Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Aufgabenstellung
1. Einleitung
2. Vorurteile
2.1. Was versteht man unter „Vorurteilen“?
2.2. Wie entstehen Vorurteile?
2.3. Abbau von Vorurteilen
3. Mehrere Generationen im Unternehmen
4. „Jung führt alt“ - Vorurteile und ihre Auswirkungen
4.1. „Ältere Mitarbeiter sind weniger leistungsfähig als jüngere“
4.2. „Älteren Mitarbeitern fehlt es an Motivation“
4.3. „Ältere Mitarbeiter sind weniger fähig, weniger produktiv“
5. Handlungsempfehlung für junge Führungskräfte
6. Diskussion
7. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Internetquellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Arten von Einstellungen
Abbildung 2: Fünf Generationen im Unternehmen
Abbildung 3: Integratives Modell zu den Auswirkungen von normverletzenden Altersunterschieden
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Generationenvergleich Aufgabenstellung
Alternative A (100 Punkte, Umfang 20 Seiten)
Die Aufgabenstellung wurde von der Redaktion aus urheberrechtlichen Gründen entfernt
1. Einleitung
Aufgrund des demographischen Wandels verändert sich die Zusammensetzung der Erwerbsbevölkerung. Deshalb hat die Bundesregierung auch 2006 beschlossen, das gesetzliche Renteneintrittsalter von 2012 an stufenweise auf 67 Jahre anzuheben1. Dies hat zur Folge, dass immer mehr „Ältere“ am Erwerbsleben teilhaben. Laut dem Statistischen Bundesamt nimmt die Zahl der Arbeitnehmer im Alter von 60 bis 64 Jahren deutlich stärker zu, als in anderen Altersgruppen2. Die betriebswirtschaftliche und psychologische Literatur beschäftigt sich mit diesem Phänomen bereits seit einigen Jahren. „Generationen führen“, ist ein Thema, das heute fast jedes Unternehmen betrifft. Wenn verschiedene Generationen in der Arbeitswelt zusammenkommen, geht dies meist nicht ohne verschiedene Vorstellungen und daraus entstehende Konflikte einher. Ein besonderes Konfliktpotential kann daher sein, wenn ältere Mitarbeiter von jüngeren Führungskräften geführt werden. Ein Begriff aus der Soziologie ist der, der Statuskongruenz bzw. Statusinkongruenz. Goffmann beschrieb diesen 1957 folgendermaßen: damit wird der Umstand beschrieben, dass Personen, deren Alter (Berufserfahrung, Qualifikation), welche nicht mit der Rolle (Führungskraft oder Mitarbeiter) übereinstimmt, als inkongruent und somit unpassend wahrgenommen werden. Wenn man dies auf die Konstellation Jung-führt-Alt bezieht, werden negative Konsequenzen somit vor allem für Führungskräfte mit deutlich älteren Mitarbeitern vorhergesagt, weil sie sowohl gesellschaftliche als auch organisationale Normen verletzen und damit zu negativen Gefühlen und Reaktionen seitens der überholten Mitarbeiter und Kollegen führen3.
Aufgrund dessen legt diese Arbeit ihr Augenmerk auf Vorurteile, die junge Führungskräfte gegenüber ihren älteren Mitarbeitenden haben können und wie diese Vorurteile im Unternehmen abgebaut werden können.
Bevor auf die einzelnen Aspekte eingegangen wird, folgt als nächstes eine kurze Erläuterung der Gliederung der Arbeit. Zuerst einmal wird im zweiten Kapitel erläutert, was Vorursteile sind und wie sie entstehen. Des Weiteren wird betrachtet, wie man Vorurteile reduzieren kann. Im dritten Kapitel werden die jüngere und die ältere Generation mit ihren Eigenheiten näher betrachtet. Anschließend wird die oben genannte Konstellation „Jung führt Alt“ näher betrachtet und wie sich Vorurteile auf die Führung von älteren Menschen auswirken. Hierzu werden drei konkrete Vorurteile als Beispiele herausgearbeitet. Das fünfte Kapitel befasst sich mit dem Abbau von Vorurteilen und Möglichkeiten, wie die Potentiale der älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser genutzt werden können. Im sechsten Kapitel werden die Ergebnisse der Arbeit kritisch reflektiert und abschließend ein Ausblick auf zukünftige Forschungsfragen gegeben.
