Markenrelevanz, Preisimage des Händlers und Markenfamiliarität als Einflussfaktoren auf das Kaufverhalten von Handelsmarken


Bachelorarbeit, 2019

62 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Hintergrund
1.2 Fokus und Ziel der Arbeit
1.3 Struktur der Arbeit

2 Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
2.1 Marken im Kontext des identitätsbasierten Markenmanagements
2.2 Markenrelevanz
2.3 Markenfamiliarität
2.4 Produktarten
2.4.1 Handelsmarken und nationale Marken
2.4.2 Ausprägungen von Handelsmarken
2.5 Statistische Grundlagen
2.5.1 Chi-Quadrat-Test für Unabhängigkeit
2.5.2 Exakter Test nach Fisher
2.5.3 Mann-Whitney-U-Test

3 Herleitung der Hypothesen

4 Empirische Studie
4.1 Methodik
4.2 Ergebnisse
4.3 Diskussion

5 Schlussbetrachtung
5.1 Forschungsfragen der Arbeit
5.2 Zentrale Ergebnisse der Arbeit und wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn
5.3 Implikationen für relevante Zielgruppen
5.4 Vergleich der Ergebnisse mit früheren Arbeiten
5.5 Limitationen
5.6 Weiterer Forschungsbedarf

Anhang

Literaturverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Markenzeichen von Handelsmarken, die durch die Händler Lidl und Rewe vertrieben werden sowie Markenzeichen von nationalen Marken

Abbildung 2: Auszug einer Werbung des Händlers Rewe für die Produkte der generischen Handelsmarke „ja!“ (vgl. Bochumer 2011)

Abbildung 3: Auszug einer Werbung des Händlers Rewe für die Produkte der klassischen Handelsmarke „Rewe Beste Wahl“ (vgl. REWE 2017)

Abbildung 4: Auszug einer Werbung des Händlers Rewe für die Produkte der Premium-Handelsmarke „Rewe Feine Welt“ (vgl. Mrozek o.D.)

Abbildung 5: Darstellung der preislichen Unterschiede zwischen den Handelsmarken des Händlers Rewe sowie einer nationalen Marke

Abbildung 6: Zusammenfassung der unterschiedlichen Arten von Handelsmarken

Abbildung 7: Unterschiedliche Preise bei identischem Einkauf (vgl. Vergleich 2017)

Abbildung 8: Übersicht über die im Online-Experiment untersuchten Marken

Abbildung 9: Zusammenfassung der Ergebnisse der empirischen Studie

Abbildung 10: Beschäftigung der Versuchsteilnehmer, ausgedrückt in absoluten Häufigkeiten

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„Es lohnt sich, in Handelsmarken zu investieren.“ (Ipsos/Lebensmittel Zeitung 2017, S. 5)

1.1 Hintergrund

Die Einführung von Handelsmarken (d.h. Marken, die lediglich über einen Händler vertrieben werden) in das Sortiment von Lebensmitteleinzelhändlern (im weiteren Verlauf der Arbeit als Händler bezeichnet) ist innerhalb der letzten Jahre stetig vorangeschritten: So ist der Anteil von Handelsmarken in Deutschland innerhalb der letzten Jahre bereits auf über 40% gestiegen (vgl. Geyskens/Gielens/Gijsbrechts 2010, S. 791, PLMA 2018). Beinahe jeder Haushalt kauft heutzutage Handelsmarken (vgl. Geyskens/Gielens/Gijsbrechts 2010, S. 791). Bei einer Umfrage durch das Marktforschungsunternehmen Ipsos und das Fachmedium Lebensmittel Zeitung (2017, S. 5) gaben 94% der Befragten an, Handelsmarken im deutschen Lebensmittelhandel zu erwerben. Für 41% der Teilnehmer stellt das Angebot der Handelsmarken sogar ein wichtiges Kriterium für die Wahl der Einkaufsstätte dar (vgl. Ipsos/Lebensmittel Zeitung 2017, S. 5). International zeigt sich ein ähnliches Bild: In Amerika übertraf 2017 das jährliche Umsatzwachstum der Handelsmarken jenes der nationalen Marken (d.h. Herstellermarken, die händlerübergreifend auf nationaler Ebene beworben und vertrieben werden) im direkten Vergleich (vgl. Nielsen 2018b, S. 19). Darüber hinaus prognostizieren aussagekräftige Arbeiten ein weiteres Umsatzwachstum von Handelsmarken (vgl. Nielsen 2018a, S. 5). Somit ist nachvollziehbar, dass Handelsmarken in beinahe allen Produktkategorien europäischer und US-amerikanischer Händler angeboten werden (vgl. Geyskens/Gielens/Gijsbrechts 2010, S. 791).

Zwei Hauptmotivationen stehen hinter dem Anstieg von Handelsmarken: Zum einen haben Handelsmarken einen positiven Einfluss auf Kundenloyalität (vgl. Corstjens/Lal 2000, S. 290, Kremer/Viot 2012, S. 539). Dies ist besonders hervorzuheben, da Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels aus Kundensicht stetig austauschbarer werden (Bell/Ho/Tang 1998, S. 363, Bott 2017, Jinfeng/Zhilong 2009, S. 486, Kremer/Viot 2012, S. 539, Nies/Natter 2012, S. 279f., Sattler/Völckner 2007, S. 159). Dies wird vermehrt von einschlägigen Marktforschungsstudien bestätigt: So kommen z.B. Batten & Company mit ihrer Verbraucherstudie „Retail Brands in Deutschland 2014“ zu dem Ergebnis, dass Verbraucher keine für sie relevanten Unterschiede zwischen den verschiedenen Einzelhändlern feststellen können (vgl. Klein-Bölting 2014, S. 2). Handelsmarken eröffnen den Unternehmen somit eine vielversprechende Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzugrenzen und dabei einerseits neue Kunden zu akquirieren und andererseits bestehende Kundenbeziehungen zu halten und zu stärken, da Handelsmarken exklusiv durch eine einzige Kette des Einzelhandels vertrieben werden und somit eine Differenzierung dieser Händlerkette von anderen Ketten erlaubt (vgl. Ailawadi/Keller 2004, S. 332, Ailawadi/Neslin/Gedenk 2001, S. 84f., Binninger 2008, S. 101, Collins-Dodd/Lindley 2003, S. 351, Davies 1990, S. 103, Liljander/Polsa/van Riel 2009, S. 281, Nies/Natter 2012, S. 288, Richardson/Jain/Dick 1996, S. 181).

