dürften wohl auch Befürchtungen des Papstes vor einem erneuten Schisma eine Rolle gespielt haben. Vgl. dazu Servatius, Carlo: Paschalis II. (1099-1118). Studien zu seiner Person und seiner Politik (Päpste und Papsttum 14). Stuttgart 1979, S. 214.

[5] Vgl. Tellenbach (wie Anm. 3), S. 219

[6] Daneben nennt die Chronik Ekkehards noch die Ziele: die Befriedung und die Wiederherstellung des Einflusses in Italien. Vgl. Ekkehardi chronica, Recensio III. In: Frutolfs und Ekkehards Chroniken und die Anonyme Kaiserchronik, hrsg. und übers. von Franz-Josef Schmale und Irene Schmale-Ott (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 15). Darmstadt 1972, S. 253.

[7] Ebd., S. 255.

[8] Vgl. ebd., S. 253 - 255; Meyer von Knonau, Gerold: Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V. (Jahrbücher der deutschen Geschichte 6, 1106-1116). Leipzig 1907, S. 114 ff.; Weinfurter, Stefan: Reformidee und Königtum im spätsalischen Reich. Überlegungen zu einer Neubewertung Kaiser Heinrichs V. In: Ders. (Hrsg.): Reformidee und Reformpolitik im spätsalisch-frühstaufischen Reich (Quellen und Abhandlungen zur Mittelrheinischen Kirchengeschichte 68). Mainz 1992, S. 32.

[9] Vgl. Meyer von Knonau (wie Anm. 8), S. 105.

[10] Zur Beweisführung vgl. Krimm-Beumann, Jutta: Der Traktat „De investitura episcoporum“ von 1109. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters (DA) 33 (1977), S. 38 ff.

[11] Ebd., S. 38.

[12] Vgl. ebd., S. 37 ff.; Die Historiker sehen auch eine Beeinflussung durch die Lösung des Investiturproblems in England durch das Londoner Konkordat von 1107 (Classen, wie Anm. 20, S. 416).

[13] Vgl. Tractatus de investitura episcoporum, hrsg. von Bernheim (Liebelli de lite imperatorum et ponitficum saeculis XI. et XII. conscripti, II, 498 - 504). Nach: Meyer von Knonau (wie Anm. 8), S. 105 ff.

[14] Ebd., S. 109.

[15] Vgl. ebd. S. 109.

[16] Vgl. hierzu auch Minninger, Monika: Von Clermont zum Wormser Konkordat. Die Auseinandersetzung um den Lehnsnexus zwischen König und Episkopat (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 2). Köln 1978, S. 157.

[17] Servitialleistungen werden im Traktat an keiner Stelle genannt, jedoch ergibt sich die Annahme aus den oben angeführten Schlussfolgerungen.

[18] Vgl. Meyer von Knonau (wie Anm. 8), S. 109.

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Der Anfang vom Ende des Investiturstreites
Subtitle
Die Gedankenmodelle des 'Tractatus de investitura episcoporum' und des Privilegs Paschalis’ II. vom 12. Februar 1111
College
Technical University of Braunschweig  (Historisches Seminar)
Course
König und Papst im Konflikt. Der Investiturstreit
Grade
1,0
Author
Year
2007
Pages
19
Catalog Number
V89473
ISBN (eBook)
9783638033428
ISBN (Book)
9783638929714
File size
531 KB
Language
German
Keywords
Anfang, Ende, Investiturstreites, König, Papst, Konflikt, Investiturstreit
Quote paper
Annika Singelmann (Author), 2007, Der Anfang vom Ende des Investiturstreites, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89473

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