Determinanten des Erfolgs demokratischer Revolutionen


Mémoire de Maîtrise, 2007

102 Pages, Note: 1,85


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Konzeptionalisierung
2.1 Definition der abhängigen Variable
2.1.1 Der Begriff „Revolution“
2.1.2 Der Begriff „demokratische Revolution“
2.1.3 Theorien zur Entstehung von Massenmobilisierungen
2.2 Unabhängige Variablen
2.2.1 Eigenschaften des Regimes
2.2.2 Stärke der Opposition
2.2.3 Zivilgesellschaft und Medien
2.2.4 Zusammenfassung

3 Operationalisierung
3.1 Fallauswahl
3.1.1 Erfolgreiche demokratische Revolutionen
3.1.2 Gescheiterte demokratische Revolutionen
3.1.3 Ausschluss anderer möglicher Fälle
3.2 Unabhängige Variablen
3.2.1 Bildung von Mastervariablen
3.2.2 Bedingungen für den Erfolg/Misserfolg demokratischer Revolutionen
3.3 Abhängige Variable

4 Auswertung
4.1 Qualitative Comparative Analysis (QCA)
4.2 Erfolgreiche demokratische Revolutionen
4.2.1 Analyse der Kombinationen (primitiven Ausdrücke)
4.2.2 Hauptimplikanten exklusive der übrigen primitiven Ausdrücke
4.2.3 Hauptimplikanten inklusive der übrigen primitiven Ausdrücke
4.3 Gescheiterte demokratische Revolution
4.3.1 Analyse der Kombinationen (primitiven Ausdrücke)
4.3.2 Hauptimplikanten exklusive der übrigen primitiven Ausdrücke
4.3.3 Hauptimplikanten inklusive der übrigen primitiven Ausdrücke
4.4 Vergleich der einzelnen Phasen demokratischer Revolutionen

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis
6.1 Literatur
6.2 Quellen

7 Tabellenverzeichnis

8 Anhang
8.1 Tabellen

1 Einleitung

„The day before yesterday: Belgrade. Yesterday: Tbilisi. Today: Kyiv. Tomorrow: Moscow“ (Vladimirov 2004: 10).

Diese Schlagzeile der russischen Zeitschrift Itogi vom 7. Dezember 2004 spielt auf die demokratischen oder bunten Revolutionen – wie sie aufgrund der Farben und Symbole der Oppositionsbewegung[1] bezeichnet werden – in Serbien 2000, Georgien 2003 und der Ukraine 2004 an. Der Autor des Artikels, Andrei Vladimirov, nimmt darüber hinaus eine Symbolwirkung der erfolgreichen demokratischen Übergänge in diesen Ländern an, die für die weiteren Staaten der heutigen Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS), insbesondere in der Russischen Föderation, ausgehen könnte. In der Tat kam es 2005 zu einer weiteren demokratischen Revolution in Kirgisistan. Aber genauso wie die Opposition aus den erfolgreichen Umstürzen lernen kann, trifft dies im Umkehrschluss auch auf die Machthaber zu. So hatten ähnliche Umsturzversuche in Weißrussland im Frühjahr 2006 keinen Erfolg. Präsident Alexander Lukaschenko erkannte die Gefahr einer Modellwirkung für die umliegenden Länder der Revolution in Orange in der benachbarten Ukraine im Jahr 2004:

„The latest events in neighboring countries have shown the importance of a strong and authorative power as a factor for preserving stability. Once the authorities begin to display hesitancy, passivity, and weakness, destructive forces immediately make use of this” (Alexander Lukaschenko zitiert in: Herd 2005: 9).

Warum waren die demokratischen Revolutionen in Serbien, Georgien, der Ukraine und in Kirgisistan erfolgreich, während in Weißrussland das Lukaschenko-Regime an der Macht bleiben konnte? Die einfache Antwort auf diese Frage wäre nach dem amerikanischen Politikprofessor Mark N. Katz das Eingreifen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten:

„When the military is willing to use force to protect the ancien régime, democratic revolutions cannot prevail. It is only the refusal of the armed forces to use force that allows democratic revolutionaries to succeed” (Katz 2004: 163).

Aber warum griffen die Sicherheitskräfte in den anderen Fällen nicht ein? Und warum kam es überhaupt zu diesen Massenprotesten? Diese Fragen beantwortet Katz nicht.

In allen genannten Fällen ging den Demonstrationen eine gefälschte Wahl voraus, die als Auslöser der Proteste fungierte. Die Entrüstung über den Betrug durch die herrschenden Eliten am Volk entlud sich auf den Straßen. Bei den Umstürzen im Jahr 1989 z. B. in der DDR, die ebenfalls friedlich waren und vom Volk ausgingen, war allerdings kein solcher Auslöser vorhanden und dennoch protestieren in Leipzig bis zu eine Viertelmillion Menschen in der DDR gegen die Führung der SED (Opp 1991: 303). In allen Fällen kam es zu einer gewaltlosen, friedlichen Demonstration mit dem Ziel, einen Systemwechsel von innen durch die Erweiterung von Bürgerrechten und deren Anerkennung herbeizuführen.

Können somit Gründe gefunden werden, die für den Erfolg der demokratischen Revolutionen ausschlaggebend sind? Gibt es eine „Checkliste“, die abgearbeitet werden muss, damit ein friedlicher Übergang durch Massendemonstrationen zur Demokratie, also eine demokratische Revolution, ermöglicht wird?

Forschungsfrage

Aus diesen Überlegungen lässt sich folgende Forschungsfrage ableiten, die mit dieser Arbeit beantwortet werden soll:

Welche Faktoren determinieren den Erfolg von demokratischen Revolutionen?

Dabei lautet die These, dass den demokratischen Revolutionen ein bestimmtes Muster zugrunde liegt. Innerhalb dieses Musters müssen bestimmte Faktoren gegeben sein, damit eine demokratische Revolution erfolgreich ist.

Der Zeitraum der Analyse soll sich dabei auf das letzte halbe Jahrhundert von 1953 bis 2006 beschränken. Zum einen wird somit eine Periode gewählt, in der die Regimeformen der untersuchten Länder entstanden und somit weitestgehend vergleichbar sind. Alle Fälle sind direkt durch die Ereignisse vor und insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg beeinflusst. Die meisten Länderbeispiele fallen in das Einflussgebiet der ehemaligen Sowjetunion (DDR, Ungarn, Tschechoslowakei, Rumänien, Polen, Jugoslawien, die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, sowie Georgien, Aserbaidschan, die Ukraine, Kirgisistan, Moldawien und Weißrussland). Bei den anderen untersuchten Ländern verhält es sich wie folgt: In Portugal wird 1933 ein „Neuer Staat“ mit faschistischen Tendenzen gegründet (Maxwell 1986: 112). Die Volksrepublik China entsteht 1949 nach einem Bürgerkrieg. Der Libanon (1943), die Philippinen (1946) und Myanmar (1948) werden alle kurz vor oder unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg unabhängig.

Darüber hinaus findet bei den erfolgreichen Fällen in dieser Zeitspanne vermehrt ein friedlicher endogener Übergang zur Demokratie, hervorgerufen durch Demonstrationen, statt. Revolutionen zeichnen sich vor der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts insbesondere durch die Anwendung von Gewalt von Seiten der Revolutionäre aus. Des Weiteren sind endogene Übergänge zur Demokratie vor diesem Zeitraum eher untypisch (vgl. Stinchcombe 1999).

Für die Analyse wird die abhängige Variable erfolgreiche demokratische Revolution als der Versuch, einen gewaltlosen Systemwechsel von innen, hin zu einer konsolidierten Demokratie durch die Beteiligung der Massen der Bevölkerung herbeizuführen, definiert.

