Ziel dieser Arbeit ist eine exemplarische Schilderung für das Hochmittelalter typischer Werte, abgelesen an der Ausgestaltung freundschaftlicher Beziehungen in der Literatur. Beispielhaft wird hier „Der Arme Heinrich“ Hartmanns von Aue behandelt, da sich an diesem Beispiel der antiken Aussatzsage wesentliche Merkmale des hochmittelalterlichen Zeitgeistes und Unterschiede zu alternativen Fassungen ablesen lassen.
Dabei soll der in vielerlei Hinsicht radikale Wandel der Gestalt und Ausprägung von Freundschaft besondere Beachtung finden, da der Begriff im Mittelalter bei weitem nicht so freizügig und pauschalisierend eingesetzt wurde wie im 21. Jahrhundert. Die Freundschaft in der Zeit von ca. 450 bis ca. 1500 war ein Konstrukt mit klar definier-ten Grenzen, über dessen Regeln die Wissenschaft dank der regen literarischen Aktivitäten im Hochmittelalter weitestgehend verfügt. In vielen Epen, vorwiegend aus dem Kreise der Artusrunde, werden Freundschaften, meist zwischen Rittern, geschildert. Damit bilden sie unter anderem eine Grundlage für Aussagen zum mittelalterlichen Wertesystem.
Neben der literarischen Produktion sollen auch der Autor selbst be-trachtet und mögliche Interdependenzen zwischen Werk und Autor aufgezeigt werden. Als Schriftsteller im 12. Jahrhundert verfasste er zahlreiche Geschichten, aus denen sich signifikante Merkmale des Zeitgeistes und des damaligen Wertesystems herauslesen lassen. Eine intensive Betrachtung soll hier die Erzählung „Der Arme Heinrich“ finden, in der von Hartmann in Anlehnung an christliche und griechische Sagen das Schicksal des Ritters Heinrich dargelegt wird.
Anhand dieses Beispiels soll hauptsächlich die Beziehung des Ritters Heinrich zu der Tochter der Meierfamilie im Hinblick auf hoch-mittelalterliche Werte und Ideale herausgearbeitet werden.
Die Absicht ist die systematisierte Begründung der These, dass Hartmann von Aue ein individuelles, jedoch auf zeitgenössischen Prototypen basierendes Freundschaftskonstrukt entwirft, um an die-sem höfische Werte in Frage zu stellen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Freundschaft als flexibler Begriff
- Zur Etymologie
- Höfische Werte und Rittertum
- Cerialitas und Freundschaftsentwürfe
- Hartmann von Aue
- Leben
- Werk
- Der Arme Heinrich
- Inhalt
- Motive und Hintergründe
- Freundschaft im Armen Heinrich?
- Der Arme Heinrich
- Kontrafaktur höfischer Wertvorstellung
- Freundschaft zwischen Mann und Frau
- Heinrichs Scheitern in der Welt
- Das Märtyrertum
- Freundschaft und Ehe
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Ausgestaltung freundschaftlicher Beziehungen im Hochmittelalter anhand von Hartmanns von Aues „Der Arme Heinrich“. Ziel ist es, typische Werte des Hochmittelalters aufzuzeigen und diese mit älteren Fassungen der antiken Aussatzsage zu vergleichen. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Wandel des Freundschaftsbegriffes im Mittelalter im Gegensatz zum modernen Verständnis. Die Arbeit beleuchtet auch die Interdependenzen zwischen Werk und Autor und untersucht, wie Hartmann von Aue höfische Werte in seinem Werk hinterfragt.
- Entwicklung und Bedeutung des Freundschaftsbegriffes im Hochmittelalter
- Höfische Werte und ihr Einfluss auf Freundschaftskonzepte
- Analyse der Freundschaft zwischen Heinrich und dem Mädchen in „Der Arme Heinrich“
- Kontrafaktur höfischer Werte in Hartmanns Werk
- Vergleich mittelalterlicher und moderner Freundschaftsvorstellungen
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Diese Einleitung legt die Zielsetzung der Arbeit dar: eine exemplarische Untersuchung hochmittelalterlicher Werte anhand freundschaftlicher Beziehungen in der Literatur, speziell in Hartmanns von Aues „Der Arme Heinrich“. Es wird auf den Wandel des Freundschaftsbegriffes im Mittelalter hingewiesen und die Bedeutung literarischer Werke für das Verständnis des mittelalterlichen Wertesystems hervorgehoben. Die Arbeit untersucht die Beziehung zwischen Heinrich und dem Mädchen im Hinblick auf die hochmittelalterlichen Werte und Ideale, und argumentiert, dass Hartmann ein individuelles, aber auf zeitgenössischen Prototypen basierendes Freundschaftskonstrukt entwirft, um höfische Werte zu hinterfragen.
Freundschaft als flexibler Begriff: Dieses Kapitel beginnt mit der Untersuchung unterschiedlicher Definitionen von Freundschaft in modernen Lexika, um den Wandel des Begriffes zu veranschaulichen. Es wird der Unterschied zwischen der modernen, vielschichtigen Auffassung und der klar definierten mittelalterlichen Bedeutung herausgearbeitet. Der Begriff "vriunt" im Mittelhochdeutschen wird etymologisch und semantisch analysiert, wobei die Verbindung zu Verwandtschaft und die damit verbundene Verpflichtung im Mittelalter im Gegensatz zum modernen Verständnis von Freundschaft beleuchtet wird.
