Neue Räume für Kaffee und Bürgertum im 18. Jahrhundert.

Die Rolle des „neuen“ Genußmittels bei der Mobilisierung der bürgerlichen Schichten


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2004

31 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der Aufstieg des Kaffees zum Massenkonsummittel
2.1 Genuss und Anwendung in der Ursprungskultur
2.2 Globalisierung des Kaffees im 17. und 18. Jahrhundert
2.3 Weg der Verbreitung des Kaffees und des Kaffeekonsums in Europa

3 Neue Räume für das Bürgertum im ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert
3.1 Die Begriffe Bürgertum und Aufklärung
3.2 Genuss in privaten Räumen
3.2.1 Das Kaffeekränzchen der Frau
3.2.2 Kaffee als Alltagsgetränk
3.3 Genuss in der Öffentlichkeit: Das Kaffeehaus
3.3.1 Der Begriff der Öffentlichkeit
3.3.2 Das Kaffeehaus im 18. Jahrhundert
3.3.3 Gäste und Zugang

4 Ergebnisse

5 Quellen- und Literaturverzeichnis
5.1 Quellenverzeichnis
5.2 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Obwohl der Kaffee als Genussmittel in unserem Alltag fest verankert ist, ist seine Wirkungskraft auf den menschlichen Organismus noch immer nicht vollständig erforscht. In der entsprechenden Fachliteratur wird darüber immer neu diskutiert. Fest steht, daß kaum ein anderes Konsumgut so nachhaltig unsere Lebensgewohnheiten verändert hat wie dieses Getränk.[1] Dieser Prozess vollzog sich über mehrere Jahrhunderte, bis es uns in der heutigen Zeit als selbstverständlich erscheint, daß wir uns mit Freunden und Bekannten zu einem Kaffee verabreden. Es erscheint dabei nicht mehr der Kaffeegenuß allein relevant zu sein, vielmehr rückt die Wahl der Örtlichkeit oder die Frage „Welcher Kaffee?“ in den Mittelpunkt.[2] Beides ist in der heutigen Konsumwelt weit ausdifferenziert. Für jede Klientel gibt es das passende Cafe, in dem man sich wohlfühlt und das die eigene Lebensauffassung widerspiegelt. Der Kaffee als Produkt selber ist in einer Vielzahl von Sorten erhältlich, die es uns schwer machen, den Überblick zu behalten. So ist es nicht verwunderlich, daß der Kaffee heute das meist konsumierte Genussmittel in Deutschland ist, noch vor Bier.[3] Über die Höhe des tatsächlichen Kaffeeverbrauchs in früherer Zeit ist dagegen fast nichts bekannt.[4]

Die Entwicklung zum Massenkonsummittel vollzog sich aber erst mit der Entstehung der Wohlfahrtsgesellschaft. So setzte sich der Bohnenkaffee erst nach dem 2. Weltkrieg als Genussmittel für jedermann durch. Bis dahin dominierten die sogenannten Surrogate den Markt, hier vor allem der Weizen- oder der Zichorienkaffee. Noch im 19. Jahrhundert besaß der Kaffee neben seiner Bedeutung als Genussmittel zudem eine wichtige als Medikament oder Droge, was sich erst mit der Durchsetzung der frühneuzeitlichen Gesundheits- und Krankheitslehre änderte.

Es soll hier der Frage nachgegangen werden, wie sich der Integrationsprozeß des Kaffees in unsere Alltagskultur vollzog. Dazu ist es wichtig an die Anfänge des Imports nach Europa im 17. Jahrhundert zu schauen. In Deutschland wurde der Kaffee erst im 18. Jahrhundert zum Massengetränk. Indiz dafür sind die steigende Zahl der Kaffeehäusereröffnungen und die Importmengen der Rohbohnen, die sich parallel entwickelten. Interessant erscheint v.a. das Zusammentreffen der neuen Institutionen des Alltags, der Kaffeehäuser, und die beginnende Formierung des Bürgertums.

