Geschmacklose Hülle – Kritischer Kern: Eine Analyse des derben Zeichentricks für Erwachsene am Beispiel von Drawn Together


Dossier / Travail, 2008

20 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist Drawn Together?
2.1 Fakten zur Serie
2.2 In Fäkalhumor versteckter Anspruch – Stilmittel in Drawn Together

3. Intertextualität
3.1 Das unüberschaubare Netz der Textrelationen
3.2 Parodie und Travestie

4. Stereotype und Vorurteile
4.1 Stereotype – kognitive Entlastungen im Umgang mit Unbekannten
4.2 Vorurteile – die Folgen fehlgeleiteter Stereotype
4.3 Aufeinandertreffen der Stereotype in der Drawn Together -WG

5. Schlussbemerkung

6. Literatur

1. Einleitung

Eine Art Spongebob Schwammkopf verursacht einen Unfall mit Todesfolge, zieht sich notdürftig die Haut des Opfers über, um sich so von dessen Familie zu verabschieden, da – so der Unfallverursacher – jeder gute Christ so gehandelt hätte. Aufgrund einer dummen Verwechslung entführt und missbraucht ein vermeintlicher Superheld, der Superman zum Verwechseln ähnlich sieht, ein kleines Mädchen, die er für eine Ziege hält. Eine sprechende mannshohe Gurke richtet im Namen Gottes ein blutiges Massaker an, um ein Zeichen gegen Masturbation zu setzen. Wer der Auffassung ist, Trickfilme seien etwas für Kinder, wird durch Serien wie Drawn Together, in welcher vorher angeführte Szenen[1] und Vergleichbares zum Standard gehören, eines Besseren belehrt.

So krank und kontrovers der Humor in Drawn Together auch sein mag, ihm liegt aufgrund seines gesellschaftskritischen Charakters ein gewisser Anspruch inne. Die folgende Arbeit soll, nach einem kurzen Exkurs in das Handlungskonzept der Serie, die – meines Erachtens nach – wichtigsten Mittel offen legen und erläutern, die von den Autoren genutzt werden, um das nahezu allgegenwärtige satirische Element zu vermitteln. Mein Ziel ist es, zu verdeutlichen, dass ein weit reichendes bis komplettes Verständnis der verwendeten Anspielungen und Muster an ein umfangreiches Wissen über (Pop-)Kultur, damit verbundener Referenzen auf andere Werke verschiedenster Medien und schließlich Personenmuster gekoppelt ist, denn erst dadurch erschließt sich dem Zuschauer die versteckte Intention der Serie und es ist ihm möglich, die verdeckte Moral aufzudecken. In diesem Sinne widme ich den Hauptteil meiner Arbeit den Komplexen Intertextualität und Stereotype, die zwar beide in zahlreichen fachliterarischen Werken häufig ausführlich untersucht wurden, jedoch durch Formate wie Drawn Together[2] einen spezifischen neuen Verwendungszweck erhalten, der bisher von Seiten der Wissenschaft leider nur selten und oberflächlich bearbeitet wurde.

Die von mir angewandte Methodologie stützt sich hauptsächlich auf die mehrmalige Rezeption und Analyse jeder einzelnen Drawn Together-Episode unter genauem Betracht von intertextuellen Einflüssen sowie der Verwendung von stereotypen und vorurteilsbelasteten Personenbildern. Um die von mir gemachten Schlüsse zu verifizieren, glich ich meine Ergebnisse sowohl mit Aussagen der Macher der Serie aus verschiedenen Interviews (vgl. Braun, 2006; Goldman, 2006; Merrick, 2006) und Audiokommentaren[3] ab, als auch mit Beobachtungen, die andere Rezipienten mit weit reichender Kenntnis der Pop- und Medienkultur machten. Zum Vergleich untersuchte ich, wie ein Publikum ohne besondere Vorkenntnisse zur Serie bzw. der von ihr im Allgemeinen aufgegriffenen Themen die gezeigten Inhalte interpretierte[4].