Zum anderen haben Handelsmarken einen direkten positiven Einfluss auf den Profit des Einzelhändlers. Handelsmarken sind dafür bekannt, höhere Margen als nationale Marken zu generieren und damit die Profitabilität des Händlers zu erhöhen (vgl. Ailawadi/Harlam 2004, S. 161f., Hoch/Banerji 1993, S. 60). Darüber hinaus kann die Einführung von Handelsmarken zu einer besseren Verhandlungsposition des Einzelhändlers gegenüber den Anbietern nationaler Marken führen (vgl. Morton/Zettelmeyer 2004, S. 190f., Narasimhan/Wilcox 1998, S. 595). Durch den stetigen Zuwachs an Handelsmarken bei gleichbleibenden Verkaufsflächen bleibt zudem immer weniger Platz für nationale Marken auf Einkaufsregalen. Hierdurch findet ein größerer Konkurrenzkampf der nationalen Marken um die verbleibenden Kapazitäten statt, bei dem der Händler während Verhandlungen einen klaren Vorteil gegenüber seiner ursprünglichen Position mit einer höheren verfügbaren Kapazität besitzt (vgl. Ailawadi/Keller 2004, S. 336, Mills 1995, S. 511). Die aufgezeigte Relevanz von Handelsmarken sowohl für Kunden als auch Händler führt zu der Untersuchungsabsicht dieser Arbeit.

1.2 Fokus und Ziel der Arbeit

Trotz der hohen betriebswirtschaftlichen Relevanz von Handelsmarken für Einzelhändler wurde diese Thematik noch nicht vollumfänglich untersucht. Ein großer Teil der relevanten Forschung konzentriert sich auf die Auswirkungen von Handelsmarken auf die Kundenloyalität und die steigende Verhandlungsstärke von Händlern gegenüber Herstellern nationaler Marken durch die Einführung von Handelsmarken (vgl. z.B. Ailawadi/Pauwels/Steenkamp 2008, Narasimhan/Wolcox 1998). In einer vorausgehenden Literaturanalyse konnte jedoch festgestellt werden, dass bisher keine kontextspezifische Publikation bezüglich des Kaufverhaltens von Handelsmarken existiert, wenn ein Konsument lediglich eine Handelsmarke und eine nationale Marke zur Auswahl hat. Mittels neuer Erkenntnisse in diesem Bereich könnten Händler jedoch Marken- und Produktstrukturen sowie die Nutzung der Fläche ihrer Filialen nochmals optimieren, um sich dadurch gegenüber Kunden attraktiver zu positionieren und gleichzeitig Vorteile im direkten Wettbewerb mit anderen Händlern zu erzielen. Diese Arbeit untersucht daher, welchen Einfluss die Faktoren Markenrelevanz der Produktkategorie, Preisniveau des Einzelhändlers sowie Markenfamiliarität auf die Kaufentscheidung des Konsumenten besitzen, um den Einsatz von Handelsmarken weiter zu optimieren.

1.3 Struktur der Arbeit

Um das Kaufverhalten von Handelsmarken hinsichtlich der Markenrelevanz einer Produktkategorie, dem Preisniveau des Einzelhändlers sowie der Markenfamiliarität bezüglich der Handelsmarke zu untersuchen, werden zunächst grundlegende Konzepte dieser Thematik beschrieben, sowie die existierende Literatur hinsichtlich der verschiedenen Ausprägungen von Handelsmarken untersucht. Darauf basierend folgt die Herleitung der zu untersuchenden Hypothesen dieser Arbeit unter Verwendung von dokumentierten Untersuchungen. Diese werden mittels der darauffolgenden Methodik, die auf den vorher beschriebenen Grundlagen basiert, statistisch untersucht. Hierauf folgen die Diskussion und anschließende Interpretation der Ergebnisse mit den resultierenden Implikationen für alle relevanten Zielgruppen. Die Limitationen der Arbeit sowie der weitere Forschungsbedarf runden diese Arbeit ab.

2 Theoretische und konzeptionelle Grundlagen

2.1 Marken im Kontext des identitätsbasierten Markenmanagements

Im Kontext des identitätsbasierten Markenmanagements wird die Marke als ein Verbund aus funktionalem und nicht-funktionalem Nutzen gesehen, deren Aufmachung sich aus Sicht der markenspezifischen Zielgruppe nachhaltig gegenüber Angeboten der Konkurrenz differenziert (vgl. Burmann et al. 2018, S. 13). Marken tragen zur Steigerung des Unternehmenswertes bei: Der Nachfrager nimmt die Marke wahr; hierdurch werden bei der Aktivierung des zugehörigen Markenimages gespeicherte Informationen verfügbar, die aus transaktionskostentheoretischer Sicht Informations- und Suchkosten verringern (vgl. Burmann et al. 2018, S. 3). Oftmals ist der Markenwert für einen großen Anteil des Unternehmenswerts verantwortlich (vgl. Biesalski/Kilian 2016, S. 68ff., Sattler/PriceWaterhouseCoopers 2006, S. 6). Neben der Informations- und Orientierungsfunktion besitzen Marken eine Vertrauensfunktion: Bei Kaufentscheidungen, die mit hoher Verhaltensunsicherheit einhergehen, bieten Marken ein wichtiges Qualitätssignal (vgl. Burmann et al. 2018, S. 25, Fischer/Hieronimus/Kranz 2002, S. 19, Sattler/Völckner 2007, S. 33). Die Relevanz der Nachfrage aufgrund dieser Funktionen wurde bereits umfassend untersucht (vgl. Fischer/Hieronimus/Kranz 2002, S. 19f.). Aus der Perspektive eines Unternehmens dienen Marken unter anderem zur Absatzsicherung, der effizienten Erschließung von Wachstumspotenzialen und der Profilierung des Händlers (vgl. Meffert/Burmann/Koers 2005, S. 10ff.). In dieser Arbeit ist insbesondere die Marke aus Perspektive des Verbrauchers von Bedeutung.

