Die Rolle von Religion in Migrationsprozessen. Diskussion einer ethnographischen Forschung


Dossier / Travail, 2018

12 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Migrationsbegriff

3. Verknüpfung Religion und Migration
3.1 Positive Aspekte
3.2 Negative Aspekte

4. Ethnographische Forschung

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Thema der Migration und inwiefern Religion bei Migrationsprozessen eine Rolle spielt. Zu Beginn werde ich den Begriff Migration bestimmen und definieren sowie auf transnationale Migration eingehen. Hierzu orientiere ich mich vorrangig an der Definition von Ludger Pries. Anschließend werde ich den Religionsbegriff kurz abgrenzen und diesen anschließend mit der Migration in Zusammenhang bringen. Im Folgenden werde ich positive und negative Aspekte der Rolle der Religion als Teil der Migration beleuchten und auf die persönliche Bedeutung der Religiosität für Migranten eingehen, Schließlich möchte ich anhand der ethnographischen Forschung „Wege aus dem Dilemma zwischen Transnationalismus- und Integrationsansatz. Simultane Inklusion von migranten-initiierten charismatischen Gemeinden in Berlin“ von Boris Nieswand die Rolle der Kirche und deren Bedeutung für migrierte Christen in Berlin deutlich machen. Abschließend ziehe ich ein Fazit zur Rolle und Bedeutung der Religion im Migrationsprozess.

„Widespread flows of people, capital, goods, and ideas make it increasingly untenable to map the world according to the tidy logic of one nation, one culture, one language, one religion, one history, and one selfcontained social formation. These flows, however, have not produced a totally deterritorialized world.“ (Vásquez 2008: 152)

2. Migrationsbegriff

Migration ist ein Phänomen der Spätmoderne. Aufgrund der Globalisierung kam und kommt es weiterhin zu Prozessen der Wanderung über staatliche Grenzen hinaus (Bräunlein/Lauser 1997: 2). Migration ist die „Bewegung von Menschen im geographischen Raum“ (Ackermann 1997: 1). Seit Grenzen durchlässiger geworden sind und die globale Vernetzung zugenommen hat, eröffnet sich die Möglichkeit für Wanderungsprozesse. Europa ist zu einem Migrationskontinent geworden (Polak 2018: 16), man kann sogar von einem „Zeitalter der Migration“ sprechen, da Migrationsbewegungen Staaten durchdringen und Einfluss gewinnen, sei es sozioökonomisch, kulturell oder politisch (Kühn 2012: 35). Die Beweggründe für solche Wanderungen sind vielfältig. Die Migrationsforschung beschäftigt sich hierzu mit der Frage: Wer wandert, wie und warum? Sowie mit den Folgen der Migration für die Entsende- und Aufnahmeländer (ebd.: 41). Auch behandelt sie die Integrations- beziehungsweise Assimilationsfähigkeit der MigrantInnen.

Migration entsteht aus den Unterschieden zwischen Herkunfts- und Ankunftsländern, und diese Ungleichheit bestimmt, wohin sich die Migrationsströme bewegen (ebd.: 38) Menschen migrieren auf individueller oder kollektiver Basis, freiwillig oder unfreiwillig, wie etwa durch Kriege, Naturkatastrophen oder Verfolgung. Betrachtet man die klassische Migrationsforschung, so wird zwischen Wanderformen wie der freiwilligen, Zwangs-, Betterment-, Binnen-, permanenten, temporären und transnationalen Migration unterschieden (Lutz/Amelina 2017: 31). Nach Ludger Pries kann zwischen Arbeits- und Fluchtmigration unterschieden werden, wobei erstere freiwillig und letztere durch „Naturkatastrophen, Kriege, politische, religiöse oder geschlechtsspezifische Verfolgung erzwungen wird“ (Kühn 2012: 41). Gemein haben MigrantInnen jedoch die Hoffnung auf ein „besseres, menschenwürdigeres Leben“ (Reese-Schnitker 2018: 140). Betrachtet man Migrationsbewegungen, so sind diese komplex, sie finden gleichzeitig statt und MigrantInnen existieren mit- und nebeneinander (Kühn 2012: 38). Wanderungsprozesse finden über Länder-, Staats- und Ethnizitätsgrenzen hinweg statt und sind ein „Motor der Menschheitsgeschichte“ (Lutz/Amelina 2017: 30). Ihr Zielland wählen Menschen vor allem danach aus, ob bereits Familienangehörige, Freunde oder Kollegen dort leben, denn soziale Netzwerke sind von großer Bedeutung für eine Ermöglichung beziehungsweise Erleichterung der Ankunft und haben eine entscheidende Funktion für die MigrantInnen. Diese Netzwerke „fungieren als Pfadbereiter, sozialer Kitt und Abfederung in Krisensituationen von Migrationsprozessen“ (ebd.: 37). Da der Prozess der Grenzüberschreitung nicht durch Dienstleistungsorganisationen stattfindet, ist das familiäre Netzwerk außerdem für Prozesse wie Integration, Informationsbeschaffung, Versorgung mit Geldmitteln und Kontakten sowie für die Organisation von Arbeit und Unterkunft verantwortlich (Pries 2010: 37). Die Entscheidung zur grenzüberschreitenden Migration wird daher nicht individuell, sondern größtenteils kollektiv innerhalb des Familienverbandes getroffen (ebd.: 40). Verbinden soziale Beziehungen und Praktiken mindestens zwei Staaten, so spricht man von „transnationaler Migration“ (Lutz/Amelina 2017: 37). Dabei ist Migration kein Prozess, der unilinear abläuft, und nach der Auswanderung mit der Einwanderung abgeschlossen ist, sondern es handelt sich um einen Begriff der auch Zwischenformen, wie beispielsweise die Trans- und Pendelmigration beinhaltet (Lutz 2010: 36).

