Die wirtschaftliche Entwicklung Kanadas und ihre Auswirkungen auf den kanadischen 'Prairie-writer' Robert Kroetsch


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2002

13 Pages, Note: 2


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1.0) Einleitung

2.1) Die wirtschaftliche Entwicklung Kanadas bis Anfang des 20. Jahrhunderts
2.2)Wirtschaftliche und soziale Aspekte des Prärielebens und deren Einflußauf das Leben und Werk Robert Kroetschs

3.) Ausblick: Wirtschaftliche Perspektiven

4.) Zitatnachweis und Bibliographie

1.0) Einleitung

Diese Arbeit konzentriert sich auf die Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung Kanadas und zwar besonders der agrarwirtschaftlichen Entwicklung .

Im zweiten Teil der Abhandlung wird vorwiegend der Zeitraum von Geburt des Schriftstellers Robert Kroetsch (1927) bis zum Erscheinen des Seed Catalogue (1977) untersucht. Dies wurde deshalb so ausge­wählt, da es Ziel ist, zu zeigen, einerseits welche Probleme und Chancen sich im Laufe der wirtschaftlichen Entwicklungen ergaben, wie und warum sich diese vollzogen, wie das Leben damals in der Prärie Kanadas aussah und andererseits, welche sozialen und wirt­schaftlichen Umstände zur Zeit Kroetschs Kindheit und Jugend ihn beeinflusst haben könnten, und wie diese Erfahrungen sich auf sein Leben und Werk ausgewirkt haben könnten.

Es sollen die biografischen Hintergründe beleuchtet werden, unter denen die Frage „How do you grow a poet?“ [1] entstanden sein könnte und unter denen Kroetsch diese Frage beantwortet.

Ferner möchte diese Arbeit auch eine kurze Schlussfolgerung in Form eines Ausblicks geben, der die wirtschaftlichen Perspektiven Kanadas im 21. Jahrhundert darstellt.

2.1) Die wirtschaftliche Entwicklung Kanadas bis Anfang des 20. Jahrhunderts

Die Weite Kanadas wird schon aus dem kanadischen Wappenspruch deutlich: “ A mari usque ad mari“ (von Meer zu Meer) erstreckt es sich mehr als 5500 Kilometer breit über den amerikanischen Kontinent und ist das zweitgrösste Land der Erde. Es ist heute in zehn Provinzen und zwei Territorialgebiete eingeteilt und hat ca. 27,3 Mio. Einwohner.

Die ersten „Einwohner“ waren Inuit und Indianer. Sie kamen ca.12000 v. Chr. über die damals noch bestehende Landbrücke aus dem nordostasiatischen Raum nach Nord­amerika. Die ersten wirtschaftlichen Handelsbeziehungen manifestierten sich im Tausch­geschäft zwischen Nachfahren eben dieser Ureinwohnern Kanadas und den ersten englischen, französischen und spanischen Fischern, die sich an den Küsten Neufundlands niedergelassen hatten, um von den reichen Fischbeständen zu profitieren. Besonders der Handel mit Biberpelzen, die im Europa des 16. Jahrhunderts sehr in Mode waren, war äußerst rentabel. Doch durch den Pelzhandel als wichtigste und profitabelste Einnahmequelle wurde das Etablieren einer Landwirtschaft erschwert, so dass es erst im 18. Jahrhundert nennenswerte ländliche Bewirtschaftung gab.

Auf der Suche nach einem Umschlagplatz für das Pelzgeschäft errichtete der Franzose Samuel de Champlain, später Gouverneur von Französich- Kanada, 1608 ein Winterlager am St. Lorenz- Strom. So entstand die Siedlung Quebec. Erst ab 1775, mit Beginn der Einwanderung der Empire- Loyalisten, die sich im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg neutral verhalten wollten und deshalb nach Kanada auswanderten, wandelte sich Kanada in ein überwiegend englischsprachiges Land.

