Integration in die EU. Der Transformationsprozess Bulgariens. Triebkräfte, Hemmnisse, wirtschaftliche und soziale Folgen.


Diploma Thesis, 2007

144 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Ziel und Gang der Untersuchung

2 Der Transformationsprozess Bulgariens
2.1 Was ist Transformation – Begriff und Ziel
2.2 Landesspezifische Ausgangsbedingungen
2.3 Phasen der Transformation und Transformationsstrategien
2.3.1 Transformationsphasen
2.3.2 Transformationsstrategien
2.4 Wirtschaftspolitische Reformen
2.4.1 Allgemeine Aspekte der wirtschaftspolitischen Reformen
2.4.2 Bulgarienspezifische Reformen
2.5 Liberalisierung, Stabilisierung und Privatisierung
2.5.1 Mikroökonomische Liberalisierung
2.5.2 Makroökonomische Stabilisierung
2.5.3 Privatisierung
2.6 Die Finanzkrise und die Hyperinflation
2.7 Einführung des currency board
2.8 Wirtschaftliche und soziale Folgen der Transformation
2.9 Bilanz der Transformation

3 Von der Transformation zur Integration
3.1 Gründe für die Osterweiterung der Europäischen Union
3.2 Integrationsvoraussetzungen
3.2.1 Beitrittsvorbereitungen
3.2.2 Kopenhagener Kriterien
3.3 Analyse des wirtschaftlichen Fortschritts Bulgariens
3.3.1 Wirtschaftsstruktur, Unternehmen und Privatisierung
3.3.2 Außenwirtschaft
3.3.3 Finanzmarkt
3.4 Entwicklung der ADI und ihre Auswirkungen auf die
bulgarische Wirtschaft
3.5 Wirtschaftliche und soziale Folgen der Osterweiterung

4 Internationale Einbindung Bulgariens

5 Ausblick
5.1 Probleme und Zukünftige Reformschwerpunkte
5.2 Chancen und Perspektiven

6 Zusammenfassende Bewertung

Literaturverzeichnis

Anhang 1

Anhang 2

Anhang 3

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Gegenüberstellung der Transformationsstrategien

Tabelle 2: Veränderungen der Ordnungsformen auf den verschiedenen Transformationsebenen

Tabelle 3: Aufgabenbereiche der Systemtransformation

Tabelle 4: Ausgewählte makroökonomische Indikatoren in Bulgarien, durchschnittliche Wachstumsraten in % gegenüber dem Vorjahr, 1990-1991

Tabelle 5: Stand der Wirtschaftsreformen in Osteuropa, 1991

Tabelle 6: Entwicklung ausgewählter makroökonomischer Indikatoren in Bulgarien, durchschnittliche Wachstumsraten in % gegenüber dem Vorjahr, 1991-1995

Tabelle 7: Bereiche der ökonomischen Transformation

Tabelle 8: Entwicklung ausgewählter makroökonomischer Indikatoren in Bulgarien, durchschnittliche Wachstumsraten in % gegenüber dem Vorjahr, 1997-1999

Tabelle 9: Entwicklung der bulgarischen Wirtschaft vor und nach der Einführung des curency board, Durchschnittswerte pro Jahr über den gesamten Zeitraum in % (Jahr für Jahr), 1990‑97 und 1998‑2002

Tabelle 10: EU-Beitrittsprozess Bulgariens im Überblick

Tabelle 11: Kopenhagener Beitrittskriterien

Tabelle 12: Übersicht über die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien seitens
Bulgariens in 2002

Tabelle 13: Konvergenz des Pro-Kopf-BIP an die EU

Tabelle 14: Entwicklung ausgewählter makroökonomischer Indikatoren
in Bulgarien, 1999-2006

Tabelle 15: Anteil der drei Hauptwirtschaftssektoren*) in Bulgarien am BIP
in %, 1999‑2004

Tabelle 16: Veränderungen der Exportstruktur nach Warengruppen, 1999‑2004

Tabelle 17: Veränderungen der Importstruktur nach Warengruppen, 1999‑2004

Tabelle 18: Kumulierte Zuflüsse der ADI in Bulgarien nach
Herkunftsländern, 1992-2004

Tabelle 19: Die politische Landschaft Bulgariens in den 90er Jahren

Tabelle 20: Landesübersicht Bulgarien, 2005

Tabelle 21: BIP-Dynamik in Bulgarien, 1990‑2002

Tabelle 22: Wirtschaftliche Entwicklung in den MOEL, 1994‑97

Tabelle 23: Inflationsentwicklung in ausgewählten MOEL, 1990‑95

Tabelle 24: BIP-Beitrag der drei Wirtschaftssektoren ausgewählter südosteuropäischer Länder in %, 1990 und 1998/99

Tabelle 25: Direktinvestitionen~) in den MOEL in Mio. US-$, 1994‑97

Tabelle 26: Anteile der Privatwirtschaft am BIP im Ländervergleich, 1994‑1999 (in %, Jahresmitte)

Tabelle 27: Erfüllung der drei Kopenhagener Beitrittskriterien von den 10 MOEL, 1997

Tabelle 28: Leitfaden für Beitrittsverhandlungen anhand von 31 Kapiteln des acquis communautaire der EU

Tabelle 29: Warenstruktur des bulgarischen Außenhandels, 2004

Tabelle 30: Kumulierte Zuflüsse der ADI in Bulgarien nach
Wirtschaftszweigen, 1998-2004

Tabelle 31: Länderrating Bulgarien – Klassifizierung der wirtschaftlichen und politischen Leistungsbewertung, 1999-2006

Tabelle 32: Entwicklung der Kreditratings im regionalen Vergleich

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Transformation auf allen gesellschaftlichen Ebenen

Abbildung 2: Entwicklung der Exporte vs. Importe zu/von Industrieländern, Anteile in % am Gesamtexport vs. -import Bulgariens, 1989-1993

Abbildung 3: Budget- und Handelsbilanz in % des BIP

Abbildung 4: Entwicklung der Wechselkursrate Lv./US-$,
Jahresdurchschnittswerte, 1992-94

Abbildung 5: Entwicklung des Privatsektors, 1989‑92

Abbildung 6: Entwicklung grundlegender ökonomischer Indikatoren während der Wirtschaftskrise Bulgariens, Jahresdurchschnittswerte, 1995‑1997

Abbildung 7: Von der Transformation zur Europäischen Integration

Abbildung 8: Stilisierte Darstellung des catching-up-Prozesses in den MOEL

Abbildung 9: Dynamik des Beitrags des Privatsektors zum BIP, 1997‑2001

Abbildung 10: Entwicklung der Privatisierungseinnahmen* in Bulgarien
in Mio. US‑$, 1993-2005, Stand: Februar 2005

Abbildung 11: Entwicklung der Außenhandelsbilanzen in Mio. US-$, 2000-2006

Abbildung 12: Handelspartner Bulgariens, 2004

Abbildung 13: Entwicklung der bulgarischen Exporte und Importe zu bzw. von den wichtigsten Handelspartnern, 1995-2003

Abbildung 14: Entwicklung des Aktienindizes SOFIX, 10.2000-12.2004

Abbildung 15: Zuflüsse von ADI in Bulgarien, 1996-2004

Abbildung 16: Fortschritt der wirtschaftspolitischen Reformen in den Transformationsökonomien, 1990-98

Abbildung 17: Klassifizierung der politischen Systeme in den
Transformationsökonomien, 1990-99

Abbildung 18: Anteil der kontrollierten Preise an allen Preisen
Bulgariens in %, 1991‑2001

Abbildung 19: Auslandsverschuldung Bulgariens, 1991‑2003

Abbildung 20: Finanzinstabilität in Bulgarien, gemessen am
BNB-Basiszinssatz, 1992‑97

Abbildung 21: Umorientierung des Außenhandels Bulgariens nach Regionen,
Anteile in %, 1990 und 2000

Abbildung 22: ADI in den MOEL, 1997

Abbildung 23: Pro-Kopf-Einkommen im Ländervergleich, gemessen in Kaufkraftstandards (EU‑25=100), 2003

Abbildung 24: BIP-Wachstumsraten in Bulgarien und der EU-25 in % gegenüber dem Vorjahr, 2001‑2006

Abbildung 25: BIP in Mrd. US-$ in den Transformationsländern, 2005

Abbildung 26: BIP pro Kopf in Tsd. US-$ in den Transformationsländern, 2005

Abbildung 27: Wechselkursentwicklung Lv./US-$, Monatsdurchschnittswerte, 2000‑Febr. 2005

Abbildung 28: Deckung des Leistungsbilanzdefizits durch ADI in Mio. US‑$ in
Bulgarien, 1998-2006

Abbildung 29: ADI pro Kopf in Euro in ausgewählten osteuropäischen Ländern, 2004

Abbildung 30: Kumulierte ADI pro Kopf und Beschäftigung in Kleinunternehmen in ausgewählten Transformationsländern, 1998

1. Einleitung

1.1 Problemstellung

Die sozialistische Misswirtschaft führte zur Einführung der Marktwirtschaft. Die Jahre nach 1989 zeichneten sich durch grundlegende Veränderungen und tief greifende Umbrüche aus und kommen einer Revolution gleich. Es ging nicht nur darum eine Marktwirtschaft zu schaffen, sondern auch eine neue Wirtschaftspolitik. Die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Marktstrukturen sollten aufgebaut, die überkommenen Verhaltensweisen tiefgehend reformiert und neue Ziele gestellt werden. Der Transformationsprozess bietet große Chancen, aber ebenso sind viele Risiken darin enthalten. Die Bevölkerung der osteuropäischen Länder hatte große Erwartungen an die Verbesserung ihres Lebensstandards. Darin steckte auch eines der größten Risiken: Diese Erwartungen konnten nicht so schnell erfüllt werden.

