Leseprobe
Inhalt
Das neue Asylverfahren fokussiert auf Tempo statt auf Fairness und auf Qualität des Verfahrens
Literaturverzeichnis
Migrationsgeschichte
These: Der Ursprung der Fremdenfeindlichkeit in der Schweiz liegt im ersten Weltkrieg
Literaturverzeichnis
Theorien der Migrationsforschung
These: Soziale Netzwerke fördern Migration
Literaturverzeichnis
Migration und Asylrecht / Asylpolitik
These: In der Praxis der Flüchtlingsszene steht das Kindeswohl an oberster Stelle
Literaturverzeichnis
Soziale Arbeit und Migrationsgesellschaft
These: Die Herausforderung im Handlungsfeld Flucht ist, dass es zwischen fachlichen und professionsethischen Ansprüchen und Grenzen durch Strukturen des nationalen Wohlfahrtsstaates besonders grosse Diskrepanz gibt
Literaturverzeichnis
Lebenslagen von Migranten und Migrantinnen / Familie und Migration
These: Migranten und Migrantinnen leiden öfters unter prekären psychosozialen Gesundheitslagen als Schweizer und Schweizerinnen
Literaturverzeichnis
Berufsfeld Migration
These: Jugendlichen Sans Papiers bleibt der Zugang zu einer Berufslehre trotz Verordnungsänderung vom 1. Februar 2013 weiterhin verwehrt.
Literaturverzeichnis
Das neue Asylverfahren fokussiert auf Tempo statt auf Fairness und auf Qualität des Verfahrens.
Einführung
Das neue Asylverfahren ist am 1. März 2019 in Kraft getreten. Seither werden die Verfahren beschleunigt durchgeführt und finden dezentralisiert in sechs Asylregionen statt. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) übernimmt eine verfahrensleitende Rolle im neuen Asylverfahren. Die Asylsuchenden haben in den neuen Verfahren nach wie vor Anspruch auf eine unentgeltliche Beratung und Rechtsvertretung. Mit der neuen Verteilung der Asylsuchenden werden die Asylbewerber in 18 unterschiedlichen Asylheimen untergebracht. Dokumentenüberprüfung, Übersetzung, kostenlose Rechtsberatung und eine Rückkehrberatung sind alle unter einem Dach vereint. Die Gemeinden und Kantone werden entlastet in ihrer Arbeit, da nicht mehr alle Asylbewerber auf die Kantone verteilt werden, sondern nur jene, die sehr wahrscheinlich einen Anspruch auf Asyl erhalten. (Schweizer Fernsehen, [SRF], 2019)
Hauptteil
Die Asylverfahren sollen rasch und rechtsstaatlich korrekt durchgeführt werden. (Schweizerische Flüchtlingshilfe, [SFH]. 2019) Die Ziele des neuen Asylverfahren sind: Schutzbedürftigen Personen weiterhin den notwendigen Schutz gewähren und sie so rasch als möglich integrieren, offensichtlich unbegründete Asylgesuche senken, die Glaubwürdigkeit des Asylbereiches nachhaltig stärken, den Vollzug von Wegweisungsentscheiden effizienter gestalten und dass das Asylverfahren Kosten spart, weil früher mit den Integrationsbemühungen am Arbeitsmarkt begonnen werden kann (Hery, 2020).