Der Kaffeekonsum trennte sich schon immer in einen öffentlichen und einen privaten Konsum. Gerade die Präzisierung dieser beiden Begriffe bereitete im Übergang von der traditionellen zur bürgerlichen Gesellschaft ab dem 18. Jahrhundert große Probleme, denn unser Verständnis von Öffentlichkeit oder Privatem begann sich in dieser Zeit erst herauszudifferenzieren. Damals bildete sich, wie Daniela U. Ball behauptet, „durch die geschlechtsspezifische Rollen- und Arbeitsteilung des 18. Jahrhunderts eine männliche und weibliche Kaffeekultur heraus“.[5] Während die männliche sich im öffentlichen Raum der Städte entwickelte, z.B. in den Kaffeehäusern, konzentrierte sich die weibliche auf den Innenraum der Bürgerhäuser. Hier befand sich auch der Innenraum der Privatheit, die Familie, die bestimmt war durch emotionale Beziehungen, nicht mehr durch den wirtschaftlichen Zweck. Das neue Verständnis für die Familie stellte ein zentrales Wiedererkennungsmerkmal des Bürgertums dar.[6]

Das 18. Jahrhundert bildete allgemein die entscheidende Zäsur auf dem Weg in die Moderne, und speziell erfolgte zu dieser Zeit die „Neuprägung der mitteleuropäischen Nahrungssysteme“[7]. Die Gesellschaft war zwar noch ständisch geprägt, doch entstanden bereits neue Lebensbereiche. Dieser Wandlungsprozess, auch als Aufklärung bezeichnet, bedeutete auf der Gesellschaftsebene letztendlich die Ablösung des absolutistischen Staates durch eine bürgerliche Gesellschaft.[8] Dieser Prozess betraf zunächst nicht alle Bevölkerungsschichten, sondern setzte sich, bei den bürgerlichen Ober- und Mittelschichten beginnend, weiter durch die gesamte Gesellschaft fort.

Für die Neuformierung der bürgerlichen Schichten waren diese auf neue Örtlichkeiten bzw. Räume angewiesen. Im normalen Sprachgebrauch wird unter Raum zuerst einmal eine absolut bestimmbare physische Örtlichkeit, wie z.B. der Küche in einem Haus verstanden. Dieser topos läßt sich für die individuellen Akteure erfahren und abgrenzen.[9] Diese Arbeit will sich aber lösen von einer als absolutistisch zu bezeichnenden Raumvorstellung. Dadurch ließen sich zwar die einzelnen Räume, speziell z.B. die Kaffeehäuser, beschreiben, aber weniger der prozessuale Charakter, den die Kaffeehäuser für die Konstituierung des Bürgertums einnahm. Am passendsten erscheint dafür der Begriff, den Martina Löw beschreibt und den sie als relationalen Raumbegriff bezeichnet. Die Entstehung des Raumes ist dabei ein soziales Phänomen und nur prozeßhaft begreifbar aus den gesellschaftlichen Entwicklungen, der Synthese, d.h. aus der Struktur der Menschen und der sozialen Güter, die sich an dem jeweiligen Ort, dem Spacing, konzentrieren. Die Konstitution von Räumen vollzieht sich im Alltag demzufolge durch Synthese und Spacing.[10]

Das Kaffeehaus stellte einen exklusiven und öffentlichen Raum in den Städten dar, bestimmt durch das ökonomische Kapital, in dem sich eine bestimmte Gruppe, nämlich das frühe Bürgertum, konstituieren konnte. Der größte Teil der Bevölkerung wurde dabei aufgrund fehlenden Kapitals von der Teilnahme ausgeschlossen. Es sollte der räumliche Kontakt zu den Menschen verhindert werden, die sozial dem Publikum des Kaffeehauses fernstanden.[11]

