Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Fridays for Future als soziale Bewegung
Emotionen als Waffe
Wissenschaft als Hilfestellung
Fridays for Future als Antriebskraft für gesellschaftliche Entwicklungen und als Indikator für Wahlen
Klima nur eines von vielen wichtigen Themen
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Die Fridays for Future-Bewegung ist seit dem Sommer dieses Jahres nicht mehr aus der politischen Landschaft wegzudenken. Zweifellos kann sie als Errungenschaft der Demokratie angesehen werden. Denn insbesondere Jugendliche und Kinder, die noch nicht wahlberechtigt sind, machen von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch und demonstrieren jeden Freitag. Das Motiv für den täglichen Protest ist ähnlich wie einst in der Friedensbewegung der 1970er-1980er Jahre: die Kenntlichmachung der aktuellen Probleme und die Überzeugung, dass es notwendig und richtig sei, für seine Ziele zu demonstrieren (Balistier 1996: 114). Aus wissenschaftlicher Perspektive stellt Friday for Future die neue soziale Bewegung dieses Jahrzehnts dar. Dies mag daran liegen, dass sie Bewegung als überaus erfolgreich angesehen wird und in der Gesellschaft großen Widerhall findet. Das Ziel dieses Essays ist es, die Bewegung Fridays for Future als soziale Bewegung zu charakterisieren und darzustellen, ob die Ziele von Fridays for Future in die Politik eindringen und sogar politische Entscheidungen beeinflussen können. Dazu werden auch Bezüge zu sozialen Bewegungen der vergangen 50 Jahre hergestellt, um zu verdeutlichen, ob Fridays for Future beispielsweise ähnlichen Gegenwind aus dem politischen Tagesgeschäft erfährt oder ob das Verhältnis zwischen Politik und sozialen Bewegungen sich im 21. Jahrhundert grundlegend verändert hat.
Fridays for Future als soziale Bewegung
Oscar Niedermeyer hat einige Kriterien aufgestellt, wonach sich Partizipationsprojekte der Bürgerinnen und Bürger charakterisieren lassen. Diese lauten Institutionalisiertheit, Legalität und Legitimität (Niedermeyer 2005: 192). Im Folgenden wird gezeigt, inwiefern diese Kritieren sich Fridays for Future zuordnen lassen. In der Tat kann Fridays for Future als nicht-institutionalisierte Form der Partizipation wahrgenommen werden. Fridays for Future ist nämlich keine Bewegung, die von Politikern oder anderen Institutionen initiiert wurde, sondern sie ist nach Greta Thunbergs besorgniserregenden Ansprachen für eine effektivere Klimapolitik entstanden. Darum sind weder parteipolitische noch politikerbezogene Bezüge zu erkennen. Dies ist auch beispielsweise bei der von Sahra Wagenknecht gegründeten Bewegung Aufstehen anders. Bei dieser Bewegung ist der Eindruck entstanden, dass diese soziale Bewegung vor allem dazu dient, Wagenknechts Einfluss in ihrer Partei zu erhöhen oder sich in der Öffentlichkeit zu profilieren. Darum ist Aufstehen als eine ‚Bewegung von oben‘ keinesfalls so erfolgreich wie Fridays for Future gewesen. Zum anderen agiert Fridays for Future mit legalen Mitteln und wird beispielsweise nicht vom Verfassungsschutz überwacht. Legitimität kann der Bewegung ebenso nicht abgesprochen werden, da die jungen Träger von Fridays for Future um ihre Zukunft und Umwelt fürchten, was einen gerechtfertigten moralischen Grund darstellt (Niedermayer: 2005 192).
