Die Initiationsthematik im deutschsprachigen Pop-Roman der Jahrtausendwende


Mémoire de Maîtrise, 2007

180 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhalt

Einleitung

Teil I: Die Initiationsthematik in der Literatur
1. Initiation – einige Definitionsansätze
1.1. Der anthropologische Begriff der Initiation
1.2. Der Begriff der Adoleszenz
1.3. Initiation als literaturwissenschaftlicher Terminus
1.3.1 Initiation story und novel of initiation
2. Kriterien zur Typisierung von Initiationen
2.1. Freiwillige und unfreiwillige Initiation
2.2. Aktive und passive Initiation
2.3. Decisive, tentative und uncompleted initiation
2.4. Denitiation, negative Identitätsfindung bzw. positive /negative Initiation
2.5. Mentoren und tempter figures
3. Initiationserlebnisse
3.1. Schauplätze der Initiation
3.2. Zeichen des Wandels
4. Initiation und Literaturgeschichte
4.1. Initiation in der US- amerikanischen Literatur
4.2. Initiation in der deutschen Literatur

Teil II: Popliteratur zur Jahrtausendwende
1. Was ist Pop? Definitionsansätze zu Pop, Popliteratur und Pop-Roman
2. Themen popliterarischer Texte
3. Popliteratur am Ende des Jahrtausends – verspätete Initiationsgeschichten?

Teil III: Die ausgewählten Pop-Romane
1. Christian Kracht: Faserland
1.1. Autor und autobiografischer Gehalt des Textes
1.2. Inhaltsangabe
1.3. Orientierungslosigkeit: der Protagonist als `Suchender´
1.3.1. Identitätssuche
1.3.1.1. Die Namenlosigkeit des Protagonisten
1.3.1.2. Markenversessenheit
1.3.2. Bindungsprobleme
1.3.2.1. Das Verhältnis zu den Eltern
1.3.2.2. Die Unfähigkeit zur Freundschaft
1.3.3. Realitäts-, Zivilisations- und Weltflucht
1.3.3.1. Kindheitserinnerungen und Zukunftsträume
1.3.3.2. Alkohol und Erbrechen: von Reaktionen auf die Überflussgesellschaft
1.3.3.3. Abkehr vom `Fatherland´ und der Suizid
1.4. Faserland – ein Initiationstext?
2.Selim Özdogan: Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist
2.1. Autor und autobiografischer Gehalt des Textes
2.1.1. Özdogan und Migrationsliteratur
2.2. Inhaltsangabe
2.3. Zukunftsangst
2.3.1 Literatur als Refugium
2.3.2 Alkohol und Esther: von Mitteln der Betäubung
2.3.2.1. Sex
2.4. Verlustängste
2.4.1. Freundschaft
2.4.1.1. Suizid und Gewalt
2.4.1.2. Desillusionierung und Isolation
2.5. Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist – ein Initiationstext?
3. Benjamin von Stuckrad-Barre: Soloalbum
3.1. Autor und autobiografischer Gehalt des Textes
3.2. Inhaltsangabe
3.3. Einsamkeit
3.3.1. Ende einer Liebesbeziehung
3.3.2. Alkohol und Musik: von Spendern des Trostes
3.3.3. Ironie und Indifferenz als Resultat des Alleinseins
3.4. Soloalbum – ein Initiationstext?

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

„Wir sind wie Tom Hanks in Big. Kleine Jungen und Mädchen, die in Erwachsenenkörpern stecken und das Beste daraus machen müssen.“[1]

Mit diesen Worten beschreibt Laura in Nick Hornbys Pop-Roman High Fidelity[2] das typische Problem ihrer Generation, deren Mitglieder sich in einem „privilegierten und gleichzeitig beängstigenden Zustand des Nicht-mehr-und-noch nicht“[3] befinden. Protagonisten popliterarischer Texte zeichnen sich dadurch aus, dass ihr jugendliches Verhalten mit ihrem Erwachsenenstatus kollidiert. Durch das Aufwachsen in einer sich stetig verändernden und schnell wachsenden Medien- und Konsumgesellschaft in eine frühe Erwachsenenrolle gedrängt, holen sie sich nun, als “Post-Adoleszente“ zwischen Anfang Zwanzig und Mitte Dreißig, eben das zurück, was ihnen während der Adoleszenz verwehrt blieb: das kindliche Freiheitsgefühl durch die Abgabe jeglicher Verantwortung. Meist sozial isoliert befinden sie sich auf der Suche nach Bindungen, Orientierung und nicht zuletzt der eigenen Identität. Den Reifeprozess, der zum Erwachsensein bzw. zur Eingliederung in die Gesellschaft nötig ist und der eigentlich während der Pubertät bzw. der Adoleszenzphase hätte ablaufen sollen, erleben sie verspätet. Popliterarische Texte sind somit durch ihre jugendlichen bzw. jugendlich gebliebenen Protagonisten prädestiniert, um Initiationen (Übergänge) in Individuations- und Sozialisationsprozesse zu schildern.

Die Ausgangsfrage der vorliegenden Magisterarbeit[4] ist diejenige, ob der deutschsprachige Pop-Roman der Jahrtausendwende als Initiationstext gelesen und verstanden werden kann, d.h., ob sich das Thema der Initiation in diesem finden lässt. Zur Beantwortung dieser Frage werden drei ausgewählte Romane der jüngeren deutschen Popliteratur[5] auf diesen Gesichtspunkt hin untersucht. Es handelt sich hierbei um Christian Krachts Faserland (1995), der die Ära der neuen deutschen Popliteratur einläutete und somit von „initialer Bedeutung“[6] für die Generation nachfolgender junger Pop-Autoren war, Selim Özdogans Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist (1995) und Benjamin von Stuckrad–Barres Soloalbum (1998). Die Kriterien meiner Romanauswahl sind neben ihrem Erscheinungsdatum[7] und persönlichem Interesse auch pragmatischer Natur: Alle drei Autoren und ihre Protagonisten sind männlichen Geschlechts, was die Untersuchung erleichtert, da die gleichen Kriterien angewendet werden können und ein späterer Vergleich repräsentativ erscheint. Auf den Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Initiation (oder die Beschreibung männlicher Initiation aus der Sicht einer weiblichen Autorin wie z.B. in Alexa Henning von Langes Relax[8]) in der deutschen Popliteratur wird in dieser Arbeit, unter Berücksichtigung des Umfanges, nicht eingegangen. Die Arbeit gliedert sich in drei ungleich umfangreiche Teile, wobei das Hauptaugenmerk auf der Initiationsthematik (Teil I) und der eigentlichen praktischen Textuntersuchung (Teil III) liegt; im zweiten Teil der Arbeit werden knapp und präzise die Schwierigkeiten der Definitionsbestimmung des Pop-Begriffs aufgezeigt.

Teil I der Arbeit befasst sich mit der Initiationsthematik in der Literatur und nennt neben verschiedenen Definitionsansätzen auch Kriterien zur Untersuchung von Initiationstexten. Weiterhin werden Schauplätze, Handlungen und Nebeneffekte von Initiationserlebnissen erwähnt. Der erste Teil endet damit, dass die amerikanische[9] und deutsche Literaturgeschichte im Hinblick auf den Umgang mit der Initiationsthematik näher beleuchtet werden: Es werden ausgewählte Definitionsansätze, u.a. von Heinrich Kaulen, Carsten Gansel und Hans-Heino Ewers, zum Adoleszenzroman und Bildungsroman herangezogen, um Unterschiede zum Initiationsroman bzw. - text aufzuzeigen und eine Einordnung vorzunehmen. Weiterhin wird Bezug auf einige ausgewählte amerikanische Beispieltexte genommen, um den Stellenwert der Initiationsthematik in der US-Literatur zu verdeutlichen. Zu diesen Texten gehören Mark Twains The Adventures of Tom Sawyer und The Adventures of Huckleberry Finn, Kate Chopins The Awakening und J.D. Salingers The Catcher in the Rye. Die amerikanische Literaturgeschichte soll aus zwei Gründen in dieser Arbeit Erwähnung finden: Initiation und Probleme mit dem Erwachsenwerden sind Hauptthemen in über sechshundert Romanen und unzähligen Kurzgeschichten der amerikanischen Literatur spätestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts.[10] In Bezug auf die hier zu besprechende Thematik nimmt die US-Literatur daher eine Vorbildfunktion ein und hat umfassende Forschungsliteratur hervorgebracht, die bei der Untersuchung der deutschsprachigen Texte in Teil III herangezogen werden. Ein weiterer Grund ist die inhaltliche Nähe zwischen den Autoren Christian Kracht und Benjamin von Stuckrad-Barre zu ihren angeblichen Vorbildern Bret Easton Ellis und Nick Hornby[11], deren Protagonisten aus Less than Zero[12] und High Fidelity sich in vergleichbaren Lebensphasen befinden.