2.2 Markenrelevanz

Die Markenrelevanz kann als die relative Wichtigkeit einer Marke im Kaufentscheidungsprozess verstanden werden (vgl. Caspar/Hecker/Sabel 2002, S. 4). Die Relevanz der Marken führt zu einer elementaren Rolle im Kaufentscheidungsprozess des Verbrauchers: Der zusätzlich generierte Nutzen durch die Marke selbst übt einen Einfluss auf das Kaufverhalten der Kunden aus (vgl. Caspar/Hecker/Sabel 2002, S. 4). Aus Sicht des Anbieters muss die Marke in Hinsicht auf die Markenrelevanz einen positiven und monetär messbaren Effekt auf das Ergebnis haben (vgl. Caspar/Hecker/Sabel 2002, S. 4). In der Praxis wird diese Bedingung häufig erfüllt: Bei einer Untersuchung durch Sattler und PriceWaterhouseCoopers (2006, S.8) zur Praxis der Markenbewertung in deutschen Unternehmen gaben 83% der Unternehmen einen sehr großen Einfluss der Marke auf den Unternehmenserfolg an. Dies bestätigen auch Arbeiten von Meffert, Burmann und Koers (2002, S. 4f.), die von der Marke als bekanntem Erfolgsfaktor sprechen.

2.3 Markenfamiliarität

Die Markenfamiliarität beschreibt das Ausmaß der direkten und indirekten Erfahrung eines Verbrauchers mit einer Marke (vgl. Alba/Hutchinson 1987, S. 411, Kent/Allen 1994, S. 98). Hierbei wird das Wissen des Konsumenten bezüglich der Marke festgehalten, im engeren Sinne also die Verknüpfungen mit der Marke im Gedächtnis des Konsumenten: Familiäre und nicht familiäre Marken unterscheiden sich durch den Wissensgrad des Konsumenten bezüglich der Marke (vgl. Alba/Hutchinson 1987, S. 411). Die Literatur stellt mehrere Arten der Verbindung zwischen Verbrauchern und familiären Marken dar: Verbraucher können eine familiäre Marke bereits getestet oder verwendet haben, durch Verwandte oder Freunde auf sie aufmerksam geworden sein oder Werbungen bezüglich der Marke gesehen haben (vgl. Campbell/Keller 2003, S. 293). Neue, bislang unbeworbene Marken oder aber auch Marken, mit denen der Kunde bisher nicht in Kontakt kam, gelten für den Verbraucher dagegen als nicht familiär (vgl. Campbell/Keller 2003, S. 293, Stewart 1992, S. 4f.). Hierbei fehlen dem Verbraucher die mentalen Verknüpfungen, da er noch keine Erfahrungen mit der Marke gesammelt hat (vgl. Campbell/Keller 2003, S. 293).

2.4 Produktarten

Bei Händlern angebotene Produkte lassen sich auf beliebig viele Arten unterscheiden, so unter anderem anhand von Marken (vgl. Sattler/Völckner 2007, S. 26). Zum vollen Verständnis dieser Arbeit wird Fachwissen bezüglich der Einteilung von Produkten eines Einzelhändlers in unterschiedliche Qualitätsstufen einerseits sowie in Handelsmarke und nationale Marke andererseits vorausgesetzt.

2.4.1 Handelsmarken und nationale Marken

Handelsmarken beschreiben Marken, die im Besitz einer bestimmten Handelskette sind und nur von dieser für die Markierung von Ware eingesetzt wird (vgl. Ausschuss für Begriffsdefinitionen aus der Handels- und Absatzwirtschaft 1995, S. 73, Beneke 2010, S. 203, Bennett 1995, S. 274). Die betroffenen Produkte werden ausschließlich für das Handelsunternehmen produziert und in den Filialen des Handelsunternehmens zu einem einheitlichen Preis angeboten (vgl. Sattler/Völckner 2007, S. 26f.). Beispiele für Handelsmarken sind Edekas „gut & günstig“ oder Rewes „Rewe bio“ (vgl. Ipsos/Lebensmittel Zeitung 2017, S. 26). Im Gegensatz dazu stehen nationale Marken, die händlerübergreifend auf nationaler Ebene beworben und vertrieben werden (vgl. Yadin 2002, S. 251). Nationale Marken befinden sich dabei nicht im Besitz eines einzelnen Händlers, sondern im Besitz eines Markenartikelherstellers, von dem diese auch vermarktet werden (vgl. Bennett 1995, S. 183). „Barilla“ stellt mit einer Vielzahl italienischer Produkte, die über verschiedenste Händler vertrieben werden, eine bekannte nationale Marke dar (vgl. Herrmann 2017). Aufgrund des eingeschränkten Vertriebs von Handelsmarken durch einen spezifischen Einzelhändler resultiert eine geringere Verfügbarkeit von Handelsmarken verglichen mit nationalen Marken. Auf den Kunden hat dies weitreichende Auswirkungen: Er berücksichtigt bei der Wahl des zu besuchenden Einzelhändlers, ob dort die gesuchten Handelsmarken verkauft werden. Somit besitzen Handelsmarken das Potential für Einzelhändler, die Kundenbindung und damit die Kundenloyalität zu erhöhen (vgl. Ailawadi/Keller 2004, S. 332, Ailawadi/Neslin/Gedenk 2001, S. 84f., Binninger 2008, S. 101, Corstjens/Lal 2000, S. 290, Davies 1990, S. 103, Kremer/Viot 2012, S. 539, Liljander/Polsa/van Riel 2009, S. 281, Nies/Natter 2012, S. 288). Hinzu kommen durch die eigene Wertschöpfungskette (Produktion, Distribution etc.) bei Handelsmarken höhere Gewinnmargen verglichen mit denen von nationalen Marken (vgl. Ailawadi/Harlam 2004, S. 161f., Hoch/Banerji 1993, S. 60). Ebenso ergibt sich für den Händler mit eigenen Handelsmarken eine stärkere Position bei Verhandlungen mit den Anbietern nationaler Marken: Durch das begrenzte Raumangebot innerhalb der Filialen des Einzelhändlers und steigender Anzahl von Produktangeboten durch die Einführung von Handelsmarken werden nationale Marken einem größeren Wettbewerb um die verfügbaren Regalplätze ausgesetzt (vgl. Ailawadi/Keller 2004, S. 336, Mills 1995, S. 511, Morton/Zettelmeyer 2004, S. 166, Narasimhan/Wilcox 1998, S. 595). Die nachfolgende Grafik zeigt mehrere Markenzeichen von Handelsmarken, welche die im Rahmen dieser Arbeit näher untersuchten Händler Lidl und Rewe vertreiben sowie eine Auswahl von Markenzeichen nationaler Marken, die verschiedene Händler im gesamten nationalen Gebiet vertreiben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Markenzeichen von Handelsmarken, die durch die Händler Lidl und Rewe vertrieben werden sowie Markenzeichen von nationalen Marken

