Privates Fernsehen: Vielfalt durch Sparten und Sendungsformen

Die Entwicklung der inhaltlichen Vielfalt der privaten Fernsehprogramme seit dem Jahr 2001


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2007

20 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Vielfalt im privaten Rundfunk

3 Untersuchung der inhaltlichen Vielfalt von drei privaten Fernsehsendern anhand struktureller Merkmale
3.1 Spartenprofile und Sendungsformen bei RTL aus den Jahren 2001 und 2004
3.2 Spartenprofile und Sendungsformen bei SAT.1 aus den Jahren 2001 und 2004
3.3 Spartenprofile und Sendungsformen bei ProSieben aus den Jahren 2001 und 2004

4. Vergleich der Sender untereinander hinsichtlich ihres Vielfaltsbeitrags

5. Resümee

1 Anhang: Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Fernsehen [kann] an sich nicht sehr viel anders sein als seine Zuschauer. Und das kommerzielle Fernsehen nun erst recht nicht, von Natur aus.“ (Fischer 1996: 57) Auffällig an dieser Aussage ist deren scheinbare Schlichtheit bei einem enormen kontroversen Potential. Heißt dies nun, dass es unter den Zuschauern privater Fernsehprogramme keine gesellschaftlichen Minderheiten gibt, die es wünschenswert fänden, über für sie relevante Themen informiert zu werden? Oder bedeutet es etwa, der Durchschnittszuschauer ist vollauf zufrieden mit dem, was ihm private Fernsehveranstalter bieten, und die Bemühungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sind nur gutgemeintes Theater für eine elitäre Kleingruppe Gebildeter? Dass es ganz so einfach nicht ist, zeigen die zahlreichen Diskussionen darüber, was privater Rundfunk kann, darf und muss. Als richtungsweisend hierfür sind vor allem die Rundfunk-Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu verstehen, mit deren Unterstützung das duale Rundfunksystem eine gleichgewichtige Meinungsvielfalt herstellen soll.

Inwieweit dies insbesondere dem privaten Fernsehen – innerhalb der Grenzen, die sich aus der ausschließlichen Werbefinanzierung ergeben – gelingt, dies soll Gegenstand der folgenden Ausführungen sein. Was jedoch den Vielfaltsbegriff betrifft, so lässt sich dieser nicht allzu leicht operationalisieren. Eine mögliche Definition versteht unter der Sicherung inhaltlicher Vielfalt die „positive Berücksichtigung der in der und für die Gesellschaft erheblichen Meinungen (Auffassungen, Werthaltungen) in möglichster Breite und Vollständigkeit und (negativ) Ausschluss vorherrschender, einseitiger Meinungsmacht“ (Hoffmann-Riem 2000: 99). Laut dem 6. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts ist ebenfalls zwischen inhaltlicher bzw. meinungsmäßiger Vielfalt und struktureller bzw. gegenständlicher Vielfalt zu unterscheiden. Unter gegenständlicher Vielfalt versteht man in diesem Zusammenhang die „programmstrukturellen Vorentscheidungen, die festlegen, welchen Umfang [...] Programmangebote im Gesamtangebot der einzelnen Fernsehveranstalter [...] haben.“ (Weiß, Trebbe 1994: 23). Und genau das ist die „quantitative Schlüsselinformation“ (Weiß, Trebbe 1994: 25), das geeignete Instrument, mit dem man auf „qualitativ-inhaltliche Programmleistungen“ (Weiß, Trebbe 1994: 25) und damit auch auf die Vielfalt von Inhalten und Meinungen schließen kann. Die gegenständliche Vielfalt wird somit zum Mittel der Erforschung der inhaltlichen Vielfalt.