Hartmann von Aue: Dieses Kapitel bietet einen Überblick über das Leben und Werk Hartmanns von Aues. Es führt in die Handlung von „Der Arme Heinrich“ ein und gibt einen Einblick in die Motive und Hintergründe des Werkes. Der Fokus liegt auf der Vorbereitung einer detaillierten Analyse der Freundschaftsbeziehung in der Erzählung und der Einbettung dieser in den hochmittelalterlichen Kontext.
Kontrafaktur höfischer Wertvorstellung: Dieses Kapitel analysiert die Darstellung von Freundschaft zwischen Mann und Frau in „Der Arme Heinrich“ im Kontext hochmittelalterlicher Wertvorstellungen. Es untersucht Heinrichs Scheitern in der Welt aufgrund von Egoismus und stellt die christliche Hingabe des Mädchens dem weltlichen Handeln Heinrichs gegenüber. Die Themen Märtyrertum und die Beziehung zwischen Freundschaft und Ehe werden im Zusammenhang mit den höfischen Werten beleuchtet und der antithetische Charakter der Beziehungen diskutiert.
Schlüsselwörter
Freundschaft, Hochmittelalter, Hartmann von Aue, Der Arme Heinrich, höfische Werte, Curialitas, vriunt, Caritas, triuwe, Kontrafaktur, Märtyrertum, christliche Hingabe, weltliche Hingabe, Egoismus.
Häufig gestellte Fragen zu: Hartmann von Aues "Der Arme Heinrich" - Eine Analyse der Freundschaft im Hochmittelalter
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Darstellung freundschaftlicher Beziehungen im Hochmittelalter, insbesondere in Hartmann von Aues "Der Arme Heinrich". Sie untersucht, wie der Freundschaftsbegriff im Mittelalter verstanden wurde und wie er sich vom modernen Verständnis unterscheidet. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Hinterfragung höfischer Werte im Werk Hartmanns.
Welche Ziele verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, typische Werte des Hochmittelalters aufzuzeigen und diese mit älteren Fassungen der antiken Aussatzsage zu vergleichen. Sie beleuchtet den Wandel des Freundschaftsbegriffes im Mittelalter und untersucht die Interdependenzen zwischen Werk und Autor. Im Fokus steht die Analyse der Freundschaft zwischen Heinrich und dem Mädchen in "Der Arme Heinrich".
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Entwicklung und Bedeutung des Freundschaftsbegriffes im Hochmittelalter, höfische Werte und deren Einfluss auf Freundschaftskonzepte, die Analyse der Freundschaft zwischen Heinrich und dem Mädchen, die Kontrafaktur höfischer Werte in Hartmanns Werk und einen Vergleich mittelalterlicher und moderner Freundschaftsvorstellungen. Die etymologische und semantische Analyse des mittelhochdeutschen "vriunt" spielt ebenfalls eine Rolle.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit ist in Kapitel unterteilt, beginnend mit einer Einleitung, die die Zielsetzung und den methodischen Ansatz beschreibt. Es folgt ein Kapitel zur Entwicklung des Freundschaftsbegriffes, ein Kapitel zu Hartmann von Aue und seinem Werk "Der Arme Heinrich", ein Kapitel zur Analyse der Freundschaftsdarstellung in "Der Arme Heinrich" im Kontext höfischer Werte und ein abschließendes Fazit. Die Arbeit enthält außerdem ein Inhaltsverzeichnis, eine Zusammenfassung der Kapitel und Schlüsselwörter.
Welche Rolle spielt "Der Arme Heinrich"?
"Der Arme Heinrich" dient als Fallbeispiel für die Analyse der Freundschaft im Hochmittelalter. Die Arbeit untersucht die Beziehung zwischen Heinrich und dem Mädchen im Hinblick auf die hochmittelalterlichen Werte und Ideale und analysiert, wie Hartmann höfische Werte in seinem Werk hinterfragt und ein individuelles Freundschaftskonstrukt entwirft.
Wie werden höfische Werte in der Arbeit betrachtet?
Die Arbeit untersucht, wie höfische Werte (z.B. Cerialitas, triuwe) die Konzepte von Freundschaft beeinflussen und wie Hartmann diese Werte in seinem Werk möglicherweise hinterfragt oder kontrafaktisch darstellt. Der Gegensatz zwischen weltlicher und christlicher Hingabe wird in Bezug auf die Handlung und die Charaktere untersucht.
Welche Schlüsselbegriffe sind wichtig für das Verständnis der Arbeit?
Wichtige Schlüsselbegriffe sind Freundschaft, Hochmittelalter, Hartmann von Aue, Der Arme Heinrich, höfische Werte, Curialitas, vriunt, Caritas, triuwe, Kontrafaktur, Märtyrertum, christliche Hingabe, weltliche Hingabe und Egoismus.
Wie unterscheidet sich das mittelalterliche Verständnis von Freundschaft vom modernen?
Die Arbeit hebt den Unterschied zwischen der modernen, vielschichtigen Auffassung von Freundschaft und der im Mittelalter klar definierten Bedeutung hervor. Im Mittelalter war Freundschaft oft enger mit Verwandtschaft und Verpflichtung verbunden als im modernen Verständnis.
- Citation du texte
- Sebastian Rupp (Auteur), 2006, Freundschaft im Mittelalter - Kontrafaktur höfischer Werte in Hartmanns von Aue "Der Arme Heinrich", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91129