Kaffeehäuser fanden in der historischen Literatur oft Erwähnung als Institutionen der Aufklärung, wurden aber oft in einem Atemzug genannt mit verschiedensten Teilen der Assoziationsbewegung. Bereits Jürgen Habermas sprach ihnen für die Zeit zwischen 1680 und 1730 die Funktion eines Zentrums der literarischen Kritik zu, in der sich eine schmale bürgerliche Schicht der Intellektuellen formieren konnte, abseits vom Hof des Adels.[12] Sie wandelten sich zu „Institutionen der Öffentlichkeit“[13] und nahmen damit eine herausragende Funktion für die gesellschaftlichen Veränderungen der Folgezeit ein, die sich mit dem Eintritt in die Moderne ab dem 19. Jahrhundert weiter differenzierten. Im Hinblick auf diese Relevanz wird das Kaffeehaus im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Dabei wird eher die gesamtgesellschaftliche Bedeutung berücksichtigt und nicht die spezielle eines Hauses. Berücksichtigt wird zudem das Ende der Blütezeit, das Habermas deutlich mit dem Jahre 1730 kennzeichnet. Endete mit diesem Jahr wirklich die Hochphase oder veränderte sich nur der Raum der Kaffeehäuser? Neben dem öffentlichen Raum „Kaffeehaus“ entstanden noch weitere – durch den Import und Genuß der neuen Kolonialware Kaffee. So scheint es wichtig, auch die private Komponente des Genußes näher zu betrachten, speziell die Kaffeekränzchen der Frauen.

2 Der Aufstieg des Kaffees zum Massenkonsummittel

2.1 Genuss und Anwendung in der Ursprungskultur

Kaffee war neben dem Zucker die bedeutendste Kolonialware des 18. Jahrhunderts, deren Konsum sich ab dem 17. Jahrhundert in Europa rasch verbreitete.[14] Der Genuss des Kaffees war vielen Zeitgenossen bereits durch Reiseberichte aus dem Orient, die noch vor dem Kaffee selbst nach Europa gelangten, bekannt.[15] Die erste schriftliche Erwähnung des Kaffees in Europa stammt vom Arzt und Botaniker Leonhart Rauwolf, der von 1573 bis 1576 den Orient bereiste. In seinem Reisebericht erwähnte er den Kaffee als bereits weit verbreitetes Getränk in der islamischen Welt.[16] Die Wissenschaft stimmt mittlerweile darin überein, daß die Kaffeepflanze ursprünglich aus Äthiopien stammte, bevor sie im 15. Jahrhundert in den Jemen gelangte. Um den wahren Ursprung des Getränkes und dessen Verbreitung ranken sich viele Legenden. Bereits in der arabischen Welt diente der Kaffee nicht nur als Genussmittel, welches man den ganzen Tag über konsumierte oder bei Einladung von Gästen kredenzte, sondern auch als Heilmittel. Zur hohen Akzeptanz trug sicher die Tatsache bei, daß Kaffee ein nichtalkoholisches Getränk war und damit von jedem Muslim problemlos konsumiert werden durfte. Kaffeehäuser entstanden im Orient ab der Mitte des 16. Jahrhunderts, als Orte der Unterhaltung und Bildung.

2.2 Globalisierung des Kaffees im 17. und 18. Jahrhundert

Die ersten bescheidenen Mengen an Kaffee gelangten über den traditionellen Levantehandel nach Europa. Zeitgleich wurden Handelskontakte zum Produktionsgebiet im Jemen geknüpft. Die dortigen Kaffeepflanzer besaßen das Anbaumonopol dieser Pflanze. Dabei spielten die niederländische Vereinigte Ostindische Compagnie (VOC) und die englische East India Kompanie (EIC) die Hauptrolle. Sie liefen bereits im frühen 17. Jahrhundert den jemenitischen Hafen Mocha an, der dem Bohnenkaffee in der Neuzeit den gebräuchlichen Namen Mokka gab und bis ins 18. Jahrhundert der bedeutendste Kaffeelieferant wurde.[17] Ab 1638 bezog die EIC in Mocha regelmäßig Kaffee, wenn auch nur in geringen Mengen. Die Importmengen nach Europa wuchsen insgesamt stetig. Ein erster kleiner Sprung erfolgte ab 1650, als der Kaffeekonsum in den reicheren Kreisen Europas begann. Die Einfuhrmenge der VOC erreichte 1661 knapp 21.500 Pfund. In den Folgejahren wurden aber wieder geringere Mengen verkauft, bis ab den 1690er Jahren ein rasanter Anstieg der Absatzmengen einsetzte, der 1713 schon die Millionengrenze erreichte.