Viele Siedler folgten später dem Beispiel Champlains und ließen sich am Ufer des St. Lorenz- Stroms nieder, so dass Dank dieser Bewässerungsmöglichkeit und den frucht­baren Böden erste grössere landwirtschaftliche Bemühungen und Erfolge ermöglichte und so eine Art Lebensader der Kolonie darstellte. Erst Ende des 18. Jahrhunderts wurde auch das abseits des Wasser gelegene Farmland genutzt.

Maßgeblich für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes waren anfänglich vier Handelsprodukte, sogenannte ’staple goods‘: Fisch, Tierfelle (Biberpelze), Holz und Getrei­de.

Die allmähliche, aber stetige Ablösung des Pelzhandels durch die Holzwirtschaft, hatte ihre Ursachen im hohen baustofflichen Wert des Holzes, welches besonders für die Produktion von Flotten in England und in ansteigendem Maße auch für den Bau von Siedlungen und Betrieben im Land verwendet wurde. Der Warenaustausch und der Handel nahmen merklichen Aufschwung, besonders Toronto und Montreal entwickelten sich zu Handelszentren. Auch die Vereinigung zwischen Ober- und Unterkanada zu einem Kanada (Act of Union, 1840) ließdie Handelsschranken fallen und förderte den Handel. Der Ausbau der kurzen Eisenbahnstrecken, die als Verbindung zwischen den Endpunkten des Wassertransports dienten, zu einem vergleichsweise umfangreichen Streckennetz von ca. 3300 km (1861), begünstigte diesen Aufschwung. Er erleichterte, beschleunigte und intensivierte den Güterverkehr und damit den Handel. Zudem erforderte die Bahn die Entwicklung neuer Industrien, z.B. entstanden Lokomotiv- und Walzwerke, Gießereien und Waggonfabriken.

In der kanadischen Prärie, in der auch Robert Kroetsch aufwuchs, machten Dürre, früher Frost, Ungezieferplagen (Heuschrecken) und das schwierige Klima den Siedlern zu schaffen, die sich in der Hoffnung auf unerschlossenes Farmland dorthin vorgewagt hatten. Problematisch war das Prärieklima deswegen, weil es im Sommer sehr heiss und trocken war, im Winter maßman in eisiger Winterskälte Temperaturen bis -45°C. Diese Witterung machte die beschwerliche landwirtschaftliche Arbeit noch kräftezehrender. Das Leben in der Prärie war geprägt von Strapazen, Verzicht und Anpassung an die natürlich

Gegebenheiten. Doch bis Anfang des 20. Jahrhunderts war man der Probleme Herr geworden, sei es durch eben dieses Arrangement mit den Gegebenheiten oder durch technischen Fortschritt, und so kam es, dass bereits ungefähr 70 % der Präriegebiete, die sich vom Red Deer River bis zu den Rocky Mountains erstrecken, mit Weizen und zum Teil auch mit Gerste bestellt werden konnten. Diese Entwicklung machte Kanada bzw. die Prärie Kanadas zum größten Weizenexporteur. Neue Technologien in der Agrarökonomie wie z.B. erste Dreschmaschinen erleichterten die Feldarbeit, die Innovation des Kühltransports beispielsweise ermöglichten den Übergang zu Viehhaltung, Milchwirtschaft und Obstanbau. Dennoch ersetzten sie nicht die althergebrachte Knochenarbeit auf den Feldern:

„ […] farmers relied on oxen for power and seeded by hand (broadcasting), and, despite the presence of nineteen-century inventions such as the binder and threshing machine, their harvest still was dependent on large crews and considerable manual labour […] “ [2]

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde sich auf neue Herausforderungen konzentriert: Möglichkeiten des Transports, der schnelleren Aussaat, der bequemeren Vorgehensweise bei der Ernte, aber auch die Chancen auf dem Weltmarkt wurden in Hinblick auf den Absatz ihres erwirtschafteten Getreides von den „Farmers of the Rural West“ abgewägt.