Zwei Programmanalysen aus den Jahren 2001 und 2004 bilden diesbezüglich die empirische Grundlage zur Entdeckung von Entwicklungen und Zusammenhängen. Die beiden Studien beinhalten Daten über Spartenprofile, d.h. den Anteil von beispielsweise den Sparten Information oder nonfiktionaler Unterhaltung am Programm eines Senders, und Sendungsformen, also die Menge an Nachrichten, Magazinen oder z. B. Spielfilmen im jeweiligen Programm. Dazu wurden jeweils drei öffentlich-rechtliche und private Sender untersucht, wobei für die vorliegenden Ausführungen gemäß der Aufgabenstellung nur der Bereich des privaten Fernsehens mit RTL, SAT.1 und ProSieben relevant ist. Die Daten wurden mithilfe von Vollerhebungen erstellt, anstatt des sonst üblichen Stichprobenverfahrens, was es vor allem ermöglicht, so weitgreifende Ereignisse wie den Terroranschlag vom 11. September 2001 und den damit verbundenen Anstieg etwa von Informationssendungen oder Nachrichten zu kontrollieren. Anhand eines Zeitvergleichs dieser empirisch erhobenen Daten soll im Folgenden untersucht werden, ob im Bereich der inhaltlichen Vielfalt des privaten Fernsehens eine Entwicklung bzw. Veränderung stattgefunden hat und, wenn vorhanden, wie diese unter dem Gesichtspunkt der Verfassungsrechtlichkeit zu bewerten ist. Dazu soll zunächst ein kleiner Überblick über die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Leistungen des privaten Rundfunks gegeben werden. Daraufhin wendet sich die Arbeit den tatsächlichen Verhältnissen im privaten Fernsehen zu, indem an den Sendern RTL, SAT.1 und ProSieben beispielhaft die Daten über Spartenprofile und Sendungsformen der Jahre 2001 und 2004 verglichen werden. Schließlich soll eine Zusammenfassung der Ergebnisse des Vergleichs einen abschließenden Überblick geben.

2 Die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Vielfalt im privaten Rundfunk

Mit seinen mittlerweile elf Rundfunk-Urteilen hat das Bundesverfassungsgericht viel zur Strukturierung des dualen Rundfunksystems beigetragen. Die Vorstellung vom Rundfunk als Medium und vor allem Faktor der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung, durch welchen „Einfluss auf die öffentliche Meinung genommen und diese öffentliche Meinung mitgebildet wird“ (BVerfGE 12, 260), und seiner dementsprechend „besondere[n] Bedeutung für Staat und Gesellschaft“ (Stuiber 1998: 754) lässt keinen leichtfertigen Umgang mit diesem Thema zu. Dazu kommt, dass die Anforderungen an den privaten Rundfunk immer auch gebunden sind an die Aufgaben und vor allem Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Begriff der Grundversorgung spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle, denn diese „bestimmt [...] den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Garanten des verfassungsrechtlichen Normziels“ (Eifert 2002: 57) der Meinungsvielfalt. Solange also der öffentlich-rechtliche Rundfunk gemäß seiner Auflagen und Bestimmung funktioniert, ist eine herabgesetzte Erwartung an die Vielfalt privater Programme hinnehmbar. Dementsprechend wurden mit dem 4. Rundfunkurteil die Anforderungen an das kommerzielle Fernsehen zurückgeschraubt auf ein „möglichst hohes Maß gleichgewichtiger Vielfalt“ (BVerfGE 73, 118). Weiterhin wird aber auch eingeräumt, dass sich „gleichgewichtige Vielfalt [...] nicht als messbare, exakt zu bestimmende Größe verstehen“ (BVerfGE 73, 159) lässt. Die Programme des privaten Rundfunks müssen damit in Bezug auf einen „Grundstandard“ (BVerfGE 73, 118) der Vielfalt dennoch gewährleisten, dass alle Meinungsrichtungen zum Ausdruck gelangen können und keine einseitige Berichterstattung erfolgt. Es wird jedoch ebenfalls deutlich, dass dem privaten Rundfunk keine Funktionsweise vorgeschrieben werden darf, die ihn ganz und gar daran hindern würde, privatwirtschaftlich zu agieren:

„In jedem auf Privatwirtschaftlichkeit ausgerichteten gesellschaftlichen Betrieb ist die rechtliche und wirtschaftliche Autonomie der Akteure Grundvoraussetzung seiner Funktionsfähigkeit. Erfolgt die Befriedigung individueller und gesellschaftlicher Bedürfnisse über den Markt, dann – so die Grundannahme jeder Marktwirtschaft – müssen die Marktsubjekte auch in der Lage sein, ihre Interessen eigennützig zu verfolgen, natürlich im Rahmen des Rechts.“ (Hoffmann-Riem 2000: 259)