Diese beiden Autoren werden in Teil II der Arbeit berücksichtigt, in dessen Mittelpunkt das Phänomen Popliteratur zur Jahrtausendwende steht. Verschiedene Definitionsversuche von Pop und Popliteratur werden vorgestellt und neben der kurzen Erläuterung des Begriffs Pop-Roman wird die deutsche Popliteratur der Jahrtausendwende im Hinblick auf ihre charakteristischen Merkmale und Themen untersucht. Am Schluss dieses Kapitels wird die Frage aufgeworfen, ob es sich bei popliterarischen Texten der Jahrtausendwende um so genannte `verspätete´ Initiationsgeschichten handelt. Zur Klärung werden die vorherrschenden Themen innerhalb der Popliteratur betrachtet, die Nähe zu englischsprachigen Initiationsromanen von J.D. Salinger[13], Bret Easton Ellis und Nick Hornby aufgezeigt und auf das Problem der `Früherwachsenheit´ bzw. der daraus resultierenden `Post-Adoleszenz´ hingewiesen. Auf die Erwähnung der Ursprünge der Popliteratur, die Thomas Ernst im Dadaismus und sowohl innerhalb als auch außerhalb der literarischen Strömung der Beat Generation sieht, die Anfänge der Popliteratur in Deutschland mit ihrem wichtigsten Vertreter Rolf Dieter Brinkmann, Diedrich Diederichsens´ Unterscheidung in Pop I und II[14] und deren Folgediskussionen, sowie die aktuelle Diskussion über die Lebendigkeit der Popliteratur wird hier im Hinblick auf die gewählte Fragestellung verzichtet.[15]

In Teil III der Arbeit liegt der Fokus auf der Interpretation und inhaltlichen Analyse der ausgewählten drei Romane. Die Romane werden, chronologisch nach dem Jahr ihres Erscheinens geordnet, vorgestellt, indem erst auf den Autor und den autobiografischen Gehalt des Textes eingegangen wird, bevor eine kurze Inhaltseingabe die Textuntersuchung einleitet. Innerhalb dieser werden dann hervorstechende romanspezifische Themen und Merkmale erarbeitet, die jeweils in eigene Unterkapitel gegliedert sind, und die neben einem genaueren inhaltlichen Überblick auch Aufschluss über den Ablauf des Reifeprozesses des Protagonisten geben. Im letzten Unterkapitel jeder Romanuntersuchung wird der jeweilige Text unter initiatorischen Aspekten beleuchtet: Es wird geklärt, ob die in Kapitel I.1.3. erarbeitete Definition von Initiation hier zutrifft und wenn ja, inwiefern die vier Untersuchungskriterien von Peter Freese anwendbar sind. Zudem werden untersucht welche von Peter Freese[16], Mordecai Marcus[17], Ina Bergmann und R.W.B Lewis[18] entwickelten Arten von Initiation (vgl. Kap. I.2.) im Roman vorliegen.

Da die Initiationsthematik “a favourite with American authors“[19] ist, und die amerikanische Literaturgeschichte das gemeinsame Forschungsgebiet der o.g. Literaturwissenschaftler[20] ist, kommen die von ihnen entwickelten Kriterien und Definitionen hier zur Anwendung.

Teil I: Die Initiationsthematik in der Literatur

1. Initiation – einige Definitionsansätze

Der Begriff Initiation wird nicht nur in der Literaturwissenschaft benutzt, sondern unter anderem auch in den Feldern der Anthropologie, Mythologie und Religion[21]. Im Deutschen ist Initiation hauptsächlich als ein Fremdwort innerhalb der vergleichenden Religionswissenschaft und der Anthropologie bekannt; im angelsächsischen und romanischen Sprachraum ist es dagegen ein normal verwendetes Substantiv, das Vorgänge wie `Einführung´ oder auch `Einleitung´ bezeichnet. Ethnologen, Anthropologen, Theologen, Soziologen und auch Psychologen mögen sich sicher sein, was, zumindest innerhalb ihres Bereiches, mit dem Wort Initiation bezeichnet werden soll; innerhalb der literaturwissenschaftlichen Forschung differieren die Definitionen jedoch.[22] Es erscheint daher sinnvoll, sich erst einmal mit dem Ursprung des Wortes und seinen Bedeutungen zu befassen. Der Terminus Initiation kommt vom lateinischen initium (= `Anfang´) und bedeutet soviel wie Einführung in ein Wissensgut, Einweihung in eine Wissenschaft bzw. Einweihung als Segnung oder Ordinierung. Im profanen Bereich meint Initiation eine Einführung in etwas Neues. Webster´s Dictionary definiert den Begriff wie folgt:

1a: the act or an instance of formally initiating (as into an office, sect, or society):

the process of being formally initiated

1b (1): the rites, ceremonies, ordeals, or instructions with which one is made a

member of a sect or society or is invested with a particular function or status

1b (2): the ceremonies and ordeals with which a youth is formally invested with

adult status in a primitive community

1c (1): the process or an instance of being initiated into some experience or sphere

of activity: INTRODUCTION

1c (2): the condition of being initiated or an initiate: KNOWLEDGEABLENESS

2: the act, process, or an instance of beginning, setting foot, or originating: the

condition of being begun: ORIGINATION, BEGINNING.[23]

Initiation bezeichnet die Einführung eines Außenstehenden in eine Gruppe oder Gemeinschaft bzw. seinen Aufstieg in einen anderen personellen Seinszustand, z.B. vom Kind zum Mann. Der Initiationsritus gestaltet die Initiation. Der Initiand wird durch die Initiation verändert, gegebenenfalls “stirbt“ sein altes Ich symbolisch. Danach tritt er in eine "neue Welt"ein, weshalb bei vielen Initiationsriten eine symbolische Geburt vollzogen wird. Spirituelle Beispiele für Initiationsriten sind u.a. die christliche Taufe, Kommunion, Konfirmation und Firmung oder im Judentum die Bar Mizwa für 13-jährige Jungen bzw. die Bat Mizwa für Mädchen. Diese Riten haben aufgrund ihrer Symbolkraft initiierenden Charakter. Hierbei tritt die spirituelle Bedeutung in den Mittelpunkt der Zeremonie. Der Errettung der Seele durch die Aufnahme in den Kreis der Gläubigen ist für viele Religionen das zentrale Element einer Initiation. Nichtreligiöse Beispiele für Initiationsriten sind z.B. Angst-, Ausdauer- und Schmerzproben, Körperverletzung oder Verstümmelungen, wie man sie z.B. bei Naturvölkern findet.[24] In der westlichen zivilisierten Welt finden sich Initiationsformen in der Berufswelt (z.B. in Form der Gesellenprüfung oder dem Universitätsdiplom), in der Schule (die Aufnahme in die Klassengemeinschaft) oder bei Studentenverbindungen, Orden oder Sekten, deren Aufnahmezeremonien festgelegte Initiationsrituale beinhalten. Innerhalb von Studentenverbindungen werden Neumitglieder nach einer Probezeit von ein bis zwei Semestern vom Status des Fux oder Fuchs mittels einer Burschung genannten Initiation zum Vollmitglied ernannt.[25] Diesen Ausformungen ist noch der military initiation process hinzuzufügen. Der Zivilist wird hier seiner individuellen Identität entkleidet und zum normierten Mitglied einer Truppe transformiert, wobei das Abscheren der Haare deutliche Parallelen zu primitiven Initiationsabläufen aufweist. Hier wird mit der äußeren Veränderung zugleich eine innere Wandlung bewirkt. Eine andere Form des Initiationsprozesses ist die typisch amerikanische Form des gesellschaftlichen Debüts. Im Verlauf einer einjährigen Initiationsperiode, der Saison, werden die höheren Töchter formell in die Gesellschaft eingeführt. Diese Einführung beginnt mit einem Ball, auf dem die Debütantinnen als Bewerberinnen für das Erwachsensein und dessen greifbarste Verwirklichung, der Heirat, vorgestellt werden, gipfelt nach der Graduierung von der High School in einer Introduction Party, dem ritualisierten Abschied von der Kindheit und Unselbstständigkeit, und endet nach einer Saison voller gesellschaftlicher Verpflichtungen, Begegnungen und Lernerlebnisse in einem erneuten Ball, auf dem die Mädchen in die Freiheit und Selbstverantwortung erwachsener Existenz entlassen werden. Der Director of Debutante Parties spielt dabei die Rolle des Initiationshelfers, weshalb dieses Ritual als eine moderne Variante der Stammesinitiation verstanden werden kann. Initiationsrituale sind auch bei (Jugend-) Banden üblich, wobei der Anwärter gewöhnlich eine Mutprobe (z.B. Diebstahl) bestehen muss. Auch werden Neuankömmlinge vor Ekel- und Gewaltproben gestellt, um ihre Unterwerfung zu erzwingen. Diese geschilderten Initiationsprozesse sind daher genauer als Sozialisationsprozesse zu bezeichnen. Die rituelle Neugeburt zu erwachsener Existenz wird abgelöst durch einen Prozess der schrittweisen Aneignung der Informationen und Techniken, Rollen und Werte der Gesellschaft, in die der - meist junge - Mensch so hineinwachsen muss, dass er in ihr “funktionieren“ kann. Aus einem gemeinschaftlichen Ritus ist in der zivilisierten modernen Welt ein individuell durchlaufener Lernprozess geworden. Der moderne Sozialisationsprozess kann also als ein individualisierter, differenzierter und verinnerlichter Initiationsvorgang betrachtet werden, der entritualisiert ist und damit an Konkretheit verloren hat, der entinstitutionalisiert wurde und damit seiner leitenden Funktion verlustig ging, und der entmythologisiert bzw. entheiligt wurde und damit seiner transzendenten Bedeutung beraubt wurde. Diese Veränderungen bedeuten besonders für Jugendliche zwar einen größeren Spielraum für die individuelle Entfaltung, aber sie bewirken andererseits, dass die Aufgabe des Heranwachsens immer schwieriger wird und immer größere Anforderungen stellt. Die Adoleszenz, die in vielen Kulturen eine völlig unproblematische Lebensphase ist, ist daher für die modernen westlichen Gesellschaften zu der krisenhaften und konfliktgeladenen Entwicklungsstufe par excellence geworden.[26]