Auch wenn der Kaffeegenuß bereits im 17. Jahrhundert bekannt war, wurde der Kaffee erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu einem der wichtigsten Importgüter aus dem arabisch-asiatischen Raum. An den rapide ansteigenden Absatzmengen lässt sich zugleich die wachsende Nachfrage in Europa nach diesem neuen Heißgetränk ablesen. Da dieser erhöhte Bedarf nicht mehr allein durch den jemenitischen Produktionsort gedeckt werden konnte und man nicht weiter abhängig von den dort ansässigen Händlern sein wollte, schmuggelte die VOC Setzlinge oder Keimlinge auf die Insel Java, wo sich ihr überseeisches Zentrum Batavia befand. Nach mehreren Rückschlägen gelang der Gesellschaft 1712 der erste bescheidene Export von knapp 800 Pfund Kolonialkaffee in die niederländische Republik. Schon 1724 gelangten bereits 2,5 Mio. Pfund Rohkaffee in die Niederlande. Die VOC erreichte damit die Marktführung im europäischen Kaffeegeschäft, die sie in den 1740er Jahren an ihre Schwestergesellschaft, die Westindische Compagnie (WIC) verlor. Diese exportierte Kaffeepflanzen in ihre amerikanische Kolonie in Surinam. Ab den 1750er bis zum Ende des 18. Jahrhunderts folgten die französischen Antillen, später der gesamte Karibikraum, als Marktführer.

Durch das Massenangebot an Kaffee bröckelten die Verkaufspreise des jemenitischen Mocha-Kaffees. Der europäische Markt schien zu dieser Zeit gesättigt. Durch die zusätzlichen Einfuhren aus Surinam ging der Preisverfall weiter. Diese lohnten sich nur durch den Einsatz von Sklaven aus Schwarzafrika. Kaffe konnte trotz fallender Verkaufspreise wieder günstiger produziert werden. Damit rentierte sich der Kaffeeanbau weiterhin.

2.3 Weg der Verbreitung des Kaffees und des Kaffeekonsums in Europa

Für die rasche Verbreitung des Kaffees in Europa sorgte vor allem ein umfangreiches medizinisches Schrifttum, das bereits Jahrzehnte vor dem Produktions- und Importboom einsetzte. Über das noch relativ neue Medium des Buchdrucks wurde der europäische Rezeptionsprozess der neuen Genussmittel in der Öffentlichkeit ausgetragen. Der Kaffee wurde gleichzeitig mit dem Tee als letztes Genussmittel der Frühen Neuzeit behandelt. Der Tabak stand bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die Schokolade in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Mittelpunkt der damaligen Heilkunde. Als der Kaffee in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts dazu kam, waren die Mediziner bereits erprobt in ihren Diskussionen. Zentraler Gesichtspunkt der Genussmittel war ihre Eignung als Droge. Hauptargumentierende waren demnach Mediziner in elitären Positionen.[18]

Die medizinische Vorstellung der Frühen Neuzeit war durch die humoralpathologische Lehre (Vier-Säfte-Lehre) geprägt. In dieser Theorie nahmen die Nahrungssubstanzen direkten Einfluß auf die Bildung der vier Körpersäfte Blut, Phlegma, gelbe und schwarze Galle und indirekt auf die Organe. Ein gesunder Körper befand sich nach diesem Verständnis im Gleichgewicht aller Säfte. Der Heiler der Frühen Neuzeit versuchte den störenden Saft zu diagnostizieren und zu regulieren. Der Kaffee ließ sich durch seine nicht zu übersehende stimulierende Wirkung ideal als Heilmittel in diese Lehre einbauen. Wichtig war die Konsumierung als Heißgetränk, da dadurch der Körper, hier vor allem der Magen, zusätzlich stimuliert wurde. Den bisherigen traditionellen Kaltgetränken Bier und Wein wurde diese Wirkung abgesprochen. Die weitere Liste der positiven Folgen, die die Mediziner dem Kaffee zusprachen war aber weitaus größer. Verordnet und empfohlen wurde schon damals ein maßvoller Konsum, vor dem Hintergrund der bekannten Wirkung der Dehydrierung.[19] Neben den positiven Verfechtern gab es auch Gegner der neuen Genussmittel, die ebenfalls aus dem medizinischen Lager stammten. Ihre Kritik richtete sich beim Kaffe vor allem auf eine unfruchtbar machende und austrocknende Wirkung, der sich beim übermäßigen Genuß einstellt.[20] Die Befürworter konnten sich in dem geführten Diskurs der Mediziner in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert letztendlich durchsetzen.

