Die Arbeit stellt sich die Frage, von welchem 'wir' im Falle des Anthropozän überhaupt gesprochen werden kann: Kann dieses 'wir' im Sinne der Menschheit als singulärem Akteur verstanden werden? Zur Beantwortung dieser Frage soll auf die Theoriebildung marxistischer Sozialwissenschaftler zurückgegriffen werden, die aus den ökologischen Aspekten der Marxschen Theorie Ansätze zur Erfassung und Erklärung des Anthropozän erarbeiteten.
"Après moi le déluge!“: Nach mir die Sintflut! Mit diesen Worten charakterisiert Marx im ersten Band des Kapitals die gleichgültige Position von Fabrikeigentümern gegenüber den sozialen Folgen ihres Wirtschaftens. Der ökologische Bezug des Zitates ist höchstes eine Konnotation, es bezieht sich vollständig auf die sozio-ökonomischen Phänomene in Form einer dahinsiechenden Schicht von Lohnarbeitern, die der sich entfaltende Kapitalismus des 19. Jahrhunderts hervorbrachte. Dabei erscheint das mythische Bild einer Sintflut heute jedoch aktueller denn je. Die Gefahr, dass in Konsequenz eines sich erwärmenden Erdklimas erhebliche Teile bewohnten Landes von einem steigendem Meeresspiegel geschluckt werden, ist eines der plastischeren Szenarien, die in Konsequenz eines sich veränderten Klimas drohen.
Im Verlauf der Arbeit wird daher im ersten Abschnitt der Begriff des Anthropozän von seiner naturwissenschaftlichen Seite, sowie im Bezug auf gesellschaftlich relevante Diskurse, entwickelt werden. Darauf folgt im zweiten Abschnitt eine Schärfung des marxistischen Ansatzes um ihn in seinen theoretischen und methodischen Besonderheiten von anderen sozialwissenschaftlichen Stoßrichtungen abzugrenzen. Hier wird darüber hinaus ein marxistischer Begriff von 'Natur' entwickelt. Ausgehend von diesen Feststellungen kann dann die theoretische Rahmung im Bezug auf die beiden groben Themenfelder der Verknüpfung von Ökonomie und Natur im dritten Abschnitt sowie Gesellschaft und Natur im vierten Abschnitt entwickelt werden. Der abschließende fünfte Abschnitt stellt ein Resümee dar, sowie den Versuch, mit dem entwickelten theoretischen Ansatz die eingangs gestellte Frage zu beantworten: Mit uns die Sintflut?
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung
- 1. Das Anthropozän: Mensch gegen Erdsystem?
- 1.1. Begriffsklärung
- 1.2. Die Erdsystemwissenschaft als Grundlage des Anthropozän
- 1.3. Naturwissenschaftliche Sicht auf das Anthropozän
- 2. Gesellschaft im Anthropozän – Anthropozän als Diskurs
- 2.1. Sozialwissenschaftliche Annäherung
- 2.1. environmental discourses als Mittel der Konzeptionalisierung des Antrhopozän
- 2.2. Prometheanischer Diskurs: Natur als störende Einschränkung
- 2.2. Limits & Survival Diskurs: Natur als zu respektierende Schranke
- 2.3. Diskurse ökologischer Nachhaltigkeit
- 2.4. Zwischenfazit zum Anthropozän aus sozialwissenschaftlicher Sicht
- 3. Grundlagen eines marxistischen Ansatzes
- 3.1. Streitpunkt des Marxschen Naturbegriffes
- 3.2. Methodisch und theoretische Abgrenzungen
- 3.3. Der holistische Charakter einer marxistischen Soziologie der Ökologie
- 4. Natur und Ökonomie
- 4.1. Vorbemerkung
- 4.2. Doppelcharakter und immanenter Widerspruch der Ware
- 4.3. Die Verwertung: Der Widerspruch von unendlicher Zirkulation und endlicher Natur
- 4.4. Erzeugung von Mehrwert in der Produktion: Naturzerstörung als Resultat des subsumierten Arbeitsprozesses
- 4.5. Vergrößerung des Mehrwerts: Zwang der Naturnutzung
- 4.5. Zwischenfazit zum Konnex Natur-Ökonomie
- 5. Natur und Gesellschaft
- 5.1. Vorbemerkung
- 5.2. Die Stoffwechsel-Riss-Theorie
- 5.3. Ökologischer Imperialismus oder Akkumulationsregime?
