Die Sperrwirkung nach Art. 9 OECD-MA und ihre Auswirkungen auf die grenzüberschreitenden Finanztransaktionen innerhalb eines Konzerns nach dem deutschen Steuerrecht


Bachelorarbeit, 2020

44 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Text

A. Einleitung
I. Verrechnungspreis als Maßnahme für Gewinnverlagerung
II. Verrechnungspreis in den Finanztransaktionen und der Ausgangsfall
III. Forschungsfrage und Aufbau der Arbeit

B. Korrekturmöglichkeit nach dem nationalen Steuerrecht
I. Teilwertabschreibung gem. § 6 I EStG
II. Außerbilanzielle Hinzurechnung der Teilwertabschreibung auf Basis § 1 I AStG
1. Einkünfteminderung aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland
2. Nahestehende Person
a) Wesentliche Beteiligung
b) Beherrschender Einfluss
c) Geschäftsfremde Einflussmöglichkeiten
d) Interessenidentität
3. Fremdvergleichsgrundsatz
a) Unabhängigkeit der Geschäftspartner
b) Vergleichbarkeit der Verhältnisse
4. Behandlung von Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen nach § 1 AStG
III. Einkünftekorrektur nach § 8b KStG
IV. Maßstab der Korrektur

C. Die Sperrwirkung nach Art. 9 OECD-MA
I. Allgemeines
1. Inhalt und Bedeutung der Vorschrift
2. Abgrenzung des Art. 9 OECD-MA zu Art. 7 OECD-MA und anderen DBA-Vorschriften
II. Die Gewinnkorrektur nach Art. 9 I OECD-MA
1. Verbundene Unternehmen
2. Kaufmännische oder finanzielle Beziehungen
3. Vereinbarte oder auferlegte Bedingungen
4. Grundsatz des Fremdverhaltens
5. Rechtsfolge
III. Die Sperrwirkung nach Art. 9 OECD-MA
1. Sperrwirkung bezüglich der ersten Kriterien
2. Sperrwirkung bezüglich der dritten Kriterien

D. Entwicklung der Rechtsprechung
I. BFH-Urteil vom 11.10.2012 - I R 75/11
II. BFH-Urteile vom 17.12.2014 - I R 2/13 und vom 24.06.2015 - I R 29/14
III. BMF-Schreiben vom 30.03.2016
IV. BFH-Urteile vom 27.02.2019 - I R 73/16 und vom 19.06.2019 - I R 32/17
V. Offene Frage zu den jüngsten BFH-Urteilen

E. Auswirkung des RefEs ATAD-Umsetzungsgesetz auf die grenzüberschreiten Finanztransaktionen innerhalb eines Konzerns

F. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Rechtsprechungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kurzzusammenfassung

Die Bachelorarbeit konzentriert sich auf Verrechnungspreisfragen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Finanztransaktionen innerhalb eines Konzerns. Bei einer konzerninternen Darlehensgewährung ohne Sicherheitsleistung wird des Öfteren diskutiert, ob die fehlende Besicherung unter die Fremdvergleichsprüfung fällt. Wenn die Besicherung eines Darlehens auch fremdüblich sein müsste, könnte eine Gewinnkorrektur im Falle einer Teilwertabschreibung aufgrund einer ausgefallenen Tilgung eines unbesicherten Darlehens seitens des Schuldners erfolgen. Nach dem nationalen Steuerrecht ergibt sich eine Korrekturmöglichkeit nach § 1 AStG und § 8b KStG. Die Korrektur erfordert, dass eine Teilwertabschreibung eines Gesellschafterdarlehens gem. § 6 I Nr. 2 S. 2 EStG vorliegt und eine außerbilanzielle Hinzurechnung der Teilwertabschreibung nach dem deutschen Steuerrecht erfolgt. Die Ausbuchung der Darlehensforderung des Darlehensgebers ist als eine Teilwertabschreibung anzusehen. Die Teilwertabschreibung des Darlehensgebers ist zulässig, da die schlechte Bonität des Schuldners einen voraussichtlich dauernden Zustand darstellt. Jedoch könnte diese zur Korrektur der Einkünfte des Darlehensgebers, in diesem Fall der Muttergesellschaft, führen, wenn die fehlende Besicherung nicht fremdüblich ist und diese kausal für die Teilwertabschreibung ist. Gem. § 1 I 1 AStG muss eine Einkünftekorrektur erfolgen, wenn die Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer ihm nahestehenden Person dadurch gemindert werden, dass er seiner Einkünfteermittlung andere Bedingungen zugrunde legt, als sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten. Da die ausländische Tochtergesellschaft nahestehende Person der Muttergesellschaft ist und sie auch Einkünfte von dieser Geschäftsbeziehung hat, muss nur die Darlehensgewährung der Muttergesellschaft gegen diesen Fremdvergleichsgrundsatz verstoßen. Die Fremdunüblichkeit der Darlehensgewährung könnte in der fehlendenden Besicherung des Darlehens liegen. Diese Frage war sehr umstritten und wurde auch vom BFH mehrmals behandelt. Nach den jüngsten Urteilen ist die Fremdunüblichkeit eines unbesicherten Darlehens trotz des Konzernrückhalts zu bejahen. Auch die Korrektur der Einkünfte nach § 8b III 4ff KStG greift auch in diesem Fall nach deutschem Recht ein. Die Gewinnberichtigung könnte jedoch nach Art. 9 I OECD-MA auf internationaler Ebene verhindert werden. Nach allgemeiner Ansicht entfaltet Art. 9 I OECD eine Sperrwirkung der nationalen Korrekturvorschriften gegenüber, wenn die Fremdvergleichsprüfung über den Fremdvergleichsmaßstab nach Art. 9 I OECD-MA hinausgeht. Fraglich ist somit, ob die fehlende Besicherung einer konzerninternen Darlehensgewährung auch den Fremdvergleichsgrundsatz nach dieser Norm einzuhalten hat. Unter den Ausdruck „vereinbarte Bedingungen“ in Art. 9 OECD-MA kann alles fallen, was Gegenstand der kaufmännischen und finanziellen Bedingungen ist. Folglich umfasst dieser Ausdruck neben den Preisen, im Fall eines Darlehens die Zinshöhe, auch weitere Geschäftsbedingungen. Nach der bisherigen Ansicht des BFHs sind jedoch nur die vereinbarten Bedingungen zu berücksichtigen, welche Einfluss auf die Zinshöhe unter dem Fremdvergleichsmaßstab haben. Die fehlende Besicherung kommt somit nicht in Betracht. Diese Auffassung gab der BFH nach den jüngsten Urteilen auf. In diesen Urteilen entschied der BFH, dass der Fremdvergleichsmaßstab nach der dem Art. 9 OECD-MA nachgebildeten Vorschrift auch die Prüfung der anderen Bedingungen als Preise umfasse. Die fehlende Besicherung eins Darlehens stellt eine vom Fremdüblichen abweichende „vereinbarte Bedingung“ i.S.v. Art. 9 OECD-MA dar. Weder nach Wortlaut noch nach Sinn und Zweck des Art. 9 OECD-MA ist von einer Beschränkung der Preisberichtigung auszugehen. Eine Gewinnberichtigung nach § 1 AStG ist somit zulässig. Die jüngsten Urteile des BFHs lassen jedoch noch manche Fragen, insbesondere im Umfang der Sperrwirkung nach Art. 9 OECD-MA gegenüber anderen Tatbeständen des § 1 AStG offen. Zudem lässt eine Änderung der Rechtsprechung mit dem Entwurf des neuen § 1a AStG, der speziell den steuerlichen Abzug des Aufwands aus einer konzerninternen Finanztransaktion regelt, auch nicht ausschließen.