Die Reformen in den ehemaligen sozialistischen Ländern stellten ein völlig neues Phänomen ohne Vorbilder dar. Es kommt noch hinzu, dass diese Länder die marktwirtschaftlichen Prozesse in einer sehr geringen Zeit zu etablieren hatten, während dies in westlichen Staaten Jahrhunderte gedauert hat.

Die Schwächen des sozialistischen Systems wurden durch die marktwirtschaftlichen Reformen offen gelegt. Es bestand Bedarf, die Produktivität zu verbessern, die versteckte Arbeitslosigkeit zu beseitigen und den ökonomischen Output zu steigern.

Welche politischen und ökonomischen Bedingungen mussten von den osteuropäischen Ländern und speziell von Bulgarien erfüllt werden, damit sich ein erfolgreicher Transformationsprozess abzeichnen konnte? Welche Reformmaßnahmen mussten ergriffen werden? Welche Triebkräfte und Hemmnisse beeinflussten bzw. behinderten die wirtschaftspolitische Entwicklung? Mit welchen Transformationsfolgen war die bulgarische Bevölkerung konfrontiert?

Die Jahre nach dem Zusammenbruch der zentralistischen Planwirtschaft waren durch eine Verschlechterung statt einer Verbesserung für einen großen Teil der Bevölkerung in allen ehemals sozialistischen Ländern gekennzeichnet. Dabei war die Wahl der gewählten Transformationsstrategie unerheblich für die wirtschaftliche Entwicklung der ersten Jahre nach 1989. Ein Produktions- und Wachstumseinbruch war zu verzeichnen, eine Verschuldungskrise war ausgebrochen, die Arbeitslosigkeit und die Inflation erhöhten sich stark, die Einkommensungleichheit wuchs. Der stetige Anstieg der Armut wurde, zu Recht, mit den drastischen Änderungen des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens in Verbindung gebracht. Der ökonomische Wandel hat vielen neue Chancen geboten, gleichzeitig aber bedeutete er für andere hohe Verluste, u. a. Sicherheitsverluste, Verlust des Arbeitsplatzes, Verlust der Ersparnisse. Im Unterschied zu der Armutsbevölkerung in Entwicklungsländern sind viele der Armen in den Transformationsökonomien gut ausgebildet. Für viele bedeutete dies ein Schock, dass ihr Know-how, ihre Fähigkeiten und ihre Kompetenzen auf einmal irrelevant waren. Das war nicht nur ein materieller Verlust, sondern auch psychologischer und sozialer Stress.[1]

Im Mittelpunkt der Umwälzungen Anfang der 90er Jahre in Osteuropa standen die Beseitigung des Kommandosystems und das Anstreben der Integration in die EU sowie die Öffnung zur Weltwirtschaft. Die Strukturanpassungsprogramme umfassten eine restriktive Geld- und Budgetpolitik, Deregulierung, Privatisierung, Handelsliberalisierung und Einführung der Währungskonvertibilität mit dem Ziel die Rolle des Staates stark zu reduzieren und die Voraussetzungen für eine gut funktionierende Marktwirtschaft zu schaffen. Allen Mittel- und osteuropäischen Ländern (im Folgenden als MOEL abgekürzt)[2] gemein war das Ziel der Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und der Lebensverhältnisse der Bevölkerung.

Die unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung der MOEL wird durch die große Heterogenität dieser Staaten erklärt. Von Bedeutung für den unterschiedlichen Erfolg ist die Schnelligkeit des Aufbaus und der Etablierung der institutionellen Struktur. Der Herausforderungsgrad ist damit für jedes einzelne Land sehr unterschiedlich.

Welche Chancen für eine nachholende Entwicklung und Integration bieten sich Bulgarien unter den europäischen Bedingungen? Welche Risiken sind gleichzeitig damit verbunden?

Die europäische Integration ist von zentraler Bedeutung für Bulgarien, um die wirtschaftliche Entwicklung des Landes voranzubringen, den Lebensstandard der Bevölkerung an westliche Nationen anzugleichen und Vertrauen in das Land zu schaffen. Die EU-Vorgaben beeinflussen und bestimmen die Regelungen in fast allen Bereichen des südosteuropäischen Staates. Die EU nimmt eine starke Rolle in der Gestaltung zentraler Bereiche makroökonomischer und struktureller Politik ein. Private, ausländische Unternehmer gewinnen in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung für das Wirtschaftsleben Bulgariens.

Die zweite Osterweiterungsrunde der EU stellt den neuen Mitgliedsstaat vor große Herausforderungen. Bulgarien hat kaum Erfahrungen im internationalen Wettbewerb, die Einkommensunterschiede zwischen den alten EU-Staaten und dem Balkanland sind enorm.

Diesen Themen, Problemen und Fragestellungen widmet sich die vorliegende Arbeit. Die gewonnenen Erkenntnisse daraus werden dargestellt.

1.2 Ziel und Gang der Untersuchung

Mit der vorliegenden Arbeit soll der Transformationsprozess allgemein und für Bulgarien speziell untersucht werden. Die Probleme bei der Einleitung der notwendigen Reformen und die erreichten Fortschritte der bulgarischen Wirtschaft sollen herausgearbeitet und Schlussfolgerungen daraus gezogen werden. Ein weiteres Ziel ist es, die Abhängigkeiten zwischen Transformation und Integration klar herauszustellen und zukünftige Reformmöglichkeiten und Chancen aufzuzeigen.

Diese Arbeit ist in sechs Hauptkapitel untergliedert. Nach einem einführenden Kapitel in die allgemeine Problematik folgt im Kapitel 2 der Transformationsprozess Bulgariens. Kapitel 2.1 erläutert Transformationsbegriff und –ziel. Die Ausarbeitung der für Bulgarien landesspezifischen Ausgangsbedingungen und Besonderheiten ist Gegenstand des Kapitels 2.2. Im Kapitel 2.3 schließen sich die allgemeinen Phasen der Transformation und diejenigen in Bulgarien an. Danach wird auf die zwei grundsätzlichen Transformationsstrategien eingegangen und die Vor- und Nachteile beider werden gegenübergestellt. Kapitel 2.4 enthält zunächst einen Überblick über die allgemeinen Aspekte der wirtschaftspolitischen Reformen auf allen Transformationsebenen und die Aufgabenbereiche des Systemwandels mit den dazugehörigen Hemmnissen, um danach die speziell in Bulgarien gesetzten Ziele und durchgeführten Reformen in den ersten Jahren der 90er zu behandeln. Die sich daraus ergebenden Herausforderungen und Probleme für die bulgarischen Regierungen werden untersucht. Kapitel 2.5 konzentriert sich zuerst auf die mikroökonomische Liberalisierung, welche Maßnahmen dazu gehören und welche in Bulgarien eingeführt wurden. Dann folgt die makroökonomische Stabilisierung mit ihren allgemeinen Schritten und die in dem südosteuropäischen Land unternommenen Stabilisierungsreformprogramme schließen sich an. Die dabei aufgetretenen Schwächen werden ausführlich aufgezeigt. Anschließend wird die Privatisierung herausgearbeitet, was man darunter allgemein versteht und wie der Privatisierungsprozess in den 90er Jahren in Bulgarien gelaufen ist. Kapitel 2.6 geht auf die 1996 aufgetretene Finanzkrise in dem Schwarzmeerland, die Ursachen davon und die Folgen daraus ein. Der currency board-Mechanismus und seine Einflüsse auf die bulgarische Wirtschaft werden im Kapitel 2.7 beschrieben. Kapitel 2.8 bietet eine Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Transformationsfolgen für Bulgarien. Kapitel 2.9 zieht eine Bilanz der Transformation.