Dazu werden neun unabhängige Variablen identifiziert, die für den Erfolg einer demokratischen Revolution entscheidend sind.[2] Diese werden bezeichnet als:

(1) eine Starke Opposition,
(2) das Eingreifen der Sicherheitskräfte des Staates,
(3) eine Spaltung der Eliten,
(4) das Stadium des Posttotalitarismus „early“,
(5) das Vorhandensein einer Zivilgesellschaft,
(6) der Zugang zu unabhängigen Medien,
(7) der Einfluss durch westliche Demokratien und NGOs,
(8) das Vorhandensein von Widerstandsgruppen und
(9) der katalytische Effekt eines triggering events.

Vorgehensweise

Die Zusammenhänge zwischen den unabhängigen Variablen und dem Erfolg einer demokratischen Revolution lassen sich mit Hilfe der von dem amerikanischen Sozialwissenschaftler Charles C. Ragin entwickelten Methode der Qualitative Comparative Analysis (QCA) veranschaulichen. QCA ist ein statistisches Verfahren zur Untersuchung kausaler Beziehungen zwischen unabhängigen Variablen auf eine abhängige Variable. Diese auf Boolscher Algebra basierende Form der Analyse hat den Vorteil eine kleine bis mittlere Fallzahl (N) in der Größe von 10-50 Fällen untersuchen zu können. Dabei werden die identifizierten Faktoren für den Erfolg einer demokratischen Revolution dichotom codiert. Die Bewertung erfolgt entweder mit 1 (vorhanden) oder 0 (nicht-vorhanden). In einem ersten Schritt werden so die Kombinationen von Faktoren gebildet, die für einen Erfolg der demokratischen Revolution entscheidend sind. Dabei wird zwischen notwendigen und hinreichenden Bedingungen unterschieden. Als notwendig gilt dabei diejenige unabhängige Variable, die vorhanden sein muss, damit eine erfolgreiche demokratische Revolution auftritt. Eine unabhängige Variable ist dann hinreichend, wenn sie zwar in der Lage ist eine demokratische Revolution herbeizuführen, es aber weitere Wege gibt, damit diese erfolgreich ist (vgl. Schneider 2006: 266).

In einem zweiten Schritt können die Ergebnisse dann so weit logisch minimiert werden, dass so genannte Hauptimplikanten übrig bleiben. Hauptimplikanten werden durch die Eliminierung logisch redundanter Faktoren gebildet. Ein Faktor gilt dann als logisch redundant, wenn eine demokratische Revolution sowohl bei dessen Vorhandensein, als auch bei dessen Fehlen erfolgreich ist. Diese Hauptimplikanten bilden die Determinanten des Erfolgs demokratischer Revolutionen.

Ein weiterer Vorteil der Analyse mit QCA liegt darin, dass ebenso negative Ergebnisse – in diesem Fall gescheiterte demokratische Revolutionen – untersucht werden können. Da die komplexe Situation einer Revolution nicht symmetrisch verläuft und somit nicht das exakte Gegenteil der Kombinationen zu einem negativen Ergebnis führen müssen, können dadurch zusätzlich Rückschlüsse auf die Determinanten des Erfolgs demokratischer Revolutionen gezogen werden.

Forschungsstand

Nach den demokratischen Revolutionen 1989, die weitestgehend analysiert sind (Hartung 1992; Kumar 1992; Lindner 1998; Thaysen 1990), verschwand der Fokus auf dieses Phänomen[3] und rückte erst nach den bunten Revolutionen wieder in den Mittelpunkt der Forschung. Der Sturz des Diktators Slobodan Milošević in Serbien kam für die meisten Transitionsforscher überraschend. Die „Bulldozerrevolution“ (Birch 2002; Gordy 2000), wie sie wegen der Erstürmung des staatlichen serbischen Fernsehsenders RTS mit Hilfe eines Bulldozers vor allem im englischsprachigen Raum genannt wird, inspirierte demokratische Massenproteste in Georgien, Kirgisistan und der Ukraine. Es gibt inzwischen zahlreiche Arbeiten vor allem über die Ereignisse in der Ukraine (Karatnycky 2005; Kuzio 2005).

Es mangelt auch nicht an Untersuchungen über demokratische Revolutionen und welche Vorrausetzungen gegeben sein müssen, dass diese auch zum Erfolg führen (Katz 2004, 2006; Thompson 2004; Herd 2005). Allerdings variieren die Definitionen, wann es sich um eine demokratische Revolution handelt, in einem großen Ausmaß. So wird z. B. die Verhinderung des Putsches durch einige führende Militärs gegen Gorbatschow 1991 in der damaligen Sowjetunion zusammen mit dem Sturz von Milošević in Serbien 2000 betrachtet (Katz 2004). Der amerikanische Historiker Robert R. Palmer bezeichnet bereits die Französische und die Amerikanische Revolution im 18. Jahrhundert als demokratische Revolutionen (Palmer 1970: 14f).

Des Weiteren wird meist nur eine geringe Anzahl von Fällen miteinander verglichen, so z. B. nur die bunten Revolutionen (Herd 2005), oder nur ein bestimmter Zeitraum untersucht (demokratische Revolutionen während der Jahre 1990-2000; Katz 2004). Oftmals ist die Studie auch geographisch beschränkt, z. B. auf die demokratische Revolution in Asien und Osteuropa (Thompson 2004).

Eine Analyse mit QCA liegt für Revolutionen in der Dritten Welt vor (Foran 1997) und die Gründe für das Zustandekommen von Massenmobilisierungen wurde ebenso mit dieser Methode untersucht (Osa/ Corduneanu-Huci 2003). Eine Studie der Erfolgsfaktoren einer demokratischen Revolution wurde jedoch noch nicht mit QCA unternommen.

Es fehlt somit eine einheitliche Definition und eine vergleichende Analyse demokratischer Revolutionen, mit deren Hilfe die Gründe für den Erfolg einer demokratischen Revolution erarbeitet werden können.

Quellenlage

Für die Bewertung der einzelnen Faktoren werden unterschiedliche Quellen verwendet. Einen allgemeinen Überblick für die Bewertung des Erfolgs demokratischer Revolutionen liefert der Bertelsmann Transformation Atlas (BTA). Dieser macht es möglich die Kriterien des Bertelsmann Transformation Index (BTI) einzeln zu betrachten. Der BTI unterteilt sich in einen Status- Index und einen Management Index. Der Status-Index zeigt den Stand der Entwicklung, der untersuchten Staaten auf dem Weg zu einer konsolidierten, marktwirtschaftlichen Demokratie. Der Management-Index kennzeichnet, wie konsequent dieser Weg beschritten wird. Für diese Arbeit ist insbesondere der Demokratiewert des Status-Indexes des BTI relevant. Der Demokratiewert des BTI misst die Präsenz und Entwicklungsfähigkeit der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Strukturen des Nationalstaates. Die Bewertung setzt sich aus fünf Kriterien zusammen: Staatlichkeit, politische Partizipation, Rechtsstaatlichkeit, Stabilität der demokratischen Institutionen, sowie politische und gesellschaftliche Integration. Neben den essentiellen Elementen einer Demokratie, wie z. B. freie Wahlen, fließt auch der Grad der Verwurzelung und Akzeptanz und damit der Stabilität der Demokratie in die Bewertung mit ein (BTA 2006). Der Demokratiewert errechnet sich aus dem Mittelwert der Bewertung der fünf Kriterien. Dabei wird eine Skala von 1 bis 10 benutzt. 10 stellt dabei die höchste Ausprägung und damit den best möglichen Wert dar.