Text

A. Einleitung

I. Verrechnungspreis als Maßnahme für Gewinnverlagerung

Die Besteuerung von grenzüberschreitend tätigen Unternehmen steht heutzutage im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Letztes Jahr zeigte ein Beitrag1, dass große amerikanische Internet-Konzerne wie Apple, Facebook, Google, Amazon zwar sehr aktiv am europäischen Märkten teilnehmen, jedoch sehr wenig Steuern an die EU-Staaten zahlen. Grund dafür ist, dass diese Konzerne ihre Tochtergesellschaften in europäischen Ländern gründeten, in denen sie nur niedrigen Steuersätzen unterliegen, um dadurch weniger Steuer für ihre Gewinne zu zahlen. Die Geschäftstätigkeiten dieser Konzerne werden hauptsächlich im Internet durchgeführt. Die Tochtergesellschaften haben somit im operativen kaum eine Auswirkung auf die Gewinne. Die OECD bezeichnet die Verschiebung der Gewinne in Niedrigsteuerländer und die Verschiebung der Verluste in Hochsteuerländer als Gewinnverlagerung. Die Gewinnverlagerung kann somit zu erheblichen Steuervorteilen für multinationale Unternehmen führen, die kleine und mittlere Unternehmen nicht haben können.2 Solch eine Steuervermeidung durch Gewinnverlagerung kennen nicht nur Digital-Konzerne und nicht nur EU-Staaten müssen dagegen kämpfen. Nach einer Studie der OECD entstanden Milliardenverluste für Staaten, die auf Steuervermeidung zurückzuführen sind. Dadurch sind Verluste von 4 - 10% des globalen Steueraufkommens entstanden, dies entspricht 100 bis 240 Mrd. USD. Die Studie besagt ebenfalls, dass die Renditen von Konzerngesellschaften in Ländern mit niedrigem Steuersatz im Durchschnitt deutlich höher liegen, als die globale durchschnittliche Rendite der multinationalen Unternehmen (englisch multinational enterprises, MNEs).3 Ein zentrales Mittel für die Gewinnverlagerung und dadurch vermeintliche Steuervermeidung von MNEs von ist der Verrechnungspreis.

Multinationale Unternehmen führen ihre Geschäfte in verschiedenen Ländern aus und erzielen durch ihre Geschäftstätigkeit Einkünfte. Wenn diese ökonomischen Tätigkeiten von einer separaten Tochtergesellschaft im Ausland übernommen werden, wird diese Tochtergesellschaft im Ausland als eigenständiges Steuersubjekt oder Einkünfteerzielungssubjekt behandelt. Somit müssen die Einkünfte für jede Konzerngesellschaft separat ermittelt werden. Innerhalb der Einkunftsermittlung werden nicht nur Einkünfte aus Rechtsgeschäften mit Dritten, sondern auch die Einnahme aus den konzerninternen Transaktionen berücksichtigt. Die Preise, die zwischen verbundene Unternehmen über die Waren, Dienstleistungen und sonstigen Leistungen vereinbart werden, werden allgemein als Konzernverrechnungspreise oder vereinfacht als Verrechnungspreise (englisch Transfer Pricing) definiert.4

Obwohl jede Konzerneinheit als eigenständiges Steuersubjekt behandelt wird, stellt ein Konzern ökonomisch eine Einheit dar.5 Somit können die Konzerne auf ihre internen Transaktionen problemlos Einfluss nehmen und hätten die Möglichkeit Preismanipulationen vorzunehmen. Dies ist bei einer Geschäftsbeziehung (bzw. Geschäften oder Transaktionen) mit Dritten nicht möglich, denn Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Da die Verrechnungspreise nicht durch die Wirkung von Angebot und Nachfrage wie die Marktpreise, sondern von konzerninternen Entscheidungen beeinflusst werden, besteht grundsätzlich Flexibilität bei der Ausgestaltung des Verrechnungspreises. Anhand der Festlegung von Verrechnungspreisen können die international tätigen Unternehmen daher ihre zu versteuernden Gewinne auf die Länder, in denen der Steuersatz gering ist, verlagern.6 Als Gegenmaßnahme dieser Gewinnverlagerungen wurden Vorschriften zur Korrektur von Verrechnungspreisen auf nationaler sowie internationaler Ebene verabschiedet.