Emotionen als Waffe
Neben diesen Kriterien sind auch zwei weitere Aspekte zur Analyse von sozialen Bewegungen wichtig: Emotionalität und die Dringlichkeit des Themas. Diese beiden Punkte sind vor allem für die Bindungskraft einer Bewegung wird. Dass nämlich Fridays for Future darauf ausgerichtet ist, Emotionalität zu verbreiten, ist nicht zu verkennen. Der Appell, dass die Jugend in mehreren Jahrzehnten keine Zukunft aufgrund der unzureichenden Klimapolitik hat, dringt in die breite gesellschaftliche Mitte ein. Großeltern und Eltern der Kinder haben dadurch ebenso die Sorge, dass die Politik das Klimathema verschläft. Auch Außenstehende fühlen sich logischerweise von der Dramatik des Klimawandels angesprochen und werden sozusagen für die Bewegung rekrutiert und mobilisiert. Innerhalb der Bewegung entsteht ein „Erfahrungs- und Interaktionsraum“ (Rucht: 2011 38). Die gemeinsame Sorge, dass die Welt aufgrund des Klimawandels untergeht, schweißt die Bewegung zusammen. Dies ist auch ein emotionaler Aspekt. Jegliche Emotionen, wie Wut oder Trauer genügen nämlich, um sich im Bewusstsein von den Menschen festzusetzen. Deshalb kann Emotionalität mehr eine Waffe als eine zielführende Strategie sein. Denn ähnlich wie das Thema Migration in den vergangenen Jahren kann die Diskussion um den Klimawandel mit emotionalisierten Inhalten dazu genutzt werden, Angst und Schrecken zu verbreiten. Auch das ist ein Grund, warum Fridays for Future erfolgreich ist. An diesem Punkt soll jetzt nicht die Wichtigkeit der Klimadebatte abgesprochen werden. Jedoch sind Weltuntergangsszenarien oder apokalyptische Themen immer aus der Sicht von Politikern oder Demonstranten wirkungsvoll, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Wenn jemand den Weltuntergang durch verfehlte Klimapolitik proklamiert, kann niemand darüber hinwegsehen. Dies ist Fridays for Future gelungen. Aus deren Sicht erscheint es so, als ob alle anderen wichtigen Bereiche ignoriert bzw. zurückgefahren werden müssten, um eine effiziente umwelt- und Klimapolitik zu betreiben.
Ein weiteres erfolgreiches Motiv ist die Betonung eines Generationenkonflikts. Schon im letzten Jahrhundert war bei den Umweltbewegungen wurde behauptet, dass die ältere Generation der jüngeren Generation lebenswichtige Grundlagen und Ressourcen entziehe und damit irreversible Schäden für die nächsten Generationen bedeute (Menard / Bischoff: 1980 8). Die Besonderheit hierbei ist, dass die Jugendlichen gleichzeitig ihre Eltern beeinflussen, die sich um die Zukunft ihrer Kinder sorgen und versuchen, die Forderungen ihrer Kinder mit der Abkehr von ihrem üblichen Wahlverhalten Nachdruck zu verleihen. Darum sind auch viele Politiker unterschiedlicher Parteien gegenüber Fridays for Future skeptisch. Das zeigt allerdings, dass sich die Bewegung breites Gehör innerhalb der Politik verschafft hat. Auch hämische Reaktionen zeigen, dass Fridays for Future viel Aufmerksamkeit zuteilwird.
Wissenschaft als Hilfestellung
Fridays for Future bedient sich einem Thema, das schon vor 30 bis 40 Jahren zur Gründung von sozialen Bewegungen geführt hat: die Problematik um die Klima- und Umweltpolitik. Aktuell sprechen viele Printmedien davon, dass der Kampf gegen den Klimawandel eine Jahrhundertaufgabe oder sogar eine der größten Aufgaben der Menschheit darstellt. Auch statisch ist bereits erwiesen worden, dass die globale Durchschnittstemperatur in diesem Jahrhundert um ca. zwei oder vier Grad ansteigen wird. Rekordwerte bei den Temperaturmessungen im Sommer, die große Menge an Treibhausgasen oder die Erderwärmung lassen bei den meisten Klimaforschern keinen Zweifel darüber, dass die Menschheit sich in einer gefährlichen Klimakrise befindet (Schadwinkel: 2018). Solche medialen Kundgebungen und die eigene Wahrnehmung, dass die letzten Sommertage zu heiß waren, lassen ebenso folgenden Befund zu: Vor 10 Jahren hätte es noch kein so großes Aufmerksamkeitspotenzial in der Politik für Klima- und Umweltpolitik gegeben und Fridays for future hätte vor einem Jahrzehnt nicht so einen großen Erfolg wie derzeit gehabt. Der Zeitpunkt zur Gründung dieser Bewegung war ideal, da die Bewegung eines der akutesten Probleme verkörpert.