2. Vorurteile
Wie alle Wirbeltiere haben auch die Menschen einen „Blinden Fleck“ im Auge, eine kleine Stelle in der Netzhaut, dort, wo der Sehnerv austritt. Da in dieser Region keine Lichtrezeptoren vorhanden sind, werden von dort aus, keine Reize über die Nervenbahnen ins Sehzentrum des Gehirns weitergeleitet. So entsteht im Gesichtsfeld ein blinder Fleck, ein sogenanntes „Absolutes Skotom“. In dieser Arbeit geht es aber nicht um die visuelle Wahrnehmung, sondern um eine andere Art von blinden Flecken: um Vorurteile. So ein blinder Fleck versteckter Vorurteile ähnelt in gewisser Weise dem blinden Fleck im Auge. Versteckte Vorurteile sind einem genauso wenig bewusst, wie das absolute Skotom in den Augen. Die blinden Flecken der Voreingenommenheit können das Verhalten beeinflussen, ohne dass man es merkt4.
2.1. Was versteht man unter „Vorurteilen“?
Ein Vorurteil ist eine Einstellung, welche emotional besonders wirksam ist5. Als Einstellung ist die Bewertung von Menschen, Objekten, Personengruppen oder Ideen gemeint, welche Häufig die Richtung für das Handelns eines Menschen vorgeben.
Nach Allport sind Vorurteile natürlich und notwendig, weil der Mensch ansonsten nicht überleben kann. Der Mensch ist darauf angewiesen seine Umgebung in Kategorien oder Gruppe aufzuteilen, wie gefährlich und ungefährlich. Es ist den Menschen daher möglich die Welt in gut und schlecht zu unterteilen und wir können viel schneller Entscheidungen treffen. Ein Vorurteil ist eine Abneigung gegenüber einem Individuum oder einer Gruppe, die sich auf eine lückenhafte und unabänderliche Pauschalisierung begründet. Diese Verallgemeinerung kann entweder gefühlt oder verbal und non-verbal ausgedrückt werden6. Die moderne Sozialpsychologie sieht Vorurteile als einen Ausdruck einer konkreten Einstellung. Diese Einstellung besteht aus drei Komponenten: einen affektiven oder emotionalen Teil, einen kognitiven Teil und einer Verhaltenskomponente7. Zur besseren Verdeutlichung sind die drei Komponenten in der folgenden Abbildung dargestellt. Der Abbildung kann man entnehmen, dass sie Vorurteile auf die affektive Komponente beziehen. Da diese Komponente, die Art, der damit verbundenen Gefühle und deren Auswirkungen darstellt, kann daraus abgeleitet werden, dass es positive und negative Vorurteile geben muss. In der Psychologie und im Allgemeinen werden Vorurteile hingegen nur mit negativen Einstellungen gegenüber anderen Menschen oder Gruppen verbunden8.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Arten von Einstellungen
(Quelle eigene Darstellung, in Anlehnung an Aronson et al, (2014), S.475
Wie Allport bereits 1971 festgestellt hat, werden Personen aufgrund verschiedener Eigenschaften einer Gruppe zugeordnet9. Dies kann eine Ingroup oder eine Outgroup sein. In der Ingroup sind Menschen, mit denen sich eine Person selbst identifiziert. In der Outgroup wiederum sind Personen, mit denen sich diese Person nicht identifiziert10. Diese Einordnung erfolgt meist sehr schnell aufgrund weniger Merkmale, was zur Folge haben kann, dass die Einordnung auch falsch ist und nicht den tatsächlichen Gegebenheiten ent- spricht11. So kann es auch vorkommen, dass ein Mitarbeitender, welcher bereits älter als 50 Jahre ist, schnell in die Gruppe „hoher Krankenstand, unflexibel, nicht bereit Neues zu lernen“; einsortiert wird, obwohl dieser Mitarbeitender vielleicht sehr gerne neue Dinge lernt, im Unternehmen bisher aber kaum die Möglichkeit erhalten hat oder auch gerne nach dem Renteneintrittsalter weiter im Unternehmen arbeiten möchte. Da es gesellschaftlichen Normen verstoßen würde, wird aber wahrscheinlich die Person nicht deswegen angesprochen werden. Aber Vorurteile bestehen dennoch. Da man eigene Vorurteile immer öfters versteckt, ist es schwieriger geworden gegen diese Vorurteile anzukämpfen und diese zu beseitigen12. Oft denken jüngere Führungskräfte, dass sie zum Beispiel gegenüber älteren Mitarbeitenden keine Vorurteile haben, da diese außerhalb ihrer bewussten Wahrnehmung liegen. Diese Form der Vorurteile nennt man implizierte Vorurteile und sind ein weiteres Phänomen der modernen Zeit. Durch negative Emotionen, wie Stress, treten diese Vorurteile meist auf13.