Zusätzlich wird der Freedomhouse-Index (FHI) der NGO Freedomhouse zur Bewertung herangezogen. Freedomhouse ist eine gemeinnützige und parteiunabhängige Organisation, die bereits 1941 gegründet wurde mit dem Ziel der Ausweitung des Friedens in der Welt[4]. Seit 1972 wird dabei eine vergleichende Bewertung der politischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten in 192 Ländern (Stand 2006) vorgenommen, durch die der Freedomhouse-Index gebildet wird. Der FHI setzt sich erstens aus politischen Rechten – dem Wahlprozess, Pluralismus und die Funktion der Regierung – und zweitens aus zivilen Rechten – Meinungs-, Versammlungs- und Glaubensfreiheit, sowie der Rechtsstaatlichkeit – zusammen. Die Werte der beiden Teile – politische und zivile Rechte – werden addiert und danach durch zwei geteilt. Für diesen Index wird eine Skala von 1 bis 7 benutzt, in der 1 der beste und 7 der schlechteste Wert ist. Zusätzlich wird das Ergebnis in drei Kategorien eingeteilt. Ein Land erhält den Status frei bei einer Wertung von 1,0 bis 2,5. Als teilweise frei gelten untersuchte Länder mit einem Wert von 3,0 bis 5,0 und als nicht frei werden diese Länder geführt, die einen Wert zwischen 5,5 und 7,0 aufweisen (FH 2006b).

Beide Indizes werden insbesondere für die Bewertung des Erfolgs demokratischer Revolutionen herangezogen. Für eine detaillierte Auswertung der einzelnen Kriterien werden dazu die jeweiligen Länderstudien dieser Indizes benutzt.

Des Weiteren werden, soweit vorhanden, Einzelfallstudien über die Ereignisse in den jeweiligen Ländern hinzugezogen, um die Länderstudien der beiden Indizes zu verifizieren und zu komplettieren.

Aufbau der Arbeit

Wie bereits gezeigt wurde, existieren unterschiedliche Ansichten darüber, wann und ob man überhaupt von einer demokratische Revolution sprechen kann. Deshalb wird zunächst eine Definition demokratischer Revolutionen erarbeitet. Diese wird dann in einen theoretischen Rahmen eingebunden. Darüber hinaus werden die für den Erfolg demokratischer Revolutionen notwendigen Faktoren identifiziert (Kapitel 2).

In einem nächsten Schritt (Kapitel 3) wird die Fallauswahl begründet. Dadurch können drei Phasen demokratischer Revolutionen definiert werden. Diese unterteilen sich in die Phase des Kalten Krieges (1953-1989), die Phase des Zusammenbruchs der Sowjetunion (1989-2000) und die Phase der bunten Revolutionen (2000-2006). Danach werden die identifizierten abhängigen Variablen für eine erfolgreiche respektive gescheiterte demokratische Revolution operationalisiert.

Dann wird die Methode QCA vorgestellt und die Auswertung der identifizierten unabhängigen Variablen auf die Fälle und deren Ergebnisse präsentiert (Kapitel 4). Zunächst wird auf die einzelnen Kombinationen der untersuchten Länderbeispiele eingegangen, bevor die Bewertung der Hauptimplikanten vorgenommen wird. Dabei wird zwischen erfolgreichen und gescheiterten demokratischen Revolutionen unterschieden. Als letzter Schritt der Auswertung sollen noch die erfolgreichen demokratischen Revolutionen mit den gescheiterten demokratischen Revolutionen der einzelnen Phasen aus Kapitel 3 gegenübergestellt werden. Die dabei gefundenen Ergebnisse werden dann in Bezug zu der Auswertung durch QCA gesetzt.

Abschließend (Kapitel 5) werden die Determinanten des Erfolgs demokratischer Revolutionen, die sich aus der Analyse mit QCA ergeben, bewertet und im empirisch überprüft. Darüber hinaus soll die Methode QCA auf ihre Anwendbarkeit evaluiert werden. Dabei wird dann auch ein Ausblick auf weitere zu erwartende demokratische Revolutionen unter den gegebenen Determinanten gewagt.

2 Konzeptionalisierung

„Revolutionary reality is complex“ (Tilly 1978: 189).

Die zentrale These dieser Studie nimmt ein bestimmtes Grundmuster für den Verlauf einer demokratischen Revolution an. Bevor eine Antwort auf die Frage nach den Determinanten des Erfolgs demokratischer Revolutionen gegeben werden kann, ist es notwendig sich die Komplexität der Fragestellung, die auch Charles Tilly betont, bewusst zu machen. In der Einleitung wurde bereits dargestellt, dass unterschiedliche Ansichten darüber existieren, wann man von einem solchen Ereignis sprechen kann. Darüber hinaus werden unterschiedliche Faktoren für ihren Erfolg angenommen. In diesem Kapitel sollen die zentralen Fragen geklärt werden: Was ist eine demokratische Revolution, wie kommt diese Zustande und welche Vorraussetzungen müssen gegeben sein, damit diese erfolgreich ist? Dazu wird die unabhängige Variable erfolgreiche demokratische Revolution definiert und in den theoretischen Rahmen eingebunden. In einem zweiten Schritt sollen dann die unabhängigen Variablen, also die Erfolgsfaktoren, erarbeitet werden.

2.1 Definition der abhängigen Variable

Nachfolgend soll die abhängige Variable erfolgreiche demokratische Revolution identifiziert werden. Dazu wird zunächst ein kurzer Überblick über den Begriff Revolution gegeben und gezeigt, dass Demokratie im historischen Vergleich ein eher unerwartbares Ergebnis von Revolutionen ist. Dann wird der Begriff demokratische Revolution eingeführt und anhand des Revolutionsbegriffs von Charles Tilly bewiesen, dass man die Fallbeispiele dieser Arbeit durchaus als Revolutionen bezeichnen kann. Danach werden einige Einwände, die gegen das Konzept der demokratischen Revolution sprechen, dargestellt und entkräftet. Abschließend sollen Theorien vorgestellt werden, mit denen das Zustandekommen von Massenmobilisierungen, oder in bestimmten Fällen demokratischer Revolutionen, erklärt werden können.

2.1.1 Der Begriff „Revolution“

Der Begriff Revolution selbst erfuhr eine Wandlung seiner Bedeutung über die Jahrhunderte. Sprach man zunächst von einer Rückkehr zu alten Werten oder Rechten (vom lateinischen revolvere zurückwälzen)[5], bezeichnet man in der Neuzeit die Schaffung von etwas grundlegend und weit reichend Neuem als Revolution (z. B. industrielle Revolution).[6] Betrachtet man die Verwendung des Begriffs Revolution im Zusammenhang mit einem politischen System, kann man eine ebenso breit gefächerte Verwendung finden. Dies spiegelt sich in der großen Auswahl an Revolutionstheorien wieder. „There seem to be as many theories of revolution as there are theorists“ (Kimmel 1990: 3). Dabei sind die Revolutionstheoretiker von der jeweiligen revolutionären Phase, in der sie sich befinden, beeinflusst. Stellt zur Zeiten der Glorious Revolution in England eine Revolution noch den Sturz einer Regierung dar (Thompson 2004: 4), so beginnt mit der Französischen Revolution die Betrachtung der sozialen Aspekte einer Revolution: Die Beseitigung von aristokratischen politischen Institutionen (Tocqueville 1867: 15) und die Schaffung einer fairen und produktiven Form der sozialen Organisation (Goldstone 1986: 214). In dieser Phase der Revolutionstheorie wird der Wandel als rapide und radikal beschrieben (Skocpol 1979: 4). Hannah Arendt kritisiert zwar den Fokus auf die soziale Frage in der Revolutionstheorie (Arendt zitiert in Thompson 2004: 5), betont aber den gewaltsamen Charakter einer Revolution, der von den meisten Revolutionsforschern gefordert wird. Die Bestimmung des Begriffs Revolution für das 20. Jahrhundert kann allgemein mit der Definition von Samuel P. Huntington zusammengefasst werden:

„A revolution is a rapid fundamental, and violent domestic change in the dominant values and myths of a society, in its political institutions, social structure, leadership and government activity and policies” (Huntington 1968: 264).