Das SEM zieht eine erste positive Bilanz seitdem in Kraft treten des beschleunigten Asylverfahrens. Nur noch ein Fünftel der Gesuche verlangt ein erweitertes Verfahren. Ausserdem ist die Zahl der freiwillig ausreisenden um rund einen Drittel gestiegen. Asylsuchende, die keine Aussicht auf einen positiven Entscheid haben, sollten die Schweiz wenn möglich freiwillig verlassen. Mit dem beschleunigten Asylverfahren heisst es: Je früher Asylsuchende sich für eine freiwillige Ausreise entscheiden, desto mehr Unterstützung erhalten sie. (Staatssekretariat für Migration, [SEM], 2020)
Bis sich das neue Asylverfahren bewährt, müssen aber noch einige Meilensteine erklommen werden. Das revidierte Asylgesetz bringt nicht den gewünschten Erfolg. Ein Nachteil am beschleunigten Verfahren ist, dass die Zeit fehlt, um auf komplizierte gesundheitliche Probleme einzugehen, wie zum Beispiel Traumatisierungen oder Selbstverletzungen (SRF, 2020). Asylsuchende sind gesundheitlich oft besonders belastet und benötigen eine adäquate Gesundheitsversorgung. Die erste Bilanz nach zehn Monaten der Einführung des neuen Asylgesetzes zeigt, dass die Ergebnisse noch nicht zufriedenstellend sind. Unter Zeitdruck kann nicht abgeklärt werden, ob geeignete Behandlungen im Herkunftsland in Betracht gezogen werden können. Spezialisten können leider nur sehr selten auf Anhieb zur Behandlung zur Verfügung stehen oder es scheitert an Schwierigkeiten mit der Übersetzung. (SRF, 2020) Daraus resultiert, dass im beschleunigten Asylverfahren die medizinischen Gutachten nicht abgewartet werden oder keine Zeit bleibt, um ein notwendiges Vertrauen aufzubauen, welches zwingend ist, um eine Traumatisierung und Verluste zu verarbeiten (SRF, 2020). Hilfsorganisationen fordern, dass komplizierte medizinische Fälle nicht im verkürzten Verfahren abgehandelt werden. Daraufhin wurden bei schweren medizinischen Einzelfällen gewisse Korrekturen vorgenommen, um die Asylbewerber individuell behandeln zu können. Das neue Asylverfahren dient aber auch der Abschreckung, es soll die Schweiz zu einem unattraktiven Asylland für Flüchtlinge machen. (SRF, 2020)
Das SEM fokussiert sich auf die Effizienzsteigerung mit den Kosten der Umsetzung von Fairness. Denn Fairness verlangt Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Im Zentrum der Abwicklung der Gesuche steht nicht die Qualität. Die effektive, durchschnittliche Dauer des Dublin-Verfahrens ist 35 Tage – und damit 10 Tage schneller als im Testbetrieb (SEM, 2015, S. 3) und doppelt so schnell wie vor dem Systemwechsel. Die effektive, durchschnittliche Dauer des beschleunigten Verfahrens liegt unter 50 Tagen bis zum erstinstanzlichen Entscheid. Nur rund 18% aller Asylgesuche werden im erweiterten Verfahren bearbeitet (SEM, 2015, S.9). Die Konsequenzen dieser massiven Beschleunigung sind fehlerhafte Sachverhaltsabklärungen – insbesondere bei Asylsuchenden mit gesundheitlichen Problemen – und somit inkorrekte Asylentscheide. In mindestens 50 Fällen mussten Entscheide des SEM nachgebessert werden, weil die Sachverhaltsabklärungen bei Asylsuchenden mit gesundheitlichen Beschwerden und/oder der Zugang zum Gesundheitssystem und der Rechtsschutz mangelhaft waren. Die Resonanzen aus dem Testbetrieb werden nicht konsequent umgesetzt: Bei Menschen mit physischen oder psychischen Leiden