Um noch mal näher auf den Begriff des Vorurteils einzugehen, sollte man auch die Kategorien Stereotyp und Diskriminierung kennen. Der Stereotyp, ist anders als das Vorurteil, rein kognitiver Natur. Es hat keine emotionale Ebene14. Nach Gerrig sind Stereotype einfach nur Verallgemeinerungen, die auf ein bestimmtes Merkmal einer Gruppe zu tref- fen15. Entgegen der affektiven Komponente können die Eigenschaftszuschreibungen positiv, negativ oder neutral ausfallen, wie zum Beispiel: „alle älteren Mitarbeitenden im Unternehmen haben viel praktische Erfahrung“16.
Unter Diskriminierung verstehen Aronson und seine Kollegen, dass eine Person oder eine Menschengruppe aufgrund von bestimmten Eigenschaften negatives, ungerechtfertigtes oder gar schädliches Verhalten erfährt17. Ein Beispiel könnte sein, dass sich ein älterer Mitarbeiter auf eine Stelle bewirbt, aber aufgrund seines Alters von vornherein bei der Stellenbesetzung nicht berücksichtig wird.
2.2. Wie entstehen Vorurteile?
Wie Allport bereits beschrieben hat, sind Vorurteile natürlich und nicht vermeidbar18. Daher stellt sich doch die Frage, wie Vorurteile entstehen oder durch was sie verursacht werden. Diese Frage soll nun in diesem Kapitel beantwortet werden. Die Sozialpsychologen sind sich nicht einig darüber, ob Vorurteile bereits angeboren sind oder sich erst im Lauf des Lebens entwickeln. Eine Prägung des Kindes durch seine direkte Umwelt, wie zum Beispiel den Eltern, der Gesellschaft, aber auch den Medien und der Kultur bereits in sehr frühen Jahren vorgenommen wird, ist hingegen unumstritten19.
In der Literatur werden verschiedene Theorien genannt, wie Vorurteile entstehen können. Als bekanntesten Theorien des persönlichkeitsorientierten Ansatzes werden die autoritäre Persönlichkeit und die soziale Dominanzorientierung genannt20.
Adorno und Kollegen haben nach Ende des zweiten Weltkrieges das Konzept der autoritären Persönlichkeit entwickelt. Mit dieser Theorie sollte versucht erklärt zu werden, wie es zu den Verbrechen der Nazis kommen konnte21. Die zentrale Idee von Adorno und seinen Kollegen ist, dass die faschistischen Ideen auf die frühe Entwicklung von Kindern und deren Erziehung zurückgeht. Sie konnten in Studien zeigen, dass eine stark autoritäre Erziehung, bedacht durch viel Gehorsamkeit gegenüber den Eltern und klassische Normen und Werte hochstellt, später zu inkonsistenten Emotionen gegenüber den Erziehungsberechtigten führen kann. Diese Gefühle in Bezug auf die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten können positiv oder negativ sein. Ebenso konnte gezeigt werden, dass sich die negativen Gefühle allerdings nicht gegen die eigenen Erziehungsberechtigten richten, sondern auf Mitglieder einer abweichend wahrgenommenen Fremdgruppe projiziert werden22. Andere Untersuchungen stellten einen konstanten Zusammenhang zwischen autoritären Einstellungen und Vorurteilen her. Dennoch wurde dieses Konzept aufgrund methodischer und konzeptueller Probleme auch von Sozialpsychologen kritisiert. So ist beispielsweise nicht genau klar, wie Autoritarismus genau konzeptuell zu erfassen ist. Es ist auch unklar, wie der Zusammenhang mit Vorurteilen als ein bedeutungsvolles Ergebnis darzustellen ist. Ebenso können bestimmte Ideologien bestehen, die mit Vorurteilen verbunden sind, z. B. Homophobie, ohne das Einhergehen mit autoritären Tendenzen23.
