Den Kern von Volrats kleinepischem Text "Die alte Mutter" bildet die Konstruktion einer Erzählung, die als Wahrheit vertreten wird und einen provokanten Gegenentwurf zur kirchlich-heilsgeschichtlichen Wahrheit darstellt. Ein Ritter behauptet, seine Mutter sei ihm am Hofe Kaiser Friedrichs auferstanden. In dieser Hausarbeit soll die These plausibilisiert werden, dass das Märe "Die alte Mutter" durch die positive Darstellung dieser Konstruktion von Wahrheit einerseits und die Betonung deren beschränkter Geltung andererseits die Funktion eines spezifisch ritterlichen Gebrauchs des Wahrheitsbegriffes aufzeigt.
In der Erzählstruktur des Märes erweist die ritterliche Wahrheit sich dabei als eine artifizielle Konstruktion, die den Ritter nicht in seiner Wahrnehmung der Wirklichkeit, wohl aber in seinem Handeln beeinflusst. Die Rahmung des Märes verweist auf einen positiven Nutzen dieser pragmatischen Verwendung des Wahrheitsbegriffs in Anwendung auf höfische Dichtung.
Es soll hier an WAGNER angeknüpft werden, der abgesehen von kleineren Untersuchungen mit Blick auf die Stoffgeschichte und Erwähnungen in textübergreifenden Gattungsuntersuchungen, der Forschung bisher die einzige eingehende Interpretation des Märes beisteuert. In dieser Arbeit wird zunächst die Erzählung von der Auferstehung der Mutter als behauptete Wahrheit hinsichtlich der Bedingungen ihrer Entstehung und ihrer Bewertung analysiert.
Anschließend soll diese Analyse auf ihre Verbindung zum Ausgangskonflikt des Märes zwischen der sparsamen Mutter und ihrem verschwenderischen Sohn hin untersucht werden. Anhand der Ergebnisse wird dann eine Kritik des verwendeten Wahrheitsbegriffes erfolgen, welche eine Deutung des Prologs ermöglichen soll. Hierüber soll der angenommene spezifische Wahrheitsbegriff des Textes begründet werden. Abschließend wird die Arbeit in ihren wesentlichen Punkten rekapituliert und ein Fazit gezogen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Wahrheit als Behauptung
- 3. Ausgangskonflikt und Gesamtstruktur
- 4. Kritik des Wahrheitsbegriffs in Die alte Mutter
- 5. Conclusio
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Konstruktion von Wahrheit im höfischen Märe "Die alte Mutter". Ziel ist es, den spezifischen, ritterlichen Wahrheitsbegriff des Textes zu belegen und dessen Funktion im Spannungsfeld zwischen adeligen Idealen und kirchlichen Glaubensgrundsätzen zu analysieren. Die Arbeit knüpft an bestehende Forschung an, erweitert diese aber durch eine detaillierte Analyse der Erzählstruktur und der Darstellung der "Wahrheit" als Behauptung.
- Der Wahrheitsbegriff im Hochmittelalter
- Die Konstruktion von Wahrheit als Erzählung im Märe "Die alte Mutter"
- Der Konflikt zwischen ritterlichen Idealen und kirchlicher Lehre
- Die Funktion der erzählerischen Mittel zur Darstellung von Wahrheit
- Die pragmatische Verwendung des Wahrheitsbegriffs in höfischer Dichtung
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Wahrheit und ihrer Interpretation im Hochmittelalter ein. Sie thematisiert die unterschiedlichen Wahrheitsauffassungen zwischen der Kirche und dem höfischen Adel und begründet die Wahl des Märchens "Die alte Mutter" als Fallbeispiel für die Untersuchung eines spezifisch ritterlichen Wahrheitsbegriffs. Die Arbeit stellt ihre Forschungsfrage und Methodik vor, die sich auf die Analyse der Erzählstruktur und die Darstellung der "Wahrheit" als Behauptung konzentriert. Sie verweist auf den Forschungsstand und skizziert den Aufbau der Arbeit.
2. Wahrheit als Behauptung: Dieses Kapitel analysiert die Erzählung der Auferstehung der Mutter als eine behauptete Wahrheit. Es beschreibt den Ausgangskonflikt zwischen der sparsamen Mutter und ihrem verschwenderischen Sohn und die Handlung, die zu dem Gerichtsprozess vor Kaiser Friedrich führt. Die Analyse fokussiert auf die List des Sohnes und die daraus resultierenden missverständlichen Redebeiträge vor Gericht. Der Ritter, der fälschlicherweise als der Sohn identifiziert wird, behauptet, seine Mutter sei auferstanden – eine Behauptung, die im Widerspruch zur kirchlichen Lehre steht und die Grundlage für die weitere Untersuchung des ritterlichen Wahrheitsbegriffs bildet. Die Szene vor dem Kaiser fungiert als Dreh- und Angelpunkt der gesamten Erzählung und bildet den Ausgangspunkt der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Wahrheitskonzepten.
3. Ausgangskonflikt und Gesamtstruktur: Dieses Kapitel untersucht den Ausgangskonflikt zwischen der sparsamen Mutter und ihrem verschwenderischen Sohn und seine Bedeutung für die Gesamtstruktur des Märchens. Der Konflikt dient als Ausgangspunkt für die Darstellung der unterschiedlichen Wahrheitsauffassungen und zeigt die Spannung zwischen den Idealen des Adels und der christlichen Moral auf. Die Analyse betrachtet, wie der Konflikt die Handlung vorantreibt und die Konstruktion der "Wahrheit" in der Erzählung beeinflusst. Die Betrachtung der Gesamtstruktur ermöglicht es, die einzelnen Elemente der Erzählung in ihren Zusammenhang zu setzen und die Bedeutung des verwendeten Wahrheitsbegriffes besser zu verstehen. Dabei wird die Rolle der Erzählperspektive und die Gestaltung des narrativen Verlaufs analysiert.
