In der zu seinem Spätwerk zählenden Schrift mit dem Titel „Das Recht der Völker“ (RdV) konzipiert der amerikanische Philosoph John Rawls den Entwurf zu einer gerechten internationalen Ordnung unter Völkern. Er erweitert so den Gegenstandsbereich seines ersten Hauptwerkes „Eine Theorie der Gerechtigkeit“ (TG), die aus methodischen Gründen auf eine Gesellschaft als „geschlossenes System“ ohne Verbindungen zu anderen Gemeinwesen beschränkt geblieben war. Mit der Anwendung seiner vertragstheoretisch fundierten Gerechtigkeitstheorie im globalen Maßstab begegnet Rawls außerdem den Einwänden seiner Kritiker, die gegen die Theorie der ‚Gerechtigkeit als Fairness’ im heimischen Zuschnitt den Vorwurf in Anschlag gebracht hatten, sie stünde mit ihrem Verharren im kategorialen Rahmen des isolierten Nationalstaates den wichtigsten gegenwärtigen Herausforderungen an die politische Philosophie, nämlich der ökonomischen Globalisierung und der Entstehung transnationaler sozialer, politischer und rechtlicher Räume, konzeptionslos gegenüber.
Ausgehend von der Fragestellung „wie vernünftige Bürger und Völker womöglich friedlich in einer gerechten Welt zusammenleben können“ formuliert Rawls auf der Basis eines zweistufigen Urzustandsmodells einen Katalog von Grundsätzen, der die allgemein verbindlichen Leitlinien eines „Rechts der Völker“ in komprimierter Form festlegt. Der fünfte Grundsatz dieser insgesamt acht Punkte umfassenden Auflistung lautet apodiktisch: „Völker müssen die Menschenrechte achten.“ Wer gegen diese Pflicht verstößt, ist laut Rawls nicht mehr länger als gleichwertiges Mitglied in der Völkergemeinschaft tolerierbar und hat als internationaler Paria Einschränkungen seiner inneren Autonomie durch wirtschaftliche Sanktionen oder militärische Eingriffe zu befürchten. Die Menschenrechte fungieren in diesem Modell somit als normativer Maßstab mit indikativer Wirkung: Ihre (Nicht-) Respektierung ist das entscheidende Kriterium für die (Nicht-) Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Völker.
Dieser Entwurf eines Rechts der Völker mit seinem menschenrechtlichen Kern ist allerdings nicht voraussetzungslos. Ihm liegt die Annahme zu Grunde, dass Menschenrechte eine besondere Klasse von Rechten darstellen, die einen universalen Verbindlichkeitsanspruch formulieren und unbedingte Beachtung einfordern.
Inhaltsverzeichnis
- Zum Thema
- Grundzüge des Politischen Liberalismus
- Der Problemkontext: Stabilität angesichts des vernünftigen Pluralismus
- Der Lösungsansatz: Gesellschaft als ein faires System sozialer Kooperation
- Das Recht der Völker
- Ziel und Kontext
- Der zweistufige Kontraktualismus
- Erste Stufe: Der Urzustand liberaler Völker
- Zweite Stufe: Der Urzustand nicht-liberaler achtbarer Völker
- Rawls' Theorie der Menschenrechte
- Ein menschenrechtlicher Minimalismus
- Die Insuffizienz klassischer Menschenrechtsbegründungen
- Menschenrechte als Bedingungen sozialer Kooperation?
- Liberale Grundfreiheiten
- Menschenrechte
- Eine pragmatische Menschenrechtskonzeption
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit John Rawls' Theorie der Menschenrechte, insbesondere im Kontext seines Werkes „Das Recht der Völker“. Ziel ist es, Rawls' philosophischen Ansatz zur Begründung von Menschenrechten zu untersuchen und dessen Plausibilität zu bewerten.
- Das Konzept des Politischen Liberalismus bei Rawls und seine Verbindung zu der Frage der internationalen Ordnung
- Die Bedeutung des vernünftigen Pluralismus und der Herausforderung, eine gerechte Gesellschaft trotz unterschiedlicher Weltanschauungen zu gestalten
- Rawls' zweistufiges Urzustandsmodell und seine Implikationen für die internationale Politik
- Die Rolle der Menschenrechte in Rawls' Theorie der internationalen Gerechtigkeit und seine Kritik an klassischen Begründungsansätzen
- Die Frage, inwieweit Rawls' pragmatische Menschenrechtskonzeption das Problem des Menschenrechtsimperialismus vermeidet
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Teil der Arbeit skizziert den Hintergrund und die zentrale Fragestellung. Es wird erläutert, wie Rawls' Theorie der Gerechtigkeit auf internationale Beziehungen angewandt wird und welche Rolle die Menschenrechte in diesem Zusammenhang spielen. Kapitel 2 bietet einen Überblick über die zentralen Elemente des Politischen Liberalismus bei Rawls, insbesondere die Herausforderungen des vernünftigen Pluralismus und die Suche nach einem fairen System der sozialen Kooperation. In Kapitel 3 wird Rawls' Theorie des Rechts der Völker näher betrachtet, einschließlich des zweistufigen Urzustandsmodells, das die Beziehungen zwischen liberalen und nicht-liberalen Völkern regelt. Kapitel 4 fokussiert auf Rawls' eigene Theorie der Menschenrechte. Hier werden die Insuffizienz klassischer Begründungsansätze und die Begründung von Menschenrechten als Bedingungen sozialer Kooperation beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen der politischen Philosophie, insbesondere mit dem Politischen Liberalismus, der Theorie der Gerechtigkeit, dem Recht der Völker und der philosophischen Begründung von Menschenrechten. Im Fokus steht das Werk „Das Recht der Völker“ von John Rawls, dessen Argumente und Ansätze im Zusammenhang mit dem vernünftigen Pluralismus, dem zweistufigen Urzustandsmodell und der pragmatischen Menschenrechtskonzeption analysiert werden.
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- Michael Risel (Autor), 2007, „Menschenrechte light?“ , Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89994