Obwohl es schon Maschinen zur Ertragssteigerung und Vereinfachung der Feldbestellung gab, blieben sie den wohlhabenderen Siedlern vorbehalten und schnell kristallisierte sich eine Hierachie in der ländlichen Gesellschaft heraus. Ganz oben auf der Leiter der Klassengesellschaft standen Familien englisch- kanadischer Herkunft, die sich mit ihrem beträchtlichen finanzieller Hintergrund zahlreiche Feldarbeiter leisten konnten, was eine schnelle und ertragreiche Ernte begünstigte und so wiederum einen profitablen Produkt-absatz gewährte. Diese Familien genossen hohes Ansehen und bestimmten ganz entscheidend das lokale gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben. Die Mittelklasse bildeten die „Durchschnittsfamilien“. Sie hatten mittelgrosse Farmen, konnten sich in der Erntezeit immerhin ein bis zwei Feldarbeiten leisten anzustellen und wurden gesellschaft-lich respektiert. Die Mitglieder der untersten Schicht dieses Klassensystems waren verhältnismäßig arm und besaßen nur kleine, wenig zentral gelegene Farmen. Sie ließen nicht andere für sich arbeiten, sondern boten vielmehr ihre eigene Arbeitskraft an, um sich ein Zubrot zu verdienen. Auch die Tagelöhner ohne (Grund-) Besitz, die lange und schwer für eine geringe Bezahlung arbeiteten, gehörten dieser Gruppe an, ebenso jene, die die „Regeln der Respektabilität“ verletzt haben, z.B. Farmer, die sehr nachlässig wirtschafteten oder dem Alkohol mehr zusprachen als der Arbeit.

Die vorherrschende Rolle der Landwirtschaft in den Prärieprovinzen, verzögerte die Ausweitung der Industrialisierung, die teilweise und in ihren Anfängen eingesetzt hatte. Als das in neuem Patriotismus aufgeflammte Kanada an der Seite Englands am ersten Weltkrieg (1914-1918) teilnahm, gewann es einen internationalen Status, dessen Folge eine extreme Förderung der kanadischen Wirtschaft war. Diese Phase wird vielfach als entscheidender Schub in Richtung Industrialisierung gesehen. Doch auch für die etablierte Landwirtschaft war die Kriegszeit rentabel, denn der Krieg in Europa wirkte sich natürlich nachteilig auf das europäische Agrarwesen aus und so gewann Kanada als Lieferant an Bedeutung: „Während der Kriegsjahre wurde fast noch einmal soviel Prärieland unter den Pflug genommen, als 1913 bewirtschaftet worden war.“ [3]

2.2) Wirtschaftliche und soziale Aspekte des Prärielebens und deren Einflußauf das Leben und Werk Robert Kroetschs

Nach den Jahren der blühenden Ökonomie war die Weltwirtschaftskrise 1929 für Kanada ein tiefer Einbruch. Die 30er Jahre gingen als „ dirty thirties“ in die Geschichte ein, doch im Grunde begann die landwirtschaftliche Krise der Prärie schon vor dem Wall Street - Kollaps. Im Sommer 1929 fielen die Weizenpreise und zu allem Überflußwar die Getreideernte nicht sehr gut, denn die Ähren wiesen nur sehr kleine Körner auf. Diese Kombination aus geringen Preisen und schlechter Ernte bedingte einen ersten wirtschaftlichen Rückschlag, die regressiven Exporte, Stillegung von Fabriken, Stagnation der Produktion durch die Weltwirtschaftskrise besorgten ein Übriges: Massenarbeitslosigkeit, Konjunkturrückgang und Unzufriedenheit in der Bevölkerung waren die Folgen. Auf dem Höhepunkt der Depression 1933 erreichte die Arbeitslosigkeit 20%, doch während sich der internationale Markt seinerzeit langsam wieder erholte, wurden die Schwierigkeiten im ländlichen Westen Kanadas immer gravierender.

Im Juni, als normalerweise leichte Regenfälle das Wachstum des Getreides anregten, fegte der erste Sandsturm über die Prärie. Die Jahre von 1931- 1934 waren geprägt von Dürreperioden, die die Ernte zu einem Desaster werden ließen. Der Winter 1936 war der kälteste der Geschichte, es folgte Blizzard auf Blizzard und die Farmer hofften, dass diese Feuchtigkeit wenigstens dem ausgedörrten Boden zu Gute kommt. Doch auch der folgende Sommer brach alle Rekorde – er machte aus den fruchtbaren Grassteppen Kanadas Wüsten und zerstreute so die Hoffnungen auf eine Ernte. Doch nicht nur das Wetter war ein Problem, auch Ungezieferplagen und die beginnende Versalzung der Böden bedingten das Farmsterben in Alberta.