II. Verrechnungspreis in den Finanztransaktionen und der Ausgangsfall

Der Konzernrückhalt durch konzerninterne Finanztransaktionen ist heutzutage eines der brisantesten Themen in der Verrechnungspreispraxis. Dieses Thema wurde nicht nur von Betriebsprüfungen diskutiert, sondern ist auch ein Streitgegenstand zahlreicher Finanzgerichtsurteile bezüglich der internationalen Besteuerung. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, inwiefern der Konzernrückhalt für die Bestimmung fremdüblicher Zinsen an Bedeutung gewinnt.7 Als Konzernrückhalt bezeichnet man alle Vorteile im Konzern, die eine Konzerneinheit lediglich aufgrund der Zugehörigkeit zum Unternehmensverbund haben kann, bei völliger Passivität der Konzernleitung.8 Im wirtschaftlichen Verkehr ist Konzernrückhalt in Form einer Kreditunterstützung jedoch sehr üblich, da durch eine Kreditunterstützung Konzerneinheiten und auch der Konzern viele Vorteile bekommen. Zu den wichtigsten darunter zählen verbesserte Bedingungen (das ist der Fall, wenn die Tochtergesellschaft mit Hilfe des Konzernrückhalts nur einen geringen Zinssatz zahlen muss) und reduzierter Aufwand (da möglicherweise kein formelles Rating verlangt wird). Nach der Verrechnungspreissicht ergibt sich bezugnehmend auf die Kreditunterstützung eines Konzerns die Frage, ob und inwieweit diese finanzielle Unterstützung mit einer angemessenen Leistung kompensiert werden müsste.9 Diese Frage gilt auch für den Fall, bei dem die Muttergesellschaft ihrem Tochterunternehmen ein unbesichertes Darlehen gewährt und dadurch die Ausfallrisiken übernimmt. Diese rechtliche Fragestellung wird im folgenden Ausgangsfall dargestellt. Dieser Ausgangsfall begleitet die ganze Thesis und wird immer wieder aufgegriffen:

Alleiniger Anteilseigner einer inländischen Organgesellschaft (A) räumt ihrer in Belgien ansässigen Tochtergesellschaft (T), an der A eine 99,98%-Beteiligungsquote hat, ein unbesichertes Darlehen zu einem Zinssatz von 6% ein. Im Jahr 2005 gerät T in finanzielle Not. Die Darlehensforderung war aufgrund der finanziellen Situation der Tochtergesellschaft wertlos und sie wurde aufgrund des Forderungsverzichtes der Muttergesellschaft ausgebucht. Der Gewinn der Muttergesellschaft und folglich die Besteuerung werden dadurch verringert Diese Veränderung könnte jedoch einer außerbilanziellen Korrektur nach dem deutschen Steuerrecht unterliegen.

III. Forschungsfrage und Aufbau der Arbeit

Die zentrale Frage dieser Arbeit ist, ob eine grenzüberschreitende Darlehensgewährung innerhalb eines Konzerns ohne Sicherheitsleistung fremdüblich ist und es dadurch nicht zu einer außerbilanziellen Gewinnkorrektur führt. Da es sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt, ist nicht nur deutsches Recht zu erforschen, sondern benötigt es auch eine Berücksichtigung des internationalen Rechtes, in diesem Fall des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA). Ein Problem könnte sich aus dem Konflikt zwischen dem nationalen Steuerrecht und dem Doppelbesteuerungsabkommen ergeben. Im Fall der fehlenden Besicherung eines Darlehens könnte ein solcher Konflikt vorliegen, wenn diese fehlende Besicherung nicht auf der nationalen Ebene, jedoch auf der internationalen Ebene vorgesehen wird. Die Bachelorarbeit widmet sich somit der Auslegung der Verrechnungspreisregelungen in diesem Ausgangsfall und strebt mit Hilfe der Literaturarbeit sowie einer Auseinandersetzung mit verschiedenen Urteilen eine Klarstellung der Behandlung eines unbesicherten Darlehen innerhalb eines Konzerns an.

Im ersten Teil der Arbeit werden die nationalen Vorschriften, insbesondere § 1 AStG und § 8b KStG, analysiert. So soll deutlich werden, ob eine konzerninterne Darlehensgewährung ohne Sicherheitsleistung nach deutschem Recht zur Gewinnkorrektur führen müsste. Danach wird Art. 9 OECD-MA auf der internationalen Ebene erläutert und dadurch gezeigt, dass es einen Konflikt bei der Anwendung des international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz auf den Fall des unbesicherten Darlehens zwischen dieser Norm und den nationalen Vorschriften geben könnte. Im dritten Teil befasst sich die Arbeit mit verschiedenen Urteilen der Rechtsprechung sowie der Entscheidung der Finanzverwaltung. Zum Schluss wird ein Überblick über den Entwurf des neuen § 1 AStG und seine mögliche Auswirkung auf zukünftige Finanztransaktionen in einem Konzern verschafft.

B. Korrekturmöglichkeit nach dem nationalen Steuerrecht

Eine Korrekturmöglichkeit könnte sich aus § 1 AStG und aus § 8b III KStG ergeben. Es setzt zunächst voraus, dass eine Teilwertabschreibung eines Gesellschafterdarlehens gem. § 6 I Nr. 2 S. 2 EStG vorliegt und eine außerbilanzielle Hinzurechnung der Teilwertabschreibung nach dem deutschen Steuerrecht erfolgt.10

I. Teilwertabschreibung gem. § 6 I EStG

Bei dem § 6 EStG handelt es sich um eine Bewertungsvorschrift, die die Bewertung eines nach §§ 4, 5 EStG anzusetzenden Wirtschaftsguts bestimmt. Dadurch ist die Höhe des Wertansatzes der Wirtschaftsgüter festzulegen.11 Sinn und Zweck der Bewertung ist die Gewährleistung einer Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Unter wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, ist die entgeltliche Ist-leistungsfähigkeit der Wirtschaftsgüter zu verstehen.12 Die Werte der Wirtschaftsgüter auf der Aktivseite müssen grundsätzlich gem. § 6 I EStG anhand der Anschaffungskosten und Herstellungskosten (Nr. 1 - 2a) anzusetzen sein. Diese Anschaffungskosten und Herstellungskosten sind im § 255 HGB definiert und alle Gewinneinkünfte sowie Überschusseinkünfte (gem. § 2 II EStG stammen Einkünfte entweder aus dem Gewinn oder aus dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten) unterliegen auch dieser Begriffsbestimmungen.13 Unabhängig davon ermöglicht § 6 I Nr. 1 S. 2 EStG die Ansetzung eines Teilwertes, wenn dieser aufgrund einer „voraussichtlich dauernden Wertminderung“ niedriger als die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist. Der Teilwert ist nach Legaldefinition gem. § 6 I Nr. 1 S. 3 EStG jener Betrag, „der ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde“. Die Teilwertabschreibung ist ergebniswirksam. Falls die Gründe für die Teilwertabschreibung im späteren Zeitpunkt nicht mehr existieren, muss eine Wertaufholung nach § 6 I Nr. 1 S. 4 EStG durchgeführt werden.14

