Im Januar 1944 unterzeichnete Hitler einen Erlass, der die Wehrmacht zur einzigen Armee im Zweiten Weltkrieg machte, die über keinen eigenen Nachrichtendienst mehr verfügte. Das Amt Ausland/Abwehr wurde von Gliederungen des Nachrichtendienstes der SS in einem einheitlichen geheimen Meldedienst zusammengefasst. Die jahrelangen Pläne der höheren Beamten im Reichssicherheitshauptamt waren anderthalb Jahre vor der totalen Niederlage verwirklicht. Die Kontrolle über das gesamte politische und militärische Nachrichtenwesen unterlag nunmehr den Dienststellen des „schwarzen Ordens“. Wie aber konnte eine Abwehr, die am Anfang des Krieges nahezu unantastbar und von höchster Stelle geschützt war, innerhalb von fünf Jahren zerschlagen werden? Wie konnte es der SS gelingen, in eine der letzten Bastionen der Wehrmacht einzudringen und sich damit dem Gipfel ihrer Macht anzunähern?
Die vorliegende Arbeit möchte diese Frage in mehreren Schritten beantworten. Im ersten Teil der Arbeit erfolgt eine Charakteristik des Amtes Ausland/Abwehr und des Auslandsnachrichtendienstes der SS. Die knapp gehaltene Darstellung der beiden Dienste, die bereits von vielen Autoren zumindest im Bereich der Abwehr erschöpfend vorgenommen wurde, erfolgt anhand der Thematiken Entstehung, Aufgabenbereiche, Personalstruktur sowie Erfolg und Misserfolg im Krieg. Ein biographischer Abriss der beiden Amtschefs zwischen 1942-1944, Admiral Canaris und SS Brigadeführer Walter Schellenberg, beendet den einführenden Teil.
Im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit soll auf die wachsende Konkurrenz der beiden Nachrichtendienste eingegangen werden. Das besondere Verhältnis zwischen Heydrich und Canaris und die schrittweise Ausweitung der Kompetenzen des Sicherheitsdienstes zulasten der Abwehr stehen im Mittelpunkt und sollen aufzeigen, wie der militärische Nachrichtendienst schrittweise Kompetenzen an die SS abgeben musste. Der Übergang zwischen der bloßen Abgabe von Zuständigkeiten bis zum Ende der Abwehr erfolgt in einer Darstellung der tieferliegenden Ursachen und der unmittelbaren Anlässe, die in ihrer Konsequenz zur Auflösung des Amtes im Februar 1944 führen. Die Struktur des einheitlichen Meldedienstes und die neue Rolle der einzelnen Abwehrabteilungen nach der Zerschlagung werden in dieseZusammenhang ebenfalls beschrieben.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Das Amt Ausland/Abwehr der Wehrmacht
- Der Nachrichtendienst der SS
- Die Konkurrenz der Geheimdienste
- Heydrich und Canaris
- Das RSHA und die Abwehr
- Die Erweiterung der Kompetenzen des SD
- Die Zerschlagung der Abwehr
- Die Ursachen
- Die Gelegenheit
- Die Schaffung eines einheitlichen deutschen Meldedienstes
- Der Bedeutung des Widerstandes
- Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Zerschlagung des militärischen Geheimdienstes der Wehrmacht, dem Amt Ausland/Abwehr, durch den Nachrichtendienst der SS im Zweiten Weltkrieg. Sie beleuchtet die Ursachen und den Verlauf dieses Prozesses und hinterfragt die Rolle des Widerstands und die Bedeutung der Konkurrenz zwischen den beiden Geheimdiensten.
- Die Entwicklung und Aufgaben des Amtes Ausland/Abwehr
- Die Entstehung und Struktur des Nachrichtendienstes der SS
- Der Kompetenzstreit zwischen den Geheimdiensten der Wehrmacht und der SS
- Die Gründe für die Zerschlagung der Abwehr durch die SS
- Die Rolle des Widerstands im Kontext der Zerschlagung der Abwehr
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Thematik und stellt die historischen Rahmenbedingungen der Zerschlagung der Abwehr dar. Anschließend werden das Amt Ausland/Abwehr und der Nachrichtendienst der SS im Detail beleuchtet, wobei ihre jeweiligen Entstehung, Aufgabenbereiche, Personalstrukturen sowie Erfolge und Misserfolge im Krieg beschrieben werden.
Im weiteren Verlauf wird die wachsende Konkurrenz zwischen den beiden Geheimdiensten analysiert. Das besondere Verhältnis zwischen Reinhard Heydrich und Wilhelm Canaris, die schrittweise Ausweitung der Kompetenzen des Sicherheitsdienstes (SD) zulasten der Abwehr sowie die Ursachen und Anlässe für die Auflösung des Amtes im Februar 1944 stehen im Mittelpunkt.
Die Bedeutung des Widerstands für das Ende der Abwehr wird ebenfalls thematisiert, wobei der Fokus auf die Überbewertung seiner Rolle in der Vergangenheit liegt. Die Arbeit endet mit Schlussbetrachtungen, die die wichtigsten Ergebnisse zusammenfassen.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den Themenfeldern Geheimdienste, militärische Nachrichtendienste, SS, RSHA, Abwehr, Widerstand, Zweiter Weltkrieg, Kompetenzstreit, Zerschlagung, Nachrichtenwesen.
- Quote paper
- cand. paed. Martin Johannes Gräßler (Author), 2008, Das Ende der deutschen Abwehr, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90624