In jenem problembelasteten Jahr 1936 war Robert Kroetsch 9 Jahre alt. Er erlebte die Landwirtschaft in seiner Kindheit als schwere und monotone körperliche Arbeit.

39 Jahre später, 1975, findet er in den Glenbow Archives[1] den Katalog eines Samenhändlers aus dem Jahre 1917. Daraus entsteht 1977 der Seed Catalogue, ein Gedichtszyklus, in dem sich jedes der Gedichte, die im Zusammenhang eine Einheit ergeben, auf eine andere Eintragung des Händlers bezieht. Die Frage/ das Gedicht

„How do you grow a poet ?“ hat vermutlich einen biografischen Hintergrund. Kroetsch, der in Heisler, in der Prärieprovinz Alberta geboren wurde, gibt zu verstehen, dass er diese, für ihn reizlose, Arbeit nicht beruflich ausüben möchte, sie aber in ihrer Tradition respektiert.

Auf Seite 16 des S eed Catalogue führt er einige zur landwirtschaftlichen Arbeit verwendete Werkzeuge an. Die monotone Weise der sich wiederholenden Satzstruktur bei der Beschreibung der Werkzeuge scheint auf die Arbeit übertragen werden zu können, für die die Werkzeuge benutzt werden. Man hat dabei den Eindruck, der Dichter wisse genau, wovon er spricht –weil er wahrscheinlich als Kind dieses Wissen eindringlich und wiederholt vermittelt bekam– und ebenso hat man das Gefühl, dass dem Autor diese Lernstunden in der Kindheit und auch diese agrarische Arbeit zuwider waren.

Die Zeilen „First off I want you […]“ wirken wie das Ende eines Dialog zwischen einem Jungen, der ein Gedicht schreiben möchte, eine Metapher für den Wunsch Schriftsteller werden zu wollen, und einem Vater der dies nicht befürwortet oder sogar verbietet. Diese Darstellung könnte Kroetschs eigene Erfahrungen widerspiegeln, sich Vorurteilen stellen oder auch Traditionen entgegensetzen zu müssen.

Denn der Wunsch oder gar das Bedürfnis einer geistigen Arbeit nachgehen zu wollen, scheint ein genauer Gegensatz zu dem zu sein, was in dieser Zeit Tradition in Alberta war: landwirtschaftliche Arbeit. Die Opposition stellt sich hier sogar noch komplexer und subtiler dar: körperliche Arbeit als Tradition versus geistige Arbeit als Novum, für Kroetsch sogar als eine Art Erfüllung. Er argumentiert in seinen Texten und besonders im Seed Catalogue für das Leben als „writer“. Dieser Terminus verbindet sowohl die nüchterne Berufsbezeichnung ’Schriftsteller‘, als auch die romantische ‘Dichter’, obwohl Kroetsch explizit zwischen ‘fiction’ und ‘poetry’ unterscheidet. So zeigt er, in einem Vergleich zwischen diesen beiden Genres [4], dass man mit ’poetry‘ gewaltige Bilder des Geistes schaffen und beschreiben kann. Auch bezieht sich der ganze Text unter der Frage

„How do you grow a poet ?“ eher auf ‘poetry’ statt auf ‘fiction’, denn das scheint für Kroetsch sein Element zu sein, obwohl er auch Prosa geschrieben hat z.B. den Roman Badlands (1975). Man bekommt den Eindruck, als sei für Kroetsch auch Prosa (‘fiction’) noch ‘poetry’ und zwar in der Hinsicht, dass er nach seiner Definition auch mit Epik noch dichtet, d.h. Bilder erschafft, etwas bewegen kann, seine Umwelt vergisst und gewisser-maßen in eine neue Welt eintaucht.