Die Problematik dieser Definition wird dann klar, wenn man die Betrachtung demokratische Revolutionen als Revolutionen versucht. Diese sind eben nicht gewaltsam.

Revolutionäre Situation und revolutionäres Ergebnis

Für die dargestellte Abgrenzung des Begriffs Revolution hat das Konzept von Tilly die größte Erklärungskraft. Dieses hat nicht nur den Vorteil, dass keine explizite Forderung nach einem gewaltsamen Element in der Revolution gestellt wird, sondern unterscheidet zwei Konzepte, revolutionary situations und revolutionary outcomes, welche verschiedene Ansichten über die Definition des Begriffs Revolution in einer Theorie vereint.[7]

Tilly beginnt in seiner Betrachtung (vgl. dazu und im Folgenden Tilly 1978) mit den Ansichten von Lev Trotzki, der Revolutionen als zwei um die Macht konkurrierende Blöcke definiert hat. Tilly erweitert dies um die Ansichten von Barrington Moore, der das Vorhandensein mehrerer Blöcke – bei ihm Koalitionen genannt – aus verschiedenen Klassen der Gesellschaft zulässt.[8] Dort schließt Tilly an, wenn er sagt: Eine revolutionäre Situation ist dann vorhanden, wenn multiple Souveränität in einem Staat existent ist.

„A revolutionary situation begins when a government previously under the control of a single, sovereign polity becomes the object of effective, competing, mutually exclusive claims on the part of two or more distinct polities. It ends when a single sovereign polity regains control over the government” (Tilly 1978: 191).

Man spricht von multipler Souveränität, wenn

1. sich die Mitglieder eines Gemeinwesen einem anderen Gemeinwesen unterordnen. Als Beispiel dient der Anschluss von Texas an die Vereinigten Staaten von Amerika.
2. sich ein untergeordnetes Gemeinwesen, z. B. eine Regionalverwaltung, für souverän erklärt.
3. Nicht-Mitglieder eines Gemeinwesens erfolgreich einen Teil der Regierungsgewalt von außen an sich bringen können.
4. ein Gemeinwesen sich in mindestens zwei unterschiedliche Blöcke teilt und Kontrolle über Teile der Regierung ausübt. Dabei können auch Nicht-Mitglieder des Gemeinwesens mobilisiert werden (Tilly 1978: 191f).

Eine multiple Souveränität und damit eine revolutionäre Situation ist aber erst dann vorhanden, wenn ein signifikanter Teil der Bevölkerung eines Gemeinwesens auch die jeweilige andere Souveränität anerkennt. Dies zeigt sich z. B. dadurch, dass Steuern gezahlt werden und diese Leistungen der alten Regierung, der sie vorher gehorcht haben, verweigert werden. Die revolutionäre Situation endet, sobald nur noch eine einheitliche Kontrolle über die Regierungsgewalt besteht und kein anderer Konkurrent seine Ansprüche erfolgreich durchsetzen kann.

Ein revolutionäres Ergebnis hingegen ist erst vorhanden, wenn eine Regierung von einer anderen abgelöst worden ist. „A revolutionary outcome is the displacement of one set of members of the polity by another“ (Tilly 1978: 193). Der Grad des Ergebnisses kann dabei variieren, je nach dem inwieweit ein Elitenaustausch stattgefunden hat. Figur 1 fasst die unterschiedlichen Kategorien des Machttransfers zusammen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Fig. 1: Situationen und Ergebnisse von verschiedenen Typen des Machttransfers[9]

Festzustellen ist, dass die größtmögliche revolutionäre Situation (in der Darstellung rechts unten) nicht automatisch zu dem größtmöglichen revolutionärem Ergebnis führen muss (links oben). Ein extremes Ergebnis setzt aber auch eine extremere revolutionäre Situation voraus. Die unterschiedlichen Resultate sind bei Tilly nicht strikt voneinander getrennt, sondern überlappen sich in bestimmten Feldern. Sie unterscheiden sich je nach Austausch der Eliten nach der Revolution. Ein Staatsstreich ersetzt die einen Mitglieder eines Gemeinwesens mit anderen, Bürgerkrieg führt oft zur Teilung des Staatsgebietes, während bei einer vollständigen Revolution ein Teil oder sogar alle Mitglieder der vorher dominanten Klasse die Macht verlieren (Tilly 1978: 194ff).

Genauso wie revolutionäre Situationen unterschiedliche Ausprägungen haben können, gilt dies auch für die revolutionären Ergebnisse. Tilly schließt diese unterschiedlichen Ausprägungen (Staatsstreich, Bürgerkrieg, Aufstände) als Ergebnis von revolutionären Situationen mit ein. Hierbei unterscheidet sich die Ansicht Tillys von anderen Definitionen von Revolution (vgl. z. B. Stinchcombe 1999 weiter unten). Man spricht allerdings auch nur von einer Revolution, wenn eines dieser Ergebnisse eintritt. Ein weiteres wichtiges Detail stellt der Verzicht auf eine explizite Forderung von Gewalt während der revolutionären Situation dar, wie am Anfang dieses Kapitels bereits erwähnt wurde. Ebenso vermeidet es Tilly, einen plötzlichen oder fundamentalen Wandel in die Definition von Revolutionen einzuschließen. Dies ermöglicht nicht nur eine breitere Betrachtung von möglichen Fällen von Revolutionen, sondern spricht einer demokratischen Revolution nicht gleich grundsätzlich den Charakter einer Revolution ab, da diese sich insbesondere durch ihre Gewaltlosigkeit auszeichnen.

Demokratie als unwahrscheinliches Ende von Revolutionen

Auch wenn es die Revolutionstheorie von Charles Tilly möglich macht demokratische Revolutionen als Revolution zu bezeichnen, haben die Analysen der Revolutionen der letzten drei Jahrhunderte ergeben, dass Demokratie nur äußerst selten am Ende einer Revolution steht. Arthur L. Stinchcombe vergleicht in seiner Untersuchung die Ergebnisse von Revolutionen zwischen dem 17. und 20. Jahrhundert und definiert Revolution ähnlich wie Tilly.

„Revolutions may be defined as periods in which the rate of change of power positions of fractions, social groups, or armed bodies changes rapidly and unpredictably. Revolutions then come to an end to the degree that political uncertainty is reduced by building enough bargains into a political structure that can maintain such bargains” (Stinchcombe 1999: 49).

Im Gegensatz zu Tilly wird bei Stinchcombe der Definitionsrahmen enger gefasst. Dabei wird nicht nur ein plötzlicher Machtwechsel vorausgesetzt, sondern auch werden Staatsstreiche nicht als Revolutionen verstanden, da diese die Machtverhältnisse innerhalb einer Regierung schnell ändern, aber keine Sicherheit über die Machtverhältnisse außerhalb (z. B. in der Peripherie) und darüber, wann der nächste Staatsstreich stattfindet, schaffen können.[10] Revolutionen hingegen enden, wenn Regierungen entstehen, die in der Lage sind Machtveränderungen unwahrscheinlicher zu machen und die Unsicherheit darüber verringern, wer mit welcher Politik in nächster Zeit und mittelfristig regieren wird.