bleibt in den beschleunigten Verfahren kaum genügend Zeit, um diese zu diagnostizieren (Müller et al., 2015, S. 20). Komplexere Fälle, bei welchen sämtliche Beweismittel vorliegen oder mehrere Anhörungen nötig sind, werden zu selten dem erweiterten vorgesehenen Verfahren zugeteilt. Das Bundesverwaltungsgericht belegt dies in seiner Rechtsprechung: Die Behandlung komplexer Fälle im beschleunigten Verfahren ist nicht möglich und birgt die Gefahr einer Verletzung der Verfahrensgarantien. Folglich sind die gesetzlichen Fristen im beschleunigten Verfahren zu knapp. (SFH, o. D., S. 1-5)
Eine Frist von 24 Stunden zur Stellungnahme zum Asylentscheid und die Beschwerdefristen führen in der Praxis dazu, dass die expliziten Ziele der Erhöhung von Qualität und Akzeptanz von Asylentscheiden, nicht befriedigt werden können. Eine Systemumstrukturierung verlangt einen Kulturwandel, der ein neues Rollenverständnis und Zusammenspiel aller involvierten Akteure. Dieses Umdenken ist nach wie vor zu wenig präsent. Die Identifikation von Personen mit besonderen Bedürfnissen im beschleunigten Asylverfahren ist unvollkommen. Gerade in solchen Fällen ist die Arbeit des Rechtsschutzes im erstinstanzlichen Verfahren essenziell (Schweizer Kompetenzzentrum für Menschenrechte, [SKMR]. 2015, S. 9-29). Es bestehen zu viele praktische Hindernisse für den Rechtsschutz: So wird zum Beispiel die direkte Kommunikation des Rechtsschutzes mit dem medizinischen Fachpersonal und der Betreuungsorganisation zu oft eingeschränkt. Mangelnde Absprache und der starke Fokus auf Beschleunigung führen zu Schwierigkeiten bei der Planung von Verfahrensschritten. Die Zusammenarbeit auf Augenhöhe findet nicht statt. Ungerechtfertigte Entscheide sind die Konsequenz daraus, was weit entfernt von Fairness und Menschlichkeit ist. Wegen ständigem Kompetenzwechsel ist die erforderliche Kontinuität kaum gewährleistet. Durch den daraus entstehenden beschränkten Handlungsspielraum kann der Rechtsschutz seine zentrale, verfahrensunterstützende Aufgabe nicht wahrnehmen. Davon betroffen sind oft Schutzsuchende mit besonderen Bedürfnissen wie Kinder, gewaltbetroffene Frauen oder stark traumatisierte Menschen. Auch die Unterbringung und Betreuung dieser Gruppen verlangt noch nach deutlichem Verbesserungsbedarf (Bundesrat, 2016, S.20). Beispiele dafür sind insbesondere geschlechtergetrennte Aufenthaltsbereiche, sicherer Zugang zu und Ausgestaltung der sanitären Anlagen, systematischer Zugang zu weiblichen Ansprechpersonen bei der Betreuung, Sicherheit und medizinische Versorgung, oder geschlechterspezifische Beschäftigungsangebote und entsprechende Möglichkeit zur Kinderbetreuung.
Das Bundesverwaltungsgericht weist viel mehr Fälle ans SEM zurück als noch vor dem Systemwechsel und als im Testbetrieb: Nach Zahlen des Bundesverwaltungsgerichts betrug die Rückweisungsquote im ersten Halbjahr nach dem Systemwechsel (März bis August 2019) 16,8 Prozent – sie lag damit rund dreimal höher als im Schnitt der Jahre 2007-2018 (Aronsky, 2019). Die Analyse der Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH) zeigt: Jede dritte Beschwerde, die von den zugewiesenen Rechtsvertretungen in vier der sechs Asylregionen erhoben wurden, war erfolgreich. Daraus folgt, dass das vorgesehene Verfahrenstempo auf Kosten der Qualität von Entscheiden geht.