Die Beschreibungen der Prärie in Kroetschs Text als eine öde, trostlose Gegend mit spärlicher natürlicher Vegetation, lässt darauf schließen, dass das Prärieleben ebenso trostlos und trist wie auch anstrengend und kräftezehrend ist. Dies lässt einen neuen Gegensatz erkennbar werden: den zwischen dem Leben in der Prärie und dem Leben als Schriftsteller. So verdeutlicht der Vers „And the next time you want to write a poem we’ll start the haying“ [5] die Gesamtheit der Probleme, die sich einem jungen, angehenden ‘Prairie-writer’ in den Weg stellen: Ein Gedicht zu schreiben, hilft nicht dabei, das Heu einzubringen. Es widersetzt sich dem, was die Menschen in der kanadischen Prärie seit Jahrhunderten tun: die Felder bestellen, ernten, Unkraut jähten. Schreiben ist nichts, was diesen Arbeiten zuträglich wäre, geschweige denn sie erleichtert. Es lässt sich nicht verkaufen, wie Weizen, ist also nichts, womit man Geld verdienen kann um sich und seine Familie zu ernähren. Diese Vorurteile von der „brotlosen Kunst“ stellen sich dem Wunsch des potentiellen Dichters entgegen. Mit den Versen: “This is a prairie road. […] poet… say uncle.[6] “ allegorisiert Kroetsch das Gedicht als seinen Weg und erklärt, dass die Spur eines Dichters seine „Seite“ ist, d.h. dass er identifizierbar wird, durch das, was er tut und dass er erst jemand wird, wenn er etwas tut, also etwas schreibt. In einer Welt voller Nichts (‘nowhere’), tut er etwas, was für ihn sinnvoll ist. All dies ist mit der Prärie als Landschaftsform und als Lebensraum verbunden, was Kroetsch durch die Metaphern und Anekdoten (‘tall tales’[7] ) zeigt, die die Prärie zum Gegenstand haben (e.g. the prairie road, the porcupine [8] ).

Er lässt erkennbar werden, dass die Prärie selbst ihn dazu bringt, ein Dichter werden zu wollen, obwohl er diesem Ort auch entfliehen will, mit dem ihn eine Art Hass- Liebe verbindet.

Eine weitere Schwierigkeit, die wiederum aus den gegebenen Umständen in der Prärie resultiert, ist der Mangel an Inspiration, den Kroetsch in Seed Catalogue beklagt. In der ironischen und kritischen Darlegung [9], was eine Stadt in der Prärie ausmacht, wird aufgezählt was ihr fehlt, um eine Inspiration zu bieten, beispielsweise: „ the absence of Sartre and Heidegger, the absence of books, journals, daily newspapers, the absence of ballet and operas“ oder auch „ the absence of a condom dispenser, the absence of psychiatrists“. Es sind also die Normalitäten und Selbstverständlichkeiten, die den gesellschaftlichen Alltag typisieren, z.B.: Bildung und die Möglichkeit dazu, Nachrichten und Neuigkeiten, Kultur und Zerstreuung und Skandale und Absurditäten, an deren Stelle lethargische Monotonie und widerspruchslos Fügung in die Gegebenheiten tritt, die Kroetsch ebenso kritisiert. Er provoziert, indem er zu sagen scheint: Wenn man in der Prärie lebt und Schriftsteller werden will, ist es schon deshalb kaum möglich, weil man nicht weiß, über was man schreiben soll, denn es passiert hier nie etwas. Aber vielleicht ist es für ihn gerade deswegen so wichtig etwas Herausforderndes, Neues zu tun, um etwas verändern zu können und zur Veränderung aufzufordern.

Kroetsch beschreibt also einen Konflikt zwischen Geschichte (Tradition) und ‘growing a poet in the prairie’ . Jedoch entwickelt er neben den benannten negativen Erfahrungen und Aspekten der Prärie eine ganz eigenen Umgang mit der Geschichte seiner Umgebung. ‘In the 1960s Robert Kroetsch began a fictional reclamation of his Alberta background […]’[10] Viele seiner Werke haben die kanadischen Prärie zum Ort der Handlung, oft verwendet Kroetsch auch die Namen realer Orte oder Stätten z.B. kommt im Seed Catalogue der Ort Heisler vor (Kroetschs Heimatstadt) und einer seiner Romane ist nach den Badlands in Alberta benannt.