„We conceive the core of revolution to be uncertainty about who, and what policies, will rule in the near and medium-run future – a Hobbesian state of war of each against all” (Stinchcombe 1999: 50).

Hier zeigt sich der Vorteil der Definition von Tilly. Dieser widerspricht Stinchcombe nicht, aber eine Wiedergewinnung der Kontrolle über das Gemeinwesen durch die alte Regierung – oder nach Stinchcombe die Verringerung der Unsicherheit – wird nur als revolutionäre Situation bezeichnet, nicht aber als Revolution an sich. Dazu müsste ein revolutionäres Ergebnis vorliegen und dies ist nur vorhanden, wenn ein wirklicher Austausch der Eliten stattgefunden hat.

Stinchcombe erläutert nun unterschiedliche Möglichkeiten um relativ stabile Ergebnisse von Revolutionen zu erhalten. Unter ihnen wird Demokratie als eine Möglichkeit erachtet.[11] Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass Demokratie nur in äußerst seltenen Fällen am Ende einer Revolution steht. Erklärt wird dies dadurch, dass dafür die Etablierung eines Systems notwendig ist, in dem den Staatsbürgern das Recht zugestanden wird, eine Regierung aus dem Amt zu wählen und eine andere mit ausschließlich legalen Mitteln einzusetzen. Die Eliten handeln keinen paktierten Übergang aus, sondern einigen sich darauf, dass zukünftig nicht sie, sondern das Volk darüber entscheidet, wer regieren darf. Dies ist beispielsweise zu beobachten wenn ein Land militärisch besiegt worden ist und danach zunächst eine Besatzungsregierung installiert wurde (z. B. Bundesrepublik Deutschland oder Japan nach dem Zweiten Weltkrieg). Ein endogener Übergang zu Demokratie findet jedoch nur äußerst selten statt (Stinchcombe 1999: 61). Gründe hierfür lassen sich in der paradoxen Situation wieder finden in der sich Revolution und Demokratie gegenüber stehen. „As a way out of revolution, democracy depends more on law than do conquest, totalitarianism, or independence“ (Stinchcombe 1999: 68). Wahlen, die zu einem möglichen Regierungswechsel führen, basieren auf der Sicherheit durch Gesetze. Diese sind aber gerade in Zeiten von Revolutionen nicht gültig. Die Sicherheit und insbesondere das Vertrauen in Gesetze muss mit der Zeit und deren Anwendung wachsen. Des Weiteren ist es wichtig einen Konsens darüber zu finden, wem das Recht zugestanden wird, einen Regierungswechsel durch Wahlen herbeizuführen. Das Vertrauen in die Gesetze erfordert das Vertrauen des einzelnen in die Gesellschaft der Wähler. Dies kann, nach Stinchcombe, noch am ehesten mit Nationalismus erreicht werden.

„If we think of political nationalism as entrusting one’s welfare to the votes of strangers, and democracy of a system of government requiring that trust, then the relation of nationalism to democratic outcomes of revolution is obvious” (Stinchcombe 1999: 65).

Neben der auf Gesetzen basierenden Demokratie definiert Stinchcombe noch die „revolutionäre Demokratie“ (Stinchcombe 1999: 68f). Während einer Revolution ist es ebenfalls möglich, dass die unterschiedlichen Parteien (und dies ist im Zusammenhang mit Demokratie durchaus als politische Partei zu verstehen) versuchen ihr Programm zur Verfassung des Landes zu machen. Darüber hinaus werden die rivalisierenden Parteien als Verräter der Revolution diskreditiert und oftmals auch ein Verfahren gegen diese eröffnet. Der Ausgang einer solchen Revolution ist weiter von Demokratie entfernt, als die Verfassung vor der Revolution gewesen sein mag und führt demnach weder zu einer langfristigen Stabilität der Regierung, noch zu einer konsolidierten Demokratie.

Auch wenn sich Stinchcombes Ansichten über Revolutionen von der Tillys unterscheiden, zeigt seine Untersuchung dennoch ein wichtiges Ergebnis auf: Revolutionen werden nur äußerst selten endogen mit Demokratie beendet. Obwohl sein Definitionsrahmen wesentlich enger gesteckt ist als der von Tilly und somit weniger Fälle betrachtet werden, ist dennoch nicht davon auszugehen, dass sich seine Ergebnisse signifikant ändern, wenn man den Rahmen Tillys ansetzen würde. Dies belegt die Tatsache, dass die Anzahl der Revolutionen, die mit Demokratie beendet werden erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zunimmt. Dies wird allgemein als Beginn der dritten Demokratisierungswelle bezeichnet (vgl. Huntington 1991), die mit der Nelkenrevolution 1974 in Portugal ihren Anfang hat.

Die Problematik der Gültigkeit von Gesetzen wird bei einer demokratischen Revolution verringert, da hierbei diese Gesetze bereits vorhanden sind und nicht deren Erschaffung, sondern deren tatsächliche Anwendung Ziel der Proteste sind.

„The democratic challengers deployed extraconstitutional means solely to defend the existing, democratic constitution rather than to achieve a fundamental rewriting of the rules of the political game”( McFaul 2005: 6).

Ein Vertrauen in die Gesetze muss damit auch nicht erst erwachsen, das Vertrauen in die Gesetze wurde enttäuscht und soll nun wieder hergestellt werden.

Bevor nun aber weitere Einwände gegen die Möglichkeit einer demokratischen Revolution betrachtet werden, soll ein Überblick über die Definition demokratischer Revolutionen gegeben werden.

2.1.2 Der Begriff „demokratische Revolution“

Für Mark R. Thompson ist Revolution, genauso wie Demokratie, ein „Schwergewicht“ (Thompson 2004: 4) der Politik. Die Problematik bei der Betrachtung solch gewichtiger Wörter zeigt sich in ihrer vielfachen Verwendung, so dass unterschiedliche Meinungen darüber existieren, wann man nun ein Regime als demokratisch bezeichnet und welche Änderungen im politischen System sich als Revolution klassifizieren. Kombiniert man nun beide Begriffe, erhält man ebenso viele mögliche Interpretationsmöglichkeiten. So sprach bereits Robert R. Palmer von einem „Zeitalter der demokratische Revolution“ (Palmer 1970), als er die Französische und die Amerikanische Revolution untersuchte. Selbst der aktuelle Präsident der Vereinigten Staaten, George W. Bush, fand eine ganz eigene Darstellung demokratischer Revolutionen, indem er den Einmarsch amerikanischer Truppen im Irak 2003 als Beginn der „globalen demokratischen Revolution“ verkündete (Beissinger 2006: 18). Ein weiteres Problem mit der häufigen Verwendung solcher Begriffe zeigt der Artikel „Whatever happened to Democratic Revolutions?“ (Thompson 2000) auf: Die ursprüngliche Bedeutung wird restriktiv angewendet, neuere Beispiele fallen in eigens gebildete Kategorien, um der übermäßigen Verwendung entgegen zu wirken. Einen ähnlichen Gedanken findet man bei Charles Tilly. Dieser hält die meisten der Ereignisse des Jahres 1989 in der ehemaligen Sowjetunion und deren Satellitenstaaten für Revolutionen, jedoch nicht im klassischen Sinn.

„Welche europäischen Ereignisse des Jahres 1989 darf man als echte Revolution bezeichnen? Das hängt davon ab, wie sehr oder wie wenig wir diesen Begriff einengen. Wenn wir darauf bestehen, dass eine Revolution die gleichen Kriterien zeigen muss wie das politische Ringen in Frankreich von 1789 bis 1799 [...] dann sind die Unruhen des Jahres 1989 in Osteuropa nicht als Revolution zu bezeichnen“ (Tilly 1999: 23).