1.1. Der anthropologische Begriff der Initiation

Innerhalb der Literaturwissenschaft beschreibt der Terminus Initiation die Thematik des Heranwachsens und die damit verbundenen Probleme der Identitätsfindung. Allerdings ist er in seiner Bedeutung umstritten und durch unterschiedliche Verwendung, z.B. als Synonym für `Adoleszenz´ oder `Pubertät´, recht vage geblieben.[27] Die Literaturwissenschaft vermischt Aspekte des anthropologischen Begriffs der Initiation und der Adoleszenz, um ihren eigenen Terminus von Initiation zu definieren.[28] Daher gilt es, zuerst den Begriff der Initiation aus anthropologischer Sicht zu klären: Ursprünglich bezeichnete initia (von lateinisch `inire´, `hineingehen´) den Eintritt in die orientalischen und hellenistischen Mysterienkulte. Nachdem der französische Jesuit und Missionar Joseph Francois Lafitau 1724 diesen Begriff auf bestimmte Reifezeremonien kanadischer Indianer angewandt und ihn als „le principe, le commencement, l´entrée de la vie“[29] bezeichnet hatte, erlangte er schließlich den Status eines anthropologischen Fachterminus. In der Anthropologie bezeichnet Initiation die bei primitiven Völkern angewandten zeremoniellen Riten, die den Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter und zur vollen Mitgliedschaft in der Stammesgesellschaft bilden. Sie sind zeitlich eng begrenzt und beinhalten meist Eingriffe an verschiedenen Stellen des Körpers, z.B. Beschneidungen, außerdem Fasten sowie Isolation und Einführung in den geheimen Stammesglauben. Funktion dieser Riten ist es vor allem, die Ausdauer des Heranwachsenden zu testen, sich seiner Loyalität gegenüber dem Stamm zu versichern und damit die Macht der Gemeinschaft der Erwachsenen zu erhalten.[30] Der Verlauf der Initiation ist hier dreiphasig: Zu Beginn werden die Initianden von den übrigen Stammesgenossen getrennt, vor allem von den Müttern. Diese Trennung wird als symbolischer Tod aufgefasst. Ihr folgt die Phase des Übergangs, in der der Jugendliche gewöhnlich durch einen älteren, meist männlichen Mentor auf das Leben der Erwachsenen vorbereitet wird und die er im Wald oder einer dunklen Hütte verbringt. Der Initiationsvorgang endet mit der Rückkehr und Eingliederung in den Stamm, die zeremoniell als Wiedergeburt gefeiert wird. Der zum Mann Gereifte erhält schließlich einen festen Platz in der Gemeinschaft.[31] Peter Freese fasst dies folgendermaßen zusammen:

„An initiation is thus no longer […] voluntarily and totally independent of the novice´s age, but it is a collective tribal ceremony which is obligatory for all male or female members of the community, which has to be undergone at a certain age, and through which the social, sexual, psychological and religious development of a new generation is directed into channels conducive to the peaceful perpetuation of the tribal culture. Primitive societies (and `primitive´ is here used in the value-free sense of anthropology) do not know the transitional phase of adolescence: the child becomes, through the very ceremony of initiation, an adult.”[32]

Die Initiationen machen das geschlechtslose und verantwortungsfreie Kind zum sexuell aktiven und verantwortungsvollen Mann, den Abhängigen zum Freien, den natürlichen und profanen zum kulturtragenden und “heiligen“ Menschen. Sie stellen die Entwicklung des Einzelnen in den größeren Zusammenhang nicht nur seiner Generation, sondern der Stammesgeschichte, des Naturgeschehens und des kosmischen Entwicklungsablaufs. Wo es Initiationen gibt, sind von der Norm abweichende individuelle Entwicklungen zwar kaum möglich, aber Wachstumskrisen und Jugendprobleme sind dafür unbekannt.[33] In der modernen Gesellschaft finden sich, wie schon in Kapitel I.1. erläutert, Aufnahmezeremonien mit Ritualcharakter, neben religiösen Initiationen wie Taufe, Beschneidung, Kommunion, Jugendweihe, Firmung oder Konfirmation, nur noch bei Studentenverbindungen, Freimaurerlogen oder jugendlichen Mutproben. Der Aspekt des Rituals wird mehr und mehr durch Erfahrung ersetzt, obwohl sich während der Analyse der Romane zeigen wird, dass einige Aspekte des oben beschriebenen Initiationsrituals, wie z.B. die Trennung von Bezugspersonen oder der Rückzug aus der Gesellschaft in die Isolation, immer wieder auftauchen.

1.2. Der Begriff der Adoleszenz

Auch wenn sich die Definition von Adoleszenz häufig mit dem literarischen Konzept der Initiation deckt, sollten die beiden Termini jedoch als unterschiedlich betrachtet werden. Das Wort selbst wird von dem lateinischen Begriff adolescere, was `wachsen´ bedeutet, abgeleitet und bezeichnet laut Annette Dahmen-Eisenberg den Übergang von der Pubertät zum reifen Erwachsenenstatus:

„Adoleszenz [ist ein] bedeutsames Stadium der Persönlichkeitsentwicklung, an dessen Endpunkt das Erwachsenenalter beginnt. […] Adoleszenz, die auf die Aufgaben des Erwachsenenalters vorbereitet, ist demzufolge ein Zustand der “transition“ zwischen Kindheit und Erwachsensein, in dem bestimmte, an die Jugendlichen gerichtete sogenannte Entwicklungsaufgaben erfüllt werden müssen.“[34]

Carsten Gansel sieht die „Vielschichtigkeit von Adoleszenz“ auf folgenden Ebenen: „Physiologisch umfasst Adoleszenz die Gesamtheit der somatischen Veränderungen, wobei die körperliche Entwicklung wie die sexuelle Reifung von besonderer Bedeutung sind. Psychologisch meint Adoleszenz den Komplex individueller Vorgänge, die das Erfahren, die Auseinandersetzung und Bewältigung somatischer und sozialer Veränderungen betreffen, […].“Soziologisch betrachtet, definiert Gansel Adoleszenz als das Stadium, in dem Jugendliche oft mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert werden, sich nach Möglichkeit eigenverantwortlich und realitätsgerecht in die Erwachsenenwelt hineinzufinden.[35] Es ist eine Lebensphase, in der sich der ambivalente Adoleszent nach Freiheit sehnt und Autorität sucht, sich zwischen zwei Welten, der Vergangenheit und der Zukunft, gefangen fühlt und durch Rollenexperimente versucht, eine Balance in seinem Leben herzustellen.[36] Adoleszenz ist daher nicht als ein Stadium, sondern vielmehr als ein Prozess der Erkenntnis und der Anpassung zu verstehen, der ein „Wachsen des Selbst“, bzw. eine Initiation mit einschließt.[37] G. Stanley Halls´ Studie Adolescence:Its Psychology, and its Relations to Physiology, Anthropology, Sociology, Sex, Crime, Religion, and Education definiert Adoleszenz als eine dramatisch von der Phase der Kindheit abweichende Stufe der Entwicklung und als einen längeren Zeitraum physischen und psychischen Wachstums. Für Hall ist sie eine Zeit der Turbulenzen; der Heranwachsende erfährt eine Vielzahl von Gegensätzlichkeiten und oszilliert zwischen „antithetic impulses“[38], wie Trägheit und Begeisterung, Selbstbewusstsein und Bescheidenheit, Egoismus und Altruismus. Der Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein wird also als längerer, oft Jahre dauernder Reifungsprozess und als entscheidende Phase im Leben eines Menschen angesehen und ist nicht, wie in der Anthropologie, ein zeitlich eng begrenztes oder sogar punktuelles Ereignis.[39]