Im Kapitel 3 wird zum Integrationsteil übergegangen. Die Gründe für eine Erweiterung der Europäischen Union werden im Kapitel 3.1 aus EU-Sicht einerseits und aus bulgarischer Sicht andererseits genannt. Kapitel 3.2 stellt dann die Beitrittsvorbereitungen Bulgariens zur Aufnahme in die EU und die Kopenhagener Beitrittskriterien sowie ihre Erfüllung seitens des Balkan-Staates dar. Der wirtschaftliche Fortschritt Bulgariens wird im Kapitel 3.3 behandelt und hier speziell die Entwicklung der Wirtschaftsstruktur, des Privatisierungs­prozesses, der Außenhandelsstruktur und des Finanzmarktes. Kapitel 3.4 zeigt die Entwicklung der ausländischen Direktinvestitionen (ADI) in den letzten Jahren und ihre Auswirkung auf die bulgarische Wirtschaft. Die Folgen der Integration werden im Kapitel 3.5 untersucht.

Es schließt sich im Kapitel 4 ein kurzer Überblick über die internationale Einbindung Bulgariens an. Kapitel 5 geht auf die zukünftigen Reformschwerpunkte und Perspektiven für die wirtschaftliche Entwicklung des neuen EU-Mitgliedsstaates ein. Im Kapitel 6 wird eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse mit abschließender Bewertung vorgenommen.

2 Der Transformationsprozess Bulgariens

2.1 Was ist Transformation – Begriff und Ziel

Um den Transformationsprozess untersuchen und dessen Bewertung vornehmen zu können, wird zunächst der Begriff Transformation erklärt und seine Zielsetzungen werden erläutert.

In der Literatur wird zwischen Reform, Vervollkommnung und Transformation unterschieden.[3] Im Folgenden beschränkt sich diese Arbeit auf die Systemtransformation. Sie begann Ende 1989 in den MOEL mit der Radikalisierung der schon seit den 60er Jahren (Ungarn) angesetzten Reformen. Das ist ein schwieriger und langwieriger Prozess, für den kein vergleichbares Vorbild existiert.

Die Transformation stellt nicht nur einen ökonomischen Prozess dar, sondern politische Änderungen und Anpassungen spielen eine übergeordnete Rolle, um überhaupt wirtschaftliche Reformen durchführen zu können.[4] Die Systemtransformation erstreckt sich über das gesamte Gesellschaftssystem. Damit ist nicht nur der Wechsel von einem System zu einem anderen gemeint, sondern es geht um die totale Zerstörung des alten.[5] Alle Ebenen des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens befinden sich im Wandel, die Grundstruktur der Wirtschaftsordnung wird umgewälzt, eine umfassende Wandlung der Institutionen tritt ein, das Rechtssystem wird umgestellt. Es findet ein Übergang von zentraler Planwirtschaft zur Marktwirtschaft, von Einparteien- zu Mehrparteiensystem, von Staats- zu Privateigentum statt. Das Machtmonopol der kommunistischen Partei wird durch demokratische Wahlen abgelöst.[6] Marktwirtschaft und Demokratie erfordern Anpassungen in allen Teilsystemen der Gesellschaft.[7] Gefordert wird neben der Umwälzung des wirtschaftlichen und politischen Bereichs auch das Erlernen neuer Denkweisen und Verhaltensmuster. Die Transformation wird in der Literatur auch als Revolution bezeichnet.[8]

1991 führte die Transformation zur Auflösung des Warschauer Paktes und des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW).

Abbildung 1: Transformation auf allen gesellschaftlichen Ebenen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung.

Anfang der 90er Jahre führten Unklarheiten und unterschiedliche Interessen bezüglich konkreter Zielsetzungen der Transformation zu Optimierungs­problemen, was sich als nachteilig für den erfolgreichen und schnellen Systemwechsel erwies. Die Entscheidungsträger haben an runden Tischen nach einem Dritten Weg gesucht, der die Vorteile der zentralen Planwirtschaft mit denen der Marktwirtschaft kombinieren sollte. Es waren keine Transformations­theorien für den Systemwechsel vorhanden, weder auf der politischen noch auf der ökonomischen Ebene.[9] Dabei erwiesen sich die Demokratisierung des politischen Systems[10] und das Einführen und Aufbauen einer Marktwirtschaft mit ihren typischen Elementen als Hauptziele.[11] Die Kommandowirtschaft sollte beseitigt werden. Es ging hier darum, die wirtschaftlichen Prozesse zu dezentralisieren, Eigentumsrechte neu zu gestalten, Wettbewerb zu ermöglichen, die Preise zu liberalisieren und Währungskonvertibilität zu schaffen, den Finanzsektor umzugestalten und die Zentralbank vom Staat zu trennen.[12] Im Mittelpunkt standen der institutionelle Wandel und das Setzen von ordnungspolitischen Rahmenbedingungen durch den Staat anhand einer zielgerichteten Transformationspolitik.[13] Die Fragen nach den Grundwerten wie Freiheit, Wohlstand, Sicherheit, reibungslose Versorgung aller Individuen gewannen an zentraler Bedeutung. Der Transformationsprozess hatte Effizienz- sowie Produktivitätssteigerungen, Innovationsvorgänge, optimale Ressourcen­allokation, das Erreichen eines stabilen Wachstums und Maximierung des technischen Fortschritts zum Ziel.[14] Bei Vorherrschen eines sozialistischen Systems ist das Erreichen letztgenannter Ziele so gut wie unmöglich.[15] Die Vielzahl der Reformversuche in den ehemaligen sozialistischen Volkswirtschaften hat gezeigt, dass lediglich teilweise Einführung von Reformen in bestimmten wirtschaftlichen Bereichen nicht ausreicht, um Effizienzergebnisse zu erzielen. Daraus folgt, dass der Systemwandel konsequent und dauerhaft vollzogen werden muss, um aus der Systemkrise herauszukommen.

Damit der Transformationsprozess analysiert werden kann, muss die Kenntnis der Funktionsweise der sozialistischen Planwirtschaft und der Marktwirtschaft vorausgesetzt werden.[16]

Es ist zu berücksichtigen, dass die Funktionsweise der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung sehr komplex ist[17], woraus sich ergibt, dass sich die östlichen Transformationspolitiken an den westlichen Marktwirtschaften orientieren müssen. Allerdings „darf diese Orientierung nicht sklavisch erfolgen“[18], sondern sie muss vielmehr an die entsprechenden Ausgangsbedingungen angepasst werden. Ein Patentrezept gibt es somit nicht. Die neue Wirtschaftsordnung führt nur dann zum Erfolg, wenn die Schlüsselsektoren etabliert sind und alle Subsysteme zusammenwirken.[19]

Nicht zuletzt verfolgen die Transformationsländer das Ziel einer Integration in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung, um ihre wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und Wohlfahrtsgewinne und nachhaltiges Wachstum zu erreichen. Hierbei handelt es sich um den Ansatz der neoklassischen Außenhandelstheorie.[20] Es soll eine Öffnung gegenüber der Weltwirtschaft stattfinden, mit dem Hauptziel Integration in die Europäische Union.

2.2 Landesspezifische Ausgangsbedingungen

Die unterschiedlichen Problematiken des Transformationsprozesses jeder einzelnen osteuropäischen Ökonomie bedingen die Notwendigkeit, die spezifischen Ausgangsbedingungen genauer zu untersuchen.

Sämtliche Fachleute der gesichteten Quellen sind der Meinung, dass es kein allgemein anwendbares Transformationsmodell gibt. Vielmehr sind die besonderen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen jedes einzelnen Landes zu berücksichtigen. Die Wahl des Transformationsmodells hängt damit von den kulturellen und institutionellen Faktoren und der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes ab.[21]

Die Ausgangslage der Transformationsländer war ungünstig. Sie unterscheiden sich trotz des gemeinsamen sozialistischen Systems in vielen Punkten: Bevölkerung, Ressourcenausstattung, Entwicklungsniveau, Kultur, erreichtem Niveau der vor 1989 eingeführten Reformen und nach der Wende getroffenen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen, Ausgestaltung der Reformprogramme, Art und Weise sowie Geschwindigkeit des Transformations­vorgehens.[22] Die von sozialistischen Zeiten geerbten makroökonomischen und strukturellen Bedingungen differieren von Land zu Land. Sie beeinflussen das Umfeld, in dem die osteuropäischen Staaten ihre Transformationsprozesse begannen. In Bulgarien war die Schwäche des kommunistischen Regimes sehr ausgeprägt. Es zeichnete sich durch einen zunehmenden Verlust der Wirtschaftskontrolle und steigende makroökonomische Ungleichgewichte aus.[23] Die Dringlichkeit der Stabilisierungsmaßnahmen war unzweifelhaft.

