Kinderliteratur - Sozialisationsliteratur: Leseinteressen und Lesekompetenzen von Jungen und Mädchen. Ein Beispiel: "Die Wilden Kerle - Vanessa, die Unerschrockene" von Joachim Masannek


Hausarbeit, 2006

20 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Leseinteressen und Leskompetenzen bei Kindern im Vorschul- und Grundschulalter
2.2. Ergebnisse/Resultate/Befunde der PISA- Studie 2000
2.3. Was macht Kinder zu Lesern: die Rolle der Sozialisation des Kindes
2.3.1. Die Familie 6
2.3.2. Die Schule 8
2.4. Geschlechtsspezifisches Lesen – Koedukation
2.4.1. Präferenzen der weiblichen Leser 8
2.4.2. Präferenzen der männlichen Leser 8
2.4.3. Berücksichtigung der Präferenzen 9
2.4.4. Der Deutschunterricht als Literaturunterricht 9
2.5. Geschlechtsspezifische Kinder- und Jugendliteratur
2.6 Joachim Masannek: „Die Wilden Fußballkerle“ – Fußballbücher für Jungen
2.6.1. Der Autor 11
2.6.2. Inhalt der Buchreihe 12
2.7. Joachim Massanek: „Die Wilden Fußballkerle – Vanessa, die Unerschrockene“
2.7.1. Joachim Massanek: „Die Wilden Fußballkerle – Vanessa, die Unerschrockene“ – die wichtigsten Charaktere
2.7.2. Joachim Massanek: „Die Wilden Fußballkerle“ – Vanessa, kein typisches Mädchen

3. Resultat und abschließende Bemerkungen

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema „Leseinteressen und Lesekompetenzen von Jungen und Mädchen“. Als Grundlage für meine Ausführungen dient die Literatur von Abraham, Ulf u.a. (Hg.)(2003): Deutschdidaktik und Deutschunterricht nach PISA (Aufsatz von A. Schilcher: Was machen die Jungs? und von Garbe, Christine: Warum lesen Mädchen besser als Jungen?), so wie einige Auszüge aus „Schnellkurs Kinder- und Jugendliteratur“ von Isa Schikorsky, weitere Aufsätze aus JuLit (2003) von H. Daubert: „Helden in Not“ und Franzmann: „Leseförderung auch für Jungen“. Des Weiteren wird ein Aufsatz aus „Praxis Deutsch (1997)“ von S. Barth: „Differenzen weiblich – männlich“ und auszugsweise mit den Ausführungen von U. Bischof und H. Heidtmann: „Lesen Mädchen ander(e)s als Jungen?“ in Medien praktisch (2002) herangezogen.

Ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit bildet die Vorstellung des Kinderbuchs „Vanessa – die Unerschrockene“ aus der Buchreihe „Die Wilden Fußballkerle“ von Joachim Masannek und die Auseinandersetzung damit im Kontext von geschlechtsspezifischer Kinderliteratur. In diesem Zusammenhang wird die Frage erörtert, ob ein Fußball-Buch sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen Leseinteresse und -motivation hervorrufen kann und ob es zur Leseförderung im Unterricht eingesetzt werden kann.

2. Hauptteil

2.1 Leseinteressen und Leskompetenzen bei Kindern im Vorschul- und Grundschulalter

Das Lesen zählt zu den Basiskompetenzen, oder besser Schlüsselqualifikationen, die SchülerInnen in der Grundschule erwerben, entwickeln und ausbauen sollen. Der Unterricht bietet ihnen unterschiedliche Werkzeuge (Lernen von Buchstaben, Schriftsprache, etc.) um diese Fähigkeit erlangen zu können. In dem schon oft gehörten Satz „Lesen erschließt dem Leser den ganzen Reichtum der menschlichen Kultur“ steckt ein hoher Gehalt und zugleich Anspruch an diese Kompetenz. Wer lesen kann ist klar im Vorteil. Über die hohe Bedeutung von Lesen muss hier nicht mehr gesagt werden. In dieser Arbeit wende ich mich viel mehr der Frage zu, warum die Lesekompetenzen und -interessen der SchülerInnen und Schüler so unterschiedlich stark oder schwach ausgebildet sind. Christine Garbe macht in ihren Ausführungen deutlich, dass in allen empirischen Untersuchungen der letzten Jahrzehnte zum Leseverhalten die Variable „Geschlecht“ besonders erforscht wurde und sich dort starke Geschlechterunterschiede zeigten. Die Studien spiegelten wider, dass Mädchen und Frauen mehr, anders und anderes lesen und dass ihnen das Lesen wichtiger ist als Jungen und Männern.[1] Eine Studie von B. Hurrelmann ergab, dass diese Unterschiede schon am Ende der Grundschulzeit erheblich ausgeprägt sind.[2]

Doch zunächst ein Blick auf die Ergebnisse aus den PISA-Studien.

2.2. Ergebnisse/Resultate/Befunde der PISA- Studie 2000

Die im Dreijahreszyklus von der OECD durchgeführten PISA-Studien[3] gelten in der Bildungsgeschichte als umfassendste und differenzierteste internationale Vergleichsstudien, die allgemeine schulische Leistungen mit den Schwerpunkten Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften untersuchen. Mit wechselnden Gewichtungen untersucht die PISA-Studie Fachleistungen und fächerübergreifende Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im Alter von 15 Jahren. Nachdem die Befunde der ersten, im Jahr 2000 durchgeführten, PISA-Studie 2001 veröffentlicht wurden, brach in Deutschland aufgrund des schlechten Abschneidens im internationalen Vergleich eine Diskussion über das deutsche Schul- und Bildungssystem aus. Es folgte eine PISA-Erweiterung (PISA-E), die speziell das deutsche Schul- und Bildungssystem differenzierter analysieren sollte.

Für Aufregung sorgten vor allem die Befunde in der Lesekompetenz: die deutschen SchülerInnen schnitten in dieser Kategorie mit Rang 21 von 31 sehr schlecht ab. Im geschlechtsdifferenzierten Vergleich schnitten die Jungen im Durchschnitt viel schlechter ab als die Mädchen.

Es wurde nicht das mechanische Lesen überprüft, sondern die Fähigkeit, aus verschiedenen Textsorten Informationen zu ermitteln und diese sinnvoll zu verknüpfen, Argumente herauszulesen sowie einen Text kritisch zu bewerten und zu interpretieren. PISA prüfte also insbesondere die Fähigkeit im Umgang mit solchen, diskontinuierlichen Texten. Die Ergebnisse zeigten, dass der Großteil der deutschen SchülerInnen kaum einfachste Texte verstand. Ein Zehntel wurde in die unterste Kategorie der Lesekompetenz und nur neun Prozent in die oberste eingeordnet.

Neben den Schülerleistungen erforscht PISA besonders auch diejenigen Rahmenbedingungen, die möglicherweise für das Zustandekommen bestimmter Leistungsstärken oder -schwächen verantwortlich sein können (so genannte Kontexterhebung). Dazu zählen beispielsweise das soziale Umfeld der SchülerInnen, die Ausstattung der Schule mit Räumen und Sachmitteln, die Klassengröße, die Qualifikation und Arbeitshaltung der Lehrer, die Disziplin und Motivation der SchülerInnen, Freizeitaktivitäten der SchülerInnen und anderes mehr. Im Rahmen dieser Kontexterhebung wurden die SchülerInnen auch nach der Beliebtheit der Freizeitbeschäftigung „Lesen“ gefragt. Die Ergebnisse deutscher SchülerInnen bestätigten den weltweiten Trend, dass Mädchen mehr und lieber lesen als Jungen.[4]

"Die größten und konsistentesten Geschlechterunterschiede sind im Bereich Lesen zu beobachten. In allen PISA-Teilnehmerstaaten erreichen die Mädchen im Lesen signifikant höhere Testwerte als die Jungen. In Deutschland entspricht der Leistungsvorsprung ungefähr einer halben Kompetenz-stufe und ist in etwa mit der über alle OECD-Staaten gemittelten Differenz vergleichbar. In der Mathematik lassen sich Leistungsvorteile für die Jungen feststellen, diese sind jedoch deutlich kleiner als die Geschlechterdifferenzen im Lesen, und sie werden in nur knapp der Hälfte der PISA-Teilnehmerstaaten (dazu gehört auch Deutschland) statistisch signifikant. In den Natur-wissenschaften zeigt sich weder im Durchschnitt der OECD-Staaten noch innerhalb Deutschlands ein signifikanter Leistungsunterschied zwischen Mädchen und Jungen." (PISA 2000, S. 253)[5].

Die Ergebnisse lassen vermuten, dass die besseren Leseleistungen der Mädchen mit ihrer größer ausgeprägten Leselust zusammen hängen und damit auch mit der Zeit, die sie für das Lesen aufbringen. Die Einstellung der Jungen zum Lesen fiel bei der Befragung deutlich negativer aus.[6] Christine Garbe weist in ihren Ausführungen auf Regressionsanalysen hin, die nachwiesen, dass der Grund für diese Differenz der Leseleistungen am Ausmaß des Leseinteresses und der Lesefreude liegt.

"Bei vergleichbarer Freude am Lesen sind also keine signifikanten Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen zu erwarten. Diese Befunde weisen darauf hin, dass die Geschlechterdifferenzen im Bereich Lesen zumindest zum Teil durch Unterschiede in motivationalen Merkmalen vermittelt sind." (PISA, S. 265)[7]

Aus diesen Beobachtungen lässt sich folgern, dass sich die Lesekompetenz über Leselust und Leseinteresse fördert.

2.3. Was macht Kinder zu Lesern: die Rolle der Sozialisation des Kindes

Einige wenige Kinder können bereits vor Eintritt in die Schule lesen. Dieser Umstand lässt darauf schließen, dass das Kind schon sehr früh ein Leseinteresse aufgebaut hat, was von der Familie (Eltern, Geschwister) wahrgenommen und unterstützt wurde. Der Großteil der Kinder lernt das (systematische) Lesen jedoch erst in der Schule. Aber auch dabei ist die familiäre Unterstützung von großer Bedeutung. Die Bertelsmann-Stiftung u.a. untersuchten diese beiden wichtigen Faktoren (Familie und Schule) der Lese-Sozialisation des Kindes. Das Fazit dieser Studie ist, dass die Familie bei der Entwicklung von Lesekompetenz, -interesse und -motivation eine wesentlich wichtigere Rolle spielt als die Schule.

Dieser Umstand wird schon in der kulturgeschichtlichen und -pädagogischen Entwicklung der Kinder- und Jugendliteratur deutlich, der sich Isa Schikorsky in ihrem „Schnellkurs Kinder- und Jugendliteratur“ zuwendet. Sie gibt auf einem zeitgeschichtlichen Hintergrund einen Einblick in die jeweils vorherrschenden Vorstellungen über Familie und Kind.

2.3.1. Die Familie

Im Zeitalter der Aufklärung (zw. 1770 und 1790) bildete sich unter Forderungen der Reformer Christian Gotthilf Salzmann, Christian Felix Weiße, Eberhard von Rochow und vor allem Joachim Heinrich Campe die Gattung der Kinder- und Jugendliteratur heraus. Diese zielgruppenorientierte Literatur spaltete sich somit von der Allgemeinliteratur ab. In den ersten Werken (Tugendliteratur) dieser Gattung fand Belehrung, Unterweisung und Erziehung statt. Erst in der Zeit des Philanthropismus entwickelte sich die Ansicht, dass Bücher den Kindern zum Zeitvertreib und zur Unterhaltung dienen sollten – jedoch durften belehrende und erzieherische Tendenzen nicht fehlen (Lieder, Almanache, Fabeln). Im Zeitalter des Rationalismus entwickelte sich die erste Sachliteratur für Kinder (Vertreter: Justin Bertuch, Johann Bernard Basedow). Die Konzentration auf kinderliterarische Geselligkeit brachte auch Zeitschriften für junge Leser („Der Kinderfreund“ C. F. Weiße, 1776) hervor, die dem liberalen Erziehungsmodell der bürgerlichen Kleinfamilie entsprachen: der selbstlose Vater bildete den Mittelpunkt und konzentrierte sich ganz auf das Wohlergehen und die Bildung seiner Kinder. Er nahm die Position des Vorlesers und Erzählers in der Familie ein. I. Schikorsky hebt in ihren Ausführungen besonders hervor, dass der Vater den Kindern oftmals den ersten Kinderbuch-Klassiker „Robinson der Jüngere“ (1779) vorlas. Der Vater spielte zu dieser Zeit also eine besondere Rolle in der Lese-Sozialisation des Kindes, wohingegen der Mutter in diesem Bereich keinerlei Bedeutung zugemessen wurde.[8]

[...]


[1] Vgl. Garbe, Christine (2003): Warum lesen Mädchen besser als Jungen? Zur Notwendigkeit einer geschlechter- differenzierenden Leseforschung und Leseförderung, In: Abraham, U. u.a. (Hg.): Deutschdidaktik und Deutschunterricht nach PISA. Freiburg, 2003, S. 69-89.

[2] Vgl. Hurrelmann, Bettina: (1994): Leseförderung. Basisartikel. In: Praxis Deutsch 127/1994, S. 25.

[3] PISA steht für „Programme for International Student Assessment“ und wird auch „Schulleistungsstudie“ genannt. Vgl. ebd.

[4] In Deutschland: 16,8 % der Mädchen, aber nur 5,9 % der Jungen lesen sehr gerne. Die Mädchen lagen damit etwas über, die Jungen knapp unter dem OECD-Durchschnitt. 31,8 % der deutschen Mädchen und 57,1 % der Jungen lasen sehr ungern.

[5] Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.) (2001): PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske u. Budrich, S. 253. In: Grabe, Christine (2003).

[6] Durchschnitt der OECD getesteten Staaten: 45 % der Mädchen, aber nur 25 % der Jungen nennen Lesen als eins ihrer liebsten Hobbys. Vgl. ebd.

[7] Ebd.

[8] Vgl. Schikorsky, Isa (2003): Schnellkurs Kinder- und Jugendliteratur. DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln, S. 30-45.

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Details

Titel
Kinderliteratur - Sozialisationsliteratur: Leseinteressen und Lesekompetenzen von Jungen und Mädchen. Ein Beispiel: "Die Wilden Kerle - Vanessa, die Unerschrockene" von Joachim Masannek
Hochschule
Universität Siegen
Note
2,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V89857
ISBN (eBook)
9783638038133
Dateigröße
399 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kinderliteratur, Sozialisationsliteratur, Leseinteressen, Lesekompetenzen, Jungen, Mädchen, Beispiel, Vanessa, Unerschrockene, Lesen, Grundschule, Leseprojekt, Wilde Kerle, Joachim Massanek, Massanek, Kinderbuch
Arbeit zitieren
Corinna Neeb (Autor:in), 2006, Kinderliteratur - Sozialisationsliteratur: Leseinteressen und Lesekompetenzen von Jungen und Mädchen. Ein Beispiel: "Die Wilden Kerle - Vanessa, die Unerschrockene" von Joachim Masannek, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89857

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