Einen weiteren Ansatz für soziale Vorurteile stellt die Theorie der sozialen Dominanz dar. Diese Theorie geht auf Sidanius und Pratto im Jahr 1999 zurück. Sie befasst sich sowohl mit gesellschaftlichen Faktoren, wie beispielsweise die Zugehörigkeit einer Gruppe in der sozialen Hierarchie, als auch mit individuellen Faktoren, wie Geschlecht und Bildung. Die generelle Einstellung gegenüber hierarchischen Strukturen in Gesellschaften wird durch diese Einflüsse bestimmt. Soziale Dominanzorientierung (SDO) ist eine Einstellung, welche besagt, dass Unterschiede zwischen sozialen Gruppen akzeptabel und sogar notwendig sind. Personen mit einer hohen SDO streben nach hierarchiefördernden Rollen im Berufsleben und Menschen mit niedrigen SDO-Werten suchen eher nach hierarchiedämpfenden Rollen. Zugleich zeigen Menschen mit einem hohen SDO-Wert eher eine Neigung zu Vorurteilen und Diskriminierung gegenüber konkurrierenden Fremdgruppen. Diese unterstützen ebenfalls Ideologien und Einstellungen, die Statusunterschiede zwischen Gruppen, wie Sexismus und Rassismus, rechtfertigen. Egal ob hoher oder niedriger SDO-Wert einer Person, die Gruppenzugehörigkeit führt dazu, dass die vorhandenen Unterschiede in den SDO-Werten sich verstärken24.
Die Kritiker an den Theorien der sozialen Vorurteile waren der Meinung, dass sich diese Vorurteile nicht nur auf wenige Personen beziehen, sondern auf ganze Personengruppen. Aus diesem Grund entstanden die Gruppenansätze, die sich auf die funktionalen Beziehungen zwischen Gruppen konzentriert. Gruppen haben grundsätzlich für ein Mitglied viele Vorteile. Man spricht in der Sozialpsychologie von Intragruppenerklärung des Vorurteiles, wenn Mitglieder einer Gruppe sich auf die Vorteile der eigenen Gruppe fokussieren und sich nicht mit den Bedrohungen von außen, also durch andere Gruppen, beschäftigen. Spears & Tausch nennen das, darauf aufbauend die Theorie des realistischen Konflikts entstand. Laut dieser Theorie sind Vorurteile und Diskriminierung konkrete Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Gruppen. Dabei geht es meistens um Ressourcen, die nur in einer begrenzten Anzahl vorliegen25.
Als soziale Kategorisierung wird der Vorgang bezeichnet, durch welchen Menschen ihre soziale Umgebung organisieren, indem sie sich und andere in Gruppen kategorisieren. Die einfachste und durchdringendste Form der Kategorisierung entsteht durch die Beurteilung, ob Menschen so sind wie man selbst. Diese Kategorisierung entwickelt sich dann weiter, am Anfang heißt es: „Ich vs. Nicht ich“ zu „Wir vs. Die anderen.“26. Die Menschen trennen die Welt in In-Gruppen, die Gruppen, als deren Mitglied sie sich selbst identifizieren - und Out-Gruppen, die Gruppen, mit welchen sie sich nicht identifizieren. Henry Tajfel hat herausgefunden, dass Menschen durch die soziale Kategorisierung die Unterschiede zwischen den eigenen Gruppenmitgliedern beschönigen. Tajfels Ideen zur sozialen Kategorisierung mündeten schlussendlich in der Theorie der sozialen Identität27. Henri Tajfel und Kollegen entwickelten das minimale Gruppenparadigma, welches eine Kontrollgruppe für intergruppales Verhalten darstellen sollte. Dieses Versuchsdesign wurde so gestaltet, dass die Probanden wussten, dass sie einer bestimmten Gruppe zugehören und andere Probanden einer anderen Gruppe zugerechnet werden. Des Weiteren war die Zugehörigkeit zu einer Gruppe nur der eigenen Person und den Versuchsleitern bekannt. Ein weiterer Punkt des Versuchs ist, dass die Probanden untereinander keinen Kontakt hatten. Als weiteres wichtiges Kriterium sollte das Handeln der Versuchspersonen einen unstrittigen Stellenwert haben, aber gleichzeitig sollte das Handeln dem Probanden keinen persönlichen Vorteil bieten. Die Versuchsteilnehmer wurden nach einem Test in eine von zwei Gruppen, den sozialen Kategorien, eingeteilt und sollten anschließend irgendetwas von Wert an die In-und die Outgroup- Mitglieder verteilen. Nach diesem Test konnten Tajfel und seine Kollegen (1971) bereits feststellen, dass die Eigengruppe der Fremdgruppe gegenüber bevorzugt wird. Dabei haben die Versuchspersonen versucht einen möglichst großen Abstand zwischen ihrer eigenen Gruppe und der Outgroup herzustellen28.