Fridays for Future als Antriebskraft für gesellschaftliche Entwicklungen und als Indikator für Wahlen
Der Widerstand gegen soziale Bewegungen ist in den 1970er-1980er Jahren ein Normalfall gewesen. Die Anti-Atomkraft-Bewegung wurde beispielsweise von der Politik bloßgestellt und von den Medien attackiert (Wick 2011: 134). Fridays for Future wird trotz vieler Gegenstimmen in der Politik mehrheitlich als soziale Bewegung akzeptiert. Denn immerhin kann gesagt werden, dass viele Politiker auf die Klimademonstrationen reagieren, allerdings deren Bedürfnisse nicht umfassend erfüllen. Das Klimapaket der Regierungsparteien belegt beispielsweise, dass der Druck von Fridays for Future dazu führt, politische Entscheidungen und Konzepte hervorzubringen. Niemals wäre in einer so kurzen Zeitdauer eine klimapolitische Maßnahme beschlossen wurden, wenn es Fridays for Future nicht gäbe. Deshalb ist allein aus diesem Grund die Bewegung als Erfolg zu werten. Allerdings zeigt das Klimapaket aufgrund seiner Ineffizienz auch, dass der Druck der Bewegung nicht ausreichend genug ist, beispielsweise eine hohe CO2- Steuer zu provozieren. Politische Ideologie scheint immer noch wichtiger als der Protest vieler Jugendlicher zu sein. Dies hat allerdings aus der Sicht der Beobachter der 1. Ordnung einen gewichtigen Nachteil. CDU/CSU und SPD ist es nicht gelungen, mit ihrem Klimapaket Fridays for Future davon zu überzeugen, dass das Klima gerettet sein. Darum ist nicht davon auszugehen, dass Fridays for Future aus der Sicht der Jugend seinen Effekt erfüllt hat. Es wird noch weiter und leidenschaftlicher jeden Freitag demonstriert. Die Politik ist sozusagen aus der Sicht der Demonstranten selbst schuld daran, dass das Thema Klimapolitik noch so eine große Bedeutung einnimmt und das Potenzial hat, in die Gesellschaft durchzudringen und bei Wahlen ein wichtiges Kriterium für die Wählerinnen und Wähler darstellt.
Die Wichtigkeit der Bewegung wurde vor allem in der diesjährigen Europawahl wahrgenommen haben. Die Klimapolitik war für viele Wähler das wichtigste Thema. Warum nahm denn das Thema Klimapolitik so eine wichtige Bedeutung ein? Dies ist ohne Zweifel auf Fridays for Future zurückzuführen. Die Jugendlichen lenkten permanent durch ihre täglichen Klimademonstrationen den Fokus auf die aktuelle Klimaproblematik und übt vehementen Druck auf die Politiker aus. In jedem Fall zeigte sich, dass es zumindest aus politischen Strategiegründen ratsam ist, dass die politischen Parteien sich deutlicher auf das Thema Umwelt fokussieren müssen, um die Erstwähler an sich zu binden.