1.3 Initiation als literaturwissenschaftlicher Terminus

Seit den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts wenden Literaturwissenschaftler den aus der Anthropologie entlehnten Begriff der Initiation auf die Literatur an. Als zeitlich frühester Beleg innerhalb der Literaturkritik für die Benennung der Initiation als literarische Form oder einen Vorgang gilt Cleanth Brooks´ und Robert Penn Warrens Interpretationsband Understanding Fiction, in dem sie Hemingways The Killers als „the story of the process of the initiation, the discovery of evil and disorder, and the first step toward the mastery of the discipline [the code]”[40] beschreiben. In Bezug auf seine eigene Initiationsgeschichte verweist Robert Penn Warren in seinem Essay `Blackberry Winter´: A Recollection auf den Ursprung des Terminus, indem er erklärt, dass es sich bei der Erfahrung, die der Protagonist macht, um „what the anthropologists call a rite of passage“[41] handle. Ina Bergmann erwähnt in der bearbeiteten Fassung ihrer Dissertation And Then the Child Becomes a Woman. Weibliche Initiation in der amerikanischen Kurzgeschichte 1865-1970 u.a. Hans-Günther Kruppa, der die Initiationsgeschichte wie folgt definiert:„Hier werden Kinder und heranwachsende junge Menschen mit ihnen bis jetzt unbekannten Problemen konfrontiert, durch irgendein erschütterndes Ereignis werden sie – oft recht unsanft – auf dem Weg zur eigenen Ichfindung ein Stück weitergeschoben.“[42] Adrian H. Jaffe und Virgil Scott stellen in Studies in the Short Story die These auf, bei der Initiation handle es sich um einen Lernprozess, in dem der Initiand Wissen erlangen muss, bevor er vollständig in die Gemeinschaft der Erwachsenen aufgenommen werden kann. So heißt es: „[A]n initiation story [is] a story of dealing with growing up – that is, it is concerned with the emotional problems of a character who suddenly, by means of a crisis situation, learns something important about life of which he has been heretofore unaware.“[43] Der Autor Ray B. West beschreibt in The Short Story in America 1900-1950[44] die Initiationsgeschichte als „[a]kind of story [that]usually portrays the progress of a character from innocence to knowledge”.[45] In Die Initiationsreise. Studien zum jugendlichen Helden im modernen amerikanischen Roman listet Peter Freese einige Romane auf, in denen der Begriff Initiation auf die verschiedensten Vorgänge angewendet wird. Die Belege reichen dabei von einer allgemeinen Verwendung des Begriffs, bei der Initiation kaum mehr ist als ein Synonym für `Einführung ´, bis hin zu einer speziellen Verwendung, bei der Initiation die konkreten Einweihungsriten in Bünde und Bruderschaften bezeichnet. Zwischen diesen beiden Extremen liegen die weiteren Bedeutungen, welche die Einführung in neue Lebens- und Erfahrungsbereiche wie den der Sexualität und des Alkoholgenusses oder die Lebensart fremder Länder und die Erlangung neuer Einsichten und Erkenntnisse bezeichnen. Der Begriff entspricht hier nicht mehr seiner ursprünglichen ethnologisch-anthropologischen Bedeutung eines punktuellen Ereignisses im Leben eines Heranwachsenden, das an einen einmaligen Akt der Einführung in eine neue, veränderte Sozialform gebunden ist, sondern wird sehr weit gedehnt. Freese bezeichnet den Vorgang der Initiation als „Bewegung von einer Welt in eine andere, die Überschreitung der Grenze zwischen zwei Lebensbereichen” und weiterhin als einen „menschlichen Wandlungs- und Entwicklungsvorgang, der sich im innermenschlichen Bereich als Individuationsprozess“ vollzieht. Ergebnis ist eine so vollständige, existenzielle Wandlung, dass sie mit dem „Tod des alten und der Wiedergeburt des neuen Menschen symbolisiert wird“.[46] Er fasst weiterhin die Untersuchungsergebnisse von etwa einhundert amerikanischen und englischen Kritikern im Hinblick auf Initiationsgeschichten zusammen und nennt vier wichtige Aspekte, die die Analyse von Initiationstexten vereinfachen sollen:

Zum einen kann Initiation einen schmerzhaften und desillusionierenden Prozess der „Entdeckung der Existenz des Bösen“[47] in der Welt darstellen: Der (unschuldige) Protagonist wird mit Schuld, Einsamkeit oder dem Verlust eines Vorbilds konfrontiert, was als schockierendes Erlebnis angesehen werden kann. Diese Konfrontation markiert den ersten Schritt des Protagonisten auf seinem Weg hin zum Selbstverständnis. Die Figur erhält Einblick und Erfahrung und geht einen entscheidenden Schritt innerhalb des eigenen Reifeprozesses. Das Wissen um die Existenz des Bösen und das eigene Vermögen, mit diesem Wissen umzugehen und leben zu können, ist es, was den gereiften Charakter auszeichnet. Initiation wird also als ein Erkenntnisprozess und Erfahrungsgewinn dargestellt und damit als eine wichtige Phase der menschlichen Entwicklung von der Kindheit zum Erwachsensein bezeichnet.

Ein zweiter Aspekt des Initiationsvorganges ist der „Verlust der Unschuld und Gewinn der Reife“.[48] Das Augenmerk wird hier nicht so stark auf die Bekanntschaft mit dem Bösen als Initiationsmoment gelegt, sondern vielmehr auf die Effekte und Nachwirkungen dieser Erfahrung. Das Ergebnis des Erkenntnisprozesses steht somit im Mittelpunkt. Zusammenfassend beschreibt Freese den Verlust der kindlichen Unschuld als das entscheidende Moment der Initiation, was sowohl positiv als auch negativ gesehen werden kann: Im positiven Sinne kann die Initiation als Voraussetzung für den Übergang in eine reifere Existenzphase gesehen werden, d.h. als ein Ereignis, dem man hoffnungsvoll entgegentreten kann. Andererseits markiert der Übergang in die Erwachsenenwelt auch den endgültigen Verlust der Kindheit und der damit verbundenen Sorglosigkeit. Dieses Trauma, das Paradies der Kindheit auf ewig verloren zu haben, ist ein schmerzhafter, jedoch notwendiger Prozess, um Reife und damit eigene Identität zu erlangen. R.W.B. Lewis charakterisiert diese beiden Haltungen als die `Party of Memory´ und die `Party of Hope´.[49] In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach dem Resultat des Initiationsprozesses, d.h., ob es zum Erfolg oder Scheitern der Initiation kommt. Dies kann niemals allein von dem Initianden[50] selbst beantwortet werden, sondern muss immer in Beziehung zur jeweils vorhandenen Gesellschaft und zur Stellung des Initianden in ihr gesetzt werden. Dem dritten Aspekt, der “Einführung in die Gesellschaft“[51], kommt daher eine große Bedeutung zu, da neben den bisher betrachteten individualpsychologischen Aspekten die Initiation auch immer einen wesentlichen sozialen Aspekt hat. Initiation wird als ein Prozess angesehen, durch den der Protagonist sozialisiert wird, d.h. zum vollständigen Mitglied einer vorhandenen Gesellschaft geformt wird indem er in seine Rechte und Pflichten eingeführt und mit dem gesellschaftlichen Verhaltenskodex konfrontiert wird, dem er sich von nun an zu fügen hat. Leslie Fiedler sieht die Initiation demnach als „fall through knowledge to maturity“[52] und Stanley Trachtenberg definiert den Vorgang als „aquiring through trial and suffering the wisdom of the community, a movement from innocence to experience.”[53] Ein Problem, das sich aus dieser Definition der Initiation in dieser seiner sozialen Bedeutung heraus ergibt, ist z.B., dass diese sowohl auf die Eingliederung eines Tom Sawyers in die Gesellschaft als auch auf die Flucht eines Huckleberry Finn aus der Gesellschaft angewandt wird. Für Romane mit entgegengesetzten Handlungsverläufen wird also derselbe Begriff benutzt, was R.W.B. Lewis zu der Unterscheidung zwischen initiation und denitiation, d.h. also der Initiation weg von der Gesellschaft, brachte. Diese Unterscheidung der beiden Hauptrichtungen der durch den Initiationsvorgang ausgelösten Entwicklung ist nur durch die Betrachtung des sozialen Aspekts der Initiation möglich geworden. Sie betrifft zunächst allerdings nur das Ergebnis, d.h., ob es zur Vergesellschaftung oder zur Vereinzelung kommt, nicht aber den Erfolg oder Misserfolg des Initiationsvorgangs. Es wird nicht unterschieden, ob dieses jeweilige Ergebnis ein erfolgreiches und erfülltes oder ein erfolgloses und gescheitertes Leben bedingt oder ob die Darstellung eines solchen Vorgangs an einem Punkt endet, an dem diese Frage offen und unbeantwortet bleibt. Welches dieser Ergebnisse eintritt, wird einerseits durch die Umwelt beeinflusst – ob Huck Finns denitiation erfolgreich genannt werden kann, hängt z.B. mit seinen Überlebenschancen im “territory“ zusammen -, ist aber andererseits auch davon abhängig, inwieweit der Initiand seine schockhaften Erfahrungen verwinden und seine Individuationskrise überstehen kann. Das führt zum vierten und letzten Aspekt der Initiation: der Selbstfindung.[54]

