Seit 1989 hat sich die Anzahl der Häftlinge in Österreichs Justizanstalten um rund ein Drittel auf 9.084 Insassen (Stand: 1.März 2007) erhöht.
Obwohl unser Rechtssystem von einer individualistischen Strafauffassung ausgeht, lebt kein Individuum und daher auch kein Rechtsbrecher losgelöst von sozialen Beziehungen, sodass mit der Zahl der Gefangenen auch die Zahl der Angehörigen steigt. Schätzungen sprechen in Österreich von ungefähr 20.000 bis 30.000 Mitbetroffenen des Strafvollzuges.
Während es eine große Menge an wissenschaftlicher Literatur und empirische Studien zur Gefangenenpopulation gibt, bleiben die in der Regel multiplen Problemlagen der Angehörigen weitgehend ausgeblendet. Sie gelten auch in Österreich nach wie vor als eine nicht wahrgenommene Zielgruppe der Forschung und auch der Sozialarbeit.
Ich gehe in meiner Arbeit der Frage nach, welche spezifischen Betreuungsangebote weibliche Familienangehörige von österreichischen Strafgefangenen benötigen, insbesondere um das Familiensystem bzw. die Beziehung so weit zu stabilisieren, dass es auch nach der Haft noch aufrecht und damit als Ressource für die gesellschaftliche und berufliche Wiedereingliederung vorhanden ist.
Dazu habe ich mit neun weiblichen Angehörigen von Inhaftierten der Justizanstalt Stein im Zweimonatsabstand über einen Zeitraum von neun Monaten - Juli 2006 bis März 2007 - jeweils ein teilstrukturiertes qualitatives Interview geführt. Ich wollte herauszufinden, welcher konkreten Unterstützung sie bedürfen bzw. auf welche Ressourcen sie zur Bewältigung der für sie neuen Lebens- und Beziehungssituation zurückgreifen können. Durch diese Studie möchte ich auch herausfinden, ob sich ihre Bedürfnisse im Laufe der Haft verändern und welche Strategien die Frauen entwickeln, sich in ihre Situation einzufinden.
Diese Arbeit soll den Angehörigen von Inhaftierten größere Beachtung verschaffen und sucht nach Ansatzpunkten für Verbesserungen der derzeitigen Situation.
Inhaltsverzeichnis
- Abstract
- 1. Einleitung
- 2. Theoretische Grundlagen
- 2.1 Das Strafvollzugssystem in Österreich
- 2.2 Die Situation der Angehörigen von Inhaftierten
- 2.2.1 Die rechtliche Situation
- 2.2.2 Das Leben der Angehörigen
- 2.3 Soziale Arbeit mit Angehörigen von Inhaftierten
- 2.3.1 Die Rolle der Sozialarbeit
- 2.3.2 Hilfesysteme für Angehörige
- 3. Forschungsmethodik
- 3.1 Forschungsdesign
- 3.2 Stichprobenziehung
- 3.3 Datenerhebung
- 3.4 Datenauswertung
- 4. Ergebnisse
- 4.1 Die Lebenswelt der Interviewpartnerinnen
- 4.2 Die Unterstützungsmöglichkeiten und Bedürfnisse der Angehörigen
- 4.3 Die Bewältigung der Situation durch die Frauen
- 5. Diskussion
- 5.1 Die Situation der Angehörigen von Inhaftierten im Vergleich mit anderen Studien
- 5.2 Implikationen für die Praxis
- 6. Zusammenfassung
- 7. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit widmet sich der Untersuchung der Situation von Angehörigen von Inhaftierten in Österreich und analysiert, welche spezifischen Betreuungsangebote weibliche Familienangehörige benötigen, um die Familienbeziehungen trotz der Inhaftierung zu stabilisieren. Die Arbeit befasst sich mit der Frage, welche Ressourcen den Frauen zur Bewältigung der besonderen Lebens- und Beziehungssituation zur Verfügung stehen und ob sich ihre Bedürfnisse im Laufe der Haft verändern.
- Die Situation von Angehörigen von Inhaftierten in Österreich
- Die rechtliche Situation der Angehörigen
- Die Rolle der Sozialarbeit in der Unterstützung von Angehörigen
- Die Bedürfnisse und Unterstützungsmöglichkeiten von weiblichen Angehörigen
- Die Bewältigung der Situation durch die Frauen
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel liefert eine Einführung in die Thematik der Diplomarbeit und skizziert die Problematik, die Angehörigen von Inhaftierten in Österreich erleben. Es wird die These aufgestellt, dass Angehörige als eine nicht wahrgenommene Zielgruppe der Sozialarbeit gelten. Das zweite Kapitel widmet sich den theoretischen Grundlagen und behandelt das Strafvollzugssystem in Österreich, die Situation der Angehörigen von Inhaftierten, die rechtliche Situation, die Lebenswelt der Angehörigen sowie die Rolle der Sozialarbeit und bestehende Hilfesysteme. Das dritte Kapitel beschreibt die Forschungsmethodik der Arbeit. Das vierte Kapitel präsentiert die Ergebnisse der qualitativen Interviews, die mit neun weiblichen Angehörigen von Inhaftierten durchgeführt wurden. Die Ergebnisse beleuchten die Lebenswelt der Frauen, ihre Bedürfnisse, Unterstützungsmöglichkeiten und ihre Strategien zur Bewältigung der Situation. Das fünfte Kapitel diskutiert die Ergebnisse im Kontext der relevanten Literatur und zieht Implikationen für die Praxis. Das sechste Kapitel fasst die wichtigsten Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Arbeit zusammen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt die Themenbereiche Strafvollzug, Angehörige von Inhaftierten, Sozialarbeit, Familienbeziehungen, Bedürfnisse, Unterstützungsmöglichkeiten, Bewältigungstrategien, qualitative Forschung, Österreich.
- Arbeit zitieren
- Mag.a(FH) Christiane Hundsbichler (Autor:in), 2007, Angehörige von Inhaftierten. Eine nicht wahrgenommene Zielgruppe der Sozialarbeit in Österreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89660