2. Was ist Drawn Together?

2.1 Fakten zur Serie

Drawn Together wurde von den beiden US-amerikanischen Drehbuchautoren Dave Jeser und Matt Silverstein entwickelt und 2004 erstmals im amerikanischen Fernsehen auf Comedy Central ausgestrahlt. Seit 2006 läuft in Deutschland die synchronisierte Version auf MTV Germany. 36 Folgen wurden bisher in drei Staffeln produziert und gezeigt; ob eine vierte Staffel folgt, bleibt vorerst ungewiss.

Das Grundkonzept der Serie ist die humoristische Darstellung des Zusammenlebens und -wirkens acht völlig verschiedener Trickfilm-Charaktere, die alle aus ihren eigenen Universen stammen. Zu ihnen gesellen sich zahlreiche weitere bekannte animierte Figuren, von denen einige eins zu eins das Original widerspiegeln und andere leicht abgeänderte Versionen des Originals sind, um Urheberrechtsbestimmungen zu umgehen. Dabei greift man (vor allem in den ersten beiden Staffeln) auf den Rahmen von verschiedenen Reality-Shows zurück und parodiert diese. So wohnen die Protagonisten nach dem Vorbild von Big Brother in einem Haus voller Kameras und müssen vom Produzenten gestellte Aufgaben bewältigen, um sowohl die Einschaltquote hochzuhalten als auch fiktive Kritiker zu überzeugen. Trotz besagten Rahmens ist dem Genre am ehesten die Sitcom[5] zuzuordnen.

Ab der zweiten Staffel wird das inhaltliche Hauptaugenmerk auf Parodien bekannter Filme und Serien gelegt, wobei man immer wieder intertextuelle Anspielung zum Erzeugen von Humor nutzt.

„The Drawn Together gang are not the kind and cuddly looking folks you'd expect based on their appearance, and some very funny, very rude and very crude events have occurred along the way on the series” (Goldman, 2006, S. 1).

Wie das vorangegangene Zitat bereits andeutet, ist der Inhalt der Serie trotz des überwiegend kindgerechten[6] Zeichenstils erwachsenenorientiert, da er häufig die Toleranzgrenze überschreitet, was Sprache und Darstellung von Sex und Gewalt anbelangt. Tabuthemen wie Religion, Sexualverbrechen, Rassendiskriminierung oder Behinderung werden inflationär aufgegriffen und bewusst schockierend unpassend wiedergegeben[7]. Dadurch wird der Humor von Drawn Together pechschwarz. Warum für derartige Inhalte gerade das Medium des Zeichentricks samt seiner Figuren aus Sendungen und Filme für Kinder aufgegriffen wurde, erklärt Matthew Silverstein mit den Worten: “We love taking anything from our childhood that was beloved and destroying it“ (Goldman, 2006, S. 1). Hauptintention der Autoren ist es jedoch, besagte und ähnliche Thematiken auf satirische Art und Weise aufzuarbeiten, um auf existierende Missstände innerhalb der Gesellschaft zu verweisen (Goldman, 2006). So gesehen ist die Serie also moralisch wertvoll, wobei man aufgrund der Tatsache, dass die Moral verdeckt und oft an sehr spezifisches intertextuelles Wissen gekoppelt ist, darüber streiten kann, ob das satirische Element angemessen dargestellt ist[8].