Maßgeblich für die Bilanzierung des Gesellschafterdarlehens im Ausgangsfall ist die Bewertung der Wirtschaftsgüter, die nicht unter die abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens fallen, nach § 6 I Nr. 2 EStG. Dazu gehören zugeordnete Wirtschaftsgüter, wie z.B. Vorräte, Forderungen und Ausleihungen.15 Obwohl die Forderungen, Ausleihungen und Darlehen gem. 266 HGB teils in die Aktivseite, teils in die Passivseite eingegliedert sind, werden sie im EStG als nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter i.S.d. § 6 I Nr. 2 S. 1 EStG eingestuft, unabhängig davon, ob es sich um eine lang- oder kurzfristige Forderungen handelt.16 Gem. § 6 I Nr. 2 S. 2 EStG gilt die Teilwertabschreibung auch für Gesellschaftsforderungen. Vorrausetzung dafür ist auch die „voraussichtlich dauernde Wertminderung“. Dies ist beispielweise der Fall, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eingetreten oder angenähert ist. Das bedeutet, dass der Teilwert der Rückzahlungsforderung unter den Nennwert fällt. Die Rechtfertigung für Teilwertabschreibung entsteht, wenn die schlechte Bonität des Schuldners einen voraussichtlich dauernden Zustand darstellt.17 Im Ausgangsfall hat die Muttergesellschaft ihre Darlehensforderung gegen ihre Tochtergesellschaft ausgebucht, da die Tochtergesellschaft im Jahr 2005 in eine notleidende Situation geraten ist. Die Ausbuchung ist als eine Teilwertabschreibung anzusehen. Die Forderung der Muttergesellschaft fällt allerdings nicht unter diejenigen Teilwertabschreibungen, die durch einige Fälle des BFHs verboten werden18, da das von der Muttergesellschaft gewährte Darlehen nicht unverzinslich war. Die Teilwertabschreibung des Gesellschafterdarlehens im Ausgangsfall ist somit bilanziell zulässig.

II. Außerbilanzielle Hinzurechnung der Teilwertabschreibung auf Basis § 1 I AStG

Möglicherweise kann die Teilwertabschreibung außerbilanziell nach § 1 AStG hinzugerechnet werden. Gem. § 1 I 1 AStG muss eine Einkünftekorrektur erfolgen, wenn die Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer ihm nahestehenden Person dadurch gemindert werden, dass er seiner Einkünfteermittlung andere Bedingungen zugrunde legt, als sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten. Fraglich ist, ob das unbesichert vergebene Darlehen die Voraussetzungen einer Korrektur i.S.v. § 1 I AStG erfüllt und die daraus resultierende Teilwertabschreibung für die Einkünfteminderung der inländischen Muttergesellschaft kausal ist.19 Eine solche Kausalität ist zu bejahen, falls der Gewinn der Muttergesellschaft durch die Teilwertabschreibung gemindert ist.

1. Einkünfteminderung aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland

Zunächst müsste die Muttergesellschaft A die Einkünfte aus Geschäftsbeziehung im Ausland erzielen. Es gibt Abweichung bei den Begrifflichkeiten zwischen den Einkünften aus Geschäftsbeziehungen zum Ausland und den ausländischen Einkünfte i.S.d. § 34d EStG.20 § 34d EStG berücksichtigt ausschließlich die Einkünfte, die im ausländischen Staat entstanden sind,21 während es nicht im § 1 AStG erfordert wird. § 1 AStG setzt jedoch eine Geschäftsbeziehung zum Ausland voraus. Die Geschäftsbeziehung wird in § 1 IV AStG legal definiert. Das Wort „Beziehung“ äußert ein Verhältnis im Sinne eines Bezuges. Dabei muss es nicht unbedingt eine Abhängigkeit zwischen Personen darstellen.22 Seit Inkrafttreten des AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013 fordert § 1 IV AStG anstatt der schuldrechtlichen Beziehung einen Geschäftsvorfall an, der als einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge zu bezeichnen ist. Hintergrund der Ersetzung von „schuldrechtlichen Beziehungen“ durch „Geschäftsvorfälle“ ist die Umsetzung des von der OECD veröffentlichten „Authorized OECD Apporach“ (AOA) in nationales Recht in § 1 V AStG und der Bedarf, die Beziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und seiner Betriebsstätte auch in den Begriff der Geschäftsbeziehung einzubeziehen.23 (Das AOA wird als internationales Konzept zur Bestimmung der Einkünfte von Betriebsstätten angesehen).24 Aus Sicht des Gesetzgebers sind wirtschaftliche Vorgänge einerseits rechtlichen Beziehungen und andererseits auch tatsächliche Handlungen. Dadurch unterliegen auch die fiktive Rechtsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und seiner Betriebsstätte nach § 4 IV 2 AStG einer Angemessenheitskontrolle.25 Im Ausgangsfall hat die inländische Muttergesellschaft A eine 99,98%-Beteiligungsquote an der ausländischen Tochtergesellschaft T. Die Geschäftsbeziehung zwischen A und T ist nach § 1 IV 1 AStG zu bejahen.