Um tatsächlich rasche und faire Verfahren garantieren zu können, braucht es mehr Zeit bei den einzelnen Verfahrensschritten. Dies würde die Qualität sowohl der Vertretungsarbeit als auch diejenige der Asylentscheide in eine positive Richtung lenken. Fehlerfreie Entscheide vermeiden zudem lange Beschwerdeverfahren und verkürzen insgesamt wiederum die Verfahrensdauer. Eine Zusammenarbeit des SEM mit Rechtsschutz umgeht ständige Wechsel in der Vertretung, fördert Kontinuität und Vertrauen und damit faire Asylverfahren. Die umfassendere Sachverhaltsabklärung fliesst in die Beurteilung des Asylgesuchs und begünstigt den Fachspezialistinnen des SEM eine korrekte Handhabung mit den Asylentscheiden. Dies wiederum würde die Qualität der Begründungen erhöhen. (SFH, 2012, S.2)
Deshalb bittet die SFH um mehr Zeit bei den einzelnen Verfahrensschritten. Mit Blick auf die oft jahrelangen Fluchtgeschichten der Betroffenen ist eine Verlängerung der Verfahren um einige Tage vertretbar, insbesondere bei der Vorbereitung des Verfahrens, bei der Erörterung der Fluchtgründe und in der Entscheidungsfindung. Bereits 2012 hat die SFH daher ein «4x30 Tage»-Modell vorgeschlagen (SFH, 2012, S. 2). Dieses sieht für das beschleunigte Verfahren 60 Tage bis zum erstinstanzlichen Entscheid vor. Da es sich dabei um sogenannte Ordnungsfristen handelt, sollte der bestehende Handlungsspielraum flexibler genutzt werden können. Es braucht eine Orientierung am Individuum, damit die Qualität der Verfahren sichergestellt werden kann. Die ersten Monate mit dem beschleunigten Asylverfahren zeigen, ohne korrekte Sachverhaltsabklärungen und die Beachtung der genannten besonderen Bedürfnisse, werden die Asylverfahren insgesamt länger dauern. Bei unbegleiteten Minderjährigen zeigen sich erste Schritte in die richtige Richtung (SEM, 2019, S. 3-9). Bei der Versorgung gewaltbetroffener Frauen, Opfern von Menschenhandel und Personen, die auf psychiatrische Hilfe angewiesen sind, besteht jedoch hoher Verbesserungsbedarf. So muss zum Beispiel die Schulung aller Akteure zur Identifikation dieser Menschen gefördert oder deren Unterbringung ausserhalb eines Kollektivzentrums ermöglicht werden. (SFH, o. D., S. 1-5)
Die SFH fordert, den Kulturwandel und das neue Rollenverständnis zwischen dem SEM und dem Rechtsschutz im Sinne einer guten Zusammenarbeit ernst zu nehmen. Der Rechtsschutz braucht einen grösseren Handlungsspielraum, um seine zentrale, verfahrensunterstützende Rolle vollumfänglich wahrnehmen zu können und Qualität und Fairness zu gewährleisten. (SFH, o. D. S. 1-5)
Fazit
Für Asylsuchende ist es auch meiner Meinung nach viel entlastender, wenn sie nicht lange auf ihren Entscheid warten müssen. Denn nur so kann mit Integrationsarbeit begonnen werden und die Asylsuchenden müssen nicht lange um die Abschiebung ins Herkunftsland fürchten. Jedoch ist es wichtig, das Verfahren bei komplexeren Fällen zu verlängern, damit die Betroffenen genügend Anspruch auf medizinische Versorgung haben. Aufgrund des vorliegenden Textes finde ich, dass die Gesundheit auch im Asylverfahren oberste Priorität haben sollte. Doch auch dies ist ein Veränderungsprozess der Ökonomisierung, wo die Soziale Arbeit ihre fachlichen, methodischen, organisationsspezifischen, ethischen Grundsätzen Geboten unterwirft, die auf die Absicherung von Effizienz und Effektivität abzielen.
Literaturverzeichnis
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Bundesrat. (2016). Analyse der Situation von Frauen und M ä dchen aus dem Asylbereich in den Kollektivunterk ü nften der Kantone. Bern: Bericht des Bundesrates, in Erfüllung des Postulates 16.3407, Feri, vom 9. Juni 2016. Abgerufen am 18. 03. 2020 von https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/aktuell/news/2019/2019-10-16/ber-br-fluechtlingsfrauen-d.pdf, S.20
Hery, Stefan. (2020). Diskrimminierungsschutz Asylrecht Asylpolitik. Fachhochschule St. Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit.