Klima nur eines von vielen wichtigen Themen
Eine Kritik vieler Politiker ist allerdings zutreffend. Die Klimadebatte darf nicht andere wichtige politische Felder überdecken. Bewegungen sind allerdings überwiegend darauf ausgerichtet, ein Thema in den Vordergrund zu bringen (Wick 2011: 55). Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass die Politiker die Bewegung zwar als Stimmungsbild der Jugend wahrzunehmen, aber nicht als Stimmungsbild der gesamten Bundesrepublik. Auch in der Vergangenheit konnten erfolgreiche Bewegungen, wie die 68er-Bewegung oder Umweltbewegungen der 70/80er Jahre ihr Anliegen nicht gegenüber den Regierungsparteien durchsetzen. Dies gelang teilweise nach der nächsten bundesweiten Wahl, in der eine neue Regierungskoalition die strittigen Themen in den Blick nimmt. Insgesamt kann also gesagt werden, dass Fridays For Future zwar in die Wahrnehmung der Politiker gedrungen sind und die den Aushandlungsprozess des Klimapakets der Bundesregierung beschleunigt hat. Aber trotzdem ist bislang der Eindruck entstanden, dass die Ziele von Fridays For Future von vielen Politikern hämisch abgelehnt werden oder allerhöchstens nur im Ansatz von der Bundesregierung berücksichtigt werden, da andere politische Themen genauso wichtig wie die Klimapolitik erscheinen.
Außerdem ist zu vermuten, dass der Einfluss von Fridays for Future allmählich zurückgeht (Iloyd 2019). Die Botschaften von Fridays for Future wird bald nicht mehr dieselbe Durchschlagskraft in der Gesellschaft haben wie beispielsweise im letzten Sommer. Worauf ist das zurückzuführen? Die zurückgehende Popularität der Bewegung ist darin begründet, dass die Temperaturen im Winter nicht mehr so hoch sind und die Angst vor der Klimakrise damit ebenso in der Bevölkerung gesunken ist. Darum lassen sich weniger Menschen dafür mobilisieren, an der Bewegung teilzuhaben. Gleichzeitig rücken andere Themen in das Blickfeld der Politik. Momentan sind der Aufstieg des Rechtsradikalismus und die beginnende Rezession in Deutschland Themen geworden, die mit der Klimapolitik konkurrieren. Fridays for Future als Ein-Themen-Bewegung kann darum nicht mehr die volle Aufmerksamkeit der Gesellschaft für sich gewinnen.
Fazit
Insgesamt kann gesagt werden, dass Fridays for Future als eine der erfolgreicheren Bewegungen in der bundesdeutschen Geschichte gelten kann. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Bewegung Einfluss auf das Wahlverhalten vieler Bevölkerungskreise hat und in der Lage ist, mithilfe von emotionalen Botschaften andere Themenbereiche überdeckt. Außerdem stützt sich die Bewegung auf wissenschaftliche Erkenntnisse und übt damit Druck auf die Politik aus, weit reichende Klimakonzepte zu entwickeln. Problematisch ist allerdings, dass für die Politik neben dem Klima auch andere Themen im Mittelpunkt stehen. Dementsprechend können die Regierungsparteien auch nicht so ein striktes Klimapaket vorlegen, wie es sich von der Bewegung gewünscht wird. Aus der Sicht von Fridays for Future sorgt dies für Ernüchterung und dient als weitere Antriebskraft dazu, den Druck auf die Politik zu erhöhen, um in einem späteren Zeitpunkt noch mehr politisch durchdringen zu können. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist es deshalb wichtig, die Entwicklung von Fridays for Future weiter zu verfolgen. Denn jede erfolgreiche soziale Bewegung hatte in den vergangenen Jahrzehnten bestimmte Phasen, in welchen die sozialen Bewegungen sozusagen eine Hochkonjunktur hatten und irgendwann kurz vor dem Zusammenbruch stehen. Tatsächlich ist bereits zu konstatieren, dass die Bewegung im Sommer deutlich mehr Mobilisierungs- und Einflusspotenzial hatte. Auch die Vereinigung von mehreren Bewegungen sind kein Einzelfall. Vielleicht versucht auch Fridays for Future sich beispielsweise mit Wirtschaftsverbänden verbünden, um noch mehr Druck auf die Politik entfesseln zu können.
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