Insgesamt eilte dem Kaffee der Ruf einer nützlichen Arznei voraus; daß sich der Kaffee bis zum späten 18. Jahrhundert aber nicht als Genussmittel durchsetzen konnte, lag vor allem am bitteren Geschmack. Die Herzogin von Orleans, Elisabeth Charlotte von der Pfalz, berichtete 1712, daß „caffé wie ruß undt feigbonnen“[21] schmecke. So genoss man den Kaffee in der Regel mit Zucker, wie es schon in Zedlers Universallexikon empfohlen wurde, „weil er sonst zu herb und bitter ist“.[22] Die überseeische Großproduktion von Zucker in der Karibik und in Brasilien begann etwa zeitgleich mit dem Konsumbeginn des Kaffees in Europa. Ähnlich wie beim Kaffee waren die Verkaufspreise zum Beginn des Imports sehr hoch und erst im Laufe des 18. Jahrhunderts sanken die Preise aufgrund gestiegener Importe. Erst durch den Gebrauch des Zuckers konnte sich der Kaffee als Genussmittel in Europa etablieren und der Konsum weiter gesteigert werden.[23]

Durch das Kaffeetrinken begann sich die soziale Lebenswelt zu verändern. Es führte zur Ausbildung neuer geselliger Formen und Institutionen; zu erwähnen sind hier vor allem die Kaffeehäuser und die bürgerlichen Kaffeekränzchen. Konkret verbreitete sich der Kaffeekonsum in Europa über zwei differente Stoßrichtungen. Zum einen war das die höfische Aristokratie, wobei besonders die Einführung des Kaffees am Hof Ludwigs XIV. durch den muslimischen Gesandten Soliman Aga 1669 entscheidend gewesen zu sein scheint.[24] Der Lebensstil am Versailler Hof diente dem Adel in ganz Europa als Muster und wurde von anderen Höfen imitiert. Norbert Elias sieht in seinem Werk über den Prozeß der Zivilisation den frühneuzeitlichen Fürstenhof und besonders dem Versailler unter der Herrschaft Ludwig XIV. als die Keimzelle historischer Modernisierungs- und Innovationsprozesse.[25] Am Kurfürstlich-brandenburgischen Hofe trank man bereits in den siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts Kaffee.[26]

[...]


[1] Vgl. Daniela U. Ball, Einleitung, in: Kaffee im Spiegel europäischer Trinksitten, hg. von ders., Zürich 1991 (Veröffentlichungen des Johann Jacobs Museums zur Kulturgeschichte des Kaffees, Bd. 2), (S. 11-16).

[2] Marion Thielebein führt neben diesen Punkten noch weitere an, wie z.B. die Körperhaltung. Vgl. Marion Thielebein, Die Geste des Kaffeetrinkens. Zum Wandel der heutigen Kaffeehauskultur, in: Kaffee – vom Schmuggelgut zum Lifestyle-Klassiker. Drei Jahrhunderte Berliner Kaffeekultur, hg. von Peter Lummel, Berlin 2002, (S. 109-112).

[3] Im Jahr 2004 wurden in Deutschland durchschnittlich 151 l Kaffee pro Kopf konsumiert, beim Bier waren es 115,8 l.

[4] Vgl. Hans J. Teuteberg, Die Eingliederung des Kaffees in den täglichen Getränkekonsum, in: Unsere tägliche Kost. Geschichte und regionale Prägung, hg. von ebd. und Günter Wiegelmann, Münster 1986 (Studien zur Geschichte des Alltags; Bd. 6), (S. 185-201), S. 186.