Zudem müssen die Geschäftsbeziehungen zum Ausland gem. § 1 I AStG unterhalten werden. § 1 I AStG ist nicht anwendbar für die Geschäftsbeziehung im Ausland und zum Inland. Der Begriff „Ausland“ wird nicht vom Gesetzgeber definiert. Nach allgemeiner Auslegung kann „Ausland“ entweder als geografische Bestimmung oder als Zuordnung nach dem möglichen vorrangigen Besteuerungszugriff einer ausländischen Steuerbehörde angesehen werden.26 Dabei ist der Zweck dieser Vorschrift zu beachten. Durch die Einführung des § 1 EStG beabsichtigt der Gesetzgeber eine Verhinderung von Einkünfteverlagerungen. Somit spielt die steuerliche Zugriffsmöglichkeit eine größere Rolle als die geographischen Bestimmungen.27 Mithilfe der grammatikalischen Auslegung ist es zu bejahen, dass eine Einkünfteminderung im Inland gem. § 1 AStG verlangt wird und diese Einkünfteminderung muss sich auf eine Geschäftsbeziehung im Ausland erstrecken.28 Nach dem Sinnzusammenhang fallen auch Geschäftsbeziehungen mit Steuerausländern, die im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind, unter den Begriff „zum Ausland“. Die Einkünfte solcher beschränkt Steuerpflichtigen dürfen jedoch nicht inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG sein. Zudem ist § 1 AStG auch anwendbar für die ausländischen Einkünfte der unbeschränkten Steuerpflichtigen, beispielweise wenn sie ausländische Betriebsstätten und ständige Vertreter sind, soweit dem ausländischen Staat das Besteuerungsrecht zugewiesen wird.29 Von zentraler Bedeutung ist, dass es sich um eine grenzüberschreitende Geschäftsbeziehung handelt. Das Tatbestandsmerkmal „zum Ausland“ ist nicht erfüllt, wenn beide Vertragspartner der Vertragsbeziehung im Inland ansässig sind, und der Leistungsempfänger den Vorteil nur im Ausland nutzt. Wenn eine Muttergesellschaft z.B. einer im Inland ansässigen Tochtergesellschaft ein Darlehen gewährt, das die Tochtergesellschaft für seine Betriebsstätte im Ausland benutzt, so wird die Geschäftsbeziehung zwischen der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft als eine Geschäftsbeziehung im Inland angesehen. Die Verwendung des Darlehens innerhalb der Betriebsstätte ist kein Bestandteil der Geschäftsbeziehung. Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn es vorher eine Einigung der Gesellschaften gibt, dass das Darlehen für die Betriebsstätte im Ausland einzuräumen ist.30 Im Ausgangsfall liegt eine Einkünfteminderung der inländischen Muttergesellschaft wegen der Teilwertabschreibung des Gesellschafterdarlehens vor. Die Darlehensverhältnisse zwischen Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft fallen unter die Definition der Geschäftsbeziehung.31 Die Einkünfteminderung folgt ferner aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland, da die Tochtergesellschaft in Belgien ansässig ist. Das erste Tatbestandmerkmal des § 1 AStG ist somit erfüllt.

2. Nahestehende Person

Des Weiteren müsste es sich bei der Tochtergesellschaft T um eine nahe stehende Person der Muttergesellschaft handeln. Die Überprüfung einer möglichen Gewinnkorrektur erfolgt nur, wenn eine Geschäftsbeziehung mit einer nahestehenden Person vorliegt, da im Fall der unabhängigen Unternehmen eine derartige Überprüfung wegen des gegebenen Interessengegensatzes nicht erforderlich ist. Der Begriff der nahestehenden Person wird nach § 1 II AStG bestimmt. Die in der Vorschrift aufgelisteten Umstände sind abschließend. Somit wird dem Steuerpflichtiger im Fall der erfüllten Voraussetzungen eines Nahestehens untersagt, den Gegenbeweis zu erbringen.32 Der Ausdruck „Person“ ist zudem weit zu verstehen. Darunter fallen alle rechtsfähigen und nicht rechtsfähigen Subjekte, ohne die Art und den Umfang ihrer Steuerpflicht zu bestehen. Die inländische Steuerpflicht der Person muss auch nicht vorhanden sein. Daher umfasst dieser Begriff auch die Mitunternehmerschaft sowie die Personengesellschaft. Hingegen ist eine Betriebsstätte nicht als eine Person anzusehen, weil sie kein rechtlich eigenständiges Subjekt ist..33 Für die Bestimmung eines Nahestehens ist zu berücksichtigen, ob durch die Beziehungen der Personen mindestens eine Person das gemeinsame Geschäft erheblich beeinflussen kann, sodass die Geschäftsleistung von der Leistung, die bei einer vergleichbaren Transaktion unter voneinander unabhängigen Dritten vereinbart worden wäre, abweicht.34

Nach § 1 II AStG gibt es insgesamt vier Umstände, die ein Nahestehen zu begründen. Diese Umstände umfassen wesentliche Beteiligung (§ 1 II Nr. 1 und 2), beherrschenden Einfluss(§ 1 II Nr. 1 und 2), geschäftsfremde Einflussmöglichkeiten (§ 1 II Nr. 3 1. Alt) oder Interessenidentität zwischen der Person und dem Steuerpflichtigen (§ 1 II Nr. 3 2. Alt).35

a) Wesentliche Beteiligung

§ 1 AStG listet drei Möglichkeiten auf, die ein Nahestehen auf Basis einer wesentlichen Beteiligung begründen:

- die Person hat eine wesentliche Beteiligung an dem Steuerpflichtigen (§ 1 II Nr. 1, 1. Hs AstG)
- der Steuerpflichtige hat eine wesentliche Beteiligung an der Person (§ 1 II Nr. 1, 2. Hs AStG)
- eine dritte Person hat wesentliche Beteiligung einerseits an dem Steuerpflichtigen andererseits an der anderen Person (§ 1 II Nr. 2 AStG).36

Gem. § 1 II Nr. 1 ist eine Beteiligung als wesentlich anzusehen, wenn sie mittelbar oder unmittelbar mindestens einem Viertel entspricht. Diese Beteiligung kann sich auf den Anteil einer Körperschaft oder Personengesellschaft erstrecken. Darunter fällt jedoch nicht die Beteiligung an einer Gebietskörperschaft, Stiftungen, Anstalten, Zweckvermögen sowie die große Mehrheit der Vereine.37 Die Beteiligung kann sowohl in unmittelbarer oder mittelbarer Form ausgeübt werden. Bei der Kapitalgesellschaft ist auf die Beteiligung am Grundkapital/Stammkapital abzustellen. Die stille Beteiligung und das beteiligungsähnliche Darlehen stellen hingegen keine wesentliche Beteiligung i.S.d. § 1 II Nr. 1 AStG dar.38