Die systembedingte Krisenanfälligkeit verstärkte sich Ende der 80er. Die frühen 90er Jahre waren in allen MOEL trotz der Unterschiede durch einen tiefen Rückgang des BIP, der Löhne, der industriellen Produktion und der Investitionen, eine steigende Arbeitslosigkeit, hohe Inflationsraten und außenwirtschaftliche Ungleichgewichte gekennzeichnet. Dieser wirtschaftliche Niedergang wurde durch die gewählte Transformationsstrategie (zur Transformationsstrategie s. Kap. 2.3.2) unvermeidbar, weil er das Ergebnis der makroökonomischen Ungleichgewichte und verzerrten Produktionsstrukturen des sozialistischen Systems war, die erst durch die marktwirtschaftlichen Reformen auftraten.[24] Nahezu alle MOEL gerieten in eine Stagnationsphase. Für Bulgarien galt die Formel zwei Schritte vor, ein Schritt zurück.[25] Zum großen Teil waren alte Machteliten dafür verantwortlich, von denen der Umbruch getragen wurde. Es bestehen Machtkonstellationen, die das Hauptziel verfolgen, ihren eigenen Nutzen zu maximieren. Sie haben kein Interesse an der Einführung der Marktwirtschaft, weil sie ihre Machtpositionen und Privilegien nicht verlieren wollen.

Die Unzufriedenheit der bulgarischen Bevölkerung mit der Politik Schivkovs wurde 1989 immer größer. Der Grund dafür ist in den wirtschaftlichen Problemen des Landes zu suchen – starkem BIP-Rückgang, wachsendem Budgetdefizit, zunehmender Auslandsverschuldung und ansteigender Inflation.[26]

Die Ausgangsbedingungen in Bulgarien waren schlechter als in den meisten anderen MOEL. Die Gründe, die dahinter stehen, sind folgende[27]:

- Starke Abhängigkeit von dem RGW-Handel – viel stärker als die restlichen sozialistischen Länder: Etwa 80 % des Außenhandels wurde mit dem RGW-Block abgewickelt.
- Bedeutende Unterentwicklung des Privatsektors bei dem Zusammenbruch des sozialistischen Regimes: Der Privatsektor trug lediglich 2 % zu den Wirtschaftsaktivitäten bei.

Aufgrund der bedeutenden RGW-Handelsabhängigkeit kam es in der ersten Hälfte der 90er Jahre zu einem viel stärkeren Wirtschaftsschock in Bulgarien als in den meisten anderen MOEL. Das Balkan-Land war mit einem der schwierigsten Strukturprobleme konfrontiert. Die hohe Abhängigkeit von dem RGW-Markt führte nach dessen Zusammenbruch zu einem Zurückgehen des BIP um 16 %.[28] Das war der stärkste externe makroökonomische Schock.

Zu der kommunistischen Erblast gehörten eine enorme Auslandsverschuldung (ca. 10 Mrd. US-Dollar 1990), ein schlechter Zustand der Industrie und Versorgung der Bevölkerung, große Mängel des Gesundheitswesens, starke Umweltverschmutzung.[29]

Das südosteuropäische Land hat relativ spät mit den Reformen begonnen, verglichen mit Ländern wie Polen, Ungarn oder der ehemaligen Tschechoslowakei. Dies ist aber für die (nicht) erreichten Erfolge nicht entscheidend. Die politischen und ökonomischen Strukturen sind dafür viel bedeutender. Es wird sogar als Vorteil für Länder, die erst spät die Reformen eingeleitet haben, angesehen, dass sie von den gemachten Erfahrungen anderer Ökonomien profitieren konnten.[30]

Bulgarien wurde Ende der 80er Jahre als Industrie-Agrar-Staat mittleren Entwicklungsniveaus eingestuft.[31] Die wirtschaftliche Entwicklung war von der Außenwirtschaft besonders abhängig. Das Land war in Schwerindustrie und Agrarprodukten exportfähig. Die Hälfte seiner Exporte in die RGW-Staaten waren Industriegüter, was damit zusammenhängt, dass das Land über seinen eigenen Bedarf industrialisiert wurde. Dies wurde zum Hauptexportproblem nach dem Transformationsbeginn. Das südosteuropäische Land wurde besonders stark von der Einführung der marktwirtschaftlichen Prozesse betroffen, was sich in einem deutlichen BIP-Rückgang und sehr hohen Arbeitslosenraten widerspiegelte.[32]

Bis 1997 gehörte Bulgarien zu den MOEL mit der langsamsten wirtschaftlichen Entwicklung. Die Jahre davor waren charakterisiert durch starke Auslandsverschuldung, unstabile politische Verhältnisse, graduelle Strukturreformen, kaum bedeutsame Privatproduktion und große Abhängigkeit von RGW-Außenhandelsbeziehungen. Eine Vielzahl von Planungsprozessen wurde eingeleitet. Das Pro-Kopf-Einkommen erreichte lediglich 40 % des EU-Durchschnitts.[33]

Jeder ehemalige RGW-Staat wird durch seine spezifischen Einflussfaktoren der Transformation charakterisiert, die seinen Entwicklungsprozess in bestimmte Richtung lenken und Wettbewerbsvorteile schaffen können. Zu diesen Faktoren gehören: a) historische Erfahrungen mit demokratisch-marktwirtschaftlichen Systemen, b) der Grad der Industrialisierung und c) die räumliche Nähe zu Ländern mit etablierten Marktwirtschaften.[34]

Schon vor dem Eintritt der Kommunisten konnten einige Länder erste marktwirtschaftliche Erfahrungen sammeln (u. a. Ungarn). Bulgarien dagegen konnte auf solche Erfahrungen nicht zurückgreifen. Der erste Faktor wirkt sich negativ auf den Transformationsprozess aus. Es fehlte an Know-how. „Das post-totalitäre Bulgarien war ein treuer Partner der Sowjetunion und leitete seit Mitte der achtziger Jahre einen langsamen Reformprozess ein, der schließlich zum Zusammenbruch des alten Regimes führte.“[35] Auch der zweite Faktor wirkt sich negativ auf die bulgarische Volkswirtschaft aus. Das Schwarzmeerland war ein stark ausgeprägter Agrarstaat. Trotz Industrialisierungsprozessen konnten diese wirtschaftlichen Defizite nicht ausgeglichen werden. Der letzte Faktor konnte ebenso keine Wettbewerbsvorteile für Bulgarien schaffen. Die geografischen, historischen und wirtschaftspolitischen Beziehungen des Landes zu Westeuropa waren sehr schwach ausgeprägt.

Insgesamt waren die politischen und wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen Bulgariens unvorteilhaft und schwierig. In den weiteren Untersuchungen dieser Arbeit wird immer wieder Bezug darauf genommen.

2.3 Phasen der Transformation und Transformations­strategien

Im Folgenden konzentriert sich das Kapitel auf die Transformationsphasen und ‑strategien, um die Richtung des Transformationsprozesses theoretisch zu zeigen.

2.3.1 Transformationsphasen

Zur Initiierung eines Erfolg versprechenden Transformationsprozesses wird die Einhaltung bestimmter Phasen der Systemtransformation und deren Reihenfolge empfohlen.

Die Leistungsfähigkeit der Planwirtschaft wurde stark überschätzt. Es wurden hohe Pro-Kopf-Einkommen, hohe BIP-Steigerungs- und Beschäftigungsraten, starke Außenhandelsbeziehungen nachgewiesen. Dies lag allerdings darin, dass die Statistiken der ehemaligen sozialistischen Länder Verzerrungen und Verfälschungen enthielten. Diese Länder benutzten ein anderes System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung als die kapitalistischen Länder. Das Problem der Aggregation war im System enthalten.[36] Weiche [37], nicht weltmarktfähige Güter wurden priorisiert hergestellt. Im System waren hohe Arbeitslosigkeit und Inflation versteckt, der Produktionsapparat war auf dem Weltmarkt nicht wettbewerbsfähig. Die Maxime Inputmaximierung, die in der Folge zu einer Outputminimierung führte, widersprach allen markt­wirtschaftlichen Vorstellungen. Das gesamte sozialistische Wirtschaftssystem war ineffizient, es herrschte Ressourcenverschwendung. Der Systemwechsel allein war nicht ausreichend, um die Wirtschaftsentwicklung des Westens zu erreichen. Die Übergangskrise war unvermeidbar. Die Wirtschaftsprozesse aller Branchen­ebenen und die Verhaltensmuster sollten grundlegend verändert werden.[38] Die Kernsektoren sollten etabliert werden, um dann die Strukturanpassung vornehmen zu können. Die Beseitigung der systembedingten Altlasten stand im Vordergrund.

Zu beachten ist, dass der Transformationsprozess nicht von einem Tag auf den anderen erfolgen konnte. Die bürokratischen Apparate konnten nicht von heute auf morgen abgebaut werden und die Anpassung der Wirtschaftssubjekte an die marktwirtschaftliche Ordnung und an die damit verbundenen veränderten Entscheidungsmechanismen konnte nicht schlagartig erfolgen. Die osteuro­päischen Länder hatten noch jahrelang die Lasten der maroden und uneffektiven Wirtschaftsstruktur zu tragen. Der Systemwandel selbst stellt die große Schwierigkeit dar.