2.2 In Fäkalhumor versteckter Anspruch – Stilmittel in Drawn Together

So derb und schmutzig der Humor von Drawn Together, der nicht selten unter die Gürtellinie zielt, auch sein mag, er bedingt, wie in der Einleitung bereits erwähnt, eines nicht unerheblichen Anspruchs, um ihn vollständig zu verstehen, denn während oberflächlich gesehen vergleichbarer kranker[9] Humor in anderen Formaten lediglich Mittel zum Zweck ist[10], um leichte, wenn auch geschmacklose Unterhaltung zu garantieren, so gibt es hier kaum einen Witz, dem kein satirischer Unterton innewohnt. Dieser wird in der Regel jedoch erst vom Rezipienten freigelegt, wenn er dazu imstande ist, die Verbindung von Mitteln wie Intertextualität (darunter Parodie und Travestie) und Stereotype zu entschlüsseln. Gelingt dies nicht, bleibt immerhin noch der oberflächliche Lacher im typischen Sitcom- oder Cartoonformat, welcher meist durch eine einfach verständliche, witzige Bemerkung, Handlung oder durch einen Fauxpas eines Charakters ausgelöst wird. Sollte es dem Zuschauer jedoch möglich sein, alle relevanten Anspielungen zu erkennen und richtig zu interpretieren, so erschließt sich ihm ein tieferer Sinn des vermeintlich oberflächlichen Witzes und ganz im Sinne der Satire wird er zum Nachdenken angeregt (Hutcheon, 1985).

3. Intertextualität

3.1 Das unüberschaubare Netz der Textrelationen

Der Begriff der Intertextualität ist ein weit gefasster Begriff, der heute noch ständig neu definiert werden muss, da er sich innerhalb einer sich ständig entwickelnden Medienlandschaft immer wieder anders zeigt. Ganz allgemein gehalten, befasst er sich jedoch stets mit den Relationen, die unterschiedliche Texte zueinander haben können (vgl. Rajewski, 2002, S. 44) und derartige Verbindungen verschiedener Werke sind allgegenwärtig, wie es anhand eines Zitates von Kirsten Adamzik (2004, S. 95) ersichtlich wird, die schreibt: „Jeder Text zieht weitere Texte nach sich oder beeinflusst Gehalt und Gestalt späterer Texte“. Texte müssen in diesem Zusammenhang nicht zwangsläufig geschriebenes Wort sein, sondern können jede mediale Form annehmen[11].

[...]


[1] Die angesprochenen Szenen tauchen in den Drawn Together -Episoden 17, 23 und 12 auf.

[2] Bekannte Trickfilmserien mit ähnlichem Konzept wären u. a . South Park, American Dad oder Family Guy.

[3] Hier beziehe ich mich auf die Audiokommentare, die als Extra auf den Drawn Together -DVDs zu finden sind.

[4] Hierzu zeigte ich verschiedene Ausschnitte mit verschieden stark ausgeprägten, mehr oder weniger offensichtlichen Referenzen auf Weltgeschehen, Pop-Kultur oder Medienphänomene einer Gruppe von etwa 60Versuchspersonen (allesamt Studenten), die die Serie entweder gar nicht kannten oder höchstens zwei Folgen gesehen hatten. Nach dem Vorführen der Videobeispiele prüfte ich, inwiefern sämtliche Anspielungen der Autoren wahrgenommen und verstanden worden. Das ernüchternde Ergebnis war, dass nur ein geringer Teil der Versuchspersonen überhaupt Anspielungen erkannt hat, wobei die erkannten Anspielungen wiederum nur einen geringen Teil der Gesamtheit der von den Autoren verwendeten Referenzen ausmachten.

[5] Sitcom ist die Kurzform für Situations-Comedy. Es handelt sich hierbei um eine – vorwiegend in den USA produzierte – Form der Fernsehserie, die sich durch eine hohe Gag-Frequenz innerhalb von in sich weitestgehend abgeschlossenen, dramaturgischen Episoden auszeichnet. Eine Besonderheit des Genres ist, dass viele Sitcoms vor Publikum aufgezeichnet werden. Bekannte Sitcoms wären Die Bill Cosby Show, Seinfeld, Roseanne, Friends oder King of Queens.

[6] Der – auf den ersten Blick – kindgerechte Zeichenstil rührt daher, dass fast ausschließlich kindgerechte Formate aufgegriffen werden, auf denen sowohl Charaktere als auch die Schauplätze basieren.

