Identitätsbildung bei Kindern aus bilingualen Familien


Term Paper (Advanced seminar), 2001

27 Pages, Grade: "sehr gut"


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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Fragestellung und Themeneingrenzung

3 Definitionen wichtiger Grundbegriffe
3.1 Identität
3.2 Soziale Identität
3.3 Kulturelle Identität
3.4 Ethnische Identität
3.5 Zweisprachigkeit, Bilingualität
3.6 Arbeitsdefinitionen

4 Bilingualität als Bürde
4.1 Die Sapir-Whorf-Hypothese
4.2 Frühe Zweisprachigkeit als pathologische Erscheinung
4.3 Politisierung kultureller Unterschiede

5 Identität zwischen zwei Kulturen – Bürde und Chance
5.1 Identitätsbildung in modernen Gesellschaften
5.2 Bi-Identität
5.3 Schwierigkeiten bei der Bildung einer bikulturellen Identität

6 Bilingualität als Chance

7 Schlussfolgerungen und Ausblick

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Entlang von Sprachgrenzen hat es schon immer bilinguale Ehen gegeben, und somit auch zweisprachig aufwachsende Kinder. Im heutigen Zeitalter der zunehmenden Mobilität, der weltweiten Migrationsbewegungen und weltumspannenden Kommunikation steigt die Zahl der bilingualen, binationalen und bikulturellen Eheschliessungen. So leben gegenwärtigen Schätzungen zufolge in der Bundesrepublik sieben Millionen Familien, deren Mitglieder einen unterschiedlichen kulturellen, ethnischen und damit auch sprachlichen Hintergrund haben (Khounani 2000). Diese Zahl ist tendenziell immer noch steigend, und somit steigt auch die Anzahl der Kinder, die in einer zweisprachigen und bikulturellen Situation aufwachsen.

2 Fragestellung und Themeneingrenzung

Im Folgenden wird die Frage behandelt werden, inwiefern der bilinguale familiäre Hintergrund die Identitätsbildung von Kindern oder Jugendlichen beeinflusst, und zwar von Kindern und Jugendlichen, die von Geburt an zwei verschiedenen Sprachen ausgesetzt sind, deren Eltern also zwei verschiedene Muttersprachen besitzen. Dabei wird es unumgänglich sein, dem Begriff der Kultur und der kulturellen Zugehörigkeit ein grosses Gewicht beizumessen, heisst doch bilingual aufwachsen auch bikulturell aufwachsen. Es ist zwar möglich, in einer bikulturellen Situation monolingual aufzuwachsen, so beispielsweise wenn beide Elternteile Spanisch sprechen, die Mutter aber Spanierin und der Vater Chilene ist, aber es ist unter den obengenannter Voraussetzungen nicht möglich, dass ein Kind zweisprachig in einer monokulturellen familiären Umgebung aufwächst. Sprache ist Ausdrucksmittel und wichtiges Merkmal einer Kultur, und ich behaupte, dass sich „Kulturgrenzen“ eher an Sprach- als an politische Grenzen halten, man denke an das Beispiel der Kurden, aber auch an das Beispiel Schweiz: bei eidgenössischen Abstimmungen klaffen die Resultate oft in frappierender Weise entlang der Sprachgrenze zwischen französisch- und deutschsprechender Schweiz auseinander, und es ist sicherlich nicht an den Haaren herbeigezogen, dies als Ausdruck von zwei verschiedenen Kulturen zu werten.

Führt die Zugehörigkeit von Kindern oder Jugendlichen zu zwei sprachlichen Gruppen und somit auch zu zwei unterschiedlichen kulturellen Systemen, führen die unterschiedlichen Erwartungen, die an solche jungen Menschen gestellt werden, notwendigerweise zu „split personalities“ (Adler 1977) oder zu einer Identitäts-Diffusion (Erikson 1973), sind also Identitätskonflikte vorprogrammiert? Führt sie im Sinne der Zusammenstosstheorie Samuel Huntingtons zum „Krieg der Kulturen“ (Meyer 1997, S. 16-17) innerhalb des Individuums? Oder ist doppelte sprachliche Zugehörigkeit eine Chance sowohl für die einzelnen davon betroffenen Menschen als auch für die sie umgebende Gesellschaft im Hinblick auf mehr Toleranz anderen Kulturen und Denkweisen gegenüber, im Hinblick auf Weltoffenheit? Muss die Annahme der kulturellen Unterschiede als erschwerender Faktor bei der Identitätsbildung gar grundsätzlich in Frage gestellt werden? Diese Fragen werden auf den folgenden Seiten aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden.

Zunächst wird es nun notwendig sein, verschiedene Grundbegriffe zu definieren, bevor das Thema mittels unterschiedlicher theoretischer Zugangsweisen und empirischen Untersuchungen angegangen wird.