Zur Einführung einer gesunden und erfolgreichen Marktwirtschaft wurden die folgenden drei Transformationsphasen ausgearbeitet. Sie unterscheiden sich ein wenig, je nach Quelle.

Beyme empfiehlt die Transformationsphasen in der folgenden Reihenfolge zu verfolgen[39]:

1. Phase: Schaffung der gesetzlichen und institutionellen Rahmenbedingungen; darunter: Erlass von marktwirtschaftlichen Gesetzen, Reform der staatlichen Institutionen, Schaffung eines zweistufigen Bankensystems, einer Privatisierungsbehörde und einer Wettbewerbsaufsicht, Einrichtung der Sozial-Sicherungssysteme,
2. Phase: Gesamtwirtschaftliche Stabilisierung und Liberalisierung; im Einzelnen: Einführen einer stabilen Geldpolitik, Abbau von Subventionen, außenwirtschaftliche Öffnung der Märkte bei konvertiblen Währungen, Durchziehen einer aktiven Sozialpolitik,
3. Phase: umfassende Privatisierung, das heißt: Entflechtung und Restrukturierung von Staatskombinaten, Einführung von privaten Eigentumsrechten, Entwicklung des Privatsektors.

Dagegen geht Lösch folgendermaßen vor: Die erste Transformationsphase wird beibehalten. Sie wird als Vorbereitungsphase bezeichnet. Während der zweiten Phase, der Startphase, sollte Deregulierung und innen- und außenpolitische Liberalisierung erfolgen, das heißt Preisfreigabe, die Wettbewerbsbeschränkungen sollten beseitigt werden, Öffnung der Märkte nach außen und Einführung von Währungskonvertibilität. In der dritten Phase, Anpassungsphase genannt, geht es darum, makroökonomische Stabilisierung einzuleiten, das heißt Umsetzung einer Stabilisierungspolitik des Geldwertes, Anpassung der Produktion an die geänderte Nachfrage, Förderung des neu entstehenden Privatsektors, Umsetzen von Geld-, Fiskal- und Sozialpolitik.[40]

Eine Interdependenz der einzelnen Transformationsphasen zeichnet die Schwierigkeit der Transformation der osteuropäischen Volkswirtschaften aus. Die erfolgreiche makroökonomische Stabilisierung hängt von dem Erfolg der mikroökonomischen Transformation ab, die aber von der Erfolgsbilanz der Institutionenbildung abhängig ist.[41] Diese interdependenten Entwicklungen sind in der Praxis nicht gesichert.

In der Wirklichkeit haben sich die ehemals sozialistischen Staaten an die strikte Phasenabfolge nicht gehalten. Die Privatisierung wurde praktisch schon in der ersten Phase aus politischen Gründen eingeleitet, was nachteilig für den Aufwärtstrend war. Es wurde teilweise nicht nach marktwirtschaftlichen Prinzipien privatisiert, insofern als die politischen Kreise von günstigeren Konditionen profitieren konnten.[42] Eigeninteressen wurden verfolgt und das Gemeinwohl vernachlässigt.

In Bulgarien wurden zunächst die administrativen Rahmenbedingungen geschaffen. Danach erfolgte die Phase der volkswirtschaftlichen Stabilisierung und mikroökonomischen Liberalisierung. Die letzte Phase zielte auf die Transformation ökonomischer Strukturen und war in zwei Teile untergliedert: die Demonopolisierung staatlicher Betriebe, also die Entflechtung, und eine umfassende Privatisierung mit Einführung des Privateigentums.[43]

Daraus lässt sich ableiten, dass Bulgarien im Großen und Ganzen (trotz der oben genannten Einschränkungen) die in der Literatur empfohlene Phasenabfolge verfolgt hat. Ob dies für eine gelungene Systemtransformation ausreichend war oder welche anderen Faktoren den Erfolg bzw. Misserfolg des Wandels im Balkan-Land beeinflussten, wird in den unten folgenden Kapiteln untersucht.

2.3.2 Transformationsstrategien

Nach der Behandlung der Phasen der Transformation folgt hier eine Ausarbeitung der Strategiekonzepte mit deren Vor- und Nachteilen.

Für die Vielzahl der zu lösenden Probleme im Zuge der Systemtransformation gibt es keine eindeutigen Lösungen. Trotzdem gilt, dass die Transformations­ökonomien eine klare Strategie verfolgen müssen, die den erfolgreichen Übergang garantiert, was aber nicht mit dem schnellen Wechsel gleichzusetzen ist. Die falsche Strategie führt zu hohen sozialen Kosten und Risiken.[44]

Die zwei grundsätzlichen Transformationsstrategien stellen die Schocktherapie (noch als big bang bekannt[45] ) und der Gradualismus dar. Die Zielsetzung der Transformation ist unter beiden Strategien gleich – Einführung der Demokratie und der Marktwirtschaft. Der richtige Weg zum Ziel wird dagegen unterschiedlich unter den zwei Transformationsstrategien verstanden.[46] Die Frage nach der geeigneteren Strategie kann unter zwei Aspekten betrachtet werden. Zum einen soll entschieden werden, ob der Übergang auf allen Wirtschaftsebenen gleichzeitig vorgenommen werden soll. Zum anderen geht es darum, ob der Übergang jedes Einzelbereiches schrittweise oder schockartig erfolgen soll.[47] Zunächst wird zwischen den beiden Strategien unterschieden.

Wie der Name schon erkennen lässt, werden bei einer „big bang“-Strategie die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Deregulierung der Preise und die Liberalisierung des Außenhandels, die Währungskonvertibilität und die Stabilisierungspolitik schlagartig eingeleitet und durchgeführt. Die Abfolge der oben geschilderten Transformationsphasen wird bei einer schockartigen Maßnahme möglichst kurz gehalten.[48]

Nach der Strategie der Schocktherapie hat der Staat die Aufgabe, den Rahmenmechanismus zu gestalten und mit den makroökonomischen Steuerungsinstrumenten die Marktwirtschaft zu lenken. Hierbei hat der Staat eine passivere Rolle.[49]

Der Schocktherapie ist die gradualistische Strategie entgegenzusetzen. Hier geht es um einen viel länger dauernden, allmählichen Übergang zur Marktwirtschaft. Dabei sollen alle drei Transformationsphasen lange genug dauern, damit der Systemwechsel langsam eingeführt und kontrolliert und die schockartige Wirkung der eingeleiteten Maßnahmen möglichst gering gehalten werden kann.[50]

Statt die bestehenden Institutionen und Netzwerke zu zerstören, sollten sie als Ausgangspunkte für die zukünftige Entwicklung des neuen Systems angesetzt werden.[51]

Unter dem Gradualismus spielt der Staat eine aktivere Rolle und sorgt dafür, dass die Phasen der Transformation sozial verträglich ablaufen und die sozialen Kosten minimiert werden.[52]

Unabhängig von den gewählten Konzepten gilt, dass ein gewisser Zeitraum für die Reformen notwendig ist. Auch im Fall, dass die Einleitung bestimmter politischer Prozesse, die Etablierung von Institutionen und die Schaffung des rechtlichen Rahmens wenig Zeit braucht, nimmt deren vollständige Umsetzung Zeit in Anspruch.[53]

Tabelle 1: Gegenüberstellung der Transformationsstrategien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Niessen (1996), S. 14.

Bei Vorziehen der Schocktherapie muss man sich die Frage stellen, bis zu welchem Grad die Bevölkerung zu Opfern bereit ist und Ungerechtigkeiten erträgt, die sich zwangsläufig im Systemwechsel ergeben. Die soziale Akzeptanz und Verträglichkeit ist ein wesentlicher Faktor. Dagegen stellt sich bei dem Gradualismus die Frage, wie geduldig die Bevölkerung ist, ehe die Wohlfahrtseffekte der Marktwirtschaft eintreten. „Die Menschen möchten die Früchte der neuen Ordnung jedoch möglichst billig, also ohne persönliche Kosten genießen.“[54]

Welche Transformationsstrategie zu bevorzugen ist, ist strittig. Die Anzahl der Anhänger der Schocktherapie überwog. Beyme schreibt „Grausamkeiten soll man nur für eine kurze Zeitspanne und durchgreifend begehen, damit die gesellschaftliche Selbstregulierung möglichst früh wieder in Ihre Rechte eintreten kann.“[55] Die Literatur empfiehlt, den Übergang zu einer Marktwirtschaft möglichst schnell und vollständig zu vollziehen, um die unvermeidbare Übergangskrise der Planwirtschaft möglichst schnell zu überwinden.[56] Die Interessenkonstellationen in politischen Kreisen sprechen ebenso für die Wahl der ersten Alternative.[57] Außerdem ist die Euphorie zu Beginn des Transformationsprozesses groß. Mit der Zeit nimmt sie ab, die Transformationskosten[58] werden spürbar und die erhofften Wirkungen treten doch nicht so schnell ein. Das Konzept der Schocktherapie wurde auch von dem IWF befürwortet.[59]

Auf weitere Ausführungen zur Überlegenheit einer schockartigen Strategie wird hier aus Platzgründen verzichtet. Lösch erläutert verschiedene Aspekte, unter denen die Schocktherapie eindeutig an Vorrang gewinnt.[60]

Schließlich sind für den Erfolg der marktwirtschaftlichen Umgestaltung die Nachhaltigkeit und Konsequenz der marktwirtschaftlichen Reformen von hoher Bedeutung. Die Wahl einer passenden Transformationsstrategie hängt von der landesspezifischen Ausgangslage ab.