Müller, Franziska. Köchli, Helen, Prof. Dr. Balthasar, Andreas. (2015). Evaluation Testbetrieb Asyl - Mandat 3. Luzern: Interface. Abgerufen am 18. 03. 2020 von https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/asyl/beschleunigung/testbetrieb/ber-eval-testbetrieb-mandat3-d.pdf, S. 20
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Migrationsgeschichte These: Der Ursprung der Fremdenfeindlichkeit in der Schweiz liegt im ersten Weltkrieg. Die Schweiz wurde schon zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert zu einem attraktiven Land für Flüchtlinge. Die zentrale Lage in Europa aber auch die politischen Verhältnisse lockten viele Flüchtlinge aus verschiedensten Gruppen an. Die Bereitschaft, die Flüchtlinge aufzunehmen, äusserte sich von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Aber bereits mit der Einführung der Bundesverfassung 1848 festigte sich die Schweiz ein ausländerfeindliches Instrument. (Schwendener, o. D., S.13-14)
Vor dem ersten Weltkrieg herrschten in der Schweiz gegenüber Flüchtlingen mehrfach liberale Verhältnisse. Obwohl die Zahl der Ausländer aufgrund des hohen Wirtschaftswachstums anstieg, herrschte ein Klima von Toleranz gegenüber fremden Kulturen. Die Bedenken gegen Überfremdung wurden auch schon vor dem ersten Weltkrieg zu politischem Gegenstand, jedoch gingen die liberalen Kräfte davon aus, dass sich der Ausländeranteil durch die verstärkte Einbürgerung minimieren liesse. (Kury, o. D., 2-3)
Eine Ausnahme für die liberale Phase stellte die im Jahre 1893 angenommene Schächtverbotsinitiative dar, welche verlangte, dass Juden ihr koscheres Fleisch aus dem Ausland importieren müssen. Das Schächtverbot hat in der Schweiz bis heute seine Gültigkeit. So wurde die jüdische Minderheit erstmals in ihrer Kultur- und Religionsfreiheit eingeschränkt. Die Befürworter der Initiative gewichteten jedoch das Tierwohl höher, als eine uneingeschränkte Glaubenspraktizierung. (Kury, o. D., S. 2-3)
Vor Ausbruch des ersten Weltkrieges lebten vor allem Juden und Jüdinnen aus Westeuropa in der Schweiz, welche als gut assimiliert galten – im Laufe des ersten Weltkrieges jedoch migrierten mehr und mehr Juden und Jüdinnen aus Osteuropa in die Schweiz, welche zum zentralen Feindbild mit antisemitischen Parolen und durch die allgemein zunehmende Fremdenfeindlichkeit diskriminiert und von der Gesellschaft isoliert wurden. Hierbei muss aber angefügt werden, dass der Anteil der Juden und Jüdinnen im Zeitraum von 1900 bis 1950 nie mehr als ein halbes Prozent an der Gesamtbevölkerung betrug. (Orban, 2008, S.149)
Mit dem ersten Weltkrieg endete die mehrheitlich liberale schweizerische Migrationspolitik abrupt. Es fand eine Abkehr hin zur restriktiven Migrationspolitik statt. Zuvor waren beispielsweise noch erleichterte Einbürgerungen auf der politischen Agenda. Der Diskurs wurde zunehmend von ethnischen, biologischen und rassistischen Argumentationsweisen dominiert. (Schwendener, o. D., S. 28)Als Folge des Kriegs, der Angst vor dem Kommunismus, der sozialen Not und des integralen Nationalismus entstanden auch in der Schweiz protektionistische Illusionen sowohl in der Wirtschafts- als auch in der Gesellschaftspolitik. Das Wort «Überfremdung» gewann immer mehr an Bedeutung (Kury, o. D., zitiert nach Gast, 1997, S.185-203).
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