2.4.2 Ausprägungen von Handelsmarken

Angebotene Marken präsentieren sich gegenüber dem Verbraucher in verschiedenen Qualitätsstufen. Dieser Eindruck wird sowohl bei Handelsmarken als auch bei nationalen Marken, unter anderem über den Preis des Produkts und der Gestaltung der Verpackung untermalt. Handelsmarken lassen sich mittels dieser Kriterien in drei Kategorien unterscheiden, in generische, klassische und Premium-Handelsmarken (vgl. für diesen Absatz Geyskens/Gielens/Gijsbrechts 2010, S. 791f.).

Generische Handelsmarken, häufig auch als Gattungsmarken oder in englischsprachigen Arbeiten als „economy private label“ bekannt, beschreiben Handelsmarken von vergleichsweise geringer Qualität (vgl. Ahlert/Kenning 2007, S. 155, Burmann/Henning/Schneider 2018, Burt 2000, S. 879, Geyskens/Gielens/Gijsbrechts 2010, S. 791, Kumar/Steenkamp 2007, S.29f.). Dafür sind generische Handelsmarken preislich im Einstiegssegment mit Preisen von 30% bis zu 50% unterhalb der Preise von nationalen Marken derselben Produktkategorie positioniert und stellen in Kombination mit den geringen Anforderungen an die Mindestqualität Einstiegsprodukte dar (vgl. Ahlert/Kenning/Schneider 2000, S. 89, Burmann/Meffert 2007, S. 176, Burt 2000, S. 879, Theis 2007, S. 330). Generische Handelsmarken beschränken sich in ihrer Produktauswahl meist auf Produktkategorien, in denen kein funktionales Risiko durch den Konsumenten wahrgenommen wird und die Produktgestaltung unproblematisch ist (vgl. Theis 2007, S. 330). Die unkomplizierte Produktgestaltung zeigt sich typischerweise durch ein unauffällig gestaltetes Label mit der Handelsmarken-Markierung und einer ansonsten schlichten, häufig einfarbigen, Verpackungsgestaltung: Auf der Verpackung sind das Markenzeichen der Handelsmarke sowie die Bezeichnung der vertretenen Produktkategorie des Produkts zu finden, wobei diese oft größer und dominanter als das Logo der Handelsmarke selbst platziert ist (vgl. Burmann/Meffert 2007, S. 177, Zielke/Dobbelstein 2007, S. 113). Beispiele für generische Handelsmarken sind unter anderem „ja!“ des Einzelhändlers Rewe, „gut und günstig!“ des Einzelhändlers Edeka und „tip“ bei Real (vgl. Berentzen 2010, S. 45, Böttcher 2012, S. 46, Ipsos/Lebensmittel Zeitung 2017, S. 26, Schnittka 2015, S. 95). Alle genannten Beispiele von generischen Handelsmarken befinden sich im Besitz von Händlern mit hohem Preisniveau (vgl. Vergleich 2017, siehe Abbildung 7). Die folgende Abbildung zeigt den Ausschnitt einer Werbung des Händlers Rewe, mit der er für seine generische Handelsmarke „ja!“ wirbt. Hierbei lassen sich die im Voraus beschriebenen Merkmale der generischen Handelsmarke - eine schlichte Verpackungsgestaltung sowie ein großer Schriftzug mit der Produktbezeichnung - sehr gut erkennen. Zudem zeigt die Werbung, dass Händler mit hohem Preisimage generische Handelsmarken einsetzen, um ihre Attraktivität gegenüber preisbewussten Kunden zu erhöhen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Auszug einer Werbung des Händlers Rewe für die Produkte der generischen Handelsmarke „ja!“ (vgl. Bochumer 2011)

Klassische Handelsmarken, in englischsprachigen Arbeiten „standard private label“ benannt, bieten eine mit klassischen Herstellermarken vergleichbare Qualität zu einem günstigeren Preis als die klassischen Herstellermarken (vgl. Ahlert/Kenning 2007, S. 155f., Ahlert/Kenning/Schneider 2000, S. 47, Geyskens/Gielens/Gijsbrechts 2010, S. 791). Damit sind klassische Handelsmarken trotz des günstigeren Preises klar über dem Preis von generischen Handelsmarken angesiedelt, bieten aber die erwähnten klaren Preisvorteile gegenüber nationalen Marken (vgl. Berentzen 2010, S. 46, Sattler/Völckner 2007, S.27). Klassische Handelsmarken stellen häufig sog. „Me-Too“-Produkte dar: Sie orientieren sich in Aussehen und Funktionalität oftmals an dem Aussehen und der Funktionalität nationaler Marken und besitzen somit häufig nur einen geringen Innovationsgrad (vgl. Ahlert/Kenning 2007, S. 155, Ahlert/Kenning/Schneider 2000, S. 47, Markgraf 2018). Folglich werden klassische Handelsmarken typischerweise in innovationsarmen Produktkategorien mit einer hohen Bereitschaft des Kunden, die Marke zu wechseln, angeboten (vgl. Theis 2007, S. 331). Beispiele klassischer Handelsmarken sind „Rewe Beste Wahl“, „Solevita“ von Lidl sowie die Marke „Edeka“ des gleichnamigen Händlers (vgl. Ipsos/Lebensmittel Zeitung 2017, S. 26). Die nachfolgende Abbildung zeigt die klassische Handelsmarke „Rewe Beste Wahl“ des Händlers Rewe. Sehr auffallend ist das - verglichen mit der generischen Handelsmarke „ja!“ - deutlich aufwendigere Verpackungsdesign, welches sich stark an nationalen Marken orientiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Auszug einer Werbung des Händlers Rewe für die Produkte der klassischen Handelsmarke „Rewe Beste Wahl“ (vgl. REWE 2017)