b) Beherrschender Einfluss

Sowie eine wesentliche Beteiligung kann der beherrschende Einfluss auch Nahestehen begründen. Die Möglichkeiten zur Bestimmung eines beherrschenden Einflusses sind auch identisch mit der wesentlichen Beteiligung.39 Die Definition eines beherrschenden Einflusses ist von dem Wortlaut des § 17 I AktG abzuleiten. Somit kann sich auf dessen Interpretation gestürzt werden.40 Unter dem beherrschenden Einfluss, ist eine absolute Abhängigkeit kraft struktureller Konstellation zu verstehen.41 Für eine strukturelle Konstellation reicht ein faktisch bestehender Einfluss, beispielweise Einfluss eines Kreditgebers, nicht aus. Bei der Kapitalbeteiligung kann von einem beherrschenden Einfluss ausgegangen werden. Allerdings muss diese die Position eines bloßen Mehrheitsgesellschafters übersteigern.42 Anders als bei der wesentlichen Beteiligung ist hier eine Kapitalbeteiligung nicht erforderlich. Vielmehr ist es ausreichend, wenn dem Steuerpflichtigen sowie der nahestehenden Person beherrschender Einfluss lediglich durch Stimmrechte zusteht.43

c) Geschäftsfremde Einflussmöglichkeiten

Der dritte Umstand zur Begründung einer nahestehenden Person ist die geschäftsfremde Einflussmöglichkeit. Gem. § 1 II Nr. 3 1. Alt AStG ist das der Fall, wenn der Steuerpflichtige in der Lage ist, auf die Person oder andersherum die Person auf den Steuerpflichtigen „bei der Vereinbarung der Bedingungen der Geschäftsbeziehungen, einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehungen begründeten Einfluss auszuüben“. Bei dem Wortlaut ist davon auszugehen, dass die Einflussmöglichkeiten aus den Konstellationen entstehen müssen, die die finanziellen oder kommerziellen Beziehungen nicht betreffen, weil lediglich Geschäftsbeziehungen selbst keinesfalls eine nahestehende Person i.S.d. § 1 AStG begründen können.44 Das bedeutet, dass jede Möglichkeit der Einflussnahme berücksichtigt werden muss, deren Entstehungsgrund außerhalb dieser Beziehung liegt. Im Ergebnis kann somit die Einflussmöglichkeit durch eine andere Geschäftsbeziehung wie Marktbindungsverträge, Konkurrenzausschlussabsprachen oder Vertriebsverbindungen dargestellt werden. Zudem muss diese Möglichkeit vor dem Abschluss der zu beurteilenden Geschäftsbeziehung begründet werden.45

d) Interessenidentität

Der letzte Umstand zur Begründung eines Nahestehens ist die Interessenidentität. Nach § 1 II Nr. 3 2. Alt AStG ist eine Interessenidentität gegeben, wenn entweder der Steuerpflichtige oder die Person „ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat“. In Betracht kommen die Gestaltungen, bei denen eine konkrete Einflussnahme nicht vorliegt. Diese Regelung enthält somit das Risiko, den Begriff der nahestehenden Person zu weit auszulegen, weil der Ausdruck „Interessenidentität“ nicht im Gesetz definiert wird.46 Nach der Rechtsprechung fallen unter die genannten Interessen nicht nur rechtliche, geschäftliche und finanzielle Interessen,47 sondern auch persönliche Interessen.48 Als persönliche Interessen kommen vor allem Interessen in einem Familienverbund in Betracht. Jedoch bildet lediglich die familiäre Beziehung nicht immer eine Interessenidentität. Vielmehr fordert es auch eine gewollte mittelbare Vermögensverlagerung zwischen Familienangehörigen sowie ein Eigeninteresse daran.49 Eine bloße gemeinsame Gewinnerzielungsabsicht zwischen Parteien in einer Geschäftsbeziehung begründet auch keine Interessenidentität, da sie jeder Geschäftsbeziehung zu Grunde liegt. Vielmehr muss ein eigenes Interesse des Inländers bestehen, dass im Ergebnis eine Gewinnverlagerung dadurch veranlasst, dass inländische Einkünfte gemindert und ausländische Einkünfte erhöht werden.50 Die Beweislast obliegt den Finanzbehörden, wenn gleichgerichtete Interessen und dadurch entstandene Gewinnverlagerungen vorhanden sind.51

3. Fremdvergleichsgrundsatz

Für eine Einkünftekorrektur richtet sich § 1 I AStG danach, ob die Bedingungen, insbesondere die Verrechnungspreise, die der Steuerpflichtige im Rahmen eines Rechtsgeschäfts mit ihm nahestehenden Personen geschlossen hat, denen entsprechen, auf welche „unabhängige Dritte sich unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen geeinigt hätten“.52 Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen werden zwangsläufig durch geschäftliche Anforderungen beeinflusst, so dass es regelmäßig einen Spielraum für eigenmächtige Gewinnverlagerung gibt. Um eine solche Gewinnverlagerung durch die Unternehmen bei dem verbleibenden Spielraum zu verhindern, müssen die Finanzbehörden gewährleisten, dass die Leistungen und Lieferungen zwischen verbundenen Unternehmen zu angemessenen Bedingungen durchgeführt werden.53 Als Richtwert für die Kontrolle dieser Bedingungen und die dadurch festgelegten Preise, ist der allgemein anerkannte Fremdvergleichsgrundsatz (englisch „ arm’s-length-Principle “) zu berücksichtigen.54 Dabei ist ein Vergleich anzustellen. Das erste zum Vergleich herangezogene Objekt ist das tatsächlich von dem Steuerpflichtigen und seiner nahestehenden Person abgeschlossene Geschäft. Das andere zu vergleichende Objekt ist das Geschäft, das unabhängige Dritte vereinbaren würden. Allerdings ist dieser Vergleich nur sinnvoll, wenn die zu vergleichende Geschäfte zu vergleichbaren Konstellationen abgeschlossen werden.55 Folglich sind zwei maßgebende Gegenstände des Fremdvergleichs die Unabhängigkeit der Geschäftspartner und die Vergleichbarkeit der Verhältnisse.56