[5] Ball, Einleitung, S. 15.

[6] Vgl. Jürgen Kocka, Bürgertum und Bürgerlichkeit als Problem der deutschen Geschichte vom späten 18. zum frühen 20. Jahrhundert, in: Bürger und Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert, hrsg. von ders., Göttingen 1987, (S. 21-63), S. 43f.

[7] Günter Wiegelmann, Der Wandel von Speisen- und Tischkultur im 18. Jahrhundert, in: Unsere tägliche Kost. Geschichte und regionale Prägung, hg. von ebd. und Günter Wiegelmann, Münster 1986 (Studien zur Geschichte des Alltags; Bd. 6), (S. 335-344), S. 335. Wiegelmann geht davon aus, daß sich nach dem Dreißigjährigen Krieg, ab etwa 1680, Gesellschaft und Wirtschaft konsolidierten. Zu dieser Zeit gab es mehrere Anzeichen von Prestigeinnovationen, z.B. in der Kochkunst und den Tischsitten, und einen erhöhten Import von Luxusgütern, wie Kaffee oder Tee.

[8] Vgl. Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt8, Frankfurt a.M. 1997, S. 41.

[9] Vgl Detlev Ipsen, Die Kultur der Orte. Ein Beitrag zur sozialen Strukturierung des städtischen Raumes, in: Martina Löw, Differenzierungen des Städtischen, Opladen 2002 (Stadt, Raum und Gesellschaft; Bd. 15), (S. 233-245), S. 235.

[10] Den soziologischen Raum als singulare Form versteht sie dabei nur als eine wissenschaftliche Abstraktion. Er kann nicht mit einem Ort gleichgesetzt werden und nur im Plural bestehen, da er sich nur als (An)Ordnung von sozialen Gütern und Menschen erklärbar ist, was immer zu einer Entstehung mehrerer Räume führt. Vgl. ausführlich zur Theorie Martina Löw, Raumsoziologie, Frankfurt a.M. 2001, speziell S. 263-273. Ähnliches beschreibt Bordieu mit dem sozialen Raum, in dem der Mensch Kontakt zu anderen Akteuren hält. Der soziale Raum ist ein abstrakter, der zugleich die topoi beinhaltet, in dem sich die individuellen Akteure und Gruppen einer Gesellschaft zu homogenen Gruppen konstituieren. Dies geschieht durch Auseinandersetzung zueinander über Kapital, das es ermöglicht, sich bestimmte Dinge oder Personen fernzuhalten oder bestimmten Personen zu nähern und die zur Aneignung benötigten Aufwendungen zu verkürzen. Vgl. zum Raumbegriff bei Bordieu und dessen Unterteilung der Kapitalarten Pierre Bourdieu, Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum, in: Stadt-Räume, hrsg. von Martin Wentz, Frankfurt/ New York1991 (Die Zukunft des Städtiusche; Frankfurter Beiträge Band 2), (S. 25-34), S. 26-30. Ähnliches beschreibt Läpple mit dem gesellschaftlichen Raum, vgl. Dieter Läpple, Gesellschaftszentriertes Raumkonzept. Zur Überwindung von physikalisch-mathematischen Raumauffassungen in der Gesellschaftsanalyse, in: Stadt-Räume, hrsg. von Martin Wentz, Frankfurt/ New York 1991 (Die Zukunft des Städtischen; Frankfurter Beiträge Band 2), (S. 35-46), S. 41

[11] Vgl. Bourdieu, Raum, S. 32. Dieses Phänomen funktioniert ähnlich wie die moderne Segregation. Dieser Begriff soll hier nicht direkt verstanden werden, wie in der modernen Stadtsoziologie angewandt, nämlich als Zu- oder Wegzugsmöglichkeit aus bestimmten Stadtquartieren, sondern in einer allgemeineren Bedeutung. Häußermann und Siebel definieren demnach Segregation als die Protektion der Sozialstruktur auf den Raum. Vgl. Hartmut Häußermann und Walter Siebel, Die Mühen der Differenzierung, in: Martina Löw, Differenzierung, (S. 29-67), hier S. 31f.. Vgl. Bourdieu, Raum, S. 32.