Ray B. West beschreibt die Initiation nicht nur als Entdeckung des Bösen, sondern zugleich als „an important stage in the process of self-understanding"[55], James E. Miller Jr. nennt sie „a voyage...of selfdiscovery"[56] und Brooks und Warren sprechen von einem „first step toward the mastery of discipline"[57]. Damit haben sie auf die Bedeutung der Initiation als ein wesentliches Ereignis innerhalb des menschlichen Entwicklungsprozesses hingewiesen und sie als einen wichtigen Schritt auf der Reise zur Selbstfindung und Selbstverwirklichung bestimmt. Diesen Aspekt stellt auch Paul Levine in den Vordergrund, wenn er sagt: „The story of initiation is the search for identity“. Levines Definition ist deshalb auch besonders interessant, weil sie folgendes Gedankenspiel zulässt: Wenn die Initiation eine Suche ist, heißt das, dass sie durch den sich auf die Suche begebenden Initianden selbst in Gang gesetzt werden kann, was wiederum bedeutet, dass man zwischen einer freiwilligen und einer gezwungenen Initiation, d.h. dem „adolescent who struggles for maturity“ und dem „adolescent actively or passively resisting initiation“, unterscheiden muss. Initiation ist demzufolge ein individualpsychologisch zu betrachtender innermenschlicher und ein soziologisch zu deutender zwischenmenschlicher Vorgang, der sich in verschiedenen Stadien entwickelt. Freeses 1986 entwickelte working definition des Begriffs bündelt alle Elemente der seiner Untersuchung vorangegangenen Diskussion und zeigt seine eher phänomenologisch zu bezeichnende Sichtweise:

„The protagonist of a story of initiation belongs to the transitory phase of `adolescence´. He gains his experiences in the course of a journey which consists of the three phases of exit, transition, and (re-) entrance and leads the protagonist from innocence to experience. During this – real or metaphorical – journey the initiate experiences different, mostly unexpected, bewildering and disillusioning confrontations with representatives of a world hitherto unknown[58], and is exposed to the various temptations of a devilish tempter figure but can, on the other hand, find help and advice from a fatherly or motherly mentor. The initiate´s experiences culminate in recognition or an insight bringing about an irreversible change, which often refers to the painful discovery of the disparity between appearance and reality.”[59]

Freese legt in dieser Definition die Phase, in der die Initiation stattfindet, in die Adoleszenz, konstatiert einen dreiphasigen Verlauf einer Initiationsreise[60] und betont die Figuren des tempter und mentor. Freeses Begriffsbestimmung kann allerdings nicht unreflektiert übernommen werden, weil in dieser das Phänomen auf die pubertäre Initiation reduziert wird. Freese unterschlägt, dass Existenzwenden auch über das Jugendalter hinaus nachweisbar bleiben, und auch andere Literaturwissenschaftler beziehen diesen Aspekt nicht in ihre Begriffsbestimmung mit ein. Definieren wir Initiationsmomente jedoch als Momente des Erwachens, in denen neue Erkenntnisse gewonnen, Ideen geformt, Mut bewiesen und Schwächen wie Stärken erkannt und genutzt werden, ist eine Beschränkung auf eine festgelegte Altersspanne zu einseitig und eng, da Lernprozesse sowohl in jungen wie auch in reiferen Jahren möglich sind und nicht durch eine fiktive Altersgrenze aufgehalten werden können. Die Meinung, dass der Prozess der Initiation im Hinblick auf das Alter des Initianden unbeschränkt ist, vertritt auch Joseph Campbell, der Initiation in The Hero with a Thousand Faces als „Entwicklungsstufe, die in jeglichem Lebensalter auftreten kann“[61] beschreibt. Es finden sich durchaus mehrere Geschichten, deren Helden Erwachsene mittleren Alters sind und die ebenso einschneidende Veränderungen bezüglich ihres Wissens und ihrer Charakterbildung durchlaufen.[62] Goetsch schreibt hierzu: „[M]anche Autoren [stellen] Erwachsene in den Mittelpunkt von Initiationsgeschichten […]. Die Probleme des Jugendlichen sind auch noch jene des Erwachsenen, der verwirrt nach Maßstäben und Leitbildern für sein Verhalten sucht.“[63]

Als letzter Punkt ist nun noch der Aspekt der Initiationsdauer zu nennen. Freese nimmt hier eine klare Position ein, wenn er schreibt, dass „an individual´s initiation is not limited concerning duration.“ Dadurch, dass sich der Reifeprozess nach seiner Auffassung in verschiedenen Stadien entwickelt, ist es nicht möglich „to find one certain moment of conclusion in this process”.[64] Wie auch Freese sieht Bergmann den Initiationsvorgang als eine Phase der Entwicklung, in der nicht ein punktuelles Ereignis den Übergang von der Adoleszenz in die Erwachsenenwelt bedingt, sondern vielmehr eine Vielzahl an verschiedenen prägenden Momenten. Diese Aussage unterstreicht auch sie wenn sie sagt, dass im 20. Jahrhundert „erste Liebe, Schulabgangsfeier, Führerscheinprüfung, erste eigene Wohnung, Berufseinstieg usw. zu Eckpunkten des Lebens werden“, die als entscheidende Initiationsmomente gelten.[65] Jeder dieser genannten “Eckpunkte“ kann als ein Etappensieg auf dem Weg zur Persönlichkeitsfindung gesehen werden, an dem die Person sich einer unbekannten Situation gegenübersieht, sich dieser stellt und somit ihren Erfahrungsschatz erweitert. Jedes Ereignis, das eine neue Phase für den Protagonisten bzw. Initianden einläutet und somit seine Entwicklung vorantreibt, kann folglich als initiatorisches Ereignis gesehen werden.[66] Im Laufe dieser Arbeit soll Initiation bzw. die Initiation im literarischen Text folgendermaßen verstanden werden:

Initiation ist ein wechselseitiger Vorgang, der sich zwischen Individuum und Gesellschaft vollzieht, d.h., zwischen dem Ich und der ihm gegenüberstehenden Welt. Dem Initianden können dabei ein oder mehrere Mentoren hilfreich zur Seite stehen. Die Initiation ist im Hinblick auf ihre Dauer und das Alter des Initianden unbeschränkt. Sie ist sowohl ein schmerzhafter, desillusionierender Prozess der Entdeckung des Bösen in der Welt als auch notwendige Voraussetzung für den Übergang in eine reifere Existenzphase. Sie markiert den Übergang in die Erwachsenenwelt und den endgültigen Verlust der Kindheit und ist somit als Suche nach Selbstfindung und Selbstverwirklichung deklarierbar, die sowohl freiwillig als auch erzwungen sein kann. Dabei ist nicht entscheidend, ob sie als dynamischer Verlauf (im Sinne einer realen oder imaginierten Reise) oder punktuelles Ereignis (im Sinne eines Schockerlebnisses) verstanden wird. Ausschlaggebend ist, dass die Überschreitung der Grenze zwischen zwei Lebensbereichen, d.h. der Wechsel von einer Existenz- oder Bewusstseinsform in eine andere, Konsequenzen für das Bewusstsein oder Verhalten des Initianden hat. Diese Veränderung bzw. eine deutliche Tendenz in diese Richtung muss im Text erkennbar sein.[67]