Migration als solches stellt für die Aufnahmegesellschaft sowie für die MigrantInnen stets eine Herausforderung dar, denn im Aufnahmeland kommt es aufgrund der Migrationsströme zu einer kulturellen, ethnischen und religiösen Vielfalt. Sie fordert die bestehenden Identitäten, Organisationen und gesellschaftlichen Strukturen beider Seiten heraus und setzt in verschiedenen Lebensbereichen Neuorientierung und einen „Prozess der Neuverhandlung in Gang“ (Nagel 2013: 603). So werden mitgebrachte Bestandteile des persönlichen Lebens und der Identität im Kontext einer veränderten Lebenssituation neu betrachtet und notwendigerweise verändert. Die Individuationsentwürfe müssen neu ausgehandelt und angepasst werden (Hummrich 2011: 82). Die Frage nach der eigenen Identität stellt sich im Migrationskontext mit großer Intensität. Religiöse Orientierung stellt hier eine „wichtige Quelle der Selbstverortung“ dar (Bräunlein/Lauser 1997: 9) Die Bedeutung der Einwanderung ist für die MigrantInnen individuell verschieden, gemein haben sie jedoch den Verlust der Heimat und der kulturellen Identität (Theis 2010: 129). In der Ankunftsgesellschaft stehen MigrantInnen zunächst auf der untersten Stufe der Einwanderungsgesellschaft, auch ist Migration mit der Erfahrung von Ausgrenzung, sozial wie ökonomisch, und auch Unterlegenheit verbunden (Bräunlein/Lauser 1997: 9). Doch gerade nach Zugehörigkeit und Teilhaberechten an der Gesellschaft streben MigrantInnen und befinden sich in einem Kampf um Anerkennung (Hummrich 2011 87). In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Transkulturalität zentral. Unter Transkulturalität versteht man in der Kulturwissenschaft die wechselseitige Beziehung und Beeinflussung von verschiedenen Kulturen, das sich also „mehrere Lebensformen in einer Person überschneiden“ (Merz-Benz 2013: 596). MigrantInnen tauchen also als transkulturelle Akteure auf, verknüpfen verschiedene Lebenswelten miteinander und beeinflussen so ihr Umfeld.

3. Verknüpfung Religion und Migration

Die persönliche Dimension von Religion für den Einzelnen ist nicht greifbar und empirisch zugänglich. So existiert auch kein einheitliches Religionsmodell, auf das man sich berufen kann.

„.niemand vermochte bisher eine Definition zu geben die uns ohne vage Allgemeinheit und doch alle Erscheinungen einschließend, sagte, was <Religion> ist, die letzte Wesensbestimmtheit, die den Religionen der Christen und der Südseeinsulaner, Buddhas und Vitzliputzlis gemeinsam ist..“ (Simmel 1898: 111)

Zugänglich sind für Ethnologen bei ethnologischen Religionsforschungen deswegen kulturell, sozial und historisch konkrete Praktiken und die Formulierung von Glaubensvorstellungen (Lauser/ Weissköppel 2015: 17). Diese können in übergeordnete kulturelle Zusammenhänge und Prozesse eingebettet werden.