[12] Vgl. Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1990, S. 92.

[13] Dieser Begriff findet in Habermas zweitem Kapitel § 5 Anwendung. Ebd., S. 90-107. Reinhart Koselleck weist den frühen Kaffeehäusern die Bedeutung von „unpolitischen Orten“ zu, in der die bürgerliche Intelligenz frei von der Staatsräson diskutieren konnte, auch über politische Themen. Vgl. Koselleck, Kritik und Krise, S. 52f..

[14] Vgl. Volker Wünderich, Die Kolonialware Kaffee von der Erzeugung in Guatemala bis zum Verbrauch in Deutschland. Aus der transatlantischen Biographie eines „produktiven“ Genußmittels (1860-1895), in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Nr.1 (1994), (S. 39-60), S. 39.

[15] Vgl. Peter Albrecht, Coffee-Drinking as a Symbol of a Social Change in Continental Europe in the Seventeenth an Eighteenth Centuries, in: Studies in Eighteenth-Century Culture, Vol. 18 (1988), (S. 91-103), S. 91.

[16] Vgl. zur frühen Verbreitungsgeschichte des Kaffees und des Kaffeehauses: Peter Albecht, Kaffee. Zur Sozialgeschichte eines Getränks, Braunschweig 1980 (Veröffentlichung des Braunschweigischen Landesmuseum; Nr. 23), S. 7; Ulla Heise, Kaffee. Die Primadonna unter den Kulturpflanzen, in: Kaffee – vom Schmuggelgut zum Lifestyle-Klassiker. Drei Jahrhunderte Berliner Kaffeekultur, hg. von Peter Lummel, Berlin 2002, (S. 9-14).

[17] Vgl. zum Globalisierungsprozess allgemein Annerose Menninger, Genuss im kulturellen Wandel. Tabak, Kaffee, Tee und Schokolade in Europa (16. – 19. Jahrhundert), Stuttgart 2004 (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte; Nr. 102), (S.171-191).

[18] Vgl. Menninger, Genuss, S. 237-246; Peter Albrecht, Kaffee. Zur Sozialgeschichte eines Getränks, Braunschweig 1980 (Veröffentlichung des Braunschweigischen Landesmuseum; Nr. 23), S. 18f.

[19] Vgl. Menninger, Genuss S. 253-255 und S. 261-263.

[20] Vgl. ebd., S. 263-266.

[21] Brief der Herzogin von Orleans vom 8.12.1712, in : Briefe der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans aus den Jahren 1707 bis 1715, hg. von Wilhelm Ludwig Holland, Tübingen 1871 (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 57), S. 296.

[22] Johann Heinrich Zedler, Grosses Vollständiges Universal-Lexikon, Bd. 4, Graz 1961, S. 539.

[23] Vgl. Wiegelmann, Wandel von Speisen- und Tischkultur, S. 320.

[24] Vgl. Albrecht, Kaffee, S. 18f.

[25] Vgl. Norbert Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, Bd. 1, Amsterdam 1997, S.99.

[26] Vgl. Albrecht, Kaffee, S. 18f.

Fin de l'extrait de 31 pages

Résumé des informations

Titre
Neue Räume für Kaffee und Bürgertum im 18. Jahrhundert.
Sous-titre
Die Rolle des „neuen“ Genußmittels bei der Mobilisierung der bürgerlichen Schichten
Université
University of Freiburg  (Historisches Seminar)
Cours
Hauptseminar
Note
1,3
Auteur
Année
2004
Pages
31
N° de catalogue
V91115
ISBN (ebook)
9783638055093
ISBN (Livre)
9783638951463
Taille d'un fichier
591 KB
Langue
allemand
Mots clés
Neue, Räume, Kaffee, Bürgertum, Jahrhundert, Hauptseminar
Citation du texte
Dargleff Jahnke (Auteur), 2004, Neue Räume für Kaffee und Bürgertum im 18. Jahrhundert., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91115

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