1.3.1. Initiation story und novel of initiation

Es gibt zwei Bedingungen, die ein Initiationstext, sei es eine story oder eine novel, in jedem Falle erfüllen muss: 1. Im Text muss ein Protagonist vorgestellt werden, der sich, freiwillig oder unfreiwillig, auf dem Weg in eine andere Lebensphase befindet, und 2. muss der Text eine Situation kreieren, die für den Protagonisten die Möglichkeit der Entwicklung bereithält. Diese muss einen erkennbaren und unumkehrbaren Wandel des Protagonisten zur Folge haben.[68] Ist diese Voraussetzung erfüllt, unterscheidet die amerikanische Forschungsliteratur zwei Arten von Initiationstexten: die initiation story und die novel of initiation. Die Kurzgeschichte (initiation story) ist die für die amerikanische Literatur typischste Form der Beschäftigung mit der Initiationsthematik, „begegnet man hier Initiationen doch ungleich häufiger und prägnanter als im Roman.“[69] Aus Bergmanns Sicht ist der Begriff Initiationsroman (= ` novel of initiation´) insofern irreführend, als dass im Roman immer eine prozessuale Entwicklung beschrieben wird und daher die Bezeichnungen Entwicklungsroman, Bildungsroman und Adoleszenzroman zur Definition dieser Art von Texten ausreichen. Weiter heißt es: „Das Initiationskonzept sollte ausschließlich auf Kurzgeschichten angewandt werden, denn initiation bezeichnet einen Wendepunkt oder den Höhepunkt dieser Entwicklung. Die Kurzgeschichte hat ja auch allgemein – bezogen auf die Lebensgeschichte des Protagonisten – immer nur Ausschnittscharakter, der Roman umspannt nicht selten das gesamte Leben einer Figur“.[70] Für die hier behandelten deutschsprachigen Pop-Romane gilt diese Feststellung allerdings nicht. Wie im Verlauf der Arbeit aufgezeigt wird, entsprechen die Pop-Romane lediglich in Bezug auf ihren größeren textlichen Umfang Bergmanns Romandefinition. Strukturell wird aber eine deutliche Parallele zur amerikanischen Kurzgeschichte erkennbar: Alle vier hier thematisierten Pop-Romane behandeln nur einen kurzen Ausschnitt im Leben der Figur. Die erzählte Zeit umfasst meist einen kurzen, überschaubaren Zeitraum zwischen lediglich wenigen Tagen (Faserland) hin bis zu einem Jahr (Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist). Ausnahmen bilden lediglich die ab und an erwähnten Kindheits- und Jugenderinnerungen. Der Pop-Roman scheint in diesem Sinne also eine Art Mischform zu sein, weshalb Bergmanns These, zumindest für Untersuchungen des deutschsprachigen Pop-Romans, nicht haltbar ist.

Zusammengefasst kann Folgendes festgehalten werden: Innerhalb der amerikanischen Literaturforschung spielt die Differenzierung der beiden Begriffe eine große Rolle. Für meine Untersuchung des deutschsprachigen Pop-Romans ist diese Unterteilung jedoch nicht von großer Bedeutung. Alle vier Pop-Romane weisen sowohl Merkmale der novel of initiation, im Hinblick auf den Textumfang, als auch der initiation story, in Bezug auf den im Werk behandelten relativ kurzen Lebensabschnitt der Figuren, auf. Die Frage, ob es sich beim deutschsprachigen Pop-Roman um eine Mischform handelt oder nicht, ist hier allerdings zweitrangig. Keiner der beiden Begriffe ist hundertprozentig und ohne Einschränkungen anwendbar, weshalb im Folgenden der – neutrale – Begriff Initiationstext verwendet werden soll.

2. Kriterien zur Typisierung von Initiationen

Um bei der Anwendung des Initiationsbegriffs auf literarische Texte klären zu können, um welche Art von Initiation es sich im jeweiligen Text handelt, gibt es vier Kriterien der Typisierung: Freiwilligkeit (freiwillige und unfreiwillige Initiation), Tätigkeit (aktive und passive Initiation), Ergebnis (unsichere, unabgeschlossene und vollzogene Initiation) und Bewertung (positive und negative Initiation bzw. Denitiation oder ` negative Identitätsfindung ´). Weiterhin unterscheidet man zwischen Initiationen mit Mentor und ohne Mentor bzw. mit tempter figure und ohne tempter figure. Diese von Freese, Marcus, Bergmann und Lewis entwickelten Kategorien werden im Rahmen dieser Untersuchung angewendet.[71]

2.1. Freiwillige und unfreiwillige Initiation

Bei dieser Art der Initiation entscheidet sich der Initiand aus freiem Willen für die Eingliederung in die Gesellschaft. Das Augenmerk liegt dabei aber hauptsächlich auf dem Einsatz, den der Charakter zeigt, und nicht auf dem Endergebnis: So ist es ebenfalls im Bereich des Möglichen, dass trotz passioniertem Einsatz die Initiation fehlschlägt.[72]

[...]


[1] Hornby, Nick: High Fidelity. London:Indigo.1995.S.247.

[2] Nick Hornby wird meist im popliterarischen Kontext zur Kenntnis genommen. Vgl. dazu Nünning, Vera: Brit-Pop im literarischen Gewand? Erzählerische Vermittlung und die Inszenierung ethischer Fragen in Nick Hornbys About a Boy. In: Literatur in Wissenschaft und Unterricht / hrsg. von Rudolf Böhm [u.a.] 2003, S.31-49.S.32.

[3] Vgl.:Messmer, Susanne: Helden wie wir. die tageszeitung,11./12.8.2001.

[4] Diese Arbeit folgt der neuen Rechtschreibung. Zitate behalten jedoch die ihnen entsprechende Rechtschreibung und Zeichensetzung bei.

[5] Christian Kracht ist Schweizer und darf daher im eigentlichen Sinne nicht zur „deutschen“ Popliteratur gezählt werden. Diesem Umstand wird im Titel der Arbeit mit dem Verweis auf „deutschsprachige“ Literatur Rechnung getragen. Im Verlauf der Arbeit verwende ich jedoch hauptsächlich den Begriff „deutsche Popliteratur“. Dieser schließt die „deutschsprachige Popliteratur“ im Folgenden mit ein.

[6] Vgl. Baßler, Moritz: Der deutsche Pop-Roman: Die neuen Archivisten.München:Verlag C.H.Beck. 2002.S.111.

[7] Nach der Jahrtausendwende war ein Meinungsumschwung der Kritiker zu spüren: 2001 war in Max vom „Ende der Popliteratur“zu lesen und die Berliner Morgenpost veröffentlichte eine Rezension zu Krachts zweitem Roman 1979, in der von einer „Läuterung der Spaßfraktion“ (Hoyer 2001) die Rede war. Die Debatte um den Fortbestand bzw. das Ende der Ära Popliteratur dauert bis heute an, findet im begrenzten Rahmen dieser Arbeit jedoch keine weitere Erwähnung. Vgl. dazu Manati, Bernhard: Das Ende der Popliteratur?, Max, 4.10.2001; Hoyer, Lutz: Läuterung der Spaßfraktion. Junge Literatur: Berluti-Schuhe sind im Iran nicht geländetauglich: Krachts neuer Roman 1979.Berliner Morgenpost, 11.10.2001; Assheuer, Thomas: Im Reich des Scheins. Zehn Thesen zur Krise des Pop, Die Zeit, 11.04. 2001 und Borchardt, Rudolf: Wir bitten uns Ruhe aus: Schluss mit der Popliteratur, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.11. 2001.

[8] Henning von Lange, Alexa:Relax.Hamburg:Rogner&Bernhard.1997.

[9] Unter dem Begriff “amerikanische Literatur“ soll im Folgenden “US-Literatur“ bzw.“nordamerikanische Literatur“ verstanden werden.

[10] Vgl. Bergmann, Ina: And Then the Child Becomes a Woman. Weibliche Initiation in der amerikanischen Kurzgeschichte 1865-1970. Heidelberg: Universitätsverlag Winter.2003.S.11.

[11] Nick Hornby kommt im Rahmen dieser Arbeit eine Außenseiterrolle zu, da er als britischer Autor natürlich nicht als Teil der amerikanischen Literaturszene gilt.

[12] Ellis, Bret Easton: Less than Zero.New York: Random House.1985.