Kroetsch says, that his fiction-writing is shaped by his Canadian experience; his work demonstrates his assumption that writing springs from a sense of place, and the writing that comes from a place is the writing of the place.[11]

Kroetsch verarbeitet seine Erfahrungen in seiner Arbeit. Darin läßt sich die besondere Verbundenheit mit seinem Land erkennen. Er beschreibt es, würdigt es und will es seinem Leser nahe bringen.

In seinem Aufsatz ‘On being an Alberta writer’ befaßt sich Kroetsch damit, wie er persönlich mit der Geschichte Albertas umgeht. Er sagt, dass er seine eigene Geschichte suchen und finden musste und dass diese von der Geschichte in den Lehrbüchern verschieden sei. Deshalb sei er, als Schriftsteller, zu der Erkenntnis gelangt, diese wahre Geschichte erzählen zu müssen[12]. Hier zeichnet sich abermals ab, dass Kroetschs Gefühl der Verbundenheit mit der Prärie und Kanada stärker ist als seine Kritik. Vielleicht ist dies ein besonderes Kennzeichen eines ‘prairie writers’ und erklärt, warum aus dem Jungen, der ein Gedichts schreiben wollte, einer der bedeutendsten kanadischen Schriftsteller geworden ist.

3.) Ein Ausblick: Wirtschaftliche Perspektiven Kanadas

Obwohl die kanadische Wirtschaft des 20. und 21.Jahrhunderts ebenfalls von Tradition geprägt war und ist, stagniert sie nicht. Zwar hat auch Kanada mit Problemen wie Staatsverschuldung, Leistungsbilanzdefizit, Arbeitslosigkeit und Inflation zu kämpfen, doch der expandierende Export und der grosse Reichtum an Bodenschätzen und pflanzlichen Rohstoffen sowie die enormen Flächen zum ertragreichen land- und forstwirtschaftlichen Anbau haben Kanada zu einer der wirtschaftlich führenden Nationen werden lassen. Aus dem Wald- und Steppenland ist im Verlauf des 20. Jahrhunderts eine einzigartige „Kornkammer“ geworden. Obwohl nur ca. 7% der Landfläche landwirtschaftlich genutzt werden, beträgt die durchschnittliche Produktion an landwirtschaftlichen Gütern (Weizen, Gerste, Hafer etc.) ca. 85 Mio. Tonnen, dabei dominieren die Getreidefarmen in den Prärieprovinzen Alberta, Manitoba und Saskatchewan. Die Hauptexporte neben diesen Produkten sind traditionell Papier und Holz, doch mit der Entdeckung von Bodenschätzen wie Gold, Uran, Zink, Nickel und Eisenerz erwuchs der kanadischen Wirtschaft um 1950 ein zweiter Grundpfeiler, der die Industrialisierung vorantrieb und Kanada zum wichtigen Rohstofflieferanten machte. Auch die Nutzung von Wasserkraft in Hydroenergieanlagen, der Ausbau der Telekommunikation und Infrastruktur, Forschungen auf zahlreichen Gebieten, etwa der Medizin (z.B. fernüberwachte Zahnmedizin), Raumfahrttechnik (z.B. Bau von Nachrichten- Satelliten) und Naturwissenschaft (z.B. Rohstofflagerstätten-Exploration) zeugen von zukunftsorientierten Bestrebungen in Wirtschaft und Forschung.

Aber diese Industrialisierung hat ihren Preis. Die Cree- Indianer nannten ihre Heimat „kanata“, also „sauberes Land“. Dieses bezeichnende Attribut Kanadas ist in Gefahr, denn das ökologische System droht aus dem Gleichgewicht zu geraten: Die Bodenerosion in den Farmgebieten durch einseitige und auslaugende Bewirtschaftung gefährdet den Ertrag und die Sicherung der künftigen Bepflanzung und Ernte. Die Gewässer- und Luftverschmutzung durch die Papierindustrie und die Waldschädigungen durch sauren Regen haben verheerende Auswirkungen auf Vegetation, Böden, Wasserqualität und auch Erholungswert der Landschaft. Auch saurer Schnee ist potentiell gefährlich. Besonders in nördlichen, oft naturbelassenen Gebieten können sich im Winter Schadstoffe in der Schneedecke ansammeln und beim Abschmelzen einen Säureschock auslösen.

