John Lockes Two Treatises of Government (1689) bilden die Grundlage für Lockes einflussreiche Staatstheorie. Vor allem die Zweite Abhandlung über die Regierung entwickelte sich zur gültigen Begründung der Prinzipien liberalen Denkens (vgl. Euchner 1996, S. 71).
Locke leitet die politische Gewalt aus dem Konzept des herrschaftslosen Naturzustandes ab. Im Gegensatz zum Naturzustand bei Hobbes geht Locke von einem grundlegenden Vertrauen in die Menschen aus. Der Naturzustand kann nicht mit dem Kriegszustand gleichgesetzt werden. Wenn es keine schlechten Menschen gäbe, wäre der Naturzustand „ein Zustand des Friedens, des Wohlwollens, der gegenseitigen Hilfe und Erhaltung“ (§ 19, S. 211) . Dieses grundlegende Vertrauen reicht aber nicht sehr weit, schließlich geht Locke davon aus, dass der Mensch grundsätzlich parteiisch für die eigene Sache sei und der Naturzustand unweigerlich in einen permanenten Kriegszustand übergehen würde.
Auch im Rahmen der politischen Gesellschaft bleibt das Vertrauen mit Gefahren behaftet.
So ist Vertrauen der zentrale Aspekt der Regierungsbildung, gleichzeitig gelten Vertrauensmissbräuche als Prüfstein für die Grenzen und Legitimation der Regierungsmacht. Aufgrund der mit Vertrauen verbundenen Gefahren läuft Lockes Zweite Abhandlung über die Regierung auf das Widerstandsrecht hinaus.
In dieser Arbeit werde ich untersuchen, welche Rolle Vertrauen in Lockes Zweiter Abhandlung über die Regierung spielt, wie es selbst begrenzt ist und welche Grenzen es bildet.
Das Verhältnis zwischen Menschen und Gott ist ein Vertrauensverhältnis, in dem den Menschen das natürliche Recht verliehen wird. Auch das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Regierung ist solch ein Vertrauensverhältnis, in dem der Regierung von der Gesellschaft die Regierungsmacht übertragen wird. Ich werde zeigen, inwiefern Lockes Konzept des Vertrauens begrenzt ist und dass es nur Sinn macht, wenn es zusammen mit dem Widerstandsrecht betrachtet wird.
Dafür werde ich zunächst das Menschenbild untersuchen, welches Locke in der Beschreibung des Naturzustandes ausdrückt. Inwieweit kann man den Menschen vertrauen? Warum verlassen die Menschen den Naturzustand und treten in eine Gemeinschaft ein?
Bei der Gründung einer Gesellschaft und der Regierungsbildung spielen die Verfahren der Zustimmung, des Vertrages und des Vertrauens die zentrale Rolle. Ich werde argumentieren, dass durch Zustimmung und Vertrag zwar die Gesellschaft gegründet wird, das Verhältnis aber von Regierung und Regierten durch Vertrauen bestimmt ist. Was unterscheidet dieses Vertrauensverhältnis vom Vertragsverhältnis?
Im dritten Teil der Arbeit wird schließlich gezeigt, inwiefern durch das Vertrauensverhältnis die Grenzen der Regierung entstehen und damit einhergehend das Widerstandsrecht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vertrauen im Naturzustand
- Naturzustand und natürliches Recht
- Vertrauenswürdigkeit des Menschen
- Der Staat und seine Grenzen
- Vertrag, Zustimmung und Vertrauen
- Vertrauensbruch und Widerstandsrecht
- Fazit
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Rolle des Vertrauens in John Lockes „Zwei Abhandlungen über die Regierung“ und untersucht, wie dieses Vertrauen selbst begrenzt ist und welche Grenzen es bildet.
- Der Naturzustand als Ausgangspunkt der politischen Ordnung und die Bedeutung von Vertrauen und natürlichem Recht
- Die Rolle von Vertrauen und Vertrag in der Regierungsbildung und die Herausforderungen der Machtübertragung
- Die Grenzen des Vertrauens in der politischen Gesellschaft und die Entstehung des Widerstandsrechts
- Die Gefahren von Vertrauensmissbrauch und die Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit und Selbstbestimmung
- Das Spannungsverhältnis zwischen individuellen Rechten und staatlicher Gewalt im Kontext des Lockeschen Denkens
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel stellt Lockes „Zwei Abhandlungen über die Regierung“ und die Zweite Abhandlung als Grundlage des liberalen Denkens vor. Es wird der Naturzustand bei Locke als Ausgangspunkt der politischen Ordnung beschrieben und der Unterschied zu Hobbes' Konzept hervorgehoben. Der Naturzustand bei Locke zeichnet sich durch ein grundlegendes Vertrauen in die Menschen aus, ist jedoch nicht mit einem Zustand des Friedens gleichzusetzen.
Kapitel 2 beleuchtet den Naturzustand und das natürliche Recht. Die vollkommene Freiheit des Individuums im Naturzustand steht unter dem Gesetz der Natur, das die Selbsterhaltung aller Menschen und die Achtung des Eigentums vorschreibt. Die Menschen haben im Naturzustand das Recht, sich selbst zu verteidigen und Verbrechen zu bestrafen.
Im dritten Kapitel wird die Entstehung der politischen Gesellschaft und die Rolle von Vertrag, Zustimmung und Vertrauen analysiert. Die Gründung der Gesellschaft und die Machtübertragung an die Regierung werden auf ein Vertrauensverhältnis zurückgeführt, das gleichzeitig die Grenzen der staatlichen Gewalt festlegt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen Vertrauen, Naturzustand, natürliches Recht, Vertrag, Zustimmung, Regierungsbildung, Grenzen der Macht, Widerstandsrecht, Rechtsstaatlichkeit und Locke.
- Quote paper
- Janna Schumacher (Author), 2007, Die Grenzen des Vertrauens in John Lockes "Zweiter Abhandlung über die Regierung", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89811