[13] The Catcher in the Rye wird inzwischen auch als “älterer“ Pop-Roman bezeichnet. Vgl. dazu: Gansel, Carsten: Adoleszenz, Ritual und Inszenierung in der Pop-Literatur. In: Arnold, Heinz Ludwig und Jörgen Schäfer (Hrsg.): Pop-Literatur. München: Text + Kritik. Sonderband X/03. 2003.S.234-257.S.248.

[14] Diederichsen, Diedrich 1999: Der lange Weg nach Mitte. Der Sound und die Stadt. Köln: Kiepenheuer & Witsch. 1999. S.275. In dieser Arbeit beziehe ich mich auf die Popliteratur der 1990er Jahre, also den `Pop II´.

[15] Für einen historischen Überblick zum Thema Popliteratur, der sowohl die Einflüsse von Geschichte, Politik und Theoriedebatten auf die Popkultur als auch auf die literarischen Formen, die sich in der Nähe der Popliteratur bewegen eingeht, vgl. Thomas Ernst: Popliteratur. Hamburg: Rotbuch. 2001 sowie insbesondere die Kapitel 2,3 und 4 in Ullmaier, Johannes: Von Acid nach Adlon und zurück. Eine Reise durch die deutschsprachige Popliteratur. Mainz:Ventil Verlag. 2001.

[16] Vgl. u.a. Freese, Peter: Die Initiationsreise. Studien zum jugendlichen Helden im modernen amerikanischen Roman. Tübingen: Stauffenburg Verlag.1998 und Freese, Peter: The American Short Story I: Initiation. Interpretations and Suggestions for Teaching by Peter Freese. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh.1986.

[17] Mordecai, Marcus: What is an Initiation Story? In: Journal of Aesthetics and Art Critisism 14,1960, S.221-227.

[18] Lewis, R.W.B.: The Amerian Adam:Innocence, Tragedy, and the Tradition in the Nineteenth Century. Chicago: University of Chicago Press.1955.

[19] Vgl. Bergmann, S.11.

[20] Hier und im Folgenden verwende ich die männliche Schreibweise.

[21] Eine umfassende Definition des Begriff aus religiöser und mythologischer Sicht wird aufgrund der Fragestellung außer Acht gelassen. Eine ausführliche Einführung in die komplexe Geschichte des Begriffs und dessen Verwendung in anderen Forschungsbereichen kann man in Freese, The American Short Story I, S.11-34 finden.

[22] Zur Verdeutlichung dieser Problematik schreibt Peter Freese: „Hardly any two critics use the term to designate the same thing, and the resulting terminological confusion is mostly due to the fact that the initial meaning of the term underwent the most perplexing mutations when it was turned into an instrument of literary scholarship.” (Freese, The American Short Story I, S.11.)

[23] Webster´s Third New International Dictionary. Springfield: Merriam.1993.S.1164.

[24] Vgl. Popp, Volker: Initiation. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.1969 sowie http://de.wikipedia.org/wiki/Initiation (Zugriff am 3.4.07) sowie http://en.wikipedia.org/wiki/Rite_of_passage (Zugriff am 3.4.07).

[25] Vgl. hierzu auch: http://www.coburgerconvent.de/faq/mitgliedschaft.html#akzeption_admission_rezeption (Zugriff am 23.4.07)

[26] Vgl. Freese, Initiationsreise, S.128-135. Freese reduziert das Phänomen innerhalb dieses Fazits auf die pubertäre Initiation und unterschlägt, dass Existenzwenden auch über das Jugendalter hinaus nachweisbar bleiben. Vgl. dazu Kapitel I.1.3., in dem auf diese Problematik ausführlich eingegangen wird.

[27] Vgl. Bergmann, S.35.

[28] Dass der Terminus Initiation aus der anthropologischen Forschung kommt, bestätigen sowohl Mordecai Marcus – „The name and the analytic concept of the initiation story derive basically from anthropology“ – als auch William Coyle – „initiation,…has been borrowed from anthropology“. Freese,Initiationsreise,S.103.

[29] Lafitau zit. nach: Freese, Peter:`Rising in the World´ and `Wanting to Know Why.´ The Socialisation Process as Theme of the American Short Story. Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 218 (1981), S.286-302.S.289.

[30] Vgl. Marcus, S.221.

[31] Vgl. Bergmann, S.36f.

[32] Freese, The American Short Story I, S.13f.

[33] Freese, Initiationsreise, S.117.

[34] Vgl.: Dahmen-Eisenberg, Annette, Helene Decke-Cornill, Claudia Gdaniec u. Corinna Stupka: `Satin Slippers´ und `Electrician´s Boots´. Literaturdidaktische Überlegungen zum Thema Initiation und Geschlecht.Gulliver 18, 1985,S.7-28.S.27.

[35] Vgl: Gansel, Carsten: Forschungsbericht: Adoleszenz und Adoleszenzroman als Gegenstand literaturwissenschaftlicher Forschung. In: Zeitschrift für Germanistik N.F. 14, 2004, H.1,S.130-149.S.132.

[36] Vgl. Hassan, Ihab: The Idea of Adolescence in American Fiction. American Quarterly 10:3,1958, S.312-23.S.314 zit. nach: Bergmann, S.39.

[37] Vgl. Bergmann, S.39.

[38] Hall, G. Stanley: Adolescence: Its Psychology, and ist Relations to Physiology, Anthropology, Sociology, Sex, Crime, Religion, and Education. New York: Appleton: 1924.S.40.

[39] Vgl. Bergmann, S.40f.

[40] Brooks, Cleanth u. Robert Penn Warren. Understanding Fiction. 2. Aufl. New York: ACC.1959.S.309. Auch Mordecai Marcus meint, die Verwendung des Terminus initiation „to describe a theme and a type of story“ sei „apparently beginning with Brooks and Warren´s comments” (Freese, Initiationsreise, S.95).

[41] Brooks/Warren, S.640.

[42] Kruppa, Hans Günther: Das Kind und der junge Mensch in der modernen amerikanischen Short Story. Die Neueren Sprachen 66 (1967), S.611-614.S.611.

[43] Jaffe, Adrian H. u. Virgil Scott. Studies in the Short Story. New York: William Sloane.1949. S.208.

[44] West, Ray B.,Jr.: The Short Story in America 1900-1950.Freeport:Books for Libraries.1968.

[45] Vgl. Bergmann, S.42f.

[46] Freese, Initiationsreise, S.155 Vgl. Hierzu auch Freese, The American Short Story I, S.45.

[47] Freese, Initiationsreise, S.95.

[48] Vgl.: ebd.,S.97.

[49] Lewis, R.W.B.: The Amerian Adam:Innocence, Tragedy, and the Tradition in the Nineteenth Century. Chicago: University of Chicago Press.1955.S.274.

[50] Reinhard Tschapke unterscheidet hier zwischen Initiant, d.h. einer aktiven und aufbruchsbereiten Persönlichkeit, und Initiand, d.h. jemandem, der zur Initiation ansteht und sich mithin in einer passiven Situation befindet. Tschapke, Reinhard: Hölle und zurück. Das Initiationsthema in den Jugenderinnerungen Thomas Bernhards. Hildesheim [u.a.]:Georg Olms Verlag.1984.S.1. Innerhalb der hier verwendeten Forschungsliteratur ist mir ausschließlich der Begriff Initiand begegnet, der allgemein für Personen verwendet wird, die eine Initiation durchlaufen. Die Einteilung in aktive oder passive bzw. freiwillige und unfreiwillige Initiation wird in Kapitel 2. näher behandelt. Im Folgenden schließe ich mich den Autoren der Sekundärliteratur an und verwende den neutralen Begriff Initiand.

[51] Freese, Initiationsreise, S.99.

[52] Fiedler, Leslie A.: From Redemption to Initiation. New Leader XLI (26. Mai 1958), S.20-23.S.22.

[53] Trachtenberg, Stanley: Beyond Initiation: Some Recent Novels.The Yale Review 56:1, 1966, S.131-138. S.131.

[54] Freese, Initiationsreise,S.101.

[55] West, Ray B.,Jr.: The Short Story in America 1900-1950.Freeport:Books for Libraries.1968.S.97.

[56] Miller, James E. zit. nach: Freese, Initiationsreise,S.101.

[57] Brooks/Warren,S.309.

[58] Beispiele für unbekannte Welten, die erkundet werden, finden sich z.B. bei der Figur des Huckleberry Finn, der an Ende von The Adventures of Tom Sawyer von der Witwe Douglas aus seiner "wilderness“ in die ihm unbekannte Welt der Zivilisation geführt wird, in der nicht die Regeln der Natur, sondern die Regeln Gottes und des Gesetzes befolgt werden, und bei Holden Caulfield, der sich am Ende seiner Reise von seiner alten Welt, der Kindheit, abwendet, und, nachdem er sich selbst eingestanden hat, dass er nicht für immer der „Catcher in the Rye“ sein kann, seinen ersten Schritt in ein neues ungewisses Dasein als Erwachsener geht.