Übermäßige Abholzung der Wälder zu Gunsten der Zellulose- und Papierindustrie bedrohen den Bestand. In Folge der geringen Wuchsintensität der Bäume und des Versäumens von Wiederaufforstungsmaßnahmen ist eine neuerliche Nutzung gebietsweise erst wieder nach 100 Jahren möglich. Dies ist nur ein Bruchteil der, durch Industrie und Landwirtschaft entstandenen, Umweltprobleme. Um ihnen entgegen zu wirken, wurde bereits 1971 ein Umweltministerium mit dieser Aufgabe betraut. Gleichermaßen (und unter anderem ) nimmt sich die Umweltorganisation „Greenpeace“, die 1970 in Vancouver gegründet wurde, der umweltschutzlichen Belange an. Diesem Engagement ist es zu verdanken, dass es in Kanada heute zahlreiche Nationalparks, 63 National Monument und History Parks und ca. 1200 Provincial Parks gibt, die den Menschen Erholung bieten, aber auch Wissen über die Natur, den richtigen Umgang mit ihr und die nötige Ehrfurcht vor ihr vermitteln sollen. Auch gegen die Problematik der Überfischung wurde die Regierung 1993 tätig: sie erließein generelles Fangverbot rund um die Insel Neufundland. Die radikale Rodung des fast noch intakten ‘Ökosystems Temperierter Regenwald’ löste viele Proteste aus. Das ökologische Gewissen der Bevölkerung scheint erwacht zu sein. Dennoch muss der Komplex des Natur- und Umweltschutzes weiterhin einer der zentralsten und dringlichsten Problemstellungen sein und mit größter Konsequenz verfolgt werden, damit das Ahornblatt in der kanadischen Flagge, das den großen Waldbestand, Naturreichtum und die Vielfalt der kanadischen Landschaft symbolisiert, weiterhin seine Berechtigung hat.[13]

4.) Zitatnachweis und Bibliographie

[...]


[1] Kroetsch, Robert. Seed Catalogue, […],1977, S.11

[2] Friesen, Gerald. The Canadian Prairies: A history, Toronto: University of Toronto Press,1984, 314

[3] Sautter, Udo. Geschichte Kanadas, München: Beck, 2000, 79

[1] Museum für die Geschichte Westkanadas in Calgary, Alberta

[4] Kroetsch, Robert. Seed Catalogue, 18

[5] ebd., 17

[6] ebd.

[7] ebd., 12, 18

[8] ebd., 17, 20

[9] ebd., 12

[10] Toye, William (ed.). The Oxford Companion to Canadian Literature. Toronto: Oxford University Press Canada, 1983, 679

[11] Turner, Margaret. Imaging culture: new world narrative and the writing of Canada. Montreal: McGill- Queen’s University Press, 1995, 79

[12] vgl.: Kroetsch, Robert. On being an Alberta writer, 1980, 71

[13] Baedeker Reiseführer. Stuttgart: Baedeker, 1995, 44 - 48, 59, 65, 67, 72

Fin de l'extrait de 13 pages

Résumé des informations

Titre
Die wirtschaftliche Entwicklung Kanadas und ihre Auswirkungen auf den kanadischen 'Prairie-writer' Robert Kroetsch
Université
Ernst Moritz Arndt University of Greifswald  (Institut für Anglistik /Amerikanistik)
Note
2
Auteur
Année
2002
Pages
13
N° de catalogue
V8967
ISBN (ebook)
9783638157919
Taille d'un fichier
486 KB
Langue
allemand
Mots clés
Entwicklung, Kanadas, Auswirkungen, Prairie-writer, Robert, Kroetsch
Citation du texte
Adriana Zühlke (Auteur), 2002, Die wirtschaftliche Entwicklung Kanadas und ihre Auswirkungen auf den kanadischen 'Prairie-writer' Robert Kroetsch, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8967

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