Das Thema Frauen im Strafvollzug lässt sich aus vielen Perspektiven betrachten: Frauen als Opfer, Frauen als Täterin, als Insassinnen im Strafvollzug oder auch als Angestellte im Vollzugsdienst. In der vorliegenden Betrachtung geht es nicht um "kriminelle" Frauen im herkömmlichen Sinne. Es geht vielmehr um Frauen, die, je nachdem aus welchem Blickwinkel man sie betrachtet, in fast alle Kategorien passen. Sie sind Täterinnen und auch Opfer. Zu ihren Aufgaben gehörte der "Vollzugsdienst" und doch sind sie in gewisser Weise auch Gefangene. Gemeint sind Frauen, die im Dritten Reich als Aufseherinnen in Konzentrationslagern gearbeitet haben. Wenngleich die Tätigkeit von KZ-Aufseherinnen auf den ersten Blick wenig mit dem Thema Frauen im Strafvollzug gemeinsam hat, so möchte ich doch den Versuch unternehmen, mögliche Verbindungen herauszuarbeiten und zu bewerten. Die Grenzen von unserem Verständnis für richtig und falsch, gut und böse, kriminell und rechtmäßig verschwimmen hier.
Es liegt mir fern, die Rolle der KZ-Aufseherinnen zu verallgemeinern oder gar zu verteufeln. Es gab viele Frauen, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Häftlingen geholfen und somit unnötiges Leid verhindert haben. Wenn ich Aufseherinnen als Opfer ihrer Ideologie oder der damaligen Verhältnisse bezeichne, so soll damit ihr Verhalten in keiner Weise verharmlost oder entschuldigt werden. Gleichsam muss bedacht werden, dass neben den Aufseherinnen auch weibliche Häftlinge durch das sogenannte System der Funktionshäftlinge zu Täterinnen werden konnten. Die Grenzen zwischen Täter- und Opferwerdung in diesem Bereich sind offenbar fließend.
Zu Beginn möchte ich zunächst einen Überblick über die Ausbildung und Rekrutierung von KZ-Aufseherinnen geben. Dabei wird deutlich werden, dass es neben angeworbenen und dienstverpflichteten Aufseherinnen auch Frauen gab, die sich freiwillig für den Dienst in den Konzentrationslagern meldeten. Obwohl die Zahl der Aufseherinnen bisher nicht eindeutig zu ermitteln ist, lässt sich doch sagen, dass die weibliche Bewachung vor allem in den Frauenkonzentrationslagern eine große Rolle gespielt hat. „Die unmittelbare und direkte Herrschaft über die weiblichen Häftlinge übte (...) die weibliche Bewachung aus“.
Mein Ziel ist es vor allem, das Verhalten der Aufseherinnen in den Konzentrationslagern näher zu beleuchten. Anhand von einigen Berichten von Opfern und Täterinnen möchte ich aufzeigen, wie die Frauen ihre Rolle als Aufseherinnen wahrgenommen haben.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Rekrutierung und Aufgaben der KZ – Aufseherinnen
- 2.1. Die Rekrutierung
- 2.2. Die Unterbringung
- 2.3. Ausbildung und Aufgabenbereiche
- 2.4. Sanktionen
- 3. Die Berichte
- 3.1. Die Aussagen der Opfer
- 3.2. Die Aussagen der Täterinnen
- 4. Zusammenfassende Schlussbetrachtung
- 5. Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der Rolle der Aufseherinnen in nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Sie untersucht, wie Frauen in diese Positionen gelangt sind, welche Aufgaben sie wahrnahmen und welche Folgen ihr Handeln für die Häftlinge hatte. Darüber hinaus wird beleuchtet, wie sich die weibliche Bewachung von der männlichen Bewachung unterschied und welche Besonderheiten die Arbeit von Aufseherinnen in Frauenkonzentrationslagern kennzeichneten.
- Rekrutierung und Ausbildung der KZ-Aufseherinnen
- Aufgabenbereiche und Machtverhältnisse im KZ
- Verhalten und Motivation der Aufseherinnen
- Grenzen zwischen Opfer- und Täterwerdung
- Bedeutung des Themas für die kriminologische Betrachtung des Strafvollzugs
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und verdeutlicht die Vielschichtigkeit der Rolle von Frauen im Strafvollzug. Sie stellt die KZ-Aufseherinnen in den Kontext der kriminologischen Betrachtung von Täter- und Opferwerdung und verdeutlicht die Komplexität des Themas im Hinblick auf die Grenzen zwischen Moral, Gesetz und individueller Verantwortung.
Das zweite Kapitel beleuchtet die Rekrutierung und die Aufgaben der KZ-Aufseherinnen. Es wird deutlich, dass Frauen sowohl freiwillig als auch dienstverpflichtet in die Konzentrationslager kamen und dass ihre Tätigkeit weit mehr umfasste als nur die einfache Bewachung der Häftlinge.
Das dritte Kapitel widmet sich den Berichten von Opfern und Täterinnen. Anhand dieser Berichte soll das Verhalten der Aufseherinnen in den Konzentrationslagern näher beleuchtet und die Perspektive der Betroffenen aufgezeigt werden.
Schlüsselwörter
KZ-Aufseherinnen, Frauen im Strafvollzug, Nationalsozialismus, Konzentrationslager, Rekrutierung, Ausbildung, Aufgabenbereiche, Machtverhältnisse, Opfer, Täter, Funktionshäftlinge, Ideologie, Gutgläubigkeit, Blindheit, Moral, Gesetz, Täter- und Opferwerdung, kriminologische Betrachtung, Strafvollzug.
- Quote paper
- Melanie Hillmann (Author), 2000, Zur Rolle der Aufseherinnen in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Werkzeug oder Täterin?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/903904