Eine sehr allgemeine Definition findet sich bei Mark N. Katz, der demokratische Revolution als den Ersatz eines autoritären Amtsinhabers durch eine demokratische Regierung mit Hilfe starker Massenbewegungen sieht (Katz 2004: 163).

Diese Definition ist aus zwei Gründen zu eng gefasst. Zunächst wird die Herrschaftsform, unter der eine demokratische Revolution stattfindet, auf autoritäre Regime beschränkt.[12] Es bietet sich eine breitere Auffassung an, wie sie bei Maryjane Osa und Cristina Corduneanu-Huci gefunden werden kann. Diese sprechen allgemeiner von Nicht-Demokratien, wobei es keine Rolle spielt, um welche Art der Nicht-Demokratie es sich handelt. Alle – mit Ausnahme der traditionellen Monarchie – hätten folgendes gemeinsam: „These societies lack a mechanism for regular, legitimate transfers of power sanctioned by those subject to the state“ (Osa/ Corduneanu-Huci 2003: 610). Darüber hinaus stellt sich bei der Definition von Katz unweigerlich die Frage, wann man von einer demokratischen Regierung sprechen kann. Die Fallauswahl von Katz verdeutlicht diese Kontroverse. Es werden drei positive Fälle (Philippinen 1986, Russland 1991, Serbien 2000) betrachtet, denen wiederum drei negative (China 1989, Myanmar 1990, Algerien 1992) entgegenstellt werden. Das es sich bei allen sechs Beispielen um – wenn auch sehr unterschiedliche – autoritäre Regime gehandelt hat, bzw. immer noch handelt, kann nicht bezweifelt werden, allerdings existieren unterschiedliche Ansichten darüber, ob es sich bei den positiven Fällen von Katz wirklich um Demokratien handelt. In Russland 1991 kann dies sicherlich bezweifelt werden (vgl. Kapitel 3.1.3). Aber selbst im Fall Serbien herrschen konträre Meinungen darüber, wie demokratisch die aktuelle Regierung ist.

„Another report by the Organization for Security and Cooperation in Europe singled out Serbia for its high levels of corruption and lack of judicial independence, lumping together with Uzbekistan, Turkmenistan, and Tajikistan” (Beissinger 2006: 22).

Das ist aber auch nicht weiter verwunderlich. Man mag mit einer Revolution in kurzer Zeit eine Regierungsform durch eine andere ersetzen können, auch mit Demokratie – wenngleich dies im historischen Vergleich eher unwahrscheinlich ist, wie bereits dargestellt wurde. Dennoch kann nicht mit einer einzigen Aktion ein über Jahrzehnte etabliertes Regime beseitigt und mit einer konsolidierten Demokratie ersetzt werden. Dazu bedarf es einer längeren Zeitspanne, in der sich die neue Demokratie festigen kann.

Eine weiter reichende Begriffsbestimmung liefert Mark R. Thompson, der sich mit demokratischen Revolutionen in Asien und Osteuropa beschäftigt, unter anderem ebenfalls mit den Philippinen 1986, China 1989 und Serbien 2000. Dieser definiert demokratische Revolutionen als

„spontaneous popular uprisings – peaceful, urban-based, and cross-class in composition – which topple unyielding dictators and begin a transition process which leads to the consolidation of democracy“ (Thompson 2004: 1).

Dementsprechend wird die Definition nicht nur um einige Charakteristika erweitert – gewaltlos, klassenübergreifend und urban – sondern beseitigt auch die Problematik, dass aus einer demokratischen Revolution eine konsolidierte Demokratie hervorgehen muss. Eine demokratische Revolution schafft die Möglichkeit für ein zuvor nicht demokratisches Regime sich auf einen Weg zur Konsolidierung von Demokratie zu begeben.[13]

Demokratische Revolutionen definieren sich demnach über ihre Gewaltlosigkeit – zumindest auf der Seite der Demonstranten. Ein bewaffneter Kampf zwischen Revolutionären und den Sicherheitskräften des Staates findet nicht statt. Das gewaltsame Vorgehen durch das Regime gegen die Demonstranten wird aber nicht ausgeschlossen. Es handelt sich nicht nur um eine Gruppe von Demonstranten aus der Schicht, der es im Staat am schlechtesten geht, sondern die Masse setzt klassenübergreifend zusammen, wobei ein leichtes Übergewicht auf der Mittelschicht liegt. Ziel der Massenproteste ist es die Macht im Staat durch einen Regimewechsel in die Hände des Volkes zu führen, das diese dann in einem weiteren Schritt durch Wahlen an Volksvertreter weitergibt. Die Aufstände finden in den großen Städten, insbesondere den Hauptstädten statt. Es bleibt dabei abzuwarten, ob die weitere Entwicklung zu einer konsolidierten Demokratie führt, wobei eine erneute, nicht-demokratische Revolution oder ein Rückfall in autoritäre Zustände nicht ausgeschlossen werden können (Katz 2006: 168).

Für die spätere Untersuchung bleibt zunächst festzuhalten: Weder ein gewaltsamer Aufstand von innen, wie er während der Französischen Revolution stattfand, noch ein militärisches Eingreifen von außen, wie im Irakkrieg 2003, soll die Grundlage der Analyse bilden. Betrachtet werden sollen vielmehr friedliche, endogene Versuche Demokratie in einem Land zu etablieren.

Demokratische Revolutionen stellen somit eine Möglichkeit dar einen friedlichen endogenen Wandel des Regimes zu einer konsolidierten Demokratie herbeizuführen. Die Revolutionstheorie von Charles Tilly macht es darüber hinaus möglich dabei von einer Revolution zu sprechen. Dennoch existieren weitere Einwände, die gegen das Konzept einer demokratischen Revolution sprechen. Diese sollen kurz dargestellt und entkräftet werden.

Paktiert statt erzwungen

Ein Grund für die Annahme, demokratische Revolutionen hätten nicht die charakteristischen Züge einer Revolution, ist in der vorherrschenden Meinung unter Transformationsforschern zu finden, die sich seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 in Spanien etabliert hat. Übergänge von Autokratien zu Demokratien werden nach deren Ansicht zwischen den reformwilligen Teilen der Eliten und den moderaten Mitgliedern der Opposition ausgehandelt. Eine Revolution ist demnach nicht mehr notwendig, da die Übergänge zur Demokratie paktiert sind. „But what is to be done when dictators refuse to negotiate a democratic transfer of power?“ (Thompson 2004: vii). Menschen gehen auf die Strasse und protestieren – friedlich – für einen Regimewechsel. Möglicherweise kommt es danach zu einem Gespräch am runden Tisch (wie z. B. in der DDR oder der Tschechoslowakei 1989), dieser Übergang ist zwar dann ebenfalls paktiert, wurde aber erst durch Massenproteste ermöglicht. Diesem Aspekt sollte Priorität eingeräumt werden, bevor man schlicht von einem ausgehandelten Wandel spricht. „A societal-led transition path should be distinguished from an elite-initiated one” (Thompson 2004: 11). Hierbei spricht Thompson dann analog zu Tilly von einer revolutionären Situation. Auch wenn das Ergebnis der Revolution letztendlich durch die Eliten ausgehandelt und herbeigeführt wird, ist es fraglich, ob dieses auch ohne die revolutionäre Situation einer demokratische Revolution erreicht worden wäre.