Im Folgenden möchte ich die Themen Religion und Migration verknüpfen. Religion ist im Zusammenhang mit Religion zu einem Schlüsselthema geworden. Die religiöse Vielfalt einer Gesellschaft nimmt durch Wanderungsbewegungen jeglicher Art zu, da Migranten ihre „Religion im Gepäck“ mitbringen (Nagel, A. 2013: 607). Dies hat eine Vielzahl an Auswirkungen, positiver und negativer Art für die Aufnahmegesellschaft. Im Migrationskontext kann Religion entweder „die gegenseitige Durchdringung sozialer und kultureller Lebensformen auf der einen und eine auf Abgrenzung, im Extremfall sogar auf Ausschließlichkeit angelegte religiöse Orientierung“ bedeuten (Merz-Benz 2013: 593). Die persönliche Bedeutung der Religion ist für MigrantInnen individuell differenziert zu betrachten. Während es für die einen ein Stück „portable Heimat“ oder „schwimmende Insel im Meer der Fremde“ ist, die Schutz bietet, ist es für andere nicht erklärlich und im Privatbereich zu verorten (Jansen/Nagel, 2010: 9). Religiöse Zugehörigkeit verleiht Gläubigen Halt in einer dynamischen und unsicheren Welt und dient als Strategie gegen Ausgrenzung und Benachteiligung (Lauser/Weissköppel 2015: 10). Sie stellt eine „maßgebliche Triebkraft“ dar und ist gerade in internationalen Migrationsprozessen von großer Bedeutung (Gärtner/Pries 2013: 575). Auch wenn die Religion nicht das Motiv der Migration ist, ist sie Teil dieser, bringen doch die MigrantInnen ihre religiösen Vorstellungen, Weltbilder, Riten und Praktiken mit (Nagel 2013: 605). Auch die Gründung von Religionsgemeinschaften oder Errichtung religiöser Stätten deuten auf diesen Mitnahmeprozess hin. Dies hat einen Kontakt der Religion der MigrantInnen und der Aufnahmegesellschaft zufolge, neue interreligiöse Kontaktzonen werden geschaffen (ebd.: 606) Im Migrationsprozess kann Religion so einerseits als Sozialform interagieren. Sie stiftet Beziehungen und stellt Bezüge zur Aufnahmegesellschaft her. So fungiert sie als wichtige Schnittstelle für interkulturelle Begegnung und Vermittlung (ebd.: 604). Sie kann als Identitätsressource, andererseits aber auch als Identitätshindernis Einfluss nehmen. So wird beispielsweise der Aufbau religiöser Institutionen als „Akt der Beheimatung“ gefeiert und die religiöse Vielfalt als kulturelle Ressource angesehen, auf der anderen Seite jedoch als Identitätshindernis betrachtet, das eine Herausforderung für den nationalen Frieden darstellt (ebd.: 603). Religionskontakte kommen vermehrt auch dadurch zustande, dass migrantische Religionsgemeinschaften nach Aufmerksamkeit im öffentlichen Raum streben, wie zum Beispiel durch Errichtung repräsentativer Gebäude oder Veranstaltungen in öffentlichem Rahmen. Nach Max Weber ist religiöse Orientierung auf Abgrenzung und Ausschließlichkeit zu anderen religiösen Lebensformen ausgelegt (Weber 1985: 247, zit. nach Nagel, A. 2013: 599). Religiöse Menschen leben „in einer doppelten Welt“, was in den unterschiedlichsten Lebensbereichen im Alltag als unvereinbares Element und prinzipiell trennend empfunden wird, betrachtet man etwa die Einschränkung der Teilnahme in bestimmten Lebensbereichen wie beispielsweise Schule, Freizeitaktivitäten, Arbeitsplatz (Merz-Benz 2013: 600). Auch Emirbayer sieht das Zusammenspiel von Religion und Migration als herausfordernd an, da für ihn Netzwerkabgrenzung und Differenzierungsdynamiken zentrale Problembereiche darstellen (Emirbayer 1997: 303-304). Gesellschaftlich betrachtet führt das Nebeneinander verschiedener Religionen zu einer Pluralisierung von religiöser Kultur (Lauser/Weissköppel 2015: 7). Generell kann Religion im Migrationskontext also entweder die Abgrenzung von der Aufnahmegesellschaft fördern oder aber integrativ wirken.

[...]

Fin de l'extrait de 12 pages

Résumé des informations

Titre
Die Rolle von Religion in Migrationsprozessen. Diskussion einer ethnographischen Forschung
Université
University of Münster
Note
1,0
Auteur
Année
2018
Pages
12
N° de catalogue
V902495
ISBN (ebook)
9783346194138
ISBN (Livre)
9783346194145
Langue
allemand
Mots clés
Migration, Religion
Citation du texte
Anna Buhl (Auteur), 2018, Die Rolle von Religion in Migrationsprozessen. Diskussion einer ethnographischen Forschung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/902495

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