4. Kritik des Wahrheitsbegriffs in Die alte Mutter: Dieses Kapitel befasst sich mit der Kritik des im Märe verwendeten Wahrheitsbegriffs. Anhand der Ergebnisse der vorherigen Kapitel wird eine Deutung des Prologs und die Begründung des spezifischen Wahrheitsverständnisses im Text vorgenommen. Die Analyse fokussiert auf die Widersprüche und Ambivalenzen in der Darstellung von Wahrheit und die Implikationen für die Interpretation des Märchens. Es wird untersucht, wie der Text selbst die Grenzen und die relative Natur des verwendeten Wahrheitsbegriffs reflektiert. Die Interpretation berücksichtigt sowohl die Erzählweise als auch die impliziten Botschaften des Textes.
Schlüsselwörter
Wahrheit, Märe, Die alte Mutter, Hochmittelalter, höfischer Adel, Kirche, ritterlicher Wahrheitsbegriff, Erzählstruktur, Behauptung, Konflikt, christliche Lehre, Weltdeutung, Interpretation, Heilsgeschichte.
Häufig gestellte Fragen zu "Die alte Mutter": Eine Analyse des Wahrheitsbegriffs
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese wissenschaftliche Arbeit analysiert den spezifischen Wahrheitsbegriff im mittelhochdeutschen Märe "Die alte Mutter". Im Fokus steht die Untersuchung der Konstruktion von Wahrheit im Text und deren Funktion im Spannungsfeld zwischen höfischen Idealen und kirchlichen Glaubensgrundsätzen.
Welche Ziele verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, den ritterlichen Wahrheitsbegriff in "Die alte Mutter" zu belegen und dessen Funktion innerhalb des Erzählkontexts zu analysieren. Sie baut auf bestehenden Forschungsergebnissen auf und erweitert diese durch eine detaillierte Untersuchung der Erzählstruktur und der Darstellung von "Wahrheit" als Behauptung.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt zentrale Themen wie den Wahrheitsbegriff im Hochmittelalter, die Konstruktion von Wahrheit als Erzählung in "Die alte Mutter", den Konflikt zwischen ritterlichen Idealen und christlicher Lehre, die Funktion der erzählerischen Mittel zur Darstellung von Wahrheit und die pragmatische Verwendung des Wahrheitsbegriffs in höfischer Dichtung.
Wie ist die Arbeit aufgebaut?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Einleitung, Wahrheit als Behauptung, Ausgangskonflikt und Gesamtstruktur, Kritik des Wahrheitsbegriffs in "Die alte Mutter" und Conclusio. Die Einleitung führt in die Thematik ein und beschreibt die Forschungsfrage und -methodik. Die folgenden Kapitel analysieren verschiedene Aspekte des Textes, um den zentralen Forschungsgegenstand zu beleuchten. Die Conclusio fasst die Ergebnisse zusammen.
Was ist der zentrale Konflikt in "Die alte Mutter"?
Der Ausgangspunkt der Erzählung ist der Konflikt zwischen der sparsamen Mutter und ihrem verschwenderischen Sohn. Dieser Konflikt bildet die Grundlage für die Darstellung unterschiedlicher Wahrheitsauffassungen und die Spannung zwischen höfischen Idealen und christlicher Moral. Er treibt die Handlung voran und beeinflusst die Konstruktion von "Wahrheit" in der Erzählung.
Wie wird "Wahrheit" in der Erzählung dargestellt?
"Wahrheit" wird in "Die alte Mutter" als Behauptung dargestellt, insbesondere in der Szene vor Kaiser Friedrich, wo die Auferstehung der Mutter behauptet wird. Diese Behauptung steht im Widerspruch zur kirchlichen Lehre und dient als Ausgangspunkt für die Analyse des ritterlichen Wahrheitsbegriffs.
Welche Rolle spielt die Erzählstruktur?
Die Erzählstruktur spielt eine entscheidende Rolle für die Darstellung und Interpretation des Wahrheitsbegriffs. Die Arbeit analysiert die Erzählperspektive und den narrativen Verlauf, um die Bedeutung der einzelnen Elemente im Zusammenhang zu verstehen und die Funktion des verwendeten Wahrheitsbegriffs zu beleuchten.
Wie wird der Wahrheitsbegriff in der Arbeit kritisiert?
Die Arbeit kritisiert den in "Die alte Mutter" verwendeten Wahrheitsbegriff, indem sie die Widersprüche und Ambivalenzen in dessen Darstellung analysiert. Sie untersucht, wie der Text selbst die Grenzen und die relative Natur des verwendeten Wahrheitsbegriffs reflektiert und zieht Schlussfolgerungen für die Interpretation des Märchens.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Wahrheit, Märe, Die alte Mutter, Hochmittelalter, höfischer Adel, Kirche, ritterlicher Wahrheitsbegriff, Erzählstruktur, Behauptung, Konflikt, christliche Lehre, Weltdeutung, Interpretation, Heilsgeschichte.
- Citar trabajo
- Julien Zigan (Autor), 2016, Die Konstruktion von Wahrheit in Volrats Märe "Die Alte Mutter", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/911019