3 Definitionen wichtiger Grundbegriffe

3.1 Identität

Identität, auch Ich- oder Selbst-Identität, ist die „psychoanalytisch-sozialpsychologische Bezeichnung für das dauernde innere Sich-Selbst-Gleichsein, die Kontinuität des Selbsterlebens eines Individuums (...), die im Wesentlichen durch die dauerhafte Uebernahme bestimmter sozialer Rollen und Gruppenmitgliedschaften sowie durch die gesellschaftliche Anerkennung als jemand, der die betreffenden Rollen innehat bzw. zu der betreffenden Gruppe gehört, hergestellt wird“ (Fuchs-Heinritz; Lautmann; Rammstedt; Wienold 1995, S. 286). Problematisch an dieser Definition ist der dabei entstehende Eindruck von Statik. Mahlstedt (1996, S. 94) beispielsweise sieht Identität nicht als statischen Begriff, sondern als Prozess. „Um die Vorstellung abzubauen, Identität sei etwas Homogenes, Kontinuierliches, in sich Stimmiges, ist es sogar sinnvoller, von den verschiedenen Identitäten eines Individuums zu sprechen“. Mahlstedt zufolge weise jedes Individuum verschiedene identitätskonstituierende Merkmale auf, wie beispielsweise Nationalität, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit u. v. m.

Auch Boeckmann, Brunner, Egger, Gombos, Juric und Larcher (1988, S. 154) kommen unter Berufung auf den Symbolischen Interaktionismus zum Schluss, dass ein Individuum nur eine gelungene Ich-Identität vorweisen kann, wenn es ihm gelingt, „selbst in bedrohlichen und ambivalenten Interaktionssituationen mit sich selbst identisch zu bleiben, d. h. diesen durch Umstrukturierung der Persönlichkeit sowie durch den Aufbau neuer Identitäten zu begegnen“.

Identität als ein hypothetisches Konstrukt ist sehr schwer zu definieren. Im Zusammenhang mit zweisprachig aufwachsenden Kindern erscheint es mir wichtig festzuhalten, dass Identität etwas ist, das im Laufe des Lebens eines jeden Einzelnen entwickelt wird und aufgrund seiner Abhängigkeit von einem sozialen Bezugssystem dauernden vom Individuum zu leistenden Veränderungen und Anpassungsleistungen unterworfen ist.

Obwohl dies das ganze Leben hindurch zu geschehen hat, ist laut Erikson (1982) die Kindheit und vor allem die Adoleszenz, die Identitätsbildung betreffend, eine besonders heikle Phase im Leben eines Menschen. Erikson hat ein achtstufiges Modell der Persönlichkeitsentwicklung entworfen, wobei jede Stufe gekennzeichnet ist durch die Auseinandersetzung des Individuums mit seiner Umwelt. Daraus ergeben sich psychosoziale Krisen, die im Laufe der Persönlichkeitsentwicklung gelöst werden müssen. Die Adoleszenz ist diejenige Phase im Leben eines Menschen, in der die Kindheitsidentifikationen zu einer Ich-Identität integriert werden, wobei aber diese Ich-Identität mehr ist als nur die Summe aller dieser Identifikationen. Eine grosse Gefahr ist hierbei das Gefühl von Identitäts-Diffusion, die entstehen kann, wenn sich das Individuum den mitunter widersprüchlichen Anforderungen der Umwelt nicht gewachsen fühlt.

3.2 Soziale Identität

„...social identity exists within the same society and helps the individual to define himself in relation to the roles and the social groups in that society“ (Hamers/Blanc 2000, S. 200). Soziale Identität bezieht sich also auf die Identifizierung einer Person mit sozialen Gruppen und Rollen innerhalb einer Gesellschaft.

3.3 Kulturelle Identität

Als kulturelle Identität bezeichnet man die „kollektive Identität von Kulturen, Gesellschaften und deren Untereinheiten. Identitätsstiftend wirken u. a. Religion, Sprache, Dialekt, Geschlechtszugehörigkeit“ (Fuchs-Heinritz et. al., 1995, S. 287). Seiner kulturellen Identität wird man nur gewahr „to the extent that one becomes cognisant of other cultures inside or outside one’s society“ (Hamers/Blanc 2000, S. 201). Insofern ist es nicht einfach, zwischen kultureller und sozialer Identität zu unterscheiden, da verschiedene soziale Gruppen innerhalb einer Gesellschaft durchaus auch verschiedenen Kulturen angehören können und sich somit soziale und kulturelle Identität überschneiden.

Nach Driedger (1975, zitiert nach Brohy 1992, S. 110) existieren folgende Faktoren der kulturellen Identität:

- Religion,
- Endogamie,
- Sprache,
- Ethnische Organisationen,
- Erziehung,
- Wahl der Freunde.

Für unser Thema massgeblich ist hier, dass die Sprache als ein zentraler Bestandteil einer bestimmten Kultur gilt, dass sich Kulturen also auch über und durch ihre Sprache definieren, woraus folgt, dass die Sprache ein wesentlicher Bestandteil der kulturellen Identität ist. Laut Brohy (1992, S. 211) kann Sprache „ein Kriterium sein, nach dem Leute sich zu einer bestimmten Kultur einteilen, eingeteilt fühlen und andere einteilen.“

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Details

Title
Identitätsbildung bei Kindern aus bilingualen Familien
College
University of Hagen  (Erziehungswissenschaft )
Grade
"sehr gut"
Author
Year
2001
Pages
27
Catalog Number
V90662
ISBN (eBook)
9783638048422
ISBN (Book)
9783638944663
File size
469 KB
Language
German
Notes
Keywords
Identitätsbildung, Kindern, Familien, Zweisprachigkeit
Quote paper
M.A. Amanda Zwahlen (Author), 2001, Identitätsbildung bei Kindern aus bilingualen Familien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90662

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