[7] In einem Interview (Goldman, 2006) haben die beiden kreativen Köpfe hinter Drawn Together, Dave Jeser und Matt Silverstein, verdeutlicht, dass sie zwar Wert darauf legen, nicht zu weit, jedoch so weit wie möglich zu gehen. Während man sich bei religiösen Fragen am ehesten an den momentanen Stand innerhalb der breiten Öffentlichkeit hält, zieht man für die Bewertung potenziell diskriminierender Witze betroffene Personen zu Rate. So wird z.B. die afroamerikanische Synchronsprecherin Cree Summer nach ihrer Meinung gefragt, wenn es um Gags über Afroamerikaner geht.

[8] Hier soll sowohl noch einmal auf die Versuchsschilderung bei Fußnote 3, als auch auf Gliederungspunkt 3 Intertextualität verwiesen werden.

[9] Als kranken Humor bezeichne ich hier eine verstärkte Form des schwarzen Humors, die besonders auf Schockwirkung abzielt. Wobei der Begriff kranker Humor (bzw. das englischsprachige Pendant sick humor) noch keine offizielle Verwendung findet, hält jene Bezeichnung immer häufiger Einzug in den alltagssprachlichen Gebrauch.

[10] Ein Beispiel hierfür wäre Happy Tree Friends, eine Trickserie, die fälschlicherweise oft mit Intellekt fordernden Formaten wie Drawn Together oder South Park gleichgesetzt wird. In Happy Tree Friends wird ausschließlich gezeigt, wie ein Kollektiv vorerst niedlicher Tiere in kindgerechtem Zeichenstil in jeder Folge auf brutalste Art und Weise zu Tode kommt. In diesem Sinne ist die Brutalität der einzige Inhalt der Serie und beinhaltet keinerlei Form des Aufdeckens gesellschaftlicher Missstände. Interpretationsversuche wären demnach hier zur Leerlaufhandlung prädestiniert.

[11] Mittlerweile ist der verwandte Begriff der Intermedialität ein etabliertes Synonym für Intertextualität in vielseitigen Arten des Gebrauchs, wobei man innerhalb der Theorien der Intermedialität voraussetzt, das das Medium gewechselt wird (z.B. eine Relation zwischen einem Film und einem Buch). Findet kein Medienwechsel statt, kann man als Synonym für Intertextualität auch Intramedialität verwenden (Rajewski, 2002). In Drawn Together tauchen sowohl inter- als auch intramediale Beziehungen auf. Trotz alledem sollte bedacht werden, dass es sich hierbei um Begriffe handelt, die ebenso wenig standardisiert sind wie der der Intertextualität.

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Geschmacklose Hülle – Kritischer Kern: Eine Analyse des derben Zeichentricks für Erwachsene am Beispiel von Drawn Together
Université
Technical University of Chemnitz  (Germanistik, Medien-, Technik- und Interkulturelle Kommunikation)
Cours
Humor
Note
1,0
Auteur
Année
2008
Pages
20
N° de catalogue
V90702
ISBN (ebook)
9783638045605
ISBN (Livre)
9783638941433
Taille d'un fichier
595 KB
Langue
allemand
Annotations
Das Thema der Arbeit, derber Humor in Zeichentrickserien, wurde mir speziell von meinem damaligen Dozenten anvertraut, in der Hoffnung, mir würde es gelingen, das kontroverse Thema wissenschaftlich und dennoch unterhaltsam sowie möglichst ohne erhobenen Zeigefinger zu bearbeiten. Die Benotung zeigt, dass die fertige Abhandlung den Wünschen des Dozenten gerecht wurde.
Mots clés
Geschmacklose, Hülle, Kritischer, Kern, Eine, Analyse, Zeichentricks, Erwachsene, Beispiel, Drawn, Together, Humor, Drawn Together, South Park, David Füleki, Medienwissenschaft, Germanistik, Medienkommunikation, Intertextualität, Schwarzer Humor, Satire, Comedy Central, MTV, Stereotypen, Stereotyp, Vorurteil, Sprachwissenschaft, Fernsehen, Sick Humor
Citation du texte
David Füleki (Auteur), 2008, Geschmacklose Hülle – Kritischer Kern: Eine Analyse des derben Zeichentricks für Erwachsene am Beispiel von Drawn Together, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90702

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