Im Originalton des Bundesverfassungsgerichts heißt es dazu, „dass privater Rundfunk vom Gesetzgeber nicht unter Anforderungen gestellt werden darf, die seine Veranstaltung in hohem Maße erschweren, wenn nicht ausschließen würden“ (BVerfGE), auch wenn dies bedeutet, dass an das kommerzielle Fernsehen nicht die gleichen Vielfaltsanforderungen gerichtet werden können wie an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Abgeleitet von der spezifischen Funktionsweise des privaten Fernsehens und seiner Finanzierung durch Werbung ist eine geringere Vielfalt im Programm ein naheliegender Schluss. Denn „ein durch Werbung finanziertes Rundfunkunternehmen 'verkauft' nicht etwa Programme an sein Publikum, sondern eine möglichst hohe Publikumsresonanz an die werbende Wirtschaft.“ (Niepalla 1990: 56). Und darauf sind die massenattraktiven Programme des kommerziellen Fernsehens ausgerichtet, die überdies ein geeignetes Umfeld für die Werbung bieten sollen, also ein Umfeld, in dem sich Werbeinhalte entfalten können und in dem die Aufnahmebereitschaft des Publikums geweckt wird. Kontroverse Themen oder 'unangenehme Wahrheiten' etwa über gesellschaftliche Randgruppen und Minderheiten schmälern unter Umständen die zur besseren Rezeption von Werbebotschaften benötigte positive Grundstimmung. Schnell kann es so zu einer Konzentration hauptsächlich auf Mehrheitsmeinungen kommen, zu einer Berichterstattung, die „auf einen Mittelwert breit tolerierter Positionen“ (Niepalla 1990: 56) begrenzt ist. Laut Bundesverfassungsgericht dürfen jedoch „die Rundfunkanstalten [...] in ihrem Gesamtprogramm nicht eine Tendenz verfolgen, sondern sie müssen im Prinzip allen Tendenzen Raum geben“ (BVerfGE 59, 258). Da ein einseitiges Angebot an Information etc. weder wünschenswert noch in vollem Umfang zu tolerieren ist, „bleiben ausgestaltende Mediengesetze auch für privaten Rundfunk unverzichtbar“ (Hoffmann-Riem 2000: 262). Und so sieht die Rechtsprechung Kontrolle und Regulierung durch die Landesmedienanstalten und die jeweiligen Landesrundfunkgesetze vor, was „die wirksame Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt in der Darstellung der bestehenden Meinungsrichtungen durch organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen“ (BVerfGE 74, 326) beinhaltet. Damit ist zum einen die regulatorische Zulassung eines privaten Senders anhand einer Lizenzvergabe durch die zuständige Landesmedienanstalt gemeint und zum anderen die laufende Kontrolle der Programme ebenfalls durch die jeweiligen Landesmedienanstalten. Dabei wird nach dem „Grundstandard, der die wesentlichen Voraussetzungen von Meinungsvielfalt umfaßt“ (BVerfGE 73, 118), vorgegangen und bewertet, also nach dem Vorhandensein der „Möglichkeit für alle Meinungsrichtungen [...] im privaten Rundfunk zum Ausdruck zu gelangen“ (BVerfGE 73, 118). Wird diese Voraussetzung vom privaten Fernsehen bereitgestellt, stehen die Chancen für eine Lizenzvergabe gut. Es wird also keinesfalls nach einer „arithmetischen Gleichheit von Meinungsrichtungen“ (BVerfGE 73, 160) verlangt, außerdem sind bei „einzelnen Ungleichgewichtigkeiten von geringer Bedeutung“ (BVerfGE 73, 160) keine Sanktionen notwendig.

[...]

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Privates Fernsehen: Vielfalt durch Sparten und Sendungsformen
Sous-titre
Die Entwicklung der inhaltlichen Vielfalt der privaten Fernsehprogramme seit dem Jahr 2001
Université
http://www.uni-jena.de/
Note
2,0
Auteur
Année
2007
Pages
20
N° de catalogue
V90932
ISBN (ebook)
9783638055116
ISBN (Livre)
9783640325498
Taille d'un fichier
580 KB
Langue
allemand
Annotations
Eine empirische Messung und Bewertung der Ergebnisse unter dem Gesichtspunkt der Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Vielfalt im privaten Rundfunk.
Mots clés
Privates, Fernsehen, Vielfalt, Sparten, Sendungsformen
Citation du texte
Franziska Rosenmüller (Auteur), 2007, Privates Fernsehen: Vielfalt durch Sparten und Sendungsformen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90932

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