Bulgarien verfolgte keine der Strategierichtungen strikt, sondern einen Mix von beiden.

1990 wurde ein Programm für das bulgarische Parlament ausgearbeitet, in dem empfohlen wurde, dem polnischen Modell der Schocktherapie zu folgen.[61] 1991 wurde dieses Modell von Bulgarien praktisch aufgenommen und es folgten radikale Reformen, die einer Schocktherapie glichen.[62] Der Preis dieser Strategie war zu hoch, einige Reformen wurden wieder zurückgenommen (u. a. die Preisfreigabe bestimmter Güter[63] ) und in der zweiten Hälfte der 90er Jahre wurden gradualistische Reformen in Gang gesetzt. Es gab keine eindeutige Antwort auf die Frage „Where should reforms begin?“[64]. Wichtig war, dass der gesetzliche Rahmen zuerst geschaffen wird und dann die Öffnung der Marktwirtschaft folgt. Zentral war die Abschaffung der Staatskontrolle auf Preise und Außenhandel. Die nachfolgenden Kapitel gehen näher darauf ein.

Infolge der unklaren Wirtschaftspolitik steckte Bulgarien in einer Dauerkrise. Dagegen war die Übergangskrise in den Ländern, die sich für eine konsequente Transformationsstrategie entschieden, kürzer und nicht so tiefgreifend wie in den Ländern, die nicht so zielgerichtet vorgingen.[65]

2.4 Wirtschaftspolitische Reformen

Nachfolgend werden als erstes die wirtschaftspolitischen Reformen mit ihren typischen Hindernissen allgemein und danach diejenigen in Bulgarien mitsamt den erzielten Ergebnissen behandelt.

2.4.1 Allgemeine Aspekte der wirtschaftspolitischen Reformen

Die folgenden Fragen sollten beachtet werden: Welche sind die grundlegenden Reformschritte in einem Transformationsprozess? Was will man damit erreichen? Welche Kernreformen bringen die gewünschten Ergebnisse?

Die von Eucken herausgearbeiteten Prinzipien der Wettbewerbsordnung können als Leitlinien für die Ordnungspolitik der Transformationsökonomien dienen.[66]

Eine Herausforderung des Umbruchs stellt die Gleichzeitigkeit der Abschaffung der Elemente des sozialistischen Systems und das Aufbauen der neuen, marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung dar.

Tabelle 2: Veränderungen der Ordnungsformen auf den verschiedenen Transformationsebenen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: König / Kusic (2002), S. 5; Niessen (1996), S. 10.

Typisches Charakteristikum der Transformation ist die Gleichzeitigkeit der Reformen auf allen gesellschaftlichen Ebenen, also in allen Subsystemen des Gesamtsystems.[67] Dies stellt bei der Umsetzung der Maßnahmen eine große Belastung dar.[68] Konkret geht es auf der politischen Ebene um einen Übergang von einer sozialistischen Einparteiendiktatur zu einem demokratischen Mehrparteiensystem. Auf der Rechtsebene vollzieht sich der Übergang von einer parteiideologischen Rechtsordnung zu einer bürgerlichen Privatrechtsordnung. Die ökonomische Ebene ist durch die Umwandlung der Zentralverwaltungs­wirtschaft in eine marktwirtschaftliche Wettbewerbsordnung gekennzeichnet. Auf der sozialen Ebene handelt es sich um einen Übergang von der Einklassen­gesellschaft zur pluralistischen Zivilgesellschaft. Schließlich wurde auf der Verhaltensebene die Fremdsteuerung nach gesellschaftlichem Interesse durch Selbststeuerung der einzelnen Individuen nach eigenen Bedürfnissen ersetzt.[69]

All diese Transformationsebenen bedingen sich gegenseitig. Einzelne Elemente des Wirtschaftssystems können nicht beliebig ausgewechselt werden. Die früheren sozialistischen Reformbemühungen scheiterten daran, dass Demokratie nicht komplementär zu Marktwirtschaft eingeführt wurde.[70] Es besteht eine Abhängigkeit zwischen pluralistischer Demokratie, Marktwirtschaft und rechtsstaatlicher Ordnung. Daraus folgt, dass der Erfolg des Transformations­prozesses von der Simultanität aller oben beschriebenen Ebenen beeinflusst wird. Die Gleichzeitigkeit ruft ihrerseits jedoch Anpassungskosten und Markt­unvollkommenheiten hervor, wodurch eine paradoxe Situation entsteht.

Insbesondere ist auf die folgenden Hemmnisse hinzuweisen. Einführung privater Eigentumsrechte führt zu Arbitragegeschäften[71] und negativen sozialen Folgen ohne die gleichzeitige Einführung der Preisreform. Es existieren keine Effizienz­parameter, die Anreize schaffen. Andererseits führt die Preisreform ohne eine Reform der Eigentumsrechte zu rent-seeking[72]. Somit kommt es zu Wohlfahrtsverlusten.[73]

Darüber hinaus führen eine Preis- und Eigentumsreform zur Stilllegung von ineffizienten Betrieben und Arbeitslosigkeit. Die Verlierer der Reformen können einen Einfluss auf die Politik ausüben und um ihre Wahlchancen zu sichern, müssen die Parteien auf die Forderungen dieser Interessengruppen eingehen. Der Fortlauf der Reformen wird dadurch erschwert. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die Schlussfolgerung, dass die politische Demokratisierung die Zulassung von Reformen hemmt.[74]

Als weiteres ist an dieser Stelle das Erfordernis der Simultanität von Verfassungsmäßigkeit und Demokratie zu nennen. Demokratie ohne Verfassung führt zu Populismus. Diese beiden Prozesse bedingen sich gegenseitig.[75]

Die oben dargestellte Simultanität des Übergangs und die Ausarbeitung und praktische Umsetzung der Reformschritte verleihen dem Transformationsvorgang eine erhebliche zeitliche Dimension. In der Übergangsphase funktioniert die alte Planwirtschaft nicht mehr und die neue Marktwirtschaft noch nicht. In der Konsequenz wächst die Beschäftigung im Privatsektor zunächst nicht im gleichen Ausmaß wie sie im Staatssektor zurückgeht. Die Menschen können sich nicht mit einem Schlag marktwirtschaftlich verhalten. Diese alten Verhaltensweisen verzögern die Strukturanpassung. Es kommt zu einem „institutionellen Vakuum“[76].

Die Parteimitglieder haben die Einführung marktwirtschaftlicher Reformen zu verhindern bzw. zu verlangsamen versucht. Eine funktionierende Marktwirtschaft würde für sie mit Verlust ihrer Machtpositionen einhergehen. „Die weitgehende Entmachtung bürokratischer Apparate und Interessen ist daher eine notwendige Vorbedingung für die politische Durchsetzung der Reformpolitik.“[77] Die Beseitigung des Machtmonopols der bisherigen politischen Klasse ist also Voraussetzung für den Einstieg in das neue Wirtschafts- und Gesellschaftssystem.

Die Aufgabenbereiche der Systemtransformation werden den verschiedenen Transformationsebenen zugeordnet.

Tabelle 3: Aufgabenbereiche der Systemtransformation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Fischer u.a. (1997), S. 453.

Die Rahmenbedingungen für die Schaffung einer Marktwirtschaft müssen von der Politik gesetzt werden. Am Anfang eines Systemübergangs fehlen üblicherweise marktwirtschaftliche Institutionen. Auch dann, wenn diese schnell eingeführt werden, haben sie nicht die volle Wirkung, da die Bevölkerung mit den Mechanismen und der Funktionsweise der Marktwirtschaft zunächst nicht vertraut ist.