a) Unabhängigkeit der Geschäftspartner

Im Rahmen eines konkreten Fremdvergleichs ist zunächst darauf abzustellen, ob die zu beurteilende Transaktion von voneinander unabhängigen Dritten vereinbart wurde. Der Ausdruck „unabhängige Dritte“ wird nicht legal definiert. Ein Teil der Literatur definiert unabhängige Dritte als Personen, die die Voraussetzungen nach § 1 II AStG nicht erfüllen.57 Der überwiegende Teil verzichtet jedoch auf den Rückgriff der Bezeichnung des Nahestehens i.S.d. § 1 II AStG mit der Begründung, dass die beiden Definitionen keine gemeinsame Ziele verfolgen.58 Nach der teleologischen Auslegung sind unabhängige Dritte zu bejahen, wenn keiner der Vertragspartner Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung des anderen hat und keine Einflussnahme außerhalb der Geschäftsbeziehung in Betracht kommt.59 Die Wortfassung des § 1 I AStG wurde jedoch von „unabhängigen Dritten“ nach „voneinander unabhängigen Dritten“ geändert. § 1 I AStG stellt nun klar, dass zwei Unternehmen, die gemeinsam zu einem Konzern gehören, trotz des Abhängigkeitsverhältnisses hinsichtlich ihrer Konzernzugehörigkeit noch als „voneinander unabhängige Dritte“ für die Geschäftsbeziehung angesehen werden können, obwohl sie keine „unabhängigen Dritten“ sind.60 Im Falle der fehlenden Geschäfte mit einem unabhängigen Dritten muss ein hypothetischer Fremdvergleich erfolgen, das heißt, eine fiktive Unabhängigkeit der Geschäftspartner nachgebildet werden.61 Danach wird eine gedankliche Trennung des Unternehmens von der Unternehmensgruppen abgewickelt. Also, alle Manipulationen in den vertraglichen Beziehungen, die auf eine gruppeninterne Verbindung stützen, müssen beseitigt werden. Darunter fallen nicht nur passive sondern auch aktive Konzerneffekte.62 Passive Konzerneffekte ergeben sich ausschließlich aus der Zugehörigkeit zum Konzern, z.B. die vergünstigte Einkaufsmöglichkeit und Risikostreuung, während als aktive Konzerneffekte Eingriffe durch Konzerngesellschaften in das operative Prozess, z.B. Eingriffe der Muttergesellschaft in die Finanzpolitik der Tochtergesellschaft.63 Die Beseitigung aller Konzerneffekte ist auch nicht unumstritten, da im Ergebnis nur fiktive Einkünfte angesetzt werden. Jedoch ist es auf das Ziel des Fremdvergleichs abzustellen. Danach muss die Beseitigung der Konzerneffekte erfolgen, damit auf ein Verhalten zwischen voneinander unabhängigen Dritten abgestellt werden kann.64

b) Vergleichbarkeit der Verhältnisse

Das zweite Merkmal des Fremdvergleichs ist die Vergleichbarkeit der Verhältnisse. Das heißt, dass einzelne Leistungen, einzelne Geschäfte sowie alle relevanten Umstände, die Einflussmöglichkeit auf das einzelne Geschäft haben, überprüft werden. Dadurch soll bestimmt werden, ob die konzerninternen Transaktionen im Vergleich mit Drittgeschäften unter gleichen oder zumindest vergleichbaren Verhältnissen erfolgen.65 Die Verhältnisse sind vergleichbar, wenn die untersuchte Bedingung (z.B. Preis, Gewinnmarge) nicht durch die Unterschiede in den als relevant eingeschätzten Konstellationen erheblich begründet wird.66 Es ist zu bedenken, dass die Ähnlichkeit der Merkmale der gelieferten Waren oder Dienstleistungen bei einem Preisvergleichs wichtiger als bei einem Vergleich der Gewinnspannen ist.67 Für die Durchführung des Vergleichs müssen daher die relevanten Transaktionsmerkmale identifiziert werden. Dabei sind zunächst Art (bei immateriellen Wirtschaftsgütern z.B. Patent, Marke), Beschaffenheit, Qualität und Zuverlässigkeit der Transaktion zugrunde liegende Leistung maßgeblich.68 Andere zu berücksichtigende Punkte können Verfügbarkeit und Liefermenge, Lieferungs-und Zahlungsfristen sowie Unterschiede in den internationalen Handelsklauseln sein.69

[...]


1 Häring, Profit durch Systemlücken-Steuervermeidung: Es herrscht Streit ums Zugriffsrecht, (https://www.handelsblatt.com/politik/international/profit-durch-systemluecken-steuervermeidung-es-herrscht-streit-ums-zugriffsrecht/24480060.html?ticket=ST-80511-OfAJYxniRabKLsc6a2S6-ap6, abgerufen am 04.05.2020).

2 OECD, OECD-Report: Addressing Base Erosion and Profit Shifting, S. 13f.

3 OECD, OECD presents outputs of OECD/G20 BEPS Project for discussion at G20 Finance Ministers meeting, (https://www.oecd.org/ctp/oecd-presents-outputs-of-oecd-g20-beps-project-for-discussion-at-g20-finance-ministers-meeting.htm, abgerufen am 04.05.2020).