- 5.4. Das Anthropozän in marxistischer Theorie: Der globale Riss und seine Grenzen
- 5.5. Der Wert-Fetisch: Subjektive Handlungsrahmen des Mensch-Natur Verhältnis
- 5.6. Theoretische Divergenzen: Vom Anthropozän ins Kapitalozän?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob sich das Anthropozän mit Hilfe eines marxistischen Frameworks begreifen lässt. Ziel ist es, die theoretischen Ansätze marxistischer Sozialwissenschaftler zu untersuchen, die sich mit den ökologischen Aspekten der Marxschen Theorie auseinandersetzen und diese auf das Anthropozän anwenden. Die Arbeit analysiert die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Ansätze und diskutiert, welche Ansatzpunkte sich für die Entwicklung eines marxistischen Frameworks des Anthropozän eignen.
- Die Rolle des Menschen in der Entstehung des Anthropozäns
- Die Kritik an der kapitalistischen Produktionsweise im Kontext des Anthropozäns
- Die Verbindung von Ökonomie und Natur aus marxistischer Perspektive
- Die Bedeutung des Marxschen Naturbegriffs für die Analyse des Anthropozäns
- Die Herausforderungen und Chancen eines marxistischen Ansatzes zur Bewältigung des Anthropozäns
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema des Anthropozäns ein und stellt die Forschungsfrage nach den Ansatzpunkten für ein marxistisches Framework des Anthropozäns. Das erste Kapitel behandelt den Begriff des Anthropozäns aus naturwissenschaftlicher Sicht und beleuchtet die relevanten Diskurse und Argumente für die Etablierung des Anthropozäns als geologische Epoche.
Kapitel 2 setzt sich mit der sozio-wissenschaftlichen Perspektive auf das Anthropozän auseinander. Es werden verschiedene Diskurse analysiert, die zur Konzeptionalisierung des Anthropozäns beitragen, darunter der Prometheanische Diskurs, der Limits & Survival Diskurs und Diskurse ökologischer Nachhaltigkeit.
Das dritte Kapitel widmet sich den Grundlagen eines marxistischen Ansatzes zur Analyse des Anthropozäns. Es werden der Marxschen Naturbegriff und die theoretischen sowie methodischen Abgrenzungen zu anderen sozialwissenschaftlichen Stoßrichtungen diskutiert.
Kapitel 4 untersucht die Beziehung zwischen Natur und Ökonomie aus marxistischer Sicht. Es werden der Doppelcharakter der Ware, die Verwertungsprozesse und die Verbindung von Mehrwerterzeugung und Naturzerstörung beleuchtet.
Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Natur und Gesellschaft im Kontext des Anthropozäns. Es wird die Stoffwechsel-Riss-Theorie erläutert und der Einfluss des ökologischen Imperialismus und der Akkumulationsregime auf die Mensch-Natur-Beziehung untersucht.
Schlüsselwörter
Anthropozän, Marx, Kapitalismus, Naturzerstörung, ökologischer Imperialismus, Stoffwechsel-Riss, Mehrwert, Kapitalozän, ökologische Nachhaltigkeit, Erdsystemwissenschaft, environmental discourses, geologische Epoche, Anthropogene Veränderungen, Klimawandel, Marxsche Theorie.
- Quote paper
- Markus Bassermann (Author), 2017, Marxistisches Framework des Anthropozän. Ansätze zur Erfassung und Erklärung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/900943