„Refolution“

Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang noch die Wortkreation Refolution, die sich aus Reform und Revolution zusammensetzt. Geprägt wurde diese von Timothy Garton Ash, der die Ereignisse in Polen und Ungarn 1989 als solche bezeichnet (Garton Ash 1990: 460). Die begründet sich zum einen aus der Tatsache heraus, dass die Reformen – insbesondere die Abschaffung des Alleinvertretungsanspruchs der kommunistischen Partei – dazu dienen sollten eine Revolution zu verhindern. Darüber hinaus riefen die Massen auf den Straßen nicht nach Waffen, sondern zu einem gewaltfreien Protest auf. Analog zur Französischen Revolution hieß es nicht „aux armes, citoyens“ („zu den Waffen, Bürger“), sondern „aux bougies, citoyens“ (zu den Kerzen, Bürger“) (Garton Ash 1990: 459). Der Begriff Refolution erfreut sich in der Diskussion der Ereignisse 1989 einiger Beliebtheit (Sächsische Staatskanzlei 2000: 3) und wird auch auf die demokratische Revolution in der Ukraine angewendet (Sapper/ Weichsel 2005: 3). Dies ist zwar nicht grundsätzlich falsch, dient aber dazu den Begriff Revolution nur in direktem Zusammenhang mit Gewalt zu verwenden und entfremdet den Begriff von seiner ursprünglichen beabsichtigten Bedeutung. Garton Ash verwendet Refolution explizit für die Ereignisse in Polen und Ungarn[14], bei denen keine demokratische Revolution notwendig war, da die Übergänge in diesen Fällen unter den Eliten ausgehandelt worden sind (vgl. auch Kapitel 3.3).

Massen sind unkontrollierbar

Ein anderes Argument, dass gegen die Möglichkeit einer erfolgreichen demokratischen Revolution spricht, ist die Unkontrollierbarkeit der Massen. Je größer die Masse ist, die auf der Straße demonstriert, desto wahrscheinlicher ist eine Radikalisierung dieser. Mark R. Beissinger vertritt unter anderen diese Meinung, da der Ausgang von Revolutionen nur ungenau vorausgesehen werden kann und genauso in einen Bürgerkrieg enden kann.

„Thus, one of the unintended consequences of the attempt to export democratic revolution could be the inadvertent stimulation of repression, ethnic conflict, and even civil war” (Beissinger 2006: 21).

Thompson ist sich dieser Problematik bewusst, hält dem aber entgegen, dass gerade der gewaltlose Charakter der demokratischen Revolution eine Radikalisierung unwahrscheinlicher macht (Thompson 2004: 14). Keiner der Übergänge 1989 hatte ein nicht-demokratisches Regime zum Ziel. Aber auch die demokratische Revolution auf den Philippinen endete nicht in einem gewaltsamen Staatsstreich, obwohl dies mehrmals versucht wurde. Die schnelle demokratische Legitimation Corazon Aquinos durch ein Referendum im Februar 1986 und die damit verbundene Möglichkeit für die oppositionellen Gegenströmungen legal in die Regierungsverantwortung zu kommen, führte dazu, dass sich die Akteure der Gegenrevolution auf demokratische Wege konzentrierten um einen Machtwechsel herbeizuführen. Auch die Rückkehr des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Viktor Janukowitsch in der Ukraine als Ministerpräsident durch demokratische Wahlen sollte keineswegs als Rückfall in alte Zustände gesehen werden. Gerade die Möglichkeit der sich nach der demokratische Revolution in der Opposition befindlichen Kräfte legal zurück in die Regierungsverantwortung zu kommen, verringert die Wahrscheinlichkeit einer gewaltsamen Auseinandersetzung. Dennoch bedarf eine Integration der früheren Elite in die demokratische Regierung einer genauen Betrachtung, da ein Rückfall in autoritäre Zustände durchaus möglich ist.

2.1.3 Theorien zur Entstehung von Massenmobilisierungen

Als letzter Punkt der Definition der abhängigen Variable sollen nun einige Theorien zur Entstehung von Massenprotesten betrachtet werden. Die Studie „How freedom is won“ (Karatnycky/ Ackermann 2005) untersucht auf der Basis des Freedomhouse-Index Übergänge von (Militär-) Diktaturen, Ein-Parteien-Herrschaften oder Autokratien in denen eine Partei dominant ist, zu Demokratien über einen Zeitraum von 33 Jahren. Den Anfang stellt das Jahr 1972 dar und liegt damit unmittelbar vor dem Beginn der dritten Welle der Demokratie Huntingtons. In dieser Studie wurde herausgefunden, dass Übergänge von Autokratien zu Demokratien im Untersuchungszeitraum bis zum Jahr 2005 oftmals durch Massenmobilisierungen stattgefunden haben.

„As this study shows, far more often than is generally understood, the change agent is broad- based, nonviolent civic resistance – which employs tactics such as boycotts, mass protests, blockades, strikes, and civil disobedience to de-legitimate authoritarian rulers and erode their sources of support, including the loyalty of their armed defenders“ (Karatnycky/ Ackermann 2005: 4).

Demokratische Revolutionen definieren sich nach der im vorherigen Kapitel dargestellten Begriffsbestimmung aus ihrer gewaltlosen Massenmobilisierung. Mobilisierung bezeichnet dabei den Prozess des Übergangs einer Gruppe von einer passiven Sammlung von Individuen zu aktiven Teilnehmern des öffentlichen Lebens (Tilly 1978: 69). Es existieren dabei viele unterschiedliche Konzepte und Theorien, die das Zustandekommen von Massenmobilisierungen zu erklären versuchen. Einige ausgewählte sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

Relative Deprivation

Die Theorie der relativen Deprivation nach Ted Robert Gurr die von einem Akteur wahrgenommene Diskrepanz zwischen der Erwartung bestimmter Werte und der Fähigkeit diese Werte zu erreichen (Gurr 1980: 208). Menschen protestieren auf Grund ihrer schlechteren Stellung in einem System bzw. deren wahrgenommene Stellung im Vergleich zu anderen. Als Beispiel für relative Deprivation wird immer wieder die DDR angeführt. Diese hatten aufgrund der gemeinsamen Vergangenheit mit der BRD eine besondere Möglichkeit sich mit dieser zu vergleichen. Diese Wahrnehmung der Bürger wurde z. B. durch die Möglichkeit Westfernsehen zu empfangen begünstigt. Man spricht auch dann von relativer Deprivation, wenn auf eine Phase des wirtschaftlichen Wachstums eine Phase der Stagnation oder gar Rezession folgt. Dies kann auch für zunächst ausgeweitete Bürgerrechte gelten, die später wieder eingeschränkt werden (Goldstone/ Gurr/ Moshiri 1986: 22). Charakteristisch bei der relativen Deprivation ist auch, dass hier nicht die Menschen rebellieren denen es im Staat am schlechtesten geht. Nur wenn man einen gewissen Status erreicht hat und sich nicht mehr ausschließlich damit beschäftigen muss seinen Lebensunterhalt zu sichern, hat man die Möglichkeit sich um andere Dinge wie z. B. politische Freiheiten zu bemühen.

„Deshalb revoltieren häufig nicht diejenigen Gruppen, die unter Armut, Unfreiheit und Ungerechtigkeit am meisten zu leiden haben, sondern jene, denen es besser geht, die Maßstäbe und Ansprüche entwickelt haben, diese aber im Unterschied zu anderen Gruppen, mit denen sie sich vergleichen, nicht zu realisieren vermögen“ (Pollack 2000: 41).