4 V/B/B/ Vögele / Fischer, Verrechnungspreise, Kapital A Rn. 10.

5 Beck’sches Steuer-und Bilanzrechtslexikon /Fey, Verrechnungspreise Rn. 11.

6 V/B/B/ Vögele / Fischer, Verrechnungspreise, Kapital A Rn. 11.

7 Köhler / Neumann /Scholz, DStR 2019, 704; Scholz / Köhler, DStR 2018, 15 (16).

8 V/B/B/ Elbert / Gotsis, Verrechnungspreise, Kapitel N, Rn. 108.

9 Hülshorst / Koch, ISR 2016, 19 (20f).

10 Ditz/Liebchen, IStR 2012, 97 (98); BMF, BStBl 2011 I S.277.

11 BeckOK/ Oellerich, EStG, § 6 Rn. 1a.

12 BeckOK/ Oellerich, EStG, § 6 Rn. 2

13 L/B/P/ Pust, EStG, § 6 Rn. 2a

14 Oblau, BC 2014, 449 (450).

15 L/B/P/ Pust, EStG, § 6 Rn. 634

16 L/B/P/ Pust, EStG, § 6 Rn. 877

17 L/B/P/ Pust, EStG, § 6 Rn. 892.

18 L/B/P/ Pust, EStG, § 6 Rn. 893.

19 Gebel, DStR 2019, 1896 (1897).

20 F/W/B/S/ Wassermeyer, Außensteuerrecht, § 1 Anm. 109.

21 Blümich/ Wagner, EStG, § 34d Rn. 6

22 F/W/B/S/ Wassermeyer, Außensteuerrecht, § 1 Anm. 2727.

23 F/W/B/S/ Wassermeyer, Außensteuerrecht, § 1 Anm. 2730.

24 Lüdicke / Sistermann, Unternehmensteuerrecht, § 20 Rn. 88.

25 Blümich/ Pohl, AStG, § 1 Rn. 179.

26 V/B/B/ Vögele / Raab, Verrechnungspreise, Kapitel A, Rn. 200.

27 F/W/B/S/ Wassermeyer, Außensteuerrecht, § 1 Anm. 126.

28 Haase/ Hofacker, AStG-DBA, § 1 Rn. 122

29 V/B/B/ Vögele / Raab, Verrechnungspreise, Kapitel A, Rn. 201.

30 F/W/B/S/ Wassermeyer, Außensteuerrecht, § 1 Anm. 128.

31 BFH, DStR 2020, 25 (26 Rz. 12); BFH, DStR 2019, 1034 (1036 Rz. 21).

32 Kraft/ Kraft, AStG, § 1 Rn. 160; S/K/K/ Kaminski, § 1 AStG Rn. 63, BFH, BStBl II 1994, 725

33 V/B/B/ Vögele / Raab, Verrechnungspreise, Kapitel A, Rn. 203.

34 Haase/ Hofacker, AStG-DBA, § 1 Rn. 122.

35 Kraft/ Kraft, AStG, § 1 Rn. 167.

36 V/B/B/ Vögele / Raab, Verrechnungspreise, Kapitel A, Rn. 207.

37 F/W/B/S/ Wassermeyer, Außensteuerrecht, § 1 Anm. 513.

38 V/B/B/ Vögele / Raab, Verrechnungspreise, Kapitel A, Rn. 207; Blümich/ Pohl, AStG, § 1 Rn. 60.

39 V/B/B/ Vögele / Raab, Verrechnungspreise, Kapitel A, Rn. 211.

40 BT-Drs. 6/2883, Tz. 50.

41 V/B/B/ Vögele / Raab, Verrechnungspreise, Kapitel A, Rn. 212.

42 V/B/B/ Vögele / Raab, Verrechnungspreise, Kapitel A, Rn. 212; F/W/B/S/ Wassermeyer, Außensteuerrecht, § 1 Anm. 522.

43 V/B/B/ Vögele / Raab, Verrechnungspreise, Kapitel A, Rn. 212.

44 V/B/B/ Vögele / Raab, Verrechnungspreise, Kapitel A, Rn. 216.

45 F/W/B/S/ Wassermeyer, Außensteuerrecht, § 1 Anm. 532.

46 Kraft/ Kraft, AStG § 1 Rn. 194.

47 BFH, BStBl. II 1994, 725.

48 S/K/K/ Kaminski, § 1 AStG, Rn. 373; V/B/B/ Vögele / Raab, Verrechnungspreise, Kapitel A, Rn. 218.

49 F/W/B/S/ Wassermeyer, Außensteuerrecht, § 1 Anm. 534.

50 V/B/B/ Vögele / Raab, Verrechnungspreise, Kapitel A, Rn. 219; Blümich/ Pohl, AStG § 1 Rn. 69.

51 F/W/B/S/ Wassermeyer, Außensteuerrecht, § 1 Anm. 534; V/B/B/ Vögele / Raab, Verrechnungspreise, Kapitel A, Rn. 221.

52 Kraft/ Kraft, AStG § 1 Rn. 83; vgl. VGr 1983; vgl. § 1 I AStG.

53 Kraft/ Kraft, AStG § 1 Rn. 88.

54 V/B/B/ Vögele / Raab/Braukmann, Verrechnungspreise, Kapitel C, Rn. 1.

55 G/K/G/ Rasch, DBA, Art. 9 OECD-MA Rn. 112.

56 F/W/B/S/ Baumhoff / Liebchen, Außensteuerrecht, § 1 Anm. 159; Mössner/ Baumhoff, Steuerrecht, Rz. 3.78.

57 Vgl. Haase/ Hofacker, AStG-DBA, § 1 Rn. 189.

58 Vgl.V/B/B/ Vögele / Raab, Verrechnungspreise, Kapitel A, Rn. 204f; Kraft/ Kraft, AStG § 1 Rn. 102.

59 F/W/B/S/ Baumhoff / Liebchen, Außensteuerrecht, § 1 Anm. 310; Kraft/ Kraft, AStG § 1 Rn. 102.

60 Kroppen / Rasch, Internationale Verrechnungspreise, Verwaltungsgrundsatz zur Einkunftsabgrenzung bei int. verbundenen Unternehmen/Erläuternde Stellungsnahme, Tz. 2.1.1.

61 Kraft/ Kraft, AStG § 1 Rn. 103.

62 Kraft/ Kraft, AStG § 1 Rn. 103.

63 Mössner/ Baumhoff, Steuerrecht, Rz. 3.75.

64 Kraft/ Kraft, AStG § 1 Rn. 103, V/B/B/ Vögele / Raab / Braukmann, Verrechnungspreise, Kapitel C, Rn. 11.

65 F/W/B/S/ Baumhoff / Liebchen, Außensteuerrecht, § 1 Anm. 310; Kraft/ Kraft, AStG § 1 Rn. 155.

66 OECD, OECD-Leitlinien 2017 Tzn. 1.33 ff.

67 BMF, Verwaltungsgrundsätze 1983 Tz. 2.1.2.

68 OECD, OECD-Leitlinien 2017 Tz. 1.107.

69 BMF, Verwaltungsgrundsätze 1983 Tz. 3.1.2.1 Nr. 4.

Ende der Leseprobe aus 44 Seiten

Details

Titel
Die Sperrwirkung nach Art. 9 OECD-MA und ihre Auswirkungen auf die grenzüberschreitenden Finanztransaktionen innerhalb eines Konzerns nach dem deutschen Steuerrecht
Hochschule
Hochschule Mainz
Note
1,7
Autor
Jahr
2020
Seiten
44
Katalognummer
V901875
ISBN (eBook)
9783346231536
ISBN (Buch)
9783346231543
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sperrwirkung, oecd-ma, auswirkungen, finanztransaktionen, konzerns, steuerrecht, verrechnungspreise, transfer pricing
Arbeit zitieren
Xuan Tung Pham (Autor:in), 2020, Die Sperrwirkung nach Art. 9 OECD-MA und ihre Auswirkungen auf die grenzüberschreitenden Finanztransaktionen innerhalb eines Konzerns nach dem deutschen Steuerrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/901875

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