Taijfel und Turners Theorie der sozialen Identität entstand, um die Diskriminierung zwischen verschiedenen Gruppen und die damit verbundenen psychologischen Prozesse besser zu verstehen29. Sie baut auf vier wesentliche Mechanismen auf: „soziale Kategorisierung, Identifikation, soziale Vergleiche und positive Distinktheit“. Die Theorie der sozialen Identität zeigt die Unterschiede zwischen der persönlichen und der sozialen Identität gut auf: bei der persönlichen Identität wird nach den eigenen Bedürfnissen und Motiven gehandelt. Bei der sozialen Identität hingegen sehen sich die Menschen als austauschbar innerhalb der Gruppe, weshalb sie sich für die Bedürfnisse und Motive der Gruppe entscheiden und entsprechend handeln30. Fallen die Vergleiche zwischen den Gruppen positiv aus, wird die positive Distinktheit der Gruppe bestätigt. Fällt der Vergleich negativ aus, sind die Gruppenmitglieder motiviert, die Situation zu ändern. Es gibt drei Strategien die positive soziale Identität aufrechtzuerhalten oder wiederherzu- stellen31:
- Strategie der individuellen Mobilität: Mitglieder distanzieren sich psychologisch von der eigenen Gruppe und versuchen in einer attraktiveren Gruppe Mitglied zu werden. Es ist jedoch nur soweit möglich, wie Mitglieder bereit sind, ihre eigene Identität aufzugeben und die andere Gruppe es als neues Mitglied akzeptiert.
- Strategie der sozialen Kreativität: Soziale Kreativität ist immer dann gefragt, wenn Personen ihre Gruppe nicht verlassen können. Alle Reaktionen durch Vergleichsergebnisse werden kognitiv und sozial umgedeutet. Es werden neue Vergleichsdimensionen oder Vergleichsgruppen gewählt (kognitiv). Um die Umdeutung für wahr zu halten, müssen andere diese bestätigen (sozial). Das soziale Gefüge hat sich erfolgreich verändert, wenn nicht nur Mitglieder der eigenen Gruppe zustimmen, sondern auch Mitglieder der Fremdgruppe.
- Strategie des sozialen Wettbewerbs: Sozialer Wettbewerb tritt immer dann auf, wenn ein sozialer Konflikt zwischen den beiden Gruppen vorliegt. Ein negatives Vergleichsergebnis gegenüber einer anderen Gruppe wird durch den sozialen Wettbewerb herausgefordert, indem versucht wird, zu zeigen, dass der Vergleich nicht korrekt ist und anders ausgehen müsste. Dadurch wird die Statusrelation der Gruppen verändert.
Wann welche Strategie angewendet wird, ist abhängig von verschieden Kriterien. Bei einem negativ ausgefallenden sozialen Vergleich, fragen sich die Gruppenmitglieder, ob die Ergebnisse stabil oder legitim sind und ob die Grenzen permeabel und durchlässig sind. Die Theorie der sozialen Identität zeigt, dass es zu unterschiedlichen Formen von Intergruppenverhalten kommen kann, in Abhängigkeit der wahrgenommen sozio-strukturellen Bedingungen32.
2.3. Abbau von Vorurteilen
Im vorigen Kapitel wurde auf die Entstehung von Vorurteilen eingegangen. Nun stellt sich die Frage, wie man Vorurteile wieder abbauen kann. Zur Reduktion von Vorurteilen gibt es einige Theorien, die mit empirischen Befunden belegt werden können. Da es bei der Hausarbeit um Vorurteile junger Führungskräfte gegenüber ihrer älteren Mitarbeitenden geht, werden fünf Theorien näher beschrieben: Die Kontakthypothese, Deka- tegorisierung, Re-kategorisierung, die wechselseitige Differenzierung und das Drei-Pha- sen-Längsschnittmodell. Die genannten Theorien werden folgend kurz mit ihrer Grundidee dargestellt33.