Die Preis- und die Außenwirtschaftsreform zählen zu den wichtigsten Bedingungen für die Systemtransformation. Auf der monetären Ebene muss stabiles Geld geschaffen werden. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der Kapitalmärkte und die Ersparnisbildung. Der Abbau der weichen Budgetrestriktionen[78] und deren hinreichende Härtung ist erforderlich. Somit werden Anreize für marktwirtschaftliche Entscheidungen entwickelt. Die Eigentumsverhältnisse sind neu zu definieren. Ein soziales Sicherungssystem gilt es aufzubauen. Nicht zuletzt sollen das Rechts- und Steuersystem reformiert werden. All diese Prämissen sind für die marktwirtschaftlichen Fortschritte notwendig.[79]

Bei der Einführung der Reformen ist eine bestimmte Reihenfolge ein wesentlicher Aspekt für deren Erfolg. Die makroökonomische Stabilisierung, gefolgt von der Preis- und Handelsliberalisierung sollten zu Beginn des Reformprozesses stattfinden.[80] Dabei wird die Liberalisierung der Binnenwirtschaft für den Erfolg der außenwirtschaftlichen Liberalisierung vorausgesetzt. Das heißt, dass die Preisniveaustabilität und die unverzerrte Güterallokation sichergestellt werden und der Wettbewerb und das Bankensystem funktionieren müssen. Ist dies nicht der Fall, muss damit gerechnet werden, dass bei einer Liberalisierung der Außenwirtschaft, im Sinne von Liberalisierung des Güter- und Kapitalverkehrs, Kapital aus dem Land abfließt und der Außenhandel verzerrt wird.[81] Die Steuerreform, die Reform der Sozial-Sicherungssysteme und Maßnahmen für Entfaltung des Privatsektors sollten danach erfolgen.[82]

Nachdem die Problembereiche des Systemwechsels allgemein aufgezeigt wurden, richtet sich das nächste Kapitel an den speziell in Bulgarien durchgeführten Reformschritten und den damit verbundenen Problemen und Erfolgen aus.

2.4.2 Bulgarienspezifische Reformen

Lediglich die wichtigsten Entwicklungen Bulgariens werden untersucht, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen und hinreichend Raum für eine detaillierte Bewertung zu lassen.

Welche Reformen wurden in Bulgarien am dringlichsten benötigt, um die Transformation zu verwirklichen? Was waren die Hemmnisse, was die Triebkräfte? Waren die erreichten Ergebnisse zufrieden stellend? Die entsprechenden Antworten sollen in diesem Kapitel erarbeitet werden.

Alle Parteien verlangten das Gleiche: „[...] alle sind für ein parlamentarisches Mehrparteiensystem mit rechtsstaatlichen Grundsätzen, pluralistischer Öffentlichkeit und einer Wirtschaftsordnung, die auf einer Gleichbehandlung aller Eigentumsformen beruht.“[83] Allenfalls der Weg dahin unterschied sich deutlich zwischen den regierenden Parteien. Es wurden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt, je nachdem, wer gerade an der Macht war.

Die politische Landschaft Bulgariens war durch einen ständigen Regierungswechsel in den ersten Jahren nach 1989 geprägt[84], wodurch die Unzufriedenheit der Bevölkerung stetig anwuchs. Dies führte zu einem Rückkopplungsprozess und damit zu einer unstabilen politischen Szene.

In den ersten zwei Jahren nach dem Transformationsbeginn wurden in Bulgarien Teilreformen eingeleitet. Zunächst wurden die Grundlagen für die Demokratie geschaffen. Auf der politischen Ebene wurden die Reformen im Wesentlichen umgesetzt und das Führungsmonopol der kommunistischen Partei abgeschafft.

Administrative Veränderungen folgten rasch nach der Wende. Neue Ministerien (für Finanzen, Ökonomie und Planung, Binnenhandel und Umweltschutz, Industrie und Planung, Bau) wurden schnell geschaffen. Diese Maßnahmen trugen allerdings zu mehr Bürokratie bei, anstatt sie zu reduzieren.

Nächste Reformschritte wurden auf der wirtschaftlichen Ebene eingeführt. Es handelte sich dabei um Verlagerung der Produktionskapazitäten vom Rüstungs- in den Konsumgüterbereich, vom Industrie- zum Agrarbereich, Maßnahmen für sozial schwache Bevölkerungsschichten. Neues Geld wurde in Umlauf gebracht, mit der Absicht die Misere in der Bevölkerung zu bekämpfen, wobei das Inflationsproblem Außeracht gelassen wurde.[85]

Die Lösung des Hauptproblems der zentralistischen Planwirtschaft, die Richtung der Entscheidungsstrukturen von oben nach unten zu beseitigen, wurde vernachlässigt.[86] Die dringenden Reformen wurden nicht in Angriff genommen, da die politische Situation 1990/91 zu unstabil war und man selbst in der eigenen Partei keine Unterstützung bekommen hat. Das Primärziel der Ex-Kommunisten war in Wirklichkeit nicht die wirtschaftliche Transformation des Landes voranzutreiben, sondern die Absicherung der eigenen Machtposition.[87] Sie unternahmen alles, um die Reformen zu verhindern. Die wirtschaftliche Situation des Landes verschlechterte sich zunehmend. Die Auslandsschulden erreichten 1991 ca. 12 Mrd. US-Dollar, was über 1300 US-Dollar/pro Kopf entsprach. Ein einseitiges Schuldenmoratorium musste von bulgarischer Seite im März 1990 bekannt gegeben werden. Das BIP ging zurück, die Inflation stieg stark an, das Budgetdefizit wuchs, die Arbeitslosenquote erhöhte sich, die terms of trade[88] verschlechterten sich.[89] Dies unterstreicht das oben beschriebene Problem der gegenseitigen Interdependenzen zwischen der ökonomischen Entwicklung und der politischen Stabilität. Die Entwicklung dieser makroökonomischen Größen soll die folgende Tabelle nochmals verdeutlichen.

Tabelle 4: Ausgewählte makroökonomische Indikatoren in Bulgarien, durchschnittliche Wachstumsraten in % gegenüber dem Vorjahr, 1990-1991

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1) in Mrd. US-$
2) exklusive noch nicht bezahlter Zinsen auf die Auslandsschulden, in % des BIP
3) Jahresende
4) %-Änderungsraten auf der Basis von US-$

Quelle: In Anlehnung an Dobrinsky u. a. (1995), S. 217; Wyzan (1996), S. 83; Wyzan (1998), S. 95, WIIW (2001), S. 39.

Diese Probleme stellten Bulgarien vor neue Herausforderungen. Wie kann die Wirtschaft stabilisiert und ins Gleichgewicht gebracht werden? Welche Maßnahmen müssen getroffen werden, um eine langfristige Beschäftigung, hohe Produktivität und hohe Wachstumsraten zu erreichen? Wie können die Wirtschaftsbeziehungen Bulgariens zu westlichen Nationen intensiviert werden?

Im Dezember 1990 kam es zu einem Regierungswechsel und die Ex-Kommunisten wurden durch die erste nicht kommunistische Regierung (die Popov-Regierung) abgelöst, die zu Beginn 1991 ein umfassendes Reform­programm mit Unterstützung des IWF startete.

Der IWF arbeitete ein Konzept mit Maßnahmen zur Transformation aus, und im Februar 1991 wurde das erste Abkommen zwischen Bulgarien und dem IWF unterschrieben, mit dem Ziel antiinflationären Druck zu erzeugen und Finanzstabilisierung zu erreichen. Der IWF machte die finanzielle Hilfe von der Umsetzung der ausgearbeiteten Maßnahmen und Einhaltung strenger Bedingungen abhängig. Die Leitlinien des IWF beinhalteten: Schaffung des gesetzlichen Rahmens und der marktwirtschaftlichen Institutionen, um das marktwirtschaftliche System implementieren zu können, Bekämpfung des Verschuldungsproblems, Setzen von strengen Zielvorgaben für das Reduzieren des Budgetdefizits, Verfolgen einer restriktiven Geld- und Fiskalpolitik zur Inflationsbekämpfung durch eine signifikante Erhöhung des nominellen Zinssatzes und Setzen von Obergrenzen bei der Kreditvergabe, Preisfreigabe, sukzessive Liberalisierung der Märkte, Etablierung eines marktdeterminierten, floatenden Wechselkurses, Verabschiedung eines Privatisierungsprogramms und Restrukturierung der Unternehmen. Ein System, die Löhne neu zu bestimmen, war auszuarbeiten, die Gesetze im Finanzbereich (u. a. bezüglich der Nationalbank, der Börse, des Bank-, Kredit- und des Steuerwesens) sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen für ausländische Investitionen in Bulgarien galt es zu erstellen und die Bankreform voranzutreiben.[90]

[...]


[1] Vgl. World Bank (2000), S. 2.

[2] Dies sind die folgenden 10 MOEL (in alphabetischer Reihenfolge): Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn.

[3] Unter Reform versteht man Änderungen einzelner Elemente und Merkmale des zentralen Planungssystems mit möglichen Verbesserungen. Dagegen werden bei Vervollkommnung der ökonomische Mechanismus und die Grundstruktur des Systems nicht geändert. Mehr zu den Begriffen Reform und Vervollkommnung, vgl. Bauer (1987/88), S. 12-15; Kusic (2001), S. 15-16; Kornai (1995), S. 436-437, 445-447.