Premium-Handelsmarken werden in englischsprachigen Arbeiten als „premium private labels“ bezeichnet und positionieren die Qualität von Handelsmarken als entscheidenden Kauftreiber (vgl. Geyskens/Gielens/Gijsbrechts 2010, S. 791, Ipsos/Lebensmittel Zeitung 2017, S. 8). Mit dieser Art von Handelsmarken versuchen die Einzelhändler, Marken mit einer gleich- oder sogar höherwertigen Qualität als jene der nationalen Marken anzubieten (vgl. Ahlert/Kenning/Schneider 2000, S. 47, Geyskens/Gielens/Gijsbrechts 2010, S. 792). Der Preis ist entsprechend höher als der von Gattungs- oder klassischen Handelsmarken und liegt teils sogar höher als der Preis des Marktführers einer Produktkategorie (vgl. Ahlert/Kenning/Schneider 2000, S. 47, Böttcher 2012, S. 51). Somit rückt die Qualität in den Vordergrund als Entscheidungsmerkmal für Kaufentscheidungen (vgl. Ahlert/Kenning 2007, S. 155). Hinzu kommt meist ein höherer Innovationsgrad (vgl. Ahlert/Kenning 2007, S. 155, Liebmann/Zentes/Swoboda 2008, S. 462, Theis 2007, S. 331). Premium-Handelsmarken folgen somit nicht dem „Me-Too“-Konzept. Durch eine innovative und differenzierte Verpackung bei Premium-Handelsmarken soll für die Verbraucher ein Zusatznutzen generiert werden (vgl. Ipsos/Lebensmittel Zeitung 2007, S. 26). Beispiele für Premium-Handelsmarken sind „Rewe Feine Welt“ und „J.D. Gross“ bei Lidl (vgl. Ipsos/Lebensmittel Zeitung 2017, S. 26). Die Relevanz der Qualität von Handelsmarken wird ausreichend durch wissenschaftliche Arbeiten untermauert: Hoch und Banerji (1993, S. 65) konnten im Rahmen ihrer Untersuchungen feststellen, dass eine hohe und konsistente Qualität eine größere Rolle als der Preis für den Marktanteil von Handelsmarken spielt. Die folgende Abbildung zeigt eine Werbung für die Premium-Handelsmarke „Rewe Feine Welt“. Hierbei ist verglichen mit der generischen Handelsmarke „ja!“ und der klassischen Handelsmarke „Rewe Beste Wahl“ erneut eine Änderung der Verpackungsgestaltung erkennbar, die zusammen mit der gewählten Farbe des Markenlogos höherwertige Produkte suggeriert und damit einen Zusatznutzen beim Verbraucher generieren soll. Weiterhin werden unter der Premium-Handelsmarke sichtbar exklusivere Produkte angeboten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Auszug einer Werbung des Händlers Rewe für die Produkte der Premium-Handelsmarke „Rewe Feine Welt“ (vgl. Mrozek o.D.)

Anhand dieser Klassifizierung zeigen sich große Unterschiede im Angebot von Handelsmarken. Konsumenten stellen dies besonders anhand des Preises fest. Die folgende Grafik zeigt einen direkten Vergleich von Produkten innerhalb einer Produktkategorie, die durch den Händler Rewe vertrieben werden. Anhand aktueller Daten werden die preislichen Unterschiede zwischen einer nationalen Marke und den verschiedenen Handelsmarken von Rewe bei der italienischen Teigware „Gnocchi“ aufgezeigt. Auffallend ist hier, dass die Premium-Handelsmarke einen höheren Preis als die nationale Marke aufweist. Im Folgenden sind die Produkte nach aufsteigendem Preis sortiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Darstellung der preislichen Unterschiede zwischen den Handelsmarken des Händlers Rewe sowie einer nationalen Marke

Die in diesem Beispiel demonstrierten preislichen Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Arten der Handelsmarken, die mit der Verpackungsgestaltung einen Qualitätsunterschied suggerieren, lassen sich in beliebigen Produktkategorien aufzeigen. Die nachfolgende Abbildung fasst abschließend nochmals die wichtigsten Unterschiede der verschiedenen Ausprägungen von Handelsmarken zusammen. Zusätzlich sind jedem Typen von Handelsmarken ein Markenzeichen von je einer Handelsmarke der Händler Rewe (links) und Lidl (rechts) beigefügt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Zusammenfassung der unterschiedlichen Arten von Handelsmarken

2.5 Statistische Grundlagen

Im Zuge der genauen Analyse der Hypothesen dieser Arbeit wurden verschiedene statistische Methoden angewendet. Dieses Kapitel bietet eine Übersicht der verwendeten Werkzeuge.

2.5.1 Chi-Quadrat-Test für Unabhängigkeit

Der Chi-Quadrat-Test prüft, ob nach der empirischen Verteilung zwei in einer Stichprobe erhobenen kategorialen Variablen unabhängig voneinander sind; dieses statistische Prüfverfahren erfreut sich vieler Anwendungsmöglichkeiten. Die Nullhypothese des Tests, die Annahme über keine bestehende Beziehung zwischen den zu untersuchenden Variablen, steht der Gegenhypothese mit der Annahme eines Zusammenhangs gegenüber. Üblich ist hierbei das 5%-Signifikanzniveau zur Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung der entsprechenden Hypothese (vgl. für diesen Absatz Eckstein 2010, S. 286, Janssen/Laatz 2013, S.259ff., Pearson 1900).

2.5.2 Exakter Test nach Fisher

Mit dem Exakten Fisher-Test wird analog zum Chi-Quadrat-Test die Unabhängigkeit von zwei diskreten Merkmalen überprüft. Der Exakte Fisher-Test stellt im Gegensatz zum Chi-Quadrat-Test dabei keine Voraussetzungen an die Stichprobengröße. Der Test ist nur bei 2x2-Kontingenztabellen (also einer 4-Felder Kontingenztafel) mit den beobachteten Häufigkeiten anwendbar. Bei weiteren Zeilen oder Spalten sind Berechnungen unter Anwendung von Erweiterungen nach Freeman-Hallman möglich (vgl. für diesen Absatz Agresti 1992, S. 134f., Fisher 1922, S.93, Janssen/Laatz 2013, S. 33).