Darin kann eine Übereinstimmung mit der Tatsache gefunden werden, dass demokratische Revolutionen oftmals zu großen Teilen von der Mittelschicht getragen werden. Es kann aber nicht erklärt werden, wie es in Gesellschaften zu demokratische Revolutionen kommt, die keine ähnlichen Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Systemen haben wie es in der DDR der Fall war. Dabei ist insbesondere China anzuführen, die weder eine entsprechende Möglichkeit hatten sich zu vergleichen, da hier die Informationsfreiheit sehr stark eingeschränkt war und auch immer noch ist. Des Weiteren befand sich China zu dieser Zeit in einer Phase des wirtschaftlichen Wachstums, die ebenfalls bis heute anhält, so dass es zu keiner wirtschaftlichen Stagnation oder gar Rezession und somit auch zu keiner Verschlechterung der Lebensumstände kam. Darüber hinaus kann durch relative Deprivation nicht erklärt werden, wie die Ressourcen, die für einen Protest notwendig sind, mobilisiert werden.

Kollektives Handeln

Diesen Mangel an Erklärungskraft für Ressourcenmobilisierung versucht Mancur Olsen mit kollektivem Handeln zu erklären (Olsen 1965). Im kollektiven Handeln wählen Individuen die Form politischer Handlung, die für sie den größten Kosten-Nutzen Faktor hat. Unzufriedenheit ist in Gesellschaften immer vorhanden und kann sogar künstlich geschaffen oder organisiert werden, dennoch führen diese nicht zwangsläufig zu Massendemonstrationen. „Grievances are everywhere, movements not“ (Pollack 2000: 43). Es bedarf demnach nicht nur dem Vorhandensein von Unzufriedenheit, sondern auch bestimmter Ressourcen wie Zeit, Geld und Personen, die an den Protesten teilnehmen. Eine Analyse der Kosten und Nutzen macht aber nur dann Sinn, wenn diese für jeden Handlungstyp gleich ist. Es besteht aber ein erheblicher Unterschied zwischen legalen und illegalen politischen Handlungen, insbesondere in den Kosten, z. B. die geringe Unterstützung durch andere Mitbürger oder Bestrafung durch den Staat. Darüber hinaus sind revolutionäre oder demokratische Handlungen in Nicht-Demokratien meist gar nicht möglich, da politische Handlungen gegen das Regime – zumindest nach Auffassung der Machthaber – immer als illegal gelten.

[...]


[1] Die serbische Studentenbewegung Otpor hatte eine schwarze Faust als Symbol. Dies wurde insbesondere in den Revolutionen in Georgien (Rosen) und in der Ukraine (die Farbe Orange) übernommen. Aber auch im Libanon 2005 wurden Zedern als Symbol gewählt. Die Opposition bei der gescheiterten demokratischen Revolution in Weißrussland nannte sich Zubr (Bison) (vgl. Herd 2005: 11). Ihren Ursprung hatten diese Symbole bei der „Nelkenrevolution“ in Portugal 1974, bei der die oppositionellen Soldaten Nelken in ihre Waffen gesteckt hatten, um so ihren gewaltfreien Protest Ausdruck zu verleihen (Maxwell 1986: 115).

[2] Die unabhängigen Variablen werden durch die Auswertung unterschiedlicher wissenschaftlicher Texte, die sich mit demokratischen Revolutionen beschäftigen, erarbeitet (Herd 2005; Katz 2004, 2006; Thompson 2004, McFaul 2005; Osa/ Corduneanu-Huci 2003).

[3] Thompson stellt mit seinem Artikel die Frage „Whatever happened to democratic revolutions?“ und versucht damit eine Antwort zu finden, warum man nur zehn Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer aufgehört hat, über demokratische Revolutionen zu forschen. Der Artikel ist allerdings noch vor den Ereignissen in Serbien veröffentlicht worden (Thompson 2000).

[4] Freedomhouse beschreibt so sein Ziel auf der Internetseite der Organisation (FH 2006a)

[5] Niccolò Machiavelli spricht in den Discorsi von einer „Rückkehr zum Ursprung“ (Machiavelli 2000 [1531]: 291).

[6] Eine allgemeine Definition von Revolution findet sich bei Nohlen (2001: 440f): „Unter Revolution versteht man die grundlegende und dauerhafte strukturelle Veränderung eines oder mehrerer Systeme. Entsprechend gibt es ökonomische, technische, soziale, politische, wissenschaftliche Revolutionen“.

[7] Für weitere Theorien über Revolution vergleiche Tocqueville (1867), Ahrend (1963), Skocpol (1979) sowie Goldstone (1980, 1986).

[8] Eine ausführliche Darstellung beider Konzepte findet sich bei Trotzki (1931) sowie Moore (1966).

[9] Eigene Darstellung nach Tilly 1978: 198

[10] Stinchcombe nennt hier die unterschiedlichen Staatsstreiche, die während der Französischen Revolution in Paris stattfanden, die aber nicht bis in die ländlichen Gebiete Sicherheit gewährleisteten. Ebenso verhält es sich mit den Bolschewiken 1917 in Russland. Die Sicherheit verbreitete sich zunächst, während dem nach-revolutionären Bürgerkrieg, in den großen Städten Moskau und St. Petersburg, bevor sie sich ohne größeren Erfolg in die Provinz des Landes ausweitete (Stinchcombe 1999: 53).

[11] Die anderen möglichen Ergebnisse benennt Stinchcombe mit Thermidor oder konservativer Autoritarismus, Unabhängigkeit, Besatzungsregierung, Totalitarismus und Caudillismo (Stinchcombe 1999: 49). Thermidor bezeichnet dabei den Namen des Monats, in dem ein Staatsstreich gegen die Jacobiner ausgeführt wurde (Stinchcombe 1999: 54). Caudillismo ist eine semi-permanente Revolution, die insbesondere in Lateinamerika nach deren Unabhängigkeit zu beobachten war. Örtliche Führer werden in kurzer Zeit von weiteren Staatsstreichen mit anderen lokalen Anführern ersetzt (Stichcombe 1999: 56).

[12] Dieter Nohlen nennt neben autoritären Regimen noch Diktaturen und den Totalitarismus als Systeme, von denen ein Übergang zur Demokratie möglich ist: „Mit einem Systemwechsel wird der allgemeine Prozess des Übergangs von einem Regimetyp zu einem anderen bezeichnet, insbesondere jener von einer Diktatur, von einem autoritären Regime oder vom Totalitarismus (als Regimetyp) zur Demokratie“ (Nohlen 2001: 507)

[13] Die demokratischen Prozesse und ihr Fortbestand wird in konsolidierten Demokratien durch vier Bedingungen abgesichert (Gromes 2004: 3):

1. Politische Akteure folgen aus Überzeugung den demokratischen Normen.
2. Es besteht ein Vertrauen darauf, dass sich auch die wichtigsten politischen Konkurrenten demokratischen Prinzipien verpflichtet fühlen.
3. Institutionen drängen das Kosten-Nutzen-Kalküls politischer Akteure dahin, sich den Ergebnissen demokratischer Verfahren zu fügen.
4. Die institutionelle Ordnung gewährleistet die Erwartbarkeit der Stabilität demokratischer Regeln.

[14] Garton Ash verdeutlicht dies noch einmal in einem anderen Buch: „Beide [Polen und Ungarn] befanden sich inmitten einer ‚Refolution’, also einer Mischung aus Reform und Revolution“ (Garton Ash 1993: 504).

Fin de l'extrait de 102 pages

Résumé des informations

Titre
Determinanten des Erfolgs demokratischer Revolutionen
Université
LMU Munich  (Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft)
Note
1,85
Auteur
Année
2007
Pages
102
N° de catalogue
V90349
ISBN (ebook)
9783638042635
ISBN (Livre)
9783638940221
Taille d'un fichier
880 KB
Langue
allemand
Mots clés
Determinanten, Erfolgs, Revolutionen
Citation du texte
M.A. Sebastian Schäffer (Auteur), 2007, Determinanten des Erfolgs demokratischer Revolutionen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90349

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