Jahrzehntelange Forschung zur sogenannten „ Kontakthypothese “ hat gezeigt, dass Vorurteile durch den Kontakt zwischen zwei Gruppen zu einem Abbau von Vorurteilen und Feindseligkeiten führen kann. Doch Kontakt allein führt nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung der Intergruppenbeziehungen; stattdessen sind gewisse Bedingungen voraussetzend: Der Status beider Gruppen sollte gleich sein. Beide Gruppen sollten ein gemeinsames Ziel verfolgen bzw. bestimmte Aufgaben gemeinsam zu lösen haben, was man gerade im Job umsetzen kann. Die Gruppen sollten in ihrem Verhalten durch festgelegte Normen unterstützt werden. Als vierten Punkt nennt Allport noch den Bekanntschaftsgrad bzw. die Kontakthäufigkeit zu bestimmten Mitgliedern der Fremdgruppe sollte sehr hoch sein34.
Brewer und Miller erarbeiteten den Dekategorisierungsansatz, dabei geht es darum, die soziale Kategorisierung zu reduzieren, indem die Salienz der Gruppenmitgliedschaft möglichst geringgehalten wird. Dies ist durch interpersonellen Kontakt zwischen den Gruppenmitgliedern möglich, da dann die Person als Individuum betrachtet wird und nicht mehr als Mitglied der Fremdgruppe35.
Der Re-kategorisierungsansatz stattdessen hat nicht zum Ziel, die Kategorisierung aufzuheben, sondern versucht, aus beiden Gruppen eine übergeordnete Gruppe zu bilden. Dadurch wird eine neue, gemeinsame Identität geschaffen. Die alten bestehenden Kategoriengrenzen zwischen Eigen- und Fremdgruppe rücken in den Hintergrund36. Bei der wechselseitigen Differenzierung von Hewstone und Brown, wird nicht versucht, die soziale Kategorisierung zu reduzieren. Die eigene positive eigene Identität halten sie gerade für wichtig. Eine Verbesserung der Intergruppenbeziehungen ist ihrer Meinung nach über einen abgemilderten sozialen Wettbewerb möglich, wobei es wichtig ist, dass jede der Gruppen ihre eigene Rolle zugeteilt bekommt37.
[...]
1 Vgl. https://demographie-netzwerk.de
2 Vgl. Statistisches Bundesamt
3 Vgl. Felfe, J., Dick (2016) S.213 -216
4 Vgl. Banaji, Greenwald, (2015) S. 11- 16
5 Vgl. Aronson et al. (2014), S. 475
6 Vgl. Allport (1971), S. 23
7 Vgl. Aronson et al. (2014), S. 218& S. 475
8 Vgl. Fischer et al. (2018), S. 116
9 Vgl. Allport (1971), S. 21
10 Vgl. Gerrig (2015), S. 674
11 Vgl. Fischer et al. (2018), S. 116
12 Vgl. Spears & Tausch (2014), S. 509
13 Vgl. Gerrig (2015), S. 675
14 Vgl. Aronson et al. (2008) S. 425
15 Vgl. Gerrig (2015), S. 674
16 Vgl. Fischer et al. (2018), S. 116
17 Vgl. Aronson et al. (2008) S. 428
18 Vgl. Allport (1971), S. 23
19 Vgl. Aronson et al. (2008) S. 429
20 Vgl. Kessler/ Fritsche (2018), S. 159
21 Vgl. Kessler/ Fritsche (2018), S. 159
22 Vgl. Adorno et al, zitiert nach Spears & Tausch, 2014, S.510
23 Vgl. Kessler/ Fritsche (2018), S. 159-160
24 Vgl. Kessler/ Fritsche (2018), S. 160-161
25 Vgl. Spears & Tausch (2014) S. 525-526
26 Vgl. Gerrig (2015), S. 674
27 Vgl. Gerrig (2015), S. 674
28 Vgl. Tajfel et al (1971) zitiert nach Kessler/ Fritsche (2018), S. 164-165
29 Vgl. Fischer / Jander /Krueger (2018), S. 142
30 Vgl. Tajfel und Turner (1979, 1986); zitiert nach Kessler & Fritsche (2018) S. 165
31 Vgl. Kessler/ Fritsche (2018), S. 165-166, Vgl. Fischer / Jander /Krueger (2018), S. 146-147
32 Vgl. Kessler/ Fritsche (2018), S. 167
33 Vgl. Fischer / Jander /Krueger (2018), S. 158
34 Vgl. Fischer / Jander /Krueger (2018), S. 130, 158
35 Vgl. Fischer / Jander /Krueger (2018), S. 159
36 Vgl. Fischer / Jander /Krueger (2018), S. 159
37 Vgl. Fischer / Jander /Krueger (2018), S. 159