2.5.3 Mann-Whitney-U-Test

Der Mann-Whitney-U-Test (auch als Wilcoxon-Mann-Whitney-Test, U-Test oder Wilcoxon-Rangsummentest geläufig) ist ein nicht-parametrischer Test entwickelt von Henry Mann, Donald Whitney und Frank Wilcoxon, welcher die Signifikanz der Übereinstimmung von zwei Verteilungen überprüft. Dies geschieht mittels des Vergleichs der Mittelwerte beider Verteilungen durch die Bildung von Rängen über die abhängige Variable. Hierzu wird festgestellt, ob beide Verteilungen derselben Grundgesamtheit angehören (vgl. für diesen Absatz Janssen/Laatz 2013, S. 622f., Mann/Whitney 1947, Wilcoxon 1945).

Somit stellt der Mann-Whitney-U-Test eine Alternative zum t-Test dar, den parametrischen Test für den Vergleich der Mittelwerte zweier Verteilungen. Für den Mann-Whitney-U-Test muss die Testvariable im Gegensatz zum t-Test nicht metrisch skaliert sein. Weiterhin müssen die Daten nicht mit gleicher Varianz normalverteilt sein, sondern können auch ordinal skaliert sein. Zusammengefasst untersucht der Mann-Whitney-U-Test die Unterschiede zwischen zwei Gruppen - bezogen auf eine einzelne, ordinalskalierte Variable ohne bestimmte Verteilung (vgl. für diesen Absatz Janssen/Laatz 2013, S. 622f., Mann/Whitney 1947, Wilcoxon 1945).

3 Herleitung der Hypothesen

Nach Bruner und Goodman (1947, S. 38ff.) beeinflussen die persönlichen Ziele und Bedürfnisse von Konsumenten deren Einschätzung von bestimmten Objekten. Verbraucher bewerten Gegenstände positiv und präferieren sie sogar, falls diese die Wünsche des Verbrauchers erfüllen (vgl. Bruner/Goodman 1947, S. 38ff., Rosenberg 1956, S. 367). Aus diesem Grund könnten Verbraucher jene Lebensmittelläden bevorzugen, welche die Erfüllung des primären Einkaufsziels unterstützen. Es können zwei Typen von Händler unterschieden werden: Der erste Typ sind Läden, die eine hohe Qualität in Kombination mit einem guten Service anbieten, was meist mit einem höheren Preis einhergeht. Unter den deutschen Händlern zählen hierzu beispielsweise Rewe und Edeka sowie Real mit seinem neuen „Markthallen“-Konzept (vgl. Hack 2018). Der zweite Typ sind Händler, deren Strategie sich auf das Anbieten niedriger Preise konzentriert, was wiederum mit Abstrichen bei Service und Qualität einhergeht. Hierzu zählen im deutschsprachigen Raum unter anderem Händler wie Lidl, Netto und Penny. Die folgende Abbildung zeigt die preislichen Unterschiede zwischen deutschen Händlern auf. Diese Untersuchung fand anhand eines einheitlichen Warenkorbs mit 38 Artikeln statt. Es lassen sich klare Unterschiede zwischen den Händlern erkennen: Bei einem Vergleichstest Ende 2017 mit dem Kauf dieses Warenkorbs sind durch die Wahl des Händlers Lidl anstelle des Händlers Real Ersparnisse von immerhin 19% erreichbar (vgl. Vergleich 2017).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Unterschiedliche Preise bei identischem Einkauf (vgl. Vergleich 2017)

Basierend auf den Präferenzen von Verbrauchern kann man erwarten, dass Verbraucher mit dem primären Einkaufsziel, Produkte zu günstigen Preisen zu erwerben, dazu tendieren, einen entsprechenden Händler mit einer Niedrig-Preis-Strategie zu besuchen (vgl. Batra/Ahtola 1991, S. 168f.). Darüber hinaus werden Verbraucher wohl nicht nur Händler präferieren, die ihr primäres Einkaufsziel erfüllen (z.B. niedrige Preise), sondern zusätzlich auch auf das Angebot bestimmter Marken Wert legen. Aus diesem Grund folgt die Annahme, dass Verbraucher mit dem Ziel, ihren Einkauf bei einem Händler mit Niedrig-Preis-Strategie zu erledigen, ebenfalls niedrig-bepreiste (generische) Handelsmarken gegenüber nationalen Marken höheren Preises bei diesem Händler bevorzugen. Dies führt zu folgenden Hypothesen der Arbeit:

Hypothese 1a: Bei Händlern mit niedrigem Preisimage bevorzugen Konsumenten Handelsmarken gegenüber nationalen Marken.

Hypothese 1b: Bei Händlern mit hohem Preisimage bevorzugen Konsumenten nationale Marken gegenüber Handelsmarken.

Der Kauf von Handelsmarken beinhaltet generell ein höheres soziales und funktionales Risiko als Käufe von nationalen Marken (vgl. Mieres/Martín/Gutiérrez 2006, S. 768, Richardson/Jain/Dick 1996, S. 178, Semeijn/van Riel/Ambrosini 2004, S. 255, Zielke/Dobbelstein 2007, S. 118). Deshalb bevorzugen Verbraucher typischerweise nationale Marken gegenüber Handelsmarken in Produktkategorien mit hohem sozialem oder funktionalem Risiko, also in Produktkategorien mit hoher Markenrelevanz bezüglich der Kaufentscheidung (vgl. Fischer/Völckner/Sattler 2010, S. 831, Semeijn/van Riel/Ambrosini 2004, S. 256). Im Gegensatz dazu neigen Verbraucher dazu, Handelsmarken in Produktkategorien mit geringem sozialem oder funktionalem Risiko zu erwerben, also in Produktkategorien mit geringer Markenrelevanz bezüglich der Kaufentscheidung (vgl. Fischer/Völckner/Sattler 2010, S. 831, Semeijn/van Riel/Ambrosini 2004, S. 256). In diesen Kategorien findet die Kaufentscheidung des Verbrauchers in Abhängigkeit anderer Kriterien als der Marke statt, so unter anderem in Abhängigkeit des Produktpreises (vgl. Fischer/Völckner/Sattler 2010, S. 835). Somit folgt auf Basis der genannten Verhaltenstendenzen von Verbrauchern die Annahme, dass in Produktkategorien mit geringer Markenrelevanz Handelsmarken aufgrund ihres Preisvorteils gegenüber nationalen Marken bevorzugt werden. Dagegen wird in Produktkategorien mit einer hohen Markenrelevanz vermutet, dass nationale Marken aufgrund des geringeren funktionalen und sozialen Risikos gegenüber Handelsmarken bevorzugt werden. Dies führt zu folgenden weiteren Hypothesen:

Hypothese 2a: In Produktkategorien mit geringer Markenrelevanz werden Handelsmarken gegenüber nationalen Marken bevorzugt.