[59] Freese, The American Short Story I, S.52.

[60] Durch die Initiationsreise wird in vielen literarischen Werken der innere Bewusstseinsablauf des Protagonisten nach außen projiziert. Auf dieser Reise zeigt sich seine Entwicklung von Unschuld zu Erfahrung, vom Weg in die Verantwortung hinein oder aus ihr heraus, oder auch vom Weg aus der Kindheit hinein in den Erwachsenenstatus. Durch die oft in diesem Zusammenhang genutzten psychologischen Erzählformen wie z.B. innerer Monolog, Bewusstseinsdarstellung oder stream of consciousness (dt. Bewusstseinsstrom) ist es ebenfalls möglich, den Fokus auf die innere Bewegung von einer Lebensphase in die Folgende zu legen, weshalb es nicht unbedingt einer realen, d.h. einer geografisch lokalisierbaren Reise bedarf, um die Bewusstseinserweiterung des Protagonisten aufzuzeigen. Von einer Initiationsreise ist somit allgemein die Rede, wenn der Initiationsvorgang sich als eine Abenteuerfahrt durch die Welt, auch durch die Gefühls- oder Gedankenwelt, konstatiert. Vgl.: Bergmann, S.49, Tschapke,S.32f. und S.52 sowie Freese,Initiationsreise,S.157 und S.167. Auf die Thematik der Initiationsreise wird in Kapitel III.1.3.3 in Zusammenhang mit Christian Krachts Faserland näher eingegangen.

[61] Campbell, Joseph: The Hero with a Thousand Faces, Princeton: Princeton UP.1973.S.97.Vgl.hierzu auch: Henderson, Joseph L.: Der Archetyp der Initiation. In: Der Mensch und seine Symbolik. 8. Aufl. / hrsg. von C.G. Jung. Olten.1979, S.128-136.S.131.

[62] Vgl. als Beispiel Kate Chopins Protagonistin Edna Pontellier in The Awakening: Wie die Protagonisten der hier zu besprechenden Pop-Romane ist auch die 28jährige der Phase der Adoleszenz im eigentlichen Sinne entwachsen. Als Ehefrau und Mutter hat sie einen festen Platz in der gesellschaftlichen Hierarchie. Laut Freeses, der die Phase, in der Initiationen stattfinden können, auf die Adoleszenz beschränkt, wäre The Awakening also kein Initiationstext. Die Momente des sinnlichen, emotionalen und sexuellen Erwachens, die Edna in jedem Kapitel erlebt, sind jedoch eindeutig initiatorische Momente, d.h. symbolische Schwellenübergänge in eine jeweils neue Phase ihrer Ich-Werdung. Chopin, Kate: The Awakening and other stories. Stuttgart: Klett.1998.

[63] Vgl.: Goetsch, Paul: Literarische und soziale Bedingungen erzählerischer Kurzformen: Die Short Story.Weinheim:Beltz.1978.S.95.Eine Dreiteilung der Gesamtheit der Initiationsgeschichten in Geschichten mit Kindern (wie z.B. The Adventures of Huck Finn und The Adventures of Tom Sawyer), Initiationsgeschichten mit Jugendlichen (wie z.B. Catcher in the Rye) und Initiationsgeschichten mit Erwachsenen als Protagonisten (wie z.B. The Awakening), wie es Ina Bergmann vorschlägt, erscheint hier sinnvoll. Vgl.: Bergmann, S.73f. Ich werde mich im Folgenden auf die zweite und dritte Gruppe beschränken.

[64] Freese, Initiationsreise, S.135.

[65] Bergmann, S.43 (Fußnote).

[66] Die Initiation auf ein einziges (Schock-) Erlebnis zu reduzieren, wäre zu einseitig, wobei es durchaus auch Beispiele für punktuelle Initiationen gibt, z.B. Holden Caulfields´ Zusammenbruch am Karussell. Diesen gehen aber zumeist verschiedene Momente der Erkenntnis voraus, die auf den finalen Initiationsmoment hinleiten. Letzteres zeigt sich u.a. in The Awakening: Edna Pontellier erlebt verschiedene Initiationsmomente, die sie “erwachen“ und jeweils in eine neue Lebensphase übertreten lassen: Ein Weinkrampf, ausgelöst durch ein Klavierspiel, zeigt ihr ihre unterdrückten Gefühle, sie lernt schwimmen und erlebt zum ersten Mal was Freiheit bedeutet, verliebt sich in einen Mann, hat eine Affäre mit einem Anderen, verweigert sich den Anstandsregeln der Gesellschaft und den Geboten ihres Mannes, zieht aus dem gemeinsamen Haus aus und erlebt durch den Verkauf ihrer selbst gemalten Bilder finanzielle Unabhängigkeit. Ihr Suizid am Ende des Romans gilt als finale Initiation, die ohne die vorangegangenen Schwellenübertretungen nicht möglich gewesen wäre.

[67] Diese Definition orientiert sich sowohl an Peter Freeses working definition (Freese, The American Short Story I, S.52) als auch an Carin Freywalds strengem, aber präzisen Definitionsversuch. Vgl. hierzu: Freywald; Carin: Nick und Sarty – oder: Wer wird hier eigentlich initiiert? In: Anglistik: Beiträge zur Fachwissenschaft und Fachdidaktik – Festschrift für Eleonore Cladder / hrsg. von Peter Freese. 1979, S.85-103.S 86.

[68] Vgl.: Freese, The American Short Story I, S.47.

[69] Lubbers, Klaus:“Vorwort“. In: Freese, Peter: Die Initiationsreise. Studien zum jugendlichen Helden im modernen amerikanischen Roman. Tübingen: Stauffenburg Verlag.1998.S.2 u. 6. Die These, dass für dichterisch gestaltete Initiation, gleich welcher Art und Intensität, weniger der Roman als vielmehr die Kurzgeschichte das geeignete Genre ist, hält Lubbers jedoch für gewagt.

[70] Bergmann, S.14. Vgl. hierzu auch Freese,The American Short Story I:„[T]here are important generic differences between the initiation novel, which can unfold developmental processes in great detail, and the initiation story, which has to concentrate on climactic moments of discovery and recognition” (S.46).

[71] Die Begriffe “negative Identitätsfindung“ (Heller) und “Bewährungs- und Erkenntnistyp“ (Lubbers) werden in dieser Untersuchung nicht benutzt, da sie den von Freese entwickelten Kategorien der aktiven und passiven Initiation in ihrer Bedeutung entsprechen. Beim “Bewährungstyp” geht es um Bewährung im gesellschaftlichen Leben, die eine Bewährung durch Übernahme einer Erwachsenenrolle oder die Übernahme einer Erwachsenenrolle durch Bewährung sein kann. Das Individuum ist zum Handeln aufgerufen, der Initiand muss selbst aktiv werden. Beim “Erkenntnistyp” handelt es sich um das Erkennen der Andersartigkeit der Welt oder die Erkenntnis des Bösen, häufig begleitet vom Zerbrechen eines Ideals, wie etwa in Hawthornes Young Goodman Brown oder Hemingways The Killers. Der Initiand wird hier nicht selbst aktiv. Die Kategorien von Lubbers sind allerdings nicht auf alle Initiationstexte anwendbar, da er ausschließlich von abgeschlossenen Initiationen ausgeht. Vgl.: Lubbers, Typologie der Short Story, S.73f.

[72] Gelungene bzw. fehlgeschlagene Initiationen werden als positive bzw. negative Initiationen beschrieben.Vgl. dazu Kapitel I.2.4.

Fin de l'extrait de 180 pages

Résumé des informations

Titre
Die Initiationsthematik im deutschsprachigen Pop-Roman der Jahrtausendwende
Université
University of Potsdam  (Institut für Germanistik)
Note
1,0
Auteur
Année
2007
Pages
180
N° de catalogue
V91065
ISBN (ebook)
9783638039802
ISBN (Livre)
9783638936477
Taille d'un fichier
1476 KB
Langue
allemand
Mots clés
Initiationsthematik, Pop-Roman, Jahrtausendwende, Initiation, Faserland, Soloalbum, Christian Kracht, Benjamin von Stuckrad-Barre, Es ist so einsam im Sattel, Popliteratur, Pop-Literatur, amerikanische Gegenwartliteratur
Citation du texte
M.A. Nicole Gast (Auteur), 2007, Die Initiationsthematik im deutschsprachigen Pop-Roman der Jahrtausendwende, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91065

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