[4] Vgl. Krug (1991), S. 39-40.

[5] Vgl. Hartwig / Thieme (1991), S. 5-6.

[6] Vgl. König / Kusic (2002), S. 3-4; Kusic (2001), S. 21-22; Kornai (1995), S. 437.

[7] Vgl. Schulz-Nieswandt (1997), S. 70-71.

[8] Vgl. Kornai (1995), S. 437-440; Niessen (1996), S. 9-10.

[9] Vgl. Beyme (1994), S. 197.

[10] Zu einer ausführlichen Definition von Demokratie, vgl. Kösemen (2005), S. 23-25.

[11] Vgl. Kusic (2001), S. 23-24; Fischer u.a. (1997), S. 452.

[12] Vgl. Hartwig / Thieme (1991), S. 410-414.

[13] Vgl. Lösch (1993a), S. 17.

[14] Vgl. Kusic (2001), S. 23.

[15] Vgl. Lösch (1993a), S. 17.

[16] Die Arbeiten von Leipold und Eucken vergleichen die verschiedenen Wirtschaftssysteme und beschreiben die Ordnungstheorie. Vgl. Eucken (1965), S. 78-91; Leipold (1988), S. 1-139.

[17] Ausführlich über das Funktionieren des Marktwirtschaftsmodells, vgl. Lösch (1993a), S. 18-22.

[18] Vgl. Lösch (1993a), S. 21.

[19] Vgl. Lösch (1993a), S. 20-22.

[20] Vgl. Lösch (1993a), S. 22.

[21] Vgl. Kusic (2001), S. 24.

[22] Vgl. Kusic (2001), S. 24.

[23] Vgl. Balcerowicz (1995), S. 207.

[24] Vgl. Nove (1996), S. 49.

[25] Vgl. König / Kusic (2002), S. 8.

[26] Vgl. Strobel (1993), S. 44.

[27] Vgl. Kizilyalli (1998), S. 273.

[28] Vgl. Balcerowicz (1995), S. 207.

[29] Vgl. Strobel (1993), S. 58.

[30] Vgl. Strobel (1993), S. 28-29.

[31] Vgl. Schulz-Nieswandt (1996), S. 154.

[32] Vgl. Beyme (1994), S. 223-224; Niessen (1996), S. 54-55.

[33] Vgl. World Bank (2003), S. xix; World Bank (1995), S. 4.

[34] Vgl. König / Kusic (2002), S. 6; Kusic (2002), S. 12.

[35] Vgl. Neve u.a. (2006), S. 1.

[36] Vgl. Kornai (1995), S. 215-219; Molitor (1991), S. 9.

[37] Die Begriffe der Weichheit und Härte wurden von Kornai eingeführt. Weichheit drückt aus, dass in vertikalen Verhandlungen zwischen Staatsbetrieben und Behörden die Erfordernisse des Marktes übergangen wurden und die Produktion ausschließlich an Opportunitäten ausgerichtet wurde. Festgelegte Vorgaben wurden somit „erweicht“. Vgl. Kornai (1995), S. 155-160.

[38] Vgl. Lösch (1996), S. 36-37.

[39] Vgl. Beyme (1994), S. 203.

[40] Vgl. Lösch (1996), S. 23.

[41] Vgl. Schulz-Nieswandt (1997), S. 80.

[42] Vgl. Beyme (1994), S. 203-204.

[43] Mehr dazu folgt im Kap. 2.5.

[44] Vgl. Lösch (1996), S. 22.

[45] Vgl. Beyme (1994), S. 201.

[46] Vgl. Bohle (2002), S. 30-31.

[47] Vgl. Schmieding (1993), S. 14.

[48] Vgl. Lösch (1996), S. 23-24.

[49] Vgl. Lösch (1996), S. 31.

[50] Vgl. Lösch (1996), S. 30-31.

[51] Vgl. Bohle (2002), S. 31.

[52] Vgl. Lösch (1996), S. 31-32.

[53] Vgl. Theurl (1997), S. 142-143.

[54] Vgl. Leipold (1991), S. 34.

[55] Vgl. Beyme (1994), S. 221.

[56] Vgl. Krug (1991), S. 40; Lösch (1996), S. 26, 37.

[57] S. mehr dazu unter Kap. 2.4.1.

[58] Insgesamt handelt es sich bei den Kosten der Transformation um entstandene Lasten für die Wirtschaftssubjekte. Diese Kosten treten sehr kurzfristig auf und werden durch die Erträge des Wandels überkompensiert, die einen langfristigen Charakter haben und mit zeitlichem Abstand auftreten. Mehr dazu vgl. Leipold (1991), S. 34.

[59] Vgl. Schüller (1992), S. 53; Lösch (1996), S. 34.

[60] Vgl. Lösch (1996), S. 24-33.

[61] Polen und die DDR entschieden sich für eine Schocktherapie. Der Rest der ehemaligen sozialistischen Länder betrieben Mischsysteme. Vgl. Krug (1991), S. 40.

[62] Vgl. Bohle (2002), S. 25.

[63] S. dazu Abbildung 18 im Anhang.

[64] Vgl. Stoilov (2003), S. 99.

[65] Vgl. Lösch (1996), S. 34.

[66] Vgl. Eucken (1990).

[67] Vgl. König / Kusic (2002), S. 4.

[68] Beyme diskutiert tiefgehend, dass keine marktwirtschaftliche Ordnung je dieser Gleichzeitigkeit ausgesetzt worden war. Vgl. Beyme (1994), S. 192-193 und S. 199-200.

[69] Vgl. Kusic (2001), S. 27; Niessen (1996), S. 10.

[70] Vgl. Beyme (1994), S. 197.

[71] Unter Arbitrage versteht man die Abschöpfung der zeitlichen oder lokalen Preisunterschiede zwischen verschiedenen Märkten. Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (2004).

[72] Bei rent-seeking wird die Differenz zwischen individueller Zahlungsbereitschaft und offiziellem (niedrigerem) staatlichen Abgabepreis abgeschöpft. Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (2004). Mehr zu der Theorie des rent-seeking, vgl. Vanberg (1997), S. 24-30.

[73] Vgl. Krug (1991), S. 42.

[74] Vgl. Krug (1991), S. 42-43.

[75] Vgl. Krug (1991), S. 44.

[76] Vgl. Fischer / Hartmann / Steinmüller (1997), S. 473.

[77] Vgl. Leipold (1991), S. 35.

[78] Der Begriff w eiche Budgetrestriktionen bedeutet, dass die Budgetbeschränkung der Betriebe durch Verhandlungen mit den Ministerien nach oben korrigiert werden konnte. Vgl. Kornai (1995), S. 156.

[79] Vgl. Theurl (1997), S. 156-157.

[80] Vgl. Summers (1992), S. 32.

[81] Vgl. Oppenländer / Queisser (1990), S. 206-207.

[82] Vgl. Summers (1992), S. 32.

[83] Vgl. Höpken (1990), S. 35.

[84] Zu der wechselnden politischen Landschaft Bulgariens s. Tabelle 19 im Anhang.

[85] Vgl. Strobel (1993), S. 48-49. Auf das Inflationsproblem wird im Kap. 2.5.2 eingegangen und es wird dort eingehend erörtert.

[86] Vgl. Strobel (1993), S. 49.

[87] Vgl. Strobel (1993), S. 66.

[88] Die Terms of Trade (T) werden - vereinfachend dargestellt - durch die Verhältniszahl von Exportgüterpreisniveau (E) und Importgüterpreisniveau (I) T=E/I erfasst. Die Terms of Trade verschlechtern sich, wenn die Preise der Einfuhrgüter schneller als die der Ausfuhrgüter steigen oder wenn die inländische Währung abgewertet wird. Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (2004).

[89] Vgl. Strobel (1993), S. 79-80.

[90] Vgl. Strobel (1993), S. 80-84; Wyzan (1998), S. 100.

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Details

Title
Integration in die EU. Der Transformationsprozess Bulgariens. Triebkräfte, Hemmnisse, wirtschaftliche und soziale Folgen.
College
University of Frankfurt (Main)
Grade
1,0
Author
Year
2007
Pages
144
Catalog Number
V89724
ISBN (eBook)
9783638037150
ISBN (Book)
9783638933674
File size
4438 KB
Language
German
Keywords
Transformationsprozess, Bulgariens, Europäische, Integration, Triebkräfte, Hemmnisse, Folgen
Quote paper
Diplom-Volkswirtin Teodora Ilieva (Author), 2007, Integration in die EU. Der Transformationsprozess Bulgariens. Triebkräfte, Hemmnisse, wirtschaftliche und soziale Folgen., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89724

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