Hypothese 2b: In Produktkategorien mit hoher Markenrelevanz werden nationale Marken gegenüber Handelsmarken bevorzugt.

In der Vergangenheit wurde die Wichtigkeit der Markenfamiliarität im Rahmen des Kaufprozesses bereits mehrfach untersucht. Mit steigender Markenfamiliarität steigt das Sicherheitsgefühl und Vertrauen des Kunden in die eigene Kaufentscheidung (vgl. Park/Lessig 1981, S. 228). Bei Untersuchungen über die Zeit, die ein Kunde für seine Kaufentscheidung benötigt, wurde festgestellt, dass bei Aufteilung der Versuchsteilnehmer in unabhängige Gruppen hinsichtlich der Markenfamiliarität die Gruppe mit geringer Markenfamiliarität deutlich mehr Zeit in die Produktauswahl investiert als die Gruppe mit hoher Markenfamiliarität (vgl. Park/Lessig 1981, S. 229). Zusammenfassend kamen Laroche, Kim und Zhou (1996, S. 115) zu dem Ergebnis, dass eine Familiarität mit der Marke das Selbstbewusstsein des Käufers bezüglich der Marke beeinflusst, was wiederum die Kaufabsichten des Käufers bezüglich derselben Marke beeinflusst. Keine der genannten Arbeiten hat sich explizit mit dem Kaufverhalten von Handelsmarken beschäftigt. Handelsmarken besitzen – wie in den Grundlagen beschrieben - häufig einen signifikanten Preisvorteil gegenüber nationalen Marken, der Handelsmarken für den Verbraucher damit attraktiver gestaltet (vgl. Berentzen 2010, S. 46, Burt 2000, S. 879, Sattler/Völckner 2007, S.27). Diesem Preisvorteil gegenüber steht das wahrgenommene funktionale und soziale Risiko. Die Wahrnehmung dieses Risikos könnte durch eine hohe Markenfamiliarität bezüglich der Handelsmarke verringert werden, was eine Kaufentscheidung zu Gunsten der Handelsmarke begünstigt. Demnach folgt die Annahme, dass ein Konsument bei einer hohen Markenfamiliarität bezüglich einer Handelsmarke diese gegenüber einer nationalen Marke bevorzugt.

Hypothese 3: Weist ein Konsument eine hohe Markenfamiliarität bezüglich einer Handelsmarke auf, so bevorzugt er diese gegenüber einer nationalen Marke.

Mittels der aufgestellten Hypothesen sind die Forschungsfragen der Arbeit abgedeckt. Es folgt die Untersuchung im Rahmen der Empirischen Arbeit.

4 Empirische Studie

4.1 Methodik

Die für die Arbeit benötigten Daten wurden mittels einer Online-Umfrage erhoben. Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Online-Befragung aufgrund der hohen erzielbaren Reichweite gewählt, während zeitgleich Interviewer-Effekte unterbunden wurden (vgl. Silberbach 2016). Darüber hinaus lassen sich mithilfe dieses Marktforschungswerkzeugs zuverlässig formale Antworttendenzen durch die Randomisierung der Anordnung von Antwortmöglichkeiten vermeiden. Die Teilnahme an dem Online-Experiment geschah freiwillig und ohne Entschädigung. Insgesamt nahmen 164 Teilnehmer (Mittleres Alter beträgt 23.4 Jahre; Standardabweichung 9.99 Jahre; 65.1% Anteil an Frauen) mit sehr unterschiedlichen Beschäftigungen an der Befragung teil, die zufällig vier unterschiedlichen Experimenten zugeteilt wurden. Unabhängig der Versuchsgruppe wurden abschließend einheitlich demografische Merkmale (Alter, Geschlecht, Tätigkeit) erhoben. Es wurde keine Versuchsperson ausgeschlossen.

Die Versuchsteilnehmer beantworteten online einen Fragebogen, der mittels der Umfragesoftware „Unipark“ erstellt wurde und im Anhang dieser Arbeit beiliegt. Die Teilnehmer mussten sich zunächst in die Situation versetzen, die Filiale eines bestimmten Händlers zu besuchen, um ein Produkt einer bestimmten Produktkategorie dringend für den Eigenbedarf zu erwerben. Im Anschluss wurde der Versuchsteilnehmer, im Rahmen des Versuchs als Kunde agierend, mit dem Bild eines Supermarktregals konfrontiert, auf dem sich zwei Produkte derselben Produktkategorie befanden, eine Handelsmarke und eine nationale Marke. Der Teilnehmer hatte nun die Aufgabe, sich zwischen den zwei Produkten für eines zu entscheiden. Unter der Grafik waren die relevanten Informationen der Produkte vermerkt (Produktname, Preis, Menge), innerhalb der Grafik war nochmals der spezifische Händler deutlich markiert (siehe z.B. Abbildung 13).

Im Rahmen dieser Arbeit wurde mittels der zwei untersuchten Händler (Lidl und Rewe) sowie zwei Produktkategorien (Duschgel und Waschmittel) ein 2x2-Modell angewendet: Die 164 Teilnehmer haben sich somit auf insgesamt vier unterschiedliche Experimente verteilt, die sich in Produktkategorie und Händler unterschieden. Die Verteilung geschah zufällig, kein Teilnehmer behandelte mehr als einen Fall. Es liegen somit unabhängige Stichproben vor. In der Arbeit wurden formale Antworttendenzen in Form von Positionseffekten durch eine Randomisierung der Antwortmöglichkeiten unterdrückt. Hierdurch sollte der Einfluss der Anordnung von Antwortvorgaben gemäß des Response-Order Elaboration Models, wie es erstmals von Sudman, Bradburn und Schwarz definiert wurde, minimiert werden (vgl. Shapiro/Jacobs 2011, S. 357).

Zur Durchführung des Online-Experiments wurden zwei deutsche Händler, Lidl und Rewe, herangezogen. Die Händler zeichnen sich durch eine allgemein hohe Bekanntheit aus und erfreuen sich hoher Marktanteile in Deutschland (vgl. BVE 2018, S. 32, Theobald 2017). Beide unterscheiden sich jedoch maßgeblich in ihren Strategien (in Deutschland): Rewe gehört mit Edeka und Real zu den hochpreisigen Händlern. Lidl zählt dagegen zu den Händlern mit niedrigem Preisimage, die sich durch minimale Ausstattung und Service, dafür aber durch sehr niedrige Preise im Wettbewerb platzieren. Dies zeigt ein Vergleichstest Ende 2017, in dem ein charakteristischer Warenkorb von 38 Produkten bei verschiedenen Händlern gekauft wurde (siehe Abbildung 7).

Untersucht wurden die beiden Produktkategorien „Duschgel“ und „Waschmittel“. Die Kategorie „Duschgel“ wurde gewählt, da diese für Konsumenten eine Produktkategorie mit relativ hoher Markenrelevanz darstellt und hierdurch gegebenenfalls sogar ein Aufpreis für bestimmte Marken in Kauf genommen wird (vgl. Davvetas/Sichtmann/Diamantopoulos 2015, S. 434, Hammerschmidt/Donnevert/Bauer 2008, S. 52). Die Produktkategorie „Waschmittel“ wird dagegen allgemein als Kategorie mit niedriger Markenrelevanz wahrgenommen und so auch in anderen Arbeiten bezüglich der Untersuchung des Kaufverhaltens verwendet (vgl. Schnittka 2015, S. 96). Die Szenarien, die dem Versuchsteilnehmer zur Untersuchung der Hypothesen jeweils eine Handelsmarke und eine nationale Marke anboten, verwendeten je Produktkategorie dieselbe nationale Marke. Aufgrund des spezifischen Angebots an Handelsmarken eines jeden Händlers unterschieden sich die Handelsmarken auch innerhalb derselben Produktkategorie. Durch die einheitliche nationale Marke wurde dennoch versucht, das Alternativprodukt zur Handelsmarke jeder Produktkategorie so einheitlich wie möglich zu halten, um für eine hohe Vergleichbarkeit und möglichst geringe Verzerrung der Versuchsbedingungen zu sorgen. Für die nationale Marke der Produktkategorie „Duschgel“ wurde „Nivea Active Clean“ gewählt. Nivea positioniert sich in der Kategorie Duschgel als nationale Marke mit mehreren Produkten und ist zudem sehr beliebt bei deutschen Verbrauchern (vgl. Kupetz 2016, Bonner/Jacobs 2018, S. 2, Löhr 2016). Die Hauptfarbe des gewählten Duschgels entspricht zudem den dunklen Designs der ausgesuchten Handelsmarken: Für das Szenario des Händlers Rewe wurde die Eigenmarke „today“ mit dem „Duschgel 3in1 one hundred“ verwendet; im Fall Lidl wurde die Eigenmarke „Cien“ mit dem Produkt „Shower Gel & Shampoo Classic“ gewählt. Ähnlich wurde bei der Produktkategorie „Waschmittel“ vorgegangen: Als nationale Marke dient das Waschmittel „Ariel Actilift Vollwaschmittel“, bei Lidl die Handelsmarke „Maxi Trat Universal Vollwaschmittel“, bei Rewe das Produkt „ja! Vollwaschmittel“. Die folgende Abbildung soll dieses Online Experiment graphisch illustrieren:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Übersicht über die im Online-Experiment untersuchten Marken

Im Anschluss an die Kaufentscheidung eines Produkts des bestimmten Szenarios wurde die Markenfamiliarität des Versuchsteilnehmers bezüglich der für ihn relevanten Handelsmarke gemessen (Rewe/Duschgel: „today Duschgel 3in1 one hundred“; Lidl/Duschgel: „Cien Shower Gel & Shampoo Classic“; Rewe/Waschmittel: „ja! Vollwaschmittel“; Lidl/Waschmittel: „Maxi Trat Universal Vollwaschmittel“). Die Messung dieser unabhängigen Variable geschah nach dem Ansatz von Machleit, Allen und Madden (1993, S. 74): Der Versuchsteilnehmer sollte in diesem Rahmen drei siebenstufige Skalen bezüglich seines Grads an Erfahrung mit der Marke (1 = unerfahren, 7 = erfahren), seines Grads an Wissen über die Marke (1 = unwissend, 7 = kundig) und seiner Vertrautheit mit der Marke (1 = unvertraut, 7 = vertraut) beantworten. Mithilfe dieser Information wurde der Gesamtgrad der Markenfamiliarität des Versuchsteilnehmers bezüglich der Handelsmarke durch Aufsummieren der Ergebnisse der einzelnen Skalen ermittelt. Somit ergab sich hierbei ein maximaler Familiaritätswert von 21 (vgl. Machleit/Allen/Madden 1993, S. 74). Im Anschluss hieran wurde der allgemeine Wissensstand bezüglich Handelsmarken der Produktkategorie (Duschgel oder Waschmittel) des zugeteilten Experiments geprüft: Dem Versuchsteilnehmer wurden ähnlich wie auf einem Supermarktregal zehn Produkte gezeigt. Unterhalb der vorliegenden Grafik musste dieser sich entscheiden, bei welchen dieser Produkte es sich um nationale Marken handelte und welche dieser Produkte Handelsmarken waren. Diese Wissensabfrage sollte weitere Einsichten bezüglich des Wissensstandes des Versuchsteilnehmers liefern, um durch das Ergebnis der Arbeit wertvolle Implikationen für die Manager von Einzelhändlern zu liefern. Im Anschluss hieran fand die Erhebung der demographischen Merkmale statt, wodurch das Online-Experiment abgeschlossen wurde.

[...]

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Markenrelevanz, Preisimage des Händlers und Markenfamiliarität als Einflussfaktoren auf das Kaufverhalten von Handelsmarken
Hochschule
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)  (Institut für Informationswirtschaft und Marketing)
Note
1,7
Autor
Jahr
2019
Seiten
62
Katalognummer
V899803
ISBN (eBook)
9783346193476
ISBN (Buch)
9783346193483
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Markenrelevanz, Preisimage des Händlers, Markenfamiliarität, Kaufverhalten, Einflussfaktoren, Handelsmarken
Arbeit zitieren
Jonas Pirkl (Autor:in), 2019, Markenrelevanz, Preisimage des Händlers und Markenfamiliarität als Einflussfaktoren auf das